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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 05.08.1925
- Erscheinungsdatum
- 1925-08-05
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192508056
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19250805
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19250805
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1925
-
Monat
1925-08
- Tag 1925-08-05
-
Monat
1925-08
-
Jahr
1925
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BezugspreIs'M"8»'-s-?:MLM"NN JA ÄA Anzeigenpreis: N?LNL7L'H^KW Bettellald. ertr. Ausland 6 Mk. etnIcvi.Püllo. Erscheint tagl-morä zwetuiid,wan,ig Pfennig, ^amilienan,eigen von Prielen Löh. Gewalt lchltek« Sr«Nllung aus Schrtftl .GeschaitSlt., Truckerri d M V V °>^-^eUe icchs Pfennig, - Gclcgcnhcttsan,. Sieucngefuclie, Nek,ame' Leipzig, ^fohannisgasse 8 lFernspr.OriSgespr. Sammcl.Rr.:7v811. zetten. Rabatte usw na», Tarik. ilUr komb. riuür. mit vr.L. n Sonder- gferngefpr. 17089-17082). ebenda u. in allen Filialen Anzeigen- und bedtnaungen. V'av- u. Tatcnborscbrifi. nnverbindl. Erlttuunaüort u Abonnement-Annahme: auch nimmt tedes Postamt Bestellungen an. Gerichtsstand Leipzig «AmiSger. Leipzigs Postscheck-NW. Lcivria 300« DerS L<tv»«a<r Trraeblatt «eti,»»» vt« anrUickr^n »»«ranninrachnnaen d«0 »»iteervraiiviunrs Leiv,in Ai« or«-ripztger Schrittlettung ^ovanmSgaNe 8 «Ferniprechcr 70811, ÜLittivorjl klen 5 Luaust 1925 Dresdner Schriliteiiung Lre<ven-.'l. Licknigcnstr.s. . . Htr. ^1S Berliner Schrinleitung Freiherr v. Sietn-Str.ü. ist. Tel. S,ephan4101 u.!)038 o. ^ugu-»r Fernfprechec 32.',0.> 119. ssnrg. Die RkMiiWmßmtziM für hie SPtmiteii Witims her MWM im ZlüAIiniislWtt - Die AeiSskegierliiiz hä» mit WenmMchim zUiick „Wohin geht EiiglM?" Trotzkis Plophezciungen -io. Die letzten Ereignisse in England, wo die Regierung sich gezwungen sah, durch eine ganz außer gewöhnliche Inanspruchnahme von Staatsmitteln, die sehr ernste Bedenken erweckt, wenigstens einen provi- sorischen Aufschub eines schweren wirtschaftlichen Konflikts in der Kohlenindustrie zu erlangen, ver leihen eine gewisse Aktualität einem Buch von Trotzki „Wohin geht England", das vor einigen Monaten in Moskau erschien, von dem schon eine englische Uebersetzung vorliegt und demnächst auch eine deutsche Uebersetzung veröffentlicht werden soll. Der russische Revolutionär, dessen Schicksal infolge seines Konflikts mit den anderen Spitzen des Sowjet staates, seiner Verbannung nach dem Kaukasus und Wiederkehr nach Moskau, so viel von sich in der letzten Zeit hat reden lassen, untersucht in diesem Buche die Zukunft, der das jetzige England entgegen- geht. Eine Analyse der wirtschaftlichen Lage Eng- lands führt ihn zum Schluß, daß England unver- weidlich einer sozialen Revolution und dem Bürger- krieg entgegengeht. Die Krise der englischen In- dustrie, die die riesige Arbeitslosigkeit hervorbringt, ist, so führt Trotzki aus, vor allem dadurch bedingt, daß der Absatz der englischen Waren immer schwie- riger wird. England hat vor allem jetzt mit der Konkurrenz des gegenwärtig mächtigsten Industrie- und Kapitalstaatcs, den Vereinigten Staaten, zu kämpfen, die ihrerseits auf eine Politik der wirt- schaftlichen Expansion auczewiesen sind und dabei in erster Reihe England schädigen müssen. Neben den Vereinigten Staaten treten ferner als Konkurrenten auf: Frankreich, das mit Hilfe seiner sinkenden Valuta seine Ausfuhr künstlich steigern kann, Deutschland, dessen Industrie wieder auflebt, im fernen Osten ge- sellt sich noch dazu