Suche löschen...
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 05.08.1925
- Erscheinungsdatum
- 1925-08-05
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192508056
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19250805
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19250805
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1925
-
Monat
1925-08
- Tag 1925-08-05
-
Monat
1925-08
-
Jahr
1925
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Seite 4 MieiiliWiW Mi» MiinzoekbreAn In der großen Attienfälschungsasfärc, bei der die Stadlsparkasse Fürstenwalde um 500 000 Mark geprellt wurde, ist nach einer acht Monate lang i-esührtcn Voruntersuchung durch Landgcrichtsrat < > ringer jetzt durch Oberstaatsanwalt Dr. Linde die Anklage erhoben worden. Sie richtet sich gegen zehn Personen, und zwar den Kaufmann Walter Rösner -iias v. Blumenthal, den Kaufmann Ludwig Pocck, den Kaufmann Werner Jacobi, den Kaufmann Hein rich Römer, den Kaufmann Heinrich Wehrfritz, den Kaufmann Gustav Haas, den Kaufmann Günther Jacobi, Dr. Paul Goeckeritz, die Schauspielerin Mar got Stocrck und de» Direktor der städtischen Spar kasse in Fürstenwalde Ernst Dauber. Gegen die Hauptbeteiligtcn lautet die Anklage aus Münz verbrechen und vollendeten sowie ver suchten Betrug. Einige Mitangeklagte werden der Begünstigung und Beihilfe beschuldigt, während der Direktor Daübrr wegen Bestechung und Untreue angcklagt ist. Die beiden Erfinder des Planes waren Rösner v. Blumenthal und Bocck. Beide sind bereits mehr fach vorbestraft. Rösner hatte seinerzeit ein großes Betrugsmanövcr mit der M a j e st i c - Film- A k t i e n g c s e l l s ch a f t in Szene gesetzt, als deren Generaldirektor er auftrat. Er war dann wegen BKrugs sowohl in dieser Sache als auch in einer anderen Affäre zu einer Gesamtstrafe von Jahr Gefängnis verurteilt worden. Nach Perbüßung seiner Strafzeit war cs ihm gelungen, sich von dem in zwischen verstorbenen Lcgationsrat a. D. Baron r Blumenthal adoptieren zu lassen. Als Baron trat er jetzt sehr großspurig auf und war sogar im Be- griff sich nochmals adoptieren zu lasten, um den Grafentitcl zu führen. Zusammen mit Boeck. der auch schon erhebliche Strafen erhalten hatte, gründete er eine neue Filmgesellschaft, die Batavia Film Export Company. Als dicses Unternehmen in große Geldschwierigkelten ge ltet, die hauptsächlich durch den luxuriösen Lebens wandel ihrer beiden Leiter hcrvorgerufcn worden waren, kamen sie auf den Plan, Aktien zu fälschen. Sic suchten sich dazu die besten Papiere o'.'s. Es gelang ihnen, eine Verbindung mit Dauber zu bekommen, der durch die Aussicht auf hohe Provision veranlaßt wurde, die Aktienpakete bei der Stadtsparkaffe in Depot zu nehmen und den beiden Generaldirektoren einen Kredit in Höhe von 500 000 Mark cinzuräumcn. Rösner und Boeck legten dann noch unter Berufung auf ihr Depot bei der Stadtsparkaffe in Fürstenwalde verschiedene Privatpersonen ebenfalls mit größeren Beträgen hinein Als alle diese Summen für ihren Bedarf nicht ousrcichtcn, leiteten sie einen neuen Schwindel ein. Diesmal hatten sie sich die Stadtschaft der Mark Brandenburg ausersehen, von der sie wiederum eine Beleihung ihres Aktien- pakets mit 500 000 Mark erzielen wollten. Die diesmal gefälschten Effekten waren Aktien der Ber einigten Glanzstoff-Fabrik, Aktiengesellschaft, in Elberfeld. Bei oer Durchsicht des Aktienpakets fiel cs den Beamten der Etadtschaft aber