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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 23.07.1925
- Erscheinungsdatum
- 1925-07-23
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192507233
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19250723
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19250723
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1925
-
Monat
1925-07
- Tag 1925-07-23
-
Monat
1925-07
-
Jahr
1925
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La» Lelv»«s»r r««edlatt ««tbillt dt« a»tltch«« B«ka»«m»«ed»ns«i» de» V<»b>«i»rllg»iu«» S«iv,i« Leip,,ge> Schrimeuung rtoyannisgage iSerniprccher 70811, Berliner chri'ticiiung Freiherr v. Siein-Sir..-,. ilt. Tel. Stephan4101 u.9038 vonaerstsg, ciea 23. fuli 192S Dresdner Schinueuung ^resoen-.'i. ^itliiigcniir.ch ^crniprecher 325>9. 119. Isdrg. AOWlitWe Debatte im Reichstag Notenwechsel I. v Leipzig, 22. Juli. Der Mechanismus des diplomatischen Notenwechsels ist nachgerade so bekannt, daß alle, die in der Öffentlichkeit irgendwie damit zu tun haben, sich wie die Nachbeter einer einigermaßen ausgeleierten Litanei vorkommen, die insbesondere bei den gegenwärtigen, nach pikanterer Kost verlangenden Hitzegraden kaum auf leidenschaftliches Interesse rechnen darf. Der Mechanismus -setzt ein mit dem Versuche, den Inhalt der bevorstehenden Note so getreulich als möglich zu erraten. Ein Versuch, der mei stens gelingt, da in parlamentarischen und an deren Plauderecken trotz aller obligatorischen Verschwiegenheit so viel über die kommenden Dinge zu verlauten pflegt, daß es einer Halb wegs geübten Phantasie nicht sonderlich schwer fällt, ziemlich zutreffende Unterrichtung zu ge winnen. Der nächste Akt bringt die Note selber und alsbald auch die einheimischen Erläuterun gen, die, wie eine bunte Stickerei zwischen den ent gegengesetzten Polen der Politik eingespannt, in allen nur möglichen Farben schillern. Dritter Akt: Das Echo der ausländischen Kommentare dringt zu uns und beweist uns, daß auch jen- seits der Grenzen die Zahl der Meinungen nicht viel geringer ist als die der mehr oder weniger zu ihrer öffentlichen Aeußerung Berufenen. Da- zwischen wird mit besonderer Aufmerksamkeit die offiziöse Stimme der zunächst beteiligten Negierungen vernommen, in der sich den Fein hörigen bereits die Umrisse der Antwortnote an kündigen — und das Spiel kann von neuem beginnen. Das System der Geheim diplomatie ist seit dem Weltkrieg, unter dessen Urhebern man cs zu rechnen pflegt, viel gescholten wor den. In der Tat unterliegt es keinem Zweifel, daß es den wichtigsten Angelegenheiten der Völker nicht zuträglich sein kann, abseits von aller Aufsicht und Kontrolle von einigen wenigen Persönlichkeiten gehandhabt zu werden, deren moralische und intellektuelle Eignung zu so verantwortungsvoller Aufgabe nicht immer ohne Vorbehalt anerkannt werden kann. Es lag ohne Frage etwas Absurdes darin, wenn häufig die unwesentlichsten Dinge im vollen Licht der parlamentarischen Beratung behandelt wurden, während Probleme, bei deren Lösung es sich um Leben und Tod handelte, nicht aus dem Schatten der Amtsstuben herauskamen. „Wil- hclmstraße", „Quai d'Orsay", „Downingstreet", „Ballhausplatz" usw. waren mit ehrfurchtgebie tendem Nimbus umgebene Zauberworte eines ge- l)eimnisvollen Ritus, von dessen Mysterien die Völker erst aus Kriegserklärungen und Mobil machungsbefehlen einige Kenntnis erhielten. Aus dieser peinlichen Erfahrung ist dann die entgegengesetzte Methode des öffentlichen Notenwechsels hervorgegangen, von der sedoch zur Zeit ihrer höchsten Blüte, der Aera Poincars, schwerlich