Japan usw. Die Absatz- und Arbeitslosigkeit, an der England so leidet, ist jetzt eine Folge besten, daß die produktiven Kräfte Eng- lands, damit auch tue zahlenmäßige Stärke seines Industrieproletariats, nicht mehr dem Platz, den England auf dem Weltmark wirklich hätte einnehmen sollen, entsprechen. Die Entwicklung Englands muß also nach Trotzki dazu führen, daß der krisenhafte Zustand immer schärfere Formen annimmt und das Verhältnis zwischen Arbeit und Kapital infolgedessen immer ge spannter wird, d. h. mit anderen Worten, daß die Arbeiter, deren Lage sich mit dem allmählichen Rück gang der Bedeutung der englischen Industrie in der Welt sich immer mehr verschlechtern muß, auf den Weg des revolutionären Kampfes gedrängt werden müssen. Trotzki sieht darin selbstverständlich etwas nicht nur Normales, sondern äußerst Wünschens- wertes, denn seiner Ansicht nach wäre das Sowjet- system gerade dazu geeignet, eine Lösung dieser Krise zu schaffen. Die Einführung dieses Systems hätte in England erstens die Abschaffung der Monarchie und des Oberhauses zur Folge, ferner wäre das jetzige „lügenhafte und machtlose" Parlament liquidiert, der Parasitismus der Landlords für immer ver- nichtet, die wichtigsten Industriearten in die Hände der Arbeiterklasse ubergegangen, der mächtige Presse- apparat zur Aufklärung der Arbeiterklasse verwendet. Eine solche Sowjetregicrung in England hätte „sofort ein enmachtigen politischen und militärischen Bund mit dem russischen Arbeiter- und Bauernstaat ge- * schlossen", sie „hätte ein freies brüderliches und gleich berechtigtes Verhältnis zu Indien, Aegypten und den anderen britischen Kolonien hergestellt" usw. Nun stehe aber auf dem Wege zur Verwirklichung dieses Idealstaates als größtes Hindernis die gegenwärtige englische Labour Party mit ihren Anführern, wie Mac Donald, Henderson, Snowden usw., weil sie Gegner einer gewaltsamen Revolution sind, und Trotzki widmet den größten Teil seines Buches der Polemik gegen den Sozialismus der englischen Inde- pendet Labour Party und der aus der „Fabian Society" hervorgegangenen Führer der gegenwärtigen englischen Arbeiterbewegung, deren ganze Tätigkeit, wie er zu beweisen sucht, nichts anderes als ein Ver such zur Rettung der Herrschaft des Kapitalismus und der Bourgeoisie ist. Die gegenwärtigen poli- tischen und gewerkschaftlichen Führer des englischen Proletariats bilden jetzt, wie er sich ausdrückt, „die größte gegenrevolutionäre Kraft in Großbritannien und vielleicht der ganzen Welt". Nur ihnen sei es zu verdanken, wenn das Torytum, der bürgerliche Liberalismus, die Kirche, die Monarchie, die Aristo- kratie und Bourgeoisie noch existieren und sich sogar fest im Sattel fühlen können. Er überschüttet Namsay Mac Donald auf ganzen Seiten seines Buches mit Hohn, weil der erste englische Arbeiter- vremier in einem Aufsatz geschrieben hat, die russische Revolution hätte gezeigt, daß die „Revolution nur Zerstörung und Unglück und nichts mehr" sei und daß der Sozialismus durchaus nicht auf dem Wege der Gewalt verwirklicht werden könne. Mit seiner bekannten Virtuosität in der Handhabung der marxistischen Sophistik sucht Trotzki den Gedanken lächerlich zu machen, als ov in der Geschichte über haupt cm anderer Weg als der der Gewalt möglich ist, und sagt voraus, daß die Entwicklung der wirt- sachftlichen Krise in England dazu führen muß, daß die englische kommunistische Partei, die jetzt noch eine ganz verschwindende Gröhe ist (bei den letzten Wahlen haben die englischen Kommunisten kaum 53 000 Stimmen