auf daß Privat leute im Besitz fortlaufender Nummern dieser hochwertigen Aktien sein sollten. Eine nähere Prüfung machte sic dann auch auf verschiedene Ab weichungen der Aktion mit den Originalen, die in ihrem Besitz waren, aufmerksam. Dadurch wurde der Schwindel aufgedcckt. Die Hauptbeteiligten hatten noch rechtzeitig das Weite gesucht. Rösner v. Blumen- !hal wuroe jedoch verhaftet, als er versuchte, über ie Grenze zu gehen. Boeck ist erst nach längerer Zeit in London ergriffen worden. Die Haupt- verhandlnng dürfte unmittelbar nach den Ferien vor dein Schöffengericht Berlin-Mitte stattfindcn. Schwere Llnwetter Breslau, 4. August. Die schweren Unwetter, die in den letzten Tagen im Waldenburger Bcvglande nicdcrgegangen sind, haben für weite Gegenden des Gebietes unermeß lichen Schaden gebracht, der allein im Kreise Waldenburg auf mindestens eine Million Goldmark zu sclssitzen ist. In vielen Ortschaften wurde die Ernte bis zu 00 Prozent vernichtet. Durch Blitz- schlag sind in den letzten Tagen in Niedcrschlesien etwa fünf Gehöfte eingcäschert worden. Eine An- ahl Erntearbcitcr wurde durch Blitzschlag getötet. Lilliiil mH dtt SlliWl Bon vliiro «susvr Sie stand vor dem Spiegel ... Er hing in gol denem Rahmen an einer der Hellen und geblumten -Künde ihrer Stube, gerade hoch genug, um ihre Gc- .alt zurückzuwerfen, die kümmerlich war und ver- w.u' fen. cie haßte ihn, wie man ein lebendiges Wesen haßt. Sie, der man l>ci der Taufe den süßen Namen Lilian gegeben hatte. So hieß sie Lilian und war inzwischen fllnfund- zwanzig Jahre alt geworden. Alle, die ihren Namen hörten und dann mit ihr annt wurden, rvaren ein wenig verblüfft... So c vermag der Klang eines Wortes bestimmte Vor- lliingcn in uns zu erwecken. Sic war klein, sie hatte viel zu lange Arme. Ihr Zücken rvar gewölbt, und cs sah aus, als hätte man n Kiffen unter ihr Kleid geschoben. Sie trug fast ' imcr schwarze Seide, selten aufgehcllt durch irgend- ncn Farbflrck. So sehr sie ihren Spiegel verabscheute, so unenr- hrlich war er ihr . . . Ein Ding, ein Etwas, ein Siick Glas, das dahing und nichts bedeutete . . . d doch so viel bedeutete. Stumm wie alle Dinge und war doch gar nicht stumm . . . Einmal sprach mit ihm: „Heute habe ich große Lust, gleich and«- n. eine Wanderung zu unternehmen. Vielleicht ins ''esental. Oder auf den Berg ... Es ist Mai . - . ' sind nur drei Stunden zu steigen. Was hältst bu von?" Und der Spiegel antwortete: „Lilian, um ein gutes Buch und bleibe in deiner Loggia ... ueh. wie strahlend die Sonne über deine Blumen llt. und wie bequem du cs hast. Eine Wanderung anstrengend." lind eines Tages im Winter sagte sie: „Ich möchte s hlittschuhc laufen. Es mutz eine herrliche Be- zunq sein. Und so gesund." Der Spiegel ant- tctc: „Gesund? Liebe Lilian, was für den einen ist, ist für den anderen schlecht. Meinst du nicht, üi viel angenehmer, im warmen Zimmer zu ckciben?" .< »u Freiburg i. B., 4. August. Die starken Regcnsälle der letzten Tage haben dazu geführt, daß die Wasserläufe im Schwarzwalde ge waltige Waffermengen zu Tal bringen und in den Niederungen des Echwarzu'aldrs teilweise die Hoch- waffergrenz« erreicht und bereits überschritten haben. Stellenweise sind schon Ueberschwcmmungen vorge- kommen. Verschiedentlich war der Regen mit Hagel schlag durchsetzt, so daß an manchen Orten erheblicher Schaden auf den Kartoffelfeldern und an den Obst- lxiumcn entstanden ist. Prag, 4. August. Das