gerühmt werden kann, daß sie zur Annäherung der Nationen beigetragen habe. Die gegenwärtigen Bemühungen der Diplomaten bestehen ja zu einem guten Teil eben darin, die Übeln Früchte zu beseitigen, die von der starren und in gewissem Sinne geradezu unmenschlichen Form der schriftlichen Disputa tion mit ihren eigensinnigen Festlegungen ge zeitigt worden waren. Auch dieses Verfahren ist inzwischen wieder aufgegcben worden. Der Notenwechsel, dem wir heute beiwohnen, l)at nicht mehr den gleichen Charakter. Vielmehr steht er im engen Zusammenhang mit nicht öffentlichen Besprechungen, in deren Rahmen den öffentlichen Mten hauptsächlich die Bcdeu- tung von Zusammenfassungen zukommt, aus denen sich der bisher zurückgelegte Weg er kennen läßt. Auch damit ist sicherlich noch nichr die denkbar beste Art des diplomatischen Ver kehrs erreicht worden. Die diesem System an- gehörigen Schriftstücke sind ihrer Natur nach zu Unklarheiten und Halbtönen verurteilt, die sich zwar bei Urkunden einer noch in vollem Fluße befindlichen Entwicklung ohne weiteres verstehen lassen, jedoch von Böswilligen leicht dazu ver wendet werden können, neue Verwirrung und Mißtrauen zu säen. Auch diesmal ist ja kein Mangel an giftigen Kommentaren der franzö sischen Hetzpresie. denen glücklicherweise eine ruhige und sachliche Regierungsüußerunq gegen übersteht, in der zwischen den Zeilen die Aner kennnna der deutschen Note als einer korrekten Kenn'?"'' -"-v-'irtigen Standes der Verhandlungen zu lesen ist. Auch in dieser Form der diplomatischen Er- Der WerheitsM eine deutsche Friedensoffensive Berlin, 22. Juli. In ver heutigen Reichstagssitzung steht vte autzenpolitische Aussprache als einziger Gegenstand auf der Tagesord nung. Am Rcgiernngstisch Reichskanzler Tr. Luther, Autzenrninister Dr. rtrese- mann, Iustizrninister Dr. Frcnken. Präsident Löbc eröffnet die Sitzung um 2.45 Uhr. Außenminister Gtresemann erhält sofort das Wort. Er führt aus: „In meiner Reichstagsrcde vom 18. Mai habe ich die grundsätzliche Einstellung der Reichsrcgierung zu der Frage der Sicherheit dahin charakterisiert, daß eine Lösung ohne Deutschland eine Lösung gegen Deutschland sein würde. Aus diesen Erwägungen haben wir die Folgerung gezogen, daß wir uns positiv an der Lösung der Sichcrheitssrage beteiligen müssen. Die Beschleunigung, init der unsere Antwort er folgt ist, ist ein Beweis für unseren Willen, an der Lösung der Frage ehrlich mitzuarbeiten. In der französischen Note ist bereits der Versuch gemacht, konkret auf das Problem des Sicherheitsvcrtragcs einzugehen. Nur durch eine sachliche Darlegung unserer Grundgedanken kann die Lösung des Pro- blemg weiter gefördert werden. Nachdem nun der Gesamtkomplex der Diskussion feststcht, darf man den Stand der Erörterungen vielleicht in folgende Punkte zusammenfassen: Das Ziel der Erörterungen ist der Pakt mit Deutschland. Welche Mächte sich daran vielleicht noch beteiligen, ist bis zur Stunde noch nicht zu übersehen. Zweifel- haft ist bis jetzt insbesondere noch die Stellung Italiens. Wir können der Hoffnung Ausdruck geben, daß sich auch Italien an der Lösung des Pro- blems beteiligt. Den Kernpunkt des Bertragswerkes bildet der Garantiepakt Neben diesem Punkt, über den ein vorläufiges Einverständnis festgestellt werden kann, be. stehen noch einige bedeutsame Punkte, insbesondere der Ausbau der Schiedsverträge und die Stellung die Deutschland innerhalb des Völkerbundes ein nehmen muß. Wir hoffen, daß die sachliche Kritik, die unsere Note an den Vorschlägen der Alliierten übt, die Förderung auch dieser Fragen zur Folge haben wird. Wir lehnen den