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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 08.08.1925
- Erscheinungsdatum
- 1925-08-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192508082
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19250808
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19250808
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
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Jahr
1925
-
Monat
1925-08
- Tag 1925-08-08
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Monat
1925-08
-
Jahr
1925
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Selle 2 Das Unterhaus -«willigt die Bergbausubvention London, 7. August. Das englische Unterhaus nahm am Donnerstag in später Abendstunde mit 951 Stimmen der Konserva tiven Partei gegen 10 Stimmen der Liberalen bei Stimmenthaltung der Arbeiterpartei den ersten Nachtragsetat zur Deckung der Kohlensubvention an. Baldwin, Mardonald, Lloyd George und Churchill hatten längere Neben gehalten. Französisches Vordringen in Marokko Pari», 7. August. Ueber die Lage an der französischen Marokkofront berichtet, Havas" aus Fes, daß die in der Gegend von Fes cl Bali und nördlich von Uergha unternommenen Operationen einen günstigen Verlauf nehmen. Zn der Morgenfrühe seien die Vor- I Uen der französischen mobilen Truppe in den Ge- Grgsgegendcn nördlich des Flusses angelangt und tröst des feindlichen Widerstandes weiter vor- gedrungen. O Paris, 7. August. Zu den englischen Meldungen, daß die französi- schen Truppen in Syren, die gegen die Drusen aus geschickt wurden, Vcrlnstc an Menschen und Material erlitten haben sollen, teilt der „Matin" mit, daß diese Nachricht den Tatsachen entspricht, und daß der Oai d'Orsay bereits eine Bestätigung dafür erhalten habe. Es liegen bisher jedoch noch kerne genauen Nachrichten über die Höhe der Verluste an Menschen und Material vor. Oie Stadt Leipzig rechtfertigt sich ZurFrage des Finanzansgleichs wird vom Nat folgendes mitaeteilt: Die Handkls- tammcr Leipzig und die LcirGiger Spistenverbände von Handel und Industrie habsn unterrn 28. Juli an die Rcichsbagsabgeordneten wegen des Finanzaus gleichs ein Schreiben gerichtet, gegen das der Nat in iinem Schreiben an die Handelskammer Stellung nehmen mußte. Das Schreiben der Handelskammer und der Verbände geht davon aus, ärß die Länder und Gemeinden im vergangenen Jahre zu große Steuerbcträge unkontrolliert erhalten hätten, und daß durch die »unkontrollierte Wirtschaft" mit den überlassenen NeichsgelderN der Neichshaushalt gefährdet werde. Diese Begründlrng ist um so auffälliger, als ge rade die Gemeinden zu dcujenige» Körperschaften des öffentlichen Nechts gehören, die im vollsten Lichte der Öffentlichkeit arbeiten. Was die Stadt Leipzig an langt, so wird wohl in keiner 26eisc der Nachweis ge lingen, daß bei den große» Aufgaben unserer Stadt ans dem Gebiete des Verkehrs, des Bildungswesens, der Hygiene und der gesamten öffentlichen Wohlfahrt nicht .in sparsamster Weise gewirtsckmftct worden wäre. Uebrigens ist die Selbstverwaltung der Ge meinden durch die Entwicklung, welche die Gesetz- glbdttff seit der Revolution genommen hat, gegen fr Mi: bereits ganz wesentlich beschränkt. Die Ein- >.ab<!'spricht erstaunlicherwrise von