Unwetter der letzten Tage hat einen kata strophalen Umfang angenommen. In Mähren sind viele Obsternten, in Karpatho-Rußland ein großer Teil der Weinernten vernichtet. Der Schaden wird auf eine Million Reichsmark beziffert. Auf der Strecke Eillcin—Oderberg wurde bei Tschadza durch da« Wasser die Eisenbähnbrücke weggeriffen. Der Verkehr ist unterbrochen. * In Detroit sind durch starke Regengüsse von! 18 Stunden Dauer für fünf Millionen Dollar Schäden verursacht. Alle fünf Automobil fabriken der Stadt, darunter auch diejenige von Ford, mußten schließen, da das Wasser die Keller überschwemmt hat. Der elektrische Strom ist zumeist unterbrochen, ebenso die Telegraphenlcitungen und die Tclephonleitungcn. Tödliche Autounfälle Bruchhauseu, 4. August. Auf der Fahrt von Frankfurt a. M. nach Konstanz überschlug sich der Wagen der Automobilhändler Knödler und P f i st e r aus Frankfurt a. M bei -em Versuch, einen Motorradfahrer zu überholen. Hierbei drang Knödler, der das Auto lenkte, das Steuerrad in den Brustkorb. Er st a r b kurz nach seiner Einlieferung in das Karlsruher Krankenhaus Der Motorradfahrer, ein 60 Jahre alter in Rüppurr wohnender Schreibermeister Frey, stürzte vom Mo- torrad und erlitt schwere Verletzungen. Der zweite Insasse des Autos kam mit leichteren Ver letzungen davon. Stettin. 4. August. Ein Automobil fuhr auf der Chaussee zwischen Hansfelde und Schöneberg gegen einen Vaum. Die vier Insassen wurden hinausgeschleudert. Ein junger Mann aus Stargard war sofort tot, wahrend der Buchhalter Bcthkc und ein dritter Insasse schwer verletzt wurden. Der letztere starb bald nach seiner Einlieferung ins Stargarder Krankenhaus. Auch an dem Aufkommen Dethkes wird gezweifelt. Ein vierter Insasse wurde nur leicht verletzt. Hannover, 4. August. Der Arzt Sanitätsrat Dr. Funke geriet vor dem Bahnhof unter ein Postauto. Er war sofort tot. London, 4. August. Der Fcrienbcginn brachte eine starke Zunahme des Automobilverkehrs mit sich. Im Zusammenhang damit ereignete sich eine große Zahl Derkehrsunfälle. 16 Personen kamen bei den Unfällen ums Leben, 51 wurden schwer verletzt. Nom, 4. August. Bei Bologna ist ein mit mehreren Personen be setztes Lastauto, dessen Steuerung gebrochen war. von der Straße in den nahe vorbeifließenden Fluß gestürzt. Zwei Personen sind ertrunken, 15 wurden verletzt. Die «osten der Heidebrandbekämpfnng Der Amtliche Preußische Pressedienst schreibt: Nachdem die Rcgenfälle der letzten Tage die Malsch- keit einer weiteren Verbreitung der großen Moor- und Waldbrände in der Provinz Hannover anschei nend ausgeschalbct haben, wird dle Frage der Kosten deckung der Brandlöschungsarbeiten spruchreif. Wie bekannt, haben bei der Bekämpfung der Brände Tech nische Nothilfe, Reichswehr und Schutzpolizei in auf- opfernder Weise Hilfe geleistet. Gegenüber den Be fürchtungen, daß die Betroffenen, denen schon durch die Brände großer Schaden entstanden ist, durch die Kosten dieser Hilfeleistung übermäßig belastet werden, kann mitgeteilt werden, daß die Staats regierung die U e b e r n a h m e der im landespolizei- lichcn Interesse entstandenen KostenanfEtaats- fonds bereits in wohlwollende Erwägung gezogen hat. Auf der Bergtour gestörte, Zürich, 4. August. Der Ingenieur Schüler aus Chemnitz war am Sonnabend mit dem Führer Wyß aus Lauter brunn zur Besteigung derIungfrau aufgcbrochen. Sie übernachteten in der Rothtalhütte und gelangten am Sonntag früh ans Ziel. Auf dem