Gedanken ab, daß innerhalb des Schiedsgerichtsverfahrens der Se kundant gleichzeitig Schiedsrichter sein muß. Die deutsche Antwort wendet sich gegen den Versuch, das Schiedsgerichtsverfahren zu ersetzen durch das subjektive Ermessen des einzelnen Staates. Diese sachliche Darlegung des deutschen Stand- Punktes hat in Paris und London volle Würdigung gefunden. Die deutsche Antwort bildet die Grundlage für weitere Erörterungen, die wie wir hoffen, zu Verhandlungen führen werden und das durch unsere Note angestrebte Ziel sicher- stellen. Wir dürfen uns daher der berechtigten Hoffnung hingeben, zu einem positiven Ergebnis zu gelangen. Wenn nicht alles täuscht, so besteht auch für die Fortsetzung dieser Erörterungen die Atmosphäre der Londoner Konfcre'nz, die schon einmal zur Lösung des Reparationspro- örterungen kann nur eine Zwischenstufe der Entwicklung gesehen werden, die über kurz oder lang zu dem mündlichen Verfahren füh ren muß, daß den Dawes-Vertrag hervorbrachte, bisher den einzigen positiven Versuch zur Rege- lung der durch einen unsinnigen Friedensver- trag mehr verwirrten als geregelten Beziehun gen zwischen Deutschland und seinen hauptsüch- lichen Kriegsgegnern. Mit Recht hat sich daher die deutsche Antwortnote vor allem zur Aufgabe gemacht, zu „endgültigen Verhandlungen" über- zuleitcn, die ohne Zweifel als mündliche gedacht sind. Und wenn schon heute, vielleicht etwas voreilig, eine beschleunigte französische Erwide rung angekündigt wird, so darf man hoffen, daß es sich dabei nicht um eine bloße Fortsetzung des Frag- und Antwortspiclcs handeln wird, sondern um die Anbahnung von mündlichen I Unterhandlungen, für die ja durch die Räumung des Ruhrgebietcs, der Sanktionsstädtc und, so : ist zu erwarten, endlich auch der Kölner Zone ' eine günstigere Atmosphäre vorbereitet wird, als sie bisher bei Besprechungen zwischen den ehemaligen Feinden möglich war. blems beigetragen hat. In dieser Erwartung be stärkt uns die bedeutsame Tatsache der Räumung des Rnhrgebietc» noch vor dem vertrags mäßigen Termin. Ich stehe nicht an. der Genugtuung darüber Ausdruck zu geben, daß die französische und bel gische Regierung, um ihrerseits guten Willen zu zeigen, die vollständige Räumung des Ruhr- gcbietes vor dem Endtcrinin des 16. August durch führen werden. Die französische Regierung und die belgische Regierung haben in dieser Entscheidung die Londoner Vereinbarung hierüber anerkannt und sich nicht stören lassen durch die krampfhaften B e - mühungen des Grafen Reventlow, der nachzuweifen suchte, daß der grundlegende franzö- sische Text die Besatzungsmächte überhaupt nicht ver pflichtet, bis zum 16 August zu räumen, sondern lediglich am 16. August zur Räumung zu schreiten, aber diese Räumung vollkommen in ihr Belieben stellt (Lebhafte Unruhe und Rufe: „Unerhört!"). Die französische und die belgische Regierung haben sich diese Auffassung nicht zu eigen gemacht, sondern sie haben vollkommen anerkannt, daß die Ueber- sttzung, die das Auswärtige Amt zugrunde legte, dem Vertrag entsprach. Darüber konnte niemals einer zweifelhaft sein, der selbst an dem Londoner Abkom men teilgcnomnicn hat. Ich kann vor der Ocfsent- lichkeit sagen, wenn in den letzten Wochen das Aus- wärtige Amt und die deutsche Regierung ihre ganzen Anstrengungen darauf richteten, die Ruhrräu- mung zu sichern, und wenn in dieser Zeit ein deutscher Reichstagsabgeordneter hier vor der Oeffentlichkeit aussprechen kannte, daß (es entsteht erneut eine große Unruhe. Lebl-aftc Rufe: „Pfui, Pfui!", richten sich gegen die Völki schen, die mit Gegenrufen antworten. Die Unruhe wird erst durch die Glocke