einem Ansturm der Gemeinden auf die Finanzhohcit des Reiches, »»ährend bekanntlich gerade umgekehrt die Gemein den durch die Entwicklung der letzten Jahre ihre StruerholM in der Hauptsache an das Reich ver loren haben. Auch für die Beaintcnbesoldnng und für den Ilmfang des Veamtcnkörpers sind jetzt dre Grundsätze des Reiches in den Gemeinden maß gebend. Die bisherige glänzende Entwicklung des deut- sä, en Städtewesens beruhte in der Hauptsache auf der Sellrstverrvaltung der Städte. Wenn man diese noch weiter beschränkt und gar noch durch eine neue Finanzkontrolle des Reiches überhaupt hinfällig macht, dann wir- cs vorüber sein mit dem Alst- Ichwunq der deutschen Städte. Keine Erklärung des Wirtschafts ministeriums zur Mietpreiserhöhung Berlin, 7. August. Von verschiedenen Blättern war mitgcteilt wor den, daß der Reichswirtschaftsministcr Dr. Neu haus dem R e i ch s b u n d D e u t sch e r Mieter- vereine erklärt habe, daß mit einer Dauermicte von 140 Prozent zu rechnen sei Die Frage der Wohnungswrtschaft wird im Reichs a r b e i t s - Ministerium berat. Weder der Reichswirt, s ch a f t s Minister noch ein Vertreter des Neichswirtschaftsministeriums hat eine derartige Erklärung abgegeben. KN. «Scdurtslaa vcö früheren Landtafls- präsiventen Bogel m. Dresden, 2. August. Der frühere Präsident des sächsischen Landtages und Ehrenvorsitzende der Deutschen Dolkspartei, Dr. Vogel, beging gestern in Barenburg lxn Kips- dcrf seinen 80. Geburtstag. Zuerst rvar er Stadt verordneter in Dresden und scrt 1901 Landtagsabge- ordnrtcr. Als Führer der stärksten Fraktion wurde er im Jahre 1909 zum Präsidenten des Landtages gewählt. Er bekleidete diesen Posten bis zum Zu sammenbruch. Vogel gehörte jahrzehntelang dem Zentralvorstand der Nationallibcralcn Partei an. Seit der Revolution hat Vogel sich zurückgezogen. Seine letzte politische Handlung war die Reuformie- rung der alten Partei. Internationale Konferenz zur Bekämpfung VeS AlkoholfchmuaaelS Helflngfor», 7. August. Die finnische Regierung Kat zu einer Konferenz zur Bekämpfung des Alkoholschmuggels, die am 14. August in Hclsinyfors zusammentreten soll, ringelnden. Alle interessierten Staaten haben die Einladung angenommen. Der amerikanische Konsul von Lharbin stellte nach langen vergeblichen Bemühungen fest, daß der von den Banditen verschleppte Dr. Howard vom Rocke- feller-Institut in Peking noch lebt und festgehalten wird. Chinesische Beamte haben Verhandlungen mit den Banditen ausgenommen, so daß die baldige Frei lassung erwartet werden könne. w'Z: - ,Leiprig«r Tngeplatt 4- Sie kitMeide Reichsfinanzmimster Schrieben betonte in seinen Ausführungen die große Bedeutung des jetzt vor dem Abschluß stehenden Steuerwerke«: .Diese» Werk bezweckt den A b b a u der aus schärfster wirtschaftlicher Rot heraus geborenen Steuern und den Ueoergang zu einer normalen Steuer, wirtschaft. Di« finanzpolitisck)« Verantwortung für da» Wciterleben eines Millionenvolkes gestattet uns nicht, bei der Gestaltung de» Steuersystem» nur an ein kurzes Jahr zu denken. Das System muß vielmehr so festgefügt nnd so entwicklungsfähig sein, daß es auch in den kommenden Jahren schwerer Lasten nicht versagt, d. h. nicht Thesaurierungs politik, sondern lediglich vorsichtige Finanzpolitik. (Beifall