Rückwege wurde Schüler plötzlich unwohl. Der Führer trug ihn bis zum Rothialsattcl, wo er trotz aller Be- mühungcn star b. Der Führer machte eine Schnee höhle frei und blieb dort mit der Leiche. In der Nacht wurde di« Höhle von einer Lawine verschüttet, aus der sich der Führer nur mit größter Mühe herausarbciten konnte. Da seine Signale während des starken Sturmes nicht gehört wurden, kam er am Montag sehr spät im Jungfrau- Joch an, von wo aus die Leiche gestern geborgen und zu Tal gebracht wurde. Typhus in Osthavelland. Aus Rathenow wird be- richtet: Innerhalb kurzer Zeit sind die beiden Söhne eines Arbeiters in Ribbeck sOsthavel- land) an Typhus erkrankt. Der ältere stand in Arbeit bei einem Landwirt und plagte sich acht Tage mit der Krankheit herum, ehe der Arzt hinzugezogen wurde. Die Eltern nahmen den Jungen zu sich, und zu Hause steckte der Knabe seinen jüngeren Bruder an. Die Gemeinde erklärt, sie habe kein Geld, die Knaben in das Krankenhaus über führen zu lassen. Die Eltern sind vollkommen mittel los. Der Kreisarzt ist auf Urlaub. Mord in der Altmark. Dienstag früh 6,10 Uhr wurde unweit der Zuckerfabrik in Stendal die Leiche einer 20 jährigen Frau in einem Sack cingc- schnürt aufgefundcn. Die Leiche war völlig unbeklei det, das Haar war aufgelöst, ein Knebel steckte ihr im Munde. Nach den Ermittlungen der Kriminalpolizei ist die Frau in einem Gartcnhäuschcn erst vergewal tigt und dann ermordet morden. Die Leiche ist mit einem Fahrrad an die Fundstelle geschafft worden. Die Obduktion ergab, daß die Tat bereits vor drei Tagen geschehen ist. Von dem Mörder fehlt jede Spur. Er soll in weniger gut beleumdeten Gaststätten als Artist ausgetreten sein, die Ermordet: war an scheinend seine Partnerin. Telephonische Opernübertragung. Die tclephoni- sche Opernübertragung, die bisher nur auf München beschränkt war, hat nun einen großen Schritt vor- wärts gemacht, und zwar sind nun auch die Städte Freising und Landshutan das Opcrutelepiwn angeschlosscn. Die nächste Großstadt, die telephonische Uebertragung erhält, dürfte nicht Berlin, sondern Stuttgart sein. Der Warschau-Danziger Personenzua beschossen. Wie aus Warschau gemeldet wird, wurde der nach Danzig abgehende Personcnzug Nr. 497 von einem Auto aus beschossen und verschiedene Scheiben zertrümmert. Das Auto konnte angehalten und die Insassen, drei Männer und eine Frau, verhaftet werden. Im Kaisergebirge abgestürzt. Der gewaltige Schneesturm, der am Sonntag im Kaisergcbirge und dessen Umgebung herrschte, hat zahlreiche Opfer ge fordert. Am Totenkirchl gerieten acht deutsche Touristen im Schnccsturm vom Wege ab. Vier von ihnen namens Schlapper, Fcnk, Dreißcr und Bock gerieten in eine Felsspalte und stürzten ab. Eie wurden von den ausgcsandten Rettungsmannschaften als Leichen geborgen. Die anderen vier konnten ge rettet werden. An der Fleischbankspitze stürzte der Bergführer Fichtl ab und war sofort tot. Der Mörder und sein Helfershelfer. Die Buda pester Polizei hat im Laufe der Untersuchung gegen Ladislaus Okolicsany, den Helfershelfer Julius Pödörs bei der Ermordung der Amalie Leirer, neue interessante Tatsachen aufgedcckt. Okolicsany wird lxsschuldigt. in seinen Amtslokalitätcn in der Waihnerstraßc verschiedene Sprengstoffe aufbcwahrt zu haben, mit denen er nach der Er mordung der Leirer den Prager Schnellzug in die Luft sprengen wollte. Angeblich ist Julius Pödör mit dem Schnellzug, gegen den Okolicsany das