des Präsidenten allmäh lich beschwichtigt) die Besatzungsmächte nicht ge zwungen werden könnten, das besetzte Gebiet zu diesem Termin zu räumen, so ist das einmal voll kommen falsch und zweitens vom Standpunkt der deutschen Interessen unerträglich. (Lebhafte Rufe im ganzen Hause: „Sehr wahr!") Die Genug tuung über die Bereitwilligkeit zur Räumung des Ruhrgebietes wird dadurch bestärkt, daß ich nach den Erklärungen des französischen Ministerpräsidenten nicht daran zweifle, vas Düsseldorf, Dnisburq und Ruhrort ebenfalls demnächst geräumt werden «Zwischenruf links.) „Demnächst" bedeutet, daß das Sanktionsgebiet wie das Ruhrgebiet innerhalb der vertragsmäßigen Zeit geräumt wird. Sowohl in bezug auf die Räumung des Ruhr- gebietes als der Sanktionsstädte werden jetzt die Londoner Abmachungen auch in diesem letz- tcn, bedeutungsvollen Teil in Erfüllung gehen. Ich glaube, es würde für unsere gesamte Politik, auch für unsere Politik gegenüber den Alliierten, ein dauernder Gewinn sein, wenn wir in der deutschen Oeffentlichkeit jenes Mißtrauen überwin- den könnten, das deshalb bestand und zum Teil noch heute besteht, weil wir in bezug auf die Erfiil- lung der uns gemachten Zusagen in den letzten Iah- ren nicht verwöhnt worden sind. Wir haben nach den Londoner Abmachungen den Zustand einer starken Entspannung der öffentlichen Meinung in Deutsch land feststellcn können. Wir erkennen gern die Wieder- Herstellung der vertragsmäßigen Zustände im Ruhr- gebiet an, aber die Nichträumung der nördlichen Rheinlandzone zu dem uns zugcsagten Termin vom 10. Januar hat in der öffentlichen Meinung jene Zweifel und Beden- ken wieder auftauchcn lassen (Zustimmung). Nachdem die E n t w a f f n n n g s n o t e bekanntgeworden ist, wurde die Meinung, daß die noch offenen Restpunktc in der Entwaffnungsfrage keinen Grund für die Weiterbesetzuna der nördlichen Rheinlandzone bilden, nur noch verstärkt worden. Die Rcichsregierung hat auch keinen Zweifel darüber gelassen, daß sic die un endlich schweren Bedingungen für die Entwaffnung zu erfüllen bereit sei. Wir haben eine Kom- Mission eingesetzt, die mit besonderen Vollmachten ausgestattct ist. Einige Fragen müssen noch prin- zipicll ausgctragcn werden, da nach unserer Meinung hier die Forderungen über das Vertrags mäßige hinausgeh en. Das ist die äußerste Grenze, die wir ziehen müssen. Auf die Dauer dür- fcn nicht Bedingungen von unerträglicher Schwere einer einstigen Ausleguug unterworfen werden (Zu- stimmung). Die Alliierten aber werden mit uns dar- über einig sein, daß auch dieses Problem vor dem Abschluß des großen Friedensvertragswerkcs bcrei- nigt werden muß. Der günstige Ausblick auf das Zustandekommen dieses großen Wcrk's wird auch die Behandlung der akuten Meinungsverschiedenheiten gllnstia beeinflussen. Am ai t- - Zillen dazu wird es bei uns nicht fehlen. Wir dürfen aber annehmen. daß dazu auch auf der Geaenscite de- ante Wille vor handen sein wird, so daß mit der Erledigung des Garantie Paktes auch diese Frage erledigt sein wird lieber den Garantiepakt noch einige all- gemeine Bemerkungen. Man hat manchmal die Empfindung, als wenn nach irgendeinem blitzartigem Einfall, aber ohne innere Berechtigung diese Sicher- heitssrage in die Diskussion hineingetragen wosden sei. In Wirklichkeit ist der Anspruch aus Sicherheit, den Frankreich erhebt, eine Frage, die feit Jahren zwischen uns und Frankreich steht. Alle diese Sank tionen und Besetzungen, alle diese Ge- walimaß nahmen wurden immer wieder unter dem einen Gesichtspunkt des bedrohten Frankreichs begründet, das Anspruch auf Sicherheit habe Es war das die Zei« des