rechts). Das Gcsetzgcbungswerk regelt im Finanzausgleich auch das steuerliche Ver hältnis zwischen Reich, Ländern und Gemeinden. An der Quoteuverteilung der großen Ueberweisungs- steuern muß ich unbedingt sesthalten, aber von dem aufrichtigen Willen geleitet, dem Wunsch der Länder entgegenzukommen und ihnen die Sorge um ihren Haushalt soweit zu erleichtern, als es vom Stand- punkt des Reiches möglich ist, habe ich mich bereit erklärt, den Gedanken der Reichsaarantie für das Steueraufkommen ver Länder weiter auszubauen. Das Reich will jetzt die Ga- rantic übernehmen sowohl für das Abkommen aus -er Umsatzsteuer, als auch für die Gesamt- summe der Steuern. Dem dahingehenden neuen Kompromißantrag der Regierungsparteien stimmt die Regierung zu. Wenn jetzt dieses große Stcucrgesetzgebungswerk abgeschlossen wird, so ver dienen alle diejenigen Dank, die trotz aller Zweifel erreicht haben, daß hier ernste und sachlich« Arbeit geleistet wurde, für den weiteren Wiederaufbau unseres Vaterlandes. (Lebhafter Beifall rechts nnd im Zentrum!). Abg. Or. Hertz (Soz.) Im Gegensatz zu der Red« des Ministers müssen wir erklären, daß die Steuervorlage nicht das Werk sachlicher Notwendigkeit, sondern rein partei politische Vereinbarungen sind. Sie sind da» Ergebnis geheimer Vereinbarungen über Zölle und Steuern, deren einzeln« Teile das Licht der öffentlichen Kritik zu scheuen haben. (Lebhafte Zustimmung links!). Die Berechnungen des Finanz- Ministeriums, auf die sich hier die Beratungen stützen, haben absichtlich den Ertrag der Brsitzsteuer zu hoch, den Ertrag der Verbrauchssteuer, der Einkommen steuer und vor allem der Lohnsteuer zu niedrig ein- geschätzt. Das neue Steuergesetzgebungswerk bringt eine starke Senkung der Brsitzsteuer, aber eine neue Mehrbelastung ves Verbrauchers. Durch diese Steuerpolitik rverde bewußt die Bildung großer Vermögen begünstigt, die Bildung kleiner Veryrögen erschwert. Während bis jetzt im Durch schnitt aus öen Massensteuern bis zu 70 Prozent des Gesamtsteueraufkommeng herausgewirtschaftet wurden, wird jetzt diese Grenze bedeutend über- schritten nnd der Anteil der Bcsitzsteuern an dem Gesamtsteuerertraq wesentlich vermindert. Kein Land der Welt hat eine so unsoziale Steuergesetz gebung wie Deutschland. Je niedriger das Ein kommen, um so höher ist die prozentuale Steuer- belastung in Deutschlan-. Nicht der Reichtum wird in Deutschland besteuert, sondern die Armut. (Lebhafte Zustimmung links.) Die Lohn- und Ge- lmltsempfänyer bringen der Gesamtsteuern auf; der Besib zahlt 16, die Arbeit 16. Die Finanzpolitik der hn-ligen Regierung ist eine ganz bewußte Begünstigung des Großbesitzes. Die Ruhrindusiricllen haben in der Ruhrentschädigung ohne Wissen des Reichstages ein Geschenk von vielen hundert Millionen «.'kalten, der Großlandwirtschaft ist der gesamte Ertrag der Landabgabe in voller Höhe zurückgezahlt worden. In derselben Zeit, in der der Minister erklärte, das Reich habe kein Geld, die Notlage der Beamten zu beheben, die Umsatz steuer weiter zu senken oder auf die druckenden Ver brauchssteuern zu verzichten, in der selben Zeit hat dieser Minister der Großland wirtschaft ein neues Geschenk von 75F Millionen gemacht durch Ueberweisung Lieser Summe an die Landwirtschaft»- Rcntenbank, ohne