Attentat plante, nach der Tschecho slowakei geflüchtet. Okolicsany wollte auf diese Art Pödör, der ihm den Schmuck der Leirer zur Auf- bcwahrung übergeben hatte, aus dem Wege räumen. Raubmord im Millionarhotel. In einem der vor- nehmstey und teuersten Hotels in Chicago erleb ten die Gäste dieser Tage eine peinliche Heber- raschung. Während die Gesellschaft beim Tes saß, dröhnten plötzlich Schüsse durch die Hotel- Und Lilian gab ihm recht. Zugleich aber war sie ihm gram. Denn das menschlich« Herz ist so beschaffen, daß cs wohl die Wahrheit hören will, und doch gleicherweise dem gram ist, der sie ihm sagt. Und wer sich selbst die Wahrheit cinzugcstehcn weiß, der ist seinem eigenen Ich manchmal ungut. Als sie ein Kind war, hatte Lilian den Spiegel sehr geliebt. Oh, es war so schön, di« vielen bunten Ding« des Zimmers, all die Puppen, die weißen Sck)äfchcn und die Bären im Spiegel noch einmal zu sehenl Eines Tages — sie mochte 6 oder 7 Jahre gewesen sein — zeigte sie dem Spiegel ihre neu« Puppe . . . Die kleine Renate vom zweiten Stock war gerade zu Besuch bei ihr . . . Da geschah es, daß Renate, die Rotwangige, die hinter Lilian vor dem Spiegel stand, fragte: „Lilian, was hast du für einen sonder baren Rücken?! Ec ist ganz geschwollen. Sieh nur selbst . . . Und wie du blaß bistl . . . Unsere Marie hat gesagt, du seist ein klein' Buckelche." Renate berichtete dies sehr sachlich. Dann war sie wieder bei den Puppen. lieber Lilians Kinderherz aber waren jäh die Schatten einer Welt gesunken, die ferne dämmerte. Mit einem Male war da etwas Fremdes um diese blühende Renate ... In dumpfer Kinderahnung erfühlte Lilian, daß Geschöpf und Geschöpf nicht ein Gleiches ist. Sie blickte in den Spiegel — zum erstenmal bewußt —, und sie sah, daß das, was Marie, die Köchin gesagt hatte, die Wahrheit war. Seit jenen Tagen, da der Spiegel ihr ihr Bild gezeigt hatte wie nie zuvor, fühlte Lilian Unbehagen vor seiner silberigen Helle und instinktive Abneigung. Gleichviel kam irgendein selbstquälerischer Zwang über sie — aus der Tiefe ihres kindhaften Seins —, der sie vor den Spiegel trieb, ob sie wollte oder nicht. Später, als sie herangewachsen war, hatte sie eine« Tages den Spiegel auf den Speicher schaffen lassen. Sie konnte ihr Haar auch ohne Spiegel frisieren! Und um den Hut curfzusetzen, ach, hierzu bedurfte es erst recht keines Spiegels ... Ja, das ging alles ganz gut. Aber nach kaum einer Woche ließ sie den Spiegel wieder holen . . . Sie brauchte ihn. Er schien ein Teil ihres Schicksals geworden zu sein, und cs war nicht gut, eigenmächtig über schicksalhafte Dinge zu verfügen. So hing er nach den Tagen der Verbannung wie der an seinem alten Platz. Lilian war viel allein. Die Mutter hatte sie schon sehr früh verloren, und der Vater war selten zu Hause. Sie saß in ihrem Hellen und farbenfrohen Zimmer, sie musizierte und machte Nadelarbciten, die unter ihren Händen wundcrfeine Gebilde wurden. Sie hatte viele Bücher, worin sie las. Am liebsten waren ihr die Bücher, di« von den Schicksalen schöner und gefeierter Frauen handelten. Sie hatte in Mappen viele Reproduktionen berühmter Ge mälde und Statuen. Und wenn Lilian darin blät terte, so wurden ihre Augen schön und voll Glanz unter der vom Leid vergeistigten, blassen Stirn. Wer Lilian so gesehen hätte, der wäre mit dem Eindruck weggegangen, daß da ein Mensch lebt, der ruhig ist und mit seinem Schicksal versöhnt, vielleicht glücklich bis