erhalten, während die Arbeiterpartei un- gcsähr 5^ Millionen Stimmen zählte), mit der Zeit innerhalb der englischen Arbeiterschaft die herrschende Stellung, die gegenwärtig die Partei Mac Donalds, die Independent Labour Party, einnimmt, erobern und die letztere vollständig verdrängen wird, was natürlich den förmlichen Bürgerkrieg zwischen Schneidemühl, 4. August. Durch einen Erlaß der Regierung werden nun mehr in allen Ortschaften der östlichen Provinzen Preußens Wohnungen beschla g n a h m t, die nur irgendwie entbehrlich sind, und für die Unter bringung benutzt werden können. Die Städte wer den aufgcfordert. eine Anzahl Häuser so schnell wie möglich sertsazustellen. Man hofft, daß in diesen Orten im Oktober bzw. im kommende, Frühjahr Wohnungen für die Optanten beziehbar sein werden. Ferner wurden Maßnahmen getroste: um die Op tanten vorläufig in Notwohnungen unterzu bringen. Für die Optantcnkindcr wird der Bau des geplanten Kinderheims nunmehr in Angriff ge nommen. Das Kinderheim soll auf dem Gelände der Stadt Schneidemühl am Sandsee errichtet werden. Die Stadt licsert zu dem Bau des Kinderheims das Holz. Der Minister hat dazu 50 000 Mark zur Ver fügung gestellt. Ferner sollen eine Anzahl Kinder auch auf dem Lande und in charitativcn Anstalten untergehracht werden. Die Beschulung der Kinder soll durch Erteilung regelmäßigen Unterrichts erfol gen. Das Pich der Optanten soll in ausreichendem Maße bewacht und mit Futtermitteln beliefert wer den. Der Bau des Winterlagers ist noch nicht genau fcstgelegt. Man ist noch im Zweifel, ob man den Bau des Winterlagers auf dem Bereich der Albatroswerkc oder aus einem anderen Platze aufführen solle. Die gesundheitliche Lage der Lagerinsassen ist im allge meinen als gut zu bezeichnen. Die Sterblichkeit ist bedeutend geringer, als an den in sanitärer Hinsicht bcstgeleiteten Orten. — Die Verwaltung des Schneide wühler Durchgangslagers teilt mit, daß gestern wie der etwa 500 Optanten weiter befördert wurden. Berlin, 4. August. Der preußische Minister des Innern Severing hat sofort nach seiner Rückkehr nach Berlin durch einen Anschlag im Lager Schneidemühl u. a. folgen des bekanntgegeben: „Es wird von der preußischen Negierung alles daran gesetzt, um einmal den Abtransport eines erheblichen Teiles der Op tanten in die einzelnen preußischen Regierungs bezirke stark zu beschleunigen und sodann für die im Lager zurückbleibendcn weitgehende Erleich terungen ihrer schwierigen Lage zu schaffen. Zu diesem Zwecke gehen noch am Dienstag, den 4^ August, an die preußischen Regierungspräsidenten einige dienstliche Anweisungen des Ministeriums des In nern heraus, sofort alle erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, um die ihnen zugewiesene Zahl von Op tanten in ihrem Bezirk beruflich unterzu- bringen und mit W ohnung zu versorgen. Vor- aussichtlich werden auf diese Weise noch in dieser Woche 1500 bis 2000 Optanten auf die ein zelnen Regierungsbezirke verteilt werden, so daß eine erhebliche Entlastung desLagers Schneide mühl eintritt. Im ganzen wurden bis jetzt schon Optant' , mit einem Familienstand von 5000 Per- sonen beruflich untergebracht. Für die vorläufig im Lager Zurückbleibenden sind zahlreiche Maßnah men vorgesehen, die der Verbesserung der Unterkunft, der Unterbringung der Kranken und Kinder, der Sicherst der Unterhaltung und Ablenkung, dem Sport und der Beratung der Vertriebenen dienen sollen." Am Schluß des Anschlags spricht der Mi- n'stcr die Ucberzeugung aus, daß durch das Zusam menwirken aller dieser Maßnahmen sowohl ein er