daß das Reich dazu verpflichtet ge- wesen wäre. (Hört! hört! links.) Auch das ist wieder hinter den Rücken des Reichstages geschehen. Das Wort eines bekannten Finanzschriftstellers scheint sich zu bestätigen: »Wenn das Reich zu weuig Geld hat, gibt es Inflation, wenn cs zu viel Geld hat, gibt cs Korruption." (Lebhafte Zustimmung links). Das Ziel dieser Wirtschaftspolitik ist nicht der Schutz des Menschen, sondern der Schutz des Profites. Di« Lasten aus dem Dawes- gutachtcn sollen von der arbeitenden Masse ge- tragen werden, während der Gewinn aus dem Ab kommen von der Dourgoisie beansprucht wird. Die Regierungsparteien werden die Ernt«, die sie auf Kosten des arbeitenden Volkes gemacht haben, in ihre Scheuern bringen, aber wir rufen ihnen warnend zu: »Wer Wind sät, wird Sturm ernten.' «Bei- fall links). Abg. Or. Kifcher»Köln (Dem.) vermißt noch immer ein« klar« Antwort de» Mini sters aus seine früheren Ausfükrungen. in denen er zahlenmäßig die Unrichtigkeit der Berechnun gen des Finanzministeriums nachgewiesen habe. Warum bekommen wir nicht endlich «in« klare, grundsätzliche Darstellung der gesamten wirtschaft»- und finanzpolitischen Richtlinien der Finanzpolitik des Ministers? Glaubt di« Regierung, dauernd allein für den inneren Derwaltungebedarf von Reich, Ländcrn und Gemeinden der Wirtschaft alljährlich 10—11 Milliarden an Steuern abheben zu können? Wenn durch di« heutige Steuerpolitik di« öffentlichen Kasten gefüllt werden, der Wirtschaft aber das Kapital weit über den Staatsbedarf hinaus entzogen wir-, so sieht dieser Vorgang den von den Regierungsparteien so laut bekämpften Sozia- ltsi«runq«bestrebungen außerordentlich ähnlich. k-Sebr wahr!" bei den Demokraten). Staat und Wirtschaft erfordern gebieterisch eine möglichst sofortige Abkehr von dieser Politik. Die -emo- RkichMMW kratisch« Fraktion hält es angesichts der stark ableh nenden Haltung der Regierungsparteien für über flüssig, neue Anträge cinzubringen. Sie lehnt die Vorlage ab. (Beifall bei den Demokraten.) Abg. Koenen (Komm.) gibt zu, daß die Regie rung mit ihrer Vorlage das Ziel erreicht habe, die Wirtschaft steuerlich zu entlasten; das sei aber auf Kosten der Arbeitnehmer geschehen. Don einer Not der Großagrarier und des Großkapitals könne man nicht sprechen. Die Kleinbauern be dürften dagegen einer Besserung ihrer Lage. SteichSfinanzminister Dr. von Lchliebn wendet sich gegen einige Ausführungen des Abg. Dr. Fischer. Es sei nicht möglich, jetzt einen langen Streit um Zahlen zu beginnen. Die Forderung des Abg. Fischer, mit den Ucberschiisten des letzten Jahres die kommenden Ausgaben zu decken, sei das Gegenteil einer vorsichtigen Finanzpolitik. Die Wirt schaft sei in der Lage, die ihr aufcrlegten Lasten zu tragen. Sie werde das nur mit Mühe und Sorge können. Aber wir haben doch nun einmal einen verlorenen Krieg und die Inflationszeit hinter uns. Er s«i durchaus damit einverstanden, daß der Etat erst in einigen Monaten verabschiedet wird. Zeig« sich dann, daß neue erhebliche Ueberschüsse da sind, so sei er durchaus bereit, eine weitere Milde rung der Steuern vorzubereiten. Den Vorwurf einer Verletzung des Budgetrechts muß er zurückweisen. Der Minister wendet sich schließlich gegen eine demo kratische Entschließung auf Einsetzung