zu einem gewissen Grade. Aber es waren auch andere Stunden in Lilians Leben. Stunden, wo dieses hilflose Geschöpf ein mit leidiges Lächeln hätte erwecken müssen. Denn manch mal saß sie an ihrem Fenster und redete sich ein: „Ich bin ein schönes Mädchen. Warum sollte gerade ich nicht schön sein unter allen? Womit hätte "ich es verschuldet? Es gibt so viele, die über die Straße gchen und schön sind. Meist ist ein Lächeln in ihren Augen, und so selbstbewußt treten sie aufs Pflaster. Auch ich will so über das Pflaster schreiten und schön sein . . . Ein Jüngling — halb noch ein Kind — schwur mir, er liebe mich, und er werde mich lie ben bis in alle Ewigkeit. Keine andere als mich... Diele sind cs, die mir dies sagen. Und sic schreiben mir Briefe. Manchmal les« ich sie nicht. Ich lege sie in die Schublade und ich denke, ich kann sie ein anderes Mal lesen, wenn ich Zeit habe. Einen aber rmter allen, die mich lieben, den liebe auch ich . . . Ich schreibe ihm täglich ... Ich schreibe alle Briefe in ein Buch ein, das in Leder ge bunden ist. Und eines Tages werde ich ihm dieses Buch senden " E» klopft . . . „Du bist c», Renate ... Ich erwartete dich seit Tagen." »IttvocB, Sen S. Halle. In der allgemeinen Panik gelang es fünf Verbrechern, die den Kassierer erschossen und beraubt hatten, aus dem überfüllten Vestibül zu entkommen. Dann sprangen die Banditen mit ihrer Beute in ein draußen wartendes Auto und rasten in wilder Fahrt davon. An einer belebten Straßenecke stieß ihr Wagen mit einem anderen Auto zusammen. Kurz entschlossen trennten sich die Mitglieder der Bande von einander, und der eine Räuber, der das ge raubte Geld in einer Handtasche mit sich führte, sprang in ein Droschkenauto, in dem eine junge Dame saß. Er zwang oen Chauffeur, ihn aus dem Ge dränge zu fahren, so schnell es ging. Zwei Räuber wurden bei der Verfolgung erschos- s e n. Von dem geraubten Geld fehlt jede Spur. Lin moderner Aszet. Der Fakir Kir Tor Kal Tahra, der demnächst in der Theosophischen Gesellschaft von Paris einige Sitzungen veranstal- ten wird, hat den Typus des orientalischen Aszeten modernisiert. Während seines Aufenthalts in Ita- lien, wo er seine Erfahrungen der Kontrolle wissen- schaftlicher Autoritäten unterbreitet hat, arbeitete er in den exklusivsten Salons Roms, vor dem diploma- tischen Korps und der Regierung. Mussolini, der ihn bei der Herzogin von San Faustino gesehen hatte, lud ihn nach dem Palazzo Chigi, seiner Woh- nung, ein, König Viktor Emanuel und König Georg von England wollten ihn sehen. — Kir Tor Kal Tahra ist in der Türkei und in Aegypten sehr be- kannt. Er ist 28 Jahre alt, christlicher Kopte. Sein Vater, ein Philosoph und Fakir, brachte ihn jung nach Konstauimopel, wo er gründliche Studien des Fakirtums machte und gleichzeitig mit Glanz sein Examen als Arzt bestand. Tahra behauptet, daß man kraft seines Willens seine Nerven derart be herrschen kann, daß man den Schmerz aus schalten kann. Er sucht dies zu beweisen, indem er sich Arme, Deine und Hals mit Nadeln, Messer und Glasstückchcu durchbohrt. Wenn er das Messer aus der Wunde zieht, kann er nach Belieben die Blutung stillen oder das Blut stärker fließen lassen; er reguliert seinen Puls auf 180 oder 50 Pulsschläge je nach Wunsch. Er versetzt sich in den Zustand der Katalepsie und läßt sich, solange man cs wünscht, begraben; 1923 blieb er in Griechenland c i n c n g a n z e n M o n a t un t e r d e r E r d e. In