heblicher Teil der Optanten schnell wieder in geord nete berufliche und Wohnungsverhältnissc übergcführt als auch den vorläufig noch im Lager Bleibenden das schwere Los ihrer Ausweisung nach Möglichkeit gelindert werde Das Auswärtige Amt lehnt die Verantwortung ah Berlin, 4. August. Das Auswärtige Amt teilt mit: In Berichtigung vielfach irrtümlicher Pressemeldungen ist festzustellcn, daß das Auswärtige Amt in der Frage der Abwau. Arbeiterschaft und Bourgeoisie in England unver meidlich machen muß. Es hat nicht viel Zweck, darüber zu diskutiere», ob das gruselige Bild, das Trotzki hier malt, sich verwirklichen wird. Kennt man ein wenig die Ge- schichte des Marxismus, weiß man, wie wenig sich die Voraussagen der marxistischen Krisentheorie er füllt haben, so wird man auch diesen Prophezeiungen gegenüber vorläufig skeptisch bleiben können. Weil wichtiger aber ist es jedenfalls, auf die demagogische Ionglcurkunst von Trotzki hinzuweisen, der bei seiner ganzen Schwarzmalerei in der Schilderung der eng lischen Verhältnisse ganz einfach darüber hinweg- geht, zu welchen Ergebnissen das Sowjctsystcm, in dem er auch für England das Heilmittel sicht, in Rußland geführt hat. Ohne die politische Seite des ! Sowjctsystcms berühren zu wollen, genügt es, daraus ! hinzuweisen, daß die Zahl der Arbeitslosen in ' Scwjetrußland gegenwärtig ebenfalls mehr als eine j Million beträgt, d. h. nicht geringer ist als in Eng- derung der deutschen Optanten aus Polen durch seine Vertretungen dortselbst mindestens seit vier Mona ten über die Zahl der in Frage kommenden Personen unterrichtet war und durch erhebliche Verstärkungen des Personals dieser Vertretungen, Einrichtung meh rerer Abwandcrungsstcllen in Polen nnd durch ent sprechende finanzielle Maßnahmen alles getan hat, um eine reibungslose Abwanderung der Optanten s i ch e r z n st e l l c n Alle diese Vorberei tungen erfolgten in engster Fühlungnahme mit den für die innere Verwaltung zuständigen Ressorts, die ihrerseits für Weiterleitung, Unterbringung und Arbeitsbeschaffung der Optanten innerhalb des Reichs zu sorgen hatten. Diese Stellen waren auch bereits seit Monaten über die Zahl der abwande rungspflichtigen Personen durch das Auswärtige Amt unterrichtet. Unerklärliches Abwarten Ver deutschen Negierung Berlin, 4. August. Die preußischen Behörden, die mit der Exekutive in der Optantenfrage betraut sind, bleiben in der Frage der Gegenmaßnahmen g eg e n Polen auf dem Standpunkt des Ab wartens. Die Negierung hält sich genau wie Polen streng an das Wiener Abkommen, aber sie läßt der polnischen Regierung auch bei allen Maßnahmen den Vortritt. Leider gewinnt cs mehr und mehr den Anschein, daß gewisse Kreise cs sich zur Aufgabe ge macht haben, die Flüchtlingskatastrophe zu inner politischen Zwecken auszubeuten. Ls muß deshalb festgestcllt werden, daß tatsächlich alle die jenigen. die nach Artikel 12 Abs. 1 des Wiener Ab kommens abwanderungspflichtig sind, vor Monaten bereits den Ausweisungsbefehl erhalten haben. Sie haben aber erklärlicherweise bis zum letzten Tage abgewartet, ob der Befehl zurück- genommen oder gemildert werden würde. Als eine Milderung ols zu dem gesetzten Termin nicht ein trat, haben die bedauernswerten Opfer der Optanten politik fluchtartig das Land verlassen, nm der gewalt- samcn Austreibung durch die Organe des polnischen Staates zu entgehen. Als Parallelcrschcinung hierzu sind mehrere Züge mit polnischen Optanten bereits aus Deutschland heraus gegangen. Die deutschen Behörden haben sich in diese Abwanderung bisher