einer Unter suchungskommission zur Prüfrmg des Verhältnisses zwischen Eteuerleistung und Eteucrkraft der Wirt schaft. Staatssekretär Fischer sucht in längeren finanz technischen Ausführungen nachznweisen, daß Abg. Dr. Hertz im Irrtum sei. lvcnn er die Vcrc.nborung zwischen Reichsbank und Rcntenbank als eine Art Geschenk an Li« Rentenbank betrachte. (Widerspruch bei den Sozialdemokraten.) Abg. Geistert (Völk.): „Da die Regierungsparteien all« Derbesserungsanträge, auch die vernünftigsten, rücksichtslos ablehnen, halten wir es für zwecklo s, zur dritten Beratung noch viel zu debattieren. Wir werden uns deshalb auf eine kurz« Entschließung be schränken.' In der Entschließung wird ausgeführt: „Die Steuervorlage ist unannehmbar, weil sie bei -er Umsatz- und bei den Bcrbrauchsstc^rn nicht den Abbau bringe, die angesichts der bevorstehenden Zollvorlagen dringend erforderlich sind, lvenn sich nicht di« Lebenshaltung des einfachen Mannes in unerträglicher Weis« verteuern soll. Die Mietzins- steu«r ist eine besonders unsittliche Steuer. Eie ist außerdem versaffungsändernd und bedarf zu ihrer Annahme ein« Zweidrittelmehrheit. Wir beantragen namentliche Abstimmung ül>er diese Frag«. Wir lehnen di« Steuervorlage ab.' Abg. Dr. Brüning (Ztr.) weist zunächst einige Angriffe der Abg. Dr. Fischer und Koenen zurück und wendet sich dann besonders eingehend gegen die Ausführungen des Abg. Dr. Hertz. Er sagt da zu: „Wir haben uns sehr znrückgehalien mit Rücksicht auf di« zukünftig« Entwicklung. Der Wille zur Ver ständigung mit der Linken ist dauernd bei uns vor- banden gewesen. Dieser Verständigungswille hat bei verschiedenen Beschlüssen auch Früchte getragen. Wir haben uns immer bemüht, auch die Linke wie der zur Dcrantwortung mit heranzuzichen. Wenn ich aber an die Möglichkeit denke, daß das Zentrum mit Herrn Dr. Fischer und mit d«r Sozial-emo- kratic allein die Stenern machen wollt«, so überläuft mich ein Grausen. Wenn die Sozialdemokraten die Steuerfragen zur Agitation gegen uns benutzen wollen, so werden wir dem Volke sagen, daß die Sozialdemokraten, als sie in der Negierung saßen, eine ganz andere Steuerpolitik gemacht haben. (Hört, hört! rechts.) Wir können auch Hinweisen auf di« besondere unsoziale Art der Erhebung der Hauszins st en er durch die preußische Regie rung, in der di« Sozialdemokrat«» maßgebenden Einfluß haben.' Abg. Dr. Hertz (Soz.) bestreitet unter Berufung auf das Stenogramm seiner Rede, daß er dem Zen trum vorgeworfen habe, es hätte seine Grundsätze geg«n einen Minister-Posten verkauft. Er habe dem Zentrum nur die Gefahr zeigen wollen, die aus der Aehnlichkeit seiner Haltung mit der der Dcutschnationalcn erwachsen könnte. Äby. Dr. Hertz weist dann den Vorwurf zurück, daß die sozialdcnw- kratischcn Anträge dem agitatorischen Bedürfnis ent sprungen seien. Auch Dr. Brüning habe nicht über legen können, daß die meisten sozialdemokratischen Antrag« mit den Forderungen der christlichen Gewerk schaften übcrcinstimmten. Das Abkommen mit der Rentenbank sei eine offensichtliche Verletzung des Liquidationsgesetzes. Die Sozialdemokratie beantrage, den Hauskaltsausschuß mit einer Nachprüfung der Frage zu beauftragen, in welcher Weise das Liqui- dationsyesetz vom Reichsfinanzministerium dnrchge- fiihrt