Nom erlaubte die Polizei nur eine halbe Stunde des Begrabenseins, aber mit allen Garantien gegen Betrug. Der Zinksarg, in welchen der Fakir gelegt wurde, wurde sorgfältig zugelötet und in ein großes Becken getaucht. Hnmor vom Tage. Freundliches Ge denken. Die Wohnung, in der die Schwester wegen eines Kranken nachts wachen mußte, war tagsüber durch Besucher so von Lärm erfüllt, daß die Schwester nicht die nötige Ruhe finden konnte. Eines Tages sagte sie dies dem Arzt, und dieser schrieb darauf einen großen Zettel: „Bitte, denken Sie an dieNachtschwcster!" und hing ihn im Flur über einen Tisch. Am nächsten Abend, als die Schwester dort vorbeikam, fand sie auf dem Tisch ein Fünfzigpfcnnigstück, einen Fünfer und einige Kupfer. — Anerkennung. Eleonore spielt Klavier. Zwei Freundinnen hören ihr zu. „Und Eleonore hat nie Unterricht gehabt!" sagt die ein«. „Das ist nett von ihr, daß sic die Schuld nicht auf andere schiebt." / - > l UM KskesMMtsstM ckis la immer stärkerem blaüs io ^usprueb genommsu wirck, bekackst sied io unserer ? k-tz.MMi'S.Sl!'., MeloM. TLzllest vo.1 S—s Udr zsökknsl. ^astlrelcdekelLs-uackSäcker-prospellte stellen kostenlos rur Vertilgung. kLllnck'.iclle lleise-Uuslcüukte cvsrckva ö runäellst jsljen Nonnefstsg von 5—7 vstp nsckm. von einom srksbrenen kaekmaan erteilt, tickriktlicbs ^uskiinkts, ckeno» liückporlo I bsiruls^su ist, verckea umgebvock deaat- I wartet. „O Lilian, verzeih mir — Ich bin sehr verwirr: — Ich muß dir etwas sagen — etwas so Herrliches — Lilian, ich werde geliebt." Da küßt Lilian die Wange der Freundin und streicht ihr über die Hand mit dem Goldreif . . . „Wie gut du bist, Lilian! Gut, wie nur selten ein Mensch. Alle sagen es, die dich kennen. So neid- los bist du, so milde." „Ja", sagte Lilian, und es klang ein wenig hart. Dann nach einer Pause: „Erinnerst dar dich, Renate, wie wir als Kinder einmal mit den Puppen spielten und ich die Mutter sein wollte . . .? Da sagtest du, errre Marie habe gesagt, ein Buckclchen könne nicht Mutter sein, und du nahmst mir dle Puppe heftig aus dem Arm. Dies habe ich eurer Marie, die inzwischen wer weiß wo sein mag, nie vcr- ycssen. Und mit einer gewissen Bitterkeit denke ich an st« zurück . - . Vielleicht bin ich doch nicht so gut, wie ihr glaubt." Und sie lächelte nervös. Renate nahm die Freundin liebevoll bei den schmalen Händen. Sic wußte nicht, was sie ihr ant worten sollte. „. . . Und doch müßte dies das Schönste fein", sagte Lilian selbstvergessen und wie im Traum. „Gute", flüsterte Renate imd fühlte eine Beklcm- muiH, die ihr das Herz zuschnürt«. — Als Renate gegangen war, fiel Lilians Haupt hart mit der Stirn auf den Tisch auf, vor dem sie saß. Aber mit einem Ruck war sie in der Höhe. „Nein," rief sie, „glaubt cs nicht, daß Lilian gut ist . . . Ich bin nicht gut ... Ich will nicht gut sein ... Ich bin böse... Ich hasse euch alle, ihr Frauen, die ihr schön seid und di« ihr geliebt werdet." Kreisrunde Flecken stiegen rot in ihren Wangen auf, und in den Augen flammte es gefährlich. Sie trat an den Schrank und holte das Buch her- aus, das in Leder gebundene, worein sie die Briefe an den imaginären Freund geschrieben hatte. Und sie warf es — indem di« viel zu langen Arme in gespenstischem Bogen dunkel durch die Luft sausten — mit fanatischer Wucht in den Spiegel, so daß er klirrend zersprang und seine Splitter bis an ihre Schuhc flogen. —
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)