nicht eingcmischt, weil Zwangsmaßnahmen gegen die deutschen Abwanderer auf polnischer Seite bisher zu den Ausnahmen gehört haben. Sobald jedoch genaue Mitteilungen über solche Zwangsmaßnahmen vorlicgen, werden die deutschen Behörden im Wege der Vergeltung in gleicher Weise mit polnischen Optanten auf deutschem Gebiet verfahren. Wie wir hören, haben schon etwa 5000 Polen Deutschland verlassen. Es handelt sich größtenteils um Bergarbeiter, die für die Politik ihrer eigenen Regierung büßen müssen, so z. D. 1359 Personen aus dem Regierungsbezirk Düsseldorf, über 1100 aus Arnsberg, über 600 aus Münster usw. Neben diesen Kreisen befinden sich auch Vertreter der freien Berufe und de. Mittelstandes unter den Ab- wandernden. Ein großer Teil dieser Leute ist schon fort, so daß gegebenenfalls für Zwangs maß- nah m c n nur wenig Opfer übrigblciben würden. Die Regierungspräsidenten sind beauftragt, fest- zustcllen, wie viele polnische Studenten, die den Befehl zur Abwanderung erhalten haben, zur Zeit noch hier sind. Das Ergebnis wird in wenigen Tagen vorliegen, so daß die Entscheidung der Regierung über die zu treffenden Maßnahmen etwa am 10. August erfolgen könnte. Bis dahin wird man abwarten, wie sich die polnische Regierung gegenüber den deutschen Abwanderungspflichtigcn verhält, um dann geeignete Maßnahmen zu treffen. Die Regierung ist, wie wir hören, gewillt. Zu geständnisse zu machen, wo besondere Gründe vorliegen, und namentlich auf besondere Familien verhältnisse Rücksicht zu nehmen. land, wobei aber gleichzeitig die Zahl der Industrie arbeiter in Rußland am Ende des vorigen Jahres weniger als zwei Millionen betrug, d. h. um ei» Mehrfaches geringer als in England war, daß gleich zeitig der Arbeitslohn in Sowjelrußland bedeutend geringer als im kapitalistischen England ist, die sonstigen Arbeitsbedingungen dabei aber bedeutend schlimmer sind. Sicher ist die wirtschaftliche Lage Englands eine sehr schwierige, und die Gefahren, die ihr drohen, sind durchaus nicht zu unterschätzen, aber nenn man den Vergleich mit der wirklichen Lage der Sowjctindnstrie und des Sowjctprolctariats mit dem > Ruin der Industrie durch das Sowjctsystcm in Ruß- j land im Auge behält, so braucht es doch kaum gcsagi zu werden, daß das demokratisch-parlamentarisch'' Regime in England dieser Schwierigkeiten doch mit unendlich größerer Meisterschaft als das Sowjetregime ! Herr geworden ist und wohl auch weiter Herr werden ' wird. 4 Nie MM bekenn! Lin Nachwort zur Altenburger Tagung der Demokratischen Jugend. Von Sruno Nauookor. Wenn es die Aufgabe der Jugend ist, den Ael- teren und Alten den Willen zur Verwirklichung und zum Einsatz der Idee stets wirksam vor Augen zu halten, ihn zu fördern als den Lebcnskcrn, als die Wirkuugszentrale, von der aus die Bewährung am Tatsächlichen immer wieder einsetzen muß, so hat diese Tagung ihren Zweck restlos erfüllt. Die Wui gegen den „Apparat", gegen die Maschinerie, gegen die „Kompromißlerei", der ewig Bedenklichen, der Anpaffungsbediirftigcn und „Ja"—„Aber"-Mcn- schen stieg aus aus allen Reden dieser Jungen und Iunggeblicbencn. Die Abkehr vor der Selbst zufriedenheit des politischen Pfründnerwesens, das da glaubt, seine „Arrivierten" von dem Dienst an der Idee endgültig entbinden zu können. Worin sieht nun aber diese Jugend ihre Idee? l In einem Bekenntnis zur Lauterkeit der Gesinnung als solcher, die sich in unserer ach so unlauteren Welt mitnichten bewähren kann und sich zurückziehen muß in den Frieden der Natur und ihrer Gottesbezirke? Sieht sic sic in der Ethik