worden ist. Damit schließt die allgemeine Aussprache. Es folgt die E i n ze lb c r a t u n g. Bei der «inkommenfteuer wird auf Antrag Horlacher (Bayr. Dp.) der steuer freie Veräußerungsgewinn bei Gewerbebetrieben von 28 000 auf 10000 Mark herabgesetzt. (Die Sitzung dauert an.) (Lin bedeutsames Gewerlschaftsbündnis Laut „Vorwärts' ist zwischen dem Verband der Gemeinde, und Staatsarbeiter, der Reichsgewerk» schäft deutscher Kommunalbeamten, dem Linheitsver- lxrnd der Eisenbahner Deutschlands und dem Deut schen Dcrkehrsbund «in Kartellvertrag zum Zwecke einer wirksamen gemeinsamen Interessen vertretung abgeschlossen worden. Di« Zu- semmenarbeit erstreckt sich u. a. auf die Aufstellung und Verfechtung allgemeiner Grundsätze auf dem Ge biete -er Lohn- und Gehaltspolitik und de« sozialen Arbeitsreckts. Die Bewegungen zur Verbesserung der Besoldung und Entlohnung, zur Verkürzung der Arbeitszeit ufw. sollen in engstem Einvrrnehmcn der Verbände untcrcinan-ie geführt werden. , MbMte MW»« Wenn ein Haus in Flammen steht, so trachtet jeder vernünftige Mensch danach, den ' Brand zu löschen. Dann erst sieht man sich nach der Brandursache und dem Schuldigen um. Die gleiche Methode gilt auch dann, wenn Men schenleben auf dem Spiele stellen oder sonstwie vom Schicksal hart bedrängt werden. Der erste Gedanke ist also, zu helfen. Bei der Optanten tragödie hat sich gezeigt, daß nicht alle Kreise in; deutschen Volke diese Regel für ihr Verhalten anwenden, denn als die ersten Meldungen von dem Elend in Schneidcmühl verbreitet wurden, war auf dieser Seite das Echo nicht ein Ruf nach Hilfsnmßnahmen zu hören, sondern der Schrei nach dem Schuldigen. Und zwar nicht in Form einer Anfrage, sondern darüber hinaus- greifend in der gehässigen Gestalt der Anklage. Endlich glaubten die Rechtsireise wieder einmal eine günstige Gelegenheit gefunden zu Izaben, um den ihnen so verhaßten preußischen Innen minister Severing an den Pranger zu stellen, in der Zuversicht, das düstere Drama an der deut schen Ostgrenze werde auch diesen Mann und seilte Amtsführung im finstersten Licht er- scheinen lassen. Die Angriffe hörten selbst dann nicht auf, als durch das schnelle und tatkräftige Eingreifen Severings, der sofort nach Schneide mühl geeilt war, um die dortige Lage persönlich zu überschauen, sich die Zustände im Vcrtric benenlager gebessert hatten. Nein, gerade dann erst setzten die deutschnationalen und völ tischen Blätter ihre Hetze nut verstärkter Wut fort. Sie empfanden keine Scham, das erschiil- ternde Geschick der Vertriebenen politisch zu miß brauchen. Völkische Werber tauchten im Op tantenlager auf, nicht etwa, um den Annen zu helfen, sondern um die überfüllten Menschenlager zur Stätte ihrer Propaganda zu machen. Die „Deutsche Zeitung" blühte sich auf und hatte die Stirn, zu behaupten, daß in Schneidemühl große Erregung herrscht, „weil die Regierung noch keine Vergeltungsmaßregeln gegen Polen durchgcführt hat und weil die Ausgewiosencn die schlvarzweißrote Fahne wieder l>aben woll ten". Ein Leipziger Ncchtsblatt ging noch weiter und zitierte sogar die „Times", die bei anderen Gelegenheiten als das abgefeimteste Liigcnorgan der Welt bezeichnet wird, als Kron zeugen, daß an dem Elend in Schneidemühl nur die preußische Regierung die Schuld trage. Völ kische Provokateure, die kaum das Gefängnis hinter sich gelassen hatten, schickten von Schneide mtthl aus Telegramme an Hindenburg und Ludendorff, in denen sie sich zum Sprecher von den Tausenden von Vertriebenen aufspiclten. Der Hauptschlag jedoch sollte im Plenum des Reichstages geführt werden. Dieselben deutsch natiopalen Herren, deren Riesenbesitzungen un weit Schneidemühls liegen und die nur die. Tore ihrer Güter lind Schlösser zu öffnen brauchten, um alles Elend in Stunden abzu stellen, brachten eine Interpellation ein, die sich im letzten Grunde gegen die verhaßte republika nische Negierung in Preußen richtete. Es wor ein schöner Zug vom Außenminister Stresemann daß er vor die Front trat und auch die richtigen Worte fand, um den geschäftigen Dunkel männern das Handwerk zu legen. Das Seitenstück zu dieser ungeheuerlichen Methode, die Leiden von Landsleuten partei politisch auszuschlachtcn, bildete in allerletzter Zeit das Vorgehen der Nechtskreise im benach lxrrten Deutsch-Oesterreich. Ein jugendlicher Turner war von einem vielfach vorbestraften Iu- dividiuum, das die Mittel zu seiner lasterhaften Lebensführung als Zuhälter erwarb, nieder geschlagen. Die Rechtspresse zeterte, schrie ..ein politischer Mord, ausgefiihrt von der Linken," rief zur Massenbeteiligung au der Begräbnisfeier des Erschlagenen auf, selbstver ständlich mit Fahnen und Abzeichen, und schwieg auch dann noch nicht, als ganz klar erwiesen lvar, daß cs sich nicht um eine politische Tat, sondern um das Verbrechen einer kriminellen Person handelte. Bedauernswerte Konventikel', die glauben, durch gemachte Erregungen ihrer „Bewegung" den Impuls zu geben, der auf. natürliche Art nicht möglich ist. Wann wird endlich eingegriffen? Berlin, 7. August. Das „Berliner Tageblatt" bringt heute neue Enthüllungen über dar- Treiben -er Gcheimorgani- sationen in Mecklenburg. Es erübrigt sich, auf die Einzelheiten dieser sattsam bekannten Zustände ein zugehen, die nur dadurch möglich sind, daß die amtlichen Organe das Treiben still schweigend dulden. Eine alte Gastwirtsfrau erklärte dem Gewährsmann des Blattes fügendes: Wir sind verängstigt, wir können ja doch nichts da gegen tun. Anzeigen haben keinen Zweck, und ver- suchen wir, uns selbst zu wehren, so wird man uns, wie schon so viele, wegen Landfricdenbruches ver- klagen. Die Bevölkerung leidet schwer unter dem Druck dieser nationalistischen Revolverhelden die, wie z. B. in dem alten Städtchen Wismar, pro grammäßig von Wirtschaft zu Wirtschaft gehen, nationalistische Lieder singen, und jeden verprügel», der nicht mitmacht. Der Plan, die beiden zum Tode verurteilten Fememörder Groll sind Notzen aus dem Gefängnis zu befreien, wird weiter verfolgt. Arnh hierüber macht das Blatt nähere Angaben. Neuer dings spreche nwn übrigens davon, eine engere Der- bindung mit den entsprechenden Organisationen in Ostpreueßn herzustcllcn. Königshiitte, 7. August. In der ?!acht zum Donnerstag entdeckt« di« poli tische Polizei in KSnigsbütte ein« kommunistische Propagandastelle. Di« Polizei überrascht« zehn Personen beim Drucken von Flnablättern und kom munistischen Schriften. Alle zehn Per>o"-'u wurden tzem Gesäjrgms Lu geführt.
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