der Gesinnung, die sich mit der gegenseitigen Bestätigung der eigenen Rein heit selbgcnügsam zufrieden gibt? Nichts von alle dem will die demokratische Jugend. Klar, sicher und männlich strebt sic der Ethik der Verant wortung zu, die in tätigem, gestaltendem Leben sich bewährt und ihre Reinheit am Formen der poli tischen Wirklichkeit erst auszuproden wünscht. Nie mand, der dieser Tagung mitfühlend und mithoffend lnügewohnt hat, konnte sich dem starken Erlebnis ent ziehen, daß hier eine Jugend ihren Willen zum Ganzen, ihr Ringen um ausgleichcndc Gerechtigkeit phrascnlos zu beweisen, zu bestätige», zu erfülle» wünscht an der Gestaltung der nationalen, der wirt- schaftlichen, der kulturellen wie der sozialen Ge gebenheiten. Diese Jugend hatte sich ein ernstes Problem für ihre Tagung gesteckt: Die Erörterung der Möglich keiten und der Zukunft des großdeutsch en Gedankens, die Diskussion über das Verhältnis der Jugend zur sozialen Frage, eine Aussprache über die Aufgaben demokratischer Wirtschaftspolitik nnd die Notwendigkeiten einer gesinnungsmäßigen Aendc- rung der Einstellung unserer Wirtschaftssiihrer zu den Probleme» der Planwirtschaft. Es hätte nicht nur mehrerer Tage, sondern einiger Wochen bedurft- um den Gesamtkomplex und die wichtigsten Details dieser einzelnen Fragen in einem zufriedenstellen dem Sinne sachlich erschöpfend durchzusprcchcn. Das soll in Sch u l u n g s w o che n nachgcholt werden, in denen die Gegenwartsanfgaben unserer Poliük von Sachkennern zur Debatte gestellt werden sollen. Worauf cs in diesen Tagen, die dem Rcichsjugendtag zur Verfügung standen, ankam, war nur: Die Probleme aufzuzeigen, die auf all den ge nannten Gebieten der Politik der Demokratie zur Lösung gestellt sind und die Jugend dazu anfzurufen, sich ge s i n n u n g s p o l i t i s ch mit ihnen auscin- anderznsetzcn, ohne dabei das Sachpolitische aus den Augen zu lassen. Die Referate, die von führenden Ingendpolitikcrn hierzu gehalten wurden, haben ebenso wie die Aussprache gezeigt, daß die demokratische Jugend zu dieser Verknüpfung von geistigem Willen und praktischem Denken geneigt nnd in der Lage ist. Sie wird, wenn nicht alles trügt, mit „kühlem Kopf und heißem Herzen", in jener Verbindung vom Gefühl nnd Intellekt, ihre politische Aufgabe lösen. Diese Aufgabe aber heißt: Aus dem Willen zum Ganzen, aus der Verachtung vor öder, materialisti scher Einstellung sich zu den tragenden politischen Ideen dieser Zeit zu bekennen. Die aber stellen sich in der deutschen Gegenwart dar als die Idee des groß deutsch en Nationalstaates, als dir Idee der Planwirtschaft, als die Idee der sozialen Volksgemeinschaft. Die deutsche demokratische Jugend bekannte sich zu ihnen in einem Sinne und in Formen, die schön wahrhaft ergreifend waren. Möge deshalb die Jugend dem politischen Leben jenen sittlichen Inhalt wiedcrgeben, ohne den Deutschland in der Dürre und llngütc seiner Parteienzerklüftung zugrunde gehen wird und möge die demokratische Jugend hierbei an der Sp'tze stehen. Keine Verrmqerunq der Besatzrmqsarmee? Berlin, 4. August. Der kommandierende General des französischen 33. Armeekorps in B o n n hat bei der Stadtverwal tung in Trier 116 neue Offizicrswohnungen darunter vier Villen für Generäle, angefordert. Es wird befürchtet, daß die Franzosen in Trier die jenigen ihrer Truppen des besetzten Gebietes unter- bringen wollen, die frei werden, falls England nach der Räumung des Kölner Brückenkopfes einen an- deren Bcsetzungsabschnitt übernimmt.
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