tiefsten Zerfalls bei uns im Innern und die Zeit stärkster Bedrängung nach außen. Damals hatte Poincare ganz offen aus- geführt, welche Hoffnungen daraus Hervorgehen wür- den, daß diese Zustände in Deutschland auf das Rheinland und auf die Pfalz abfärben würden, in dem Sinne, daß dort die separatistische Be wegung zum Siege gelangt. Er sagte: „Wir können früher oder später auf eine Aendcrung in der politischen Verfassung des besetzten Gebietes rech nen. Die Kammer wird begreifen, daß ich im Augen blick nicht mehr sagen kann über das, was im Werden ist. Ich muß in dieser Frage jetzt zurückhaltend sein. Aber niemand empfindet lebhafter als ich die Be- dcutung dieser Angelegenheit für Frankreich." (Hört, hört!) Deutlicher kann der Anspruch Frankreichs, in die deutschen Verhältnisse einzugrcifen. falls der Separatismus sich wieder einmal erheben sollte, nicht ausgesprochen werden. Ich empfinde es daher als viel zu weitgehenden Optimismus, wenn Sie die Sicherungen, die der Sicherheitspakt doch un zweifelhaft für das gesamte Deutschtum des Rhein- landcs in sich schließt, bei solchen Strömungen als etwas Selbstverständliches betrachten. Ich glaube aber, daß die positiv«Siche- rnng de» Rheinlands» von unser«« Standpunkt ans einer der großen Gedanke» des Sicherheitspaktes ist. Der Friede zwischen Frankreich und Deutschland ist nicht nur eine deutsche, sondern eine europäische An- gelegenheit. Der Weltkrieg hat keine Sieger geschaf fen, die ihres Sieges froh werden könnten. Die Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln hat soziale und politische Verwir rungen in Europa geschaffen, die selbst alte Kultur- staaten vor die Frage ihrer Weiterexistenz stellen. Von Osten nach Westen hat bisher der Währungs verfall noch an keiner Staatsgrenze Halt gemacht, aber ich gehöre nicht zu denen, die von einer Fort setzung des Währungsverfalles in Frankreich etwa Vorteile für Deutschland erwarten. Ich sehe weder wirtschaftliche, noch volitische Vorteile dabei. Ebenso- wenig bin ich der Ansicht, daß die Großmachtstellung Frankreichs durch irgendwelche Schwierigkeiten in Marokko erschüttert werden könnte. Die großen Probleme der Gegenwart liegen darin, daß ohne die Mitwirkung großer Weltmächte heute weder in Frankreich, noch in Deutschland die Wirtschaftsnöte behoben werden können. Man hat vielfach darüber debattiert, ob der Londoner Zahlungsplan gegenwärtig gefährdet sei. Ich glaube nicht, daß man von einer Gefährdung sprechen kann, wenn der Friede Europas und die wirtschaftliche Sicherheit nicht gefährdet sind. Aber es scheint mir ebenso sicher, daß der Londoner Zahlungsplan nicht durch- zuführen ist, wenn die Politik der Sanktionen und die Politik des gegenseitigen Mißtrauens der Grund zug der europäischen Politik bleibt. Die Räumung der Ruhr und der Lant- tionsstädte beendet die verfehlte Politik gegen Deutschland. Girre gerade Linie der deutschen Anhenpolitik führt über die Li- guidation des uns aufgezwurrgenen Ruhr kampfes über die Mieum-Verträgc zum Lachvcrständiqcngutachten und vom Lon doner Reparationsplan zum LicherheitS- pakt. Deutschland hat eine Friedensoffensive großen Ltils gegonnen. Der Wunsch der Reichsrcgierung geht dahin, vasz ihre Be strebungen zu einem günstigen Grfolge führen mögen. (Beifall rechts.) Abg. Breitjcheid (Goz): Es erscheint uns als ein Erfordernis der parla- mentarischen Demokratie, daß Bolk und Volksvertreter über die allgemeinen Absichten der Regierung hätten unterrichiet werden müssen, und zwar bevor die Regierung sich fcstlegtc. E» kam noch hinzu, daß in diesem Falle die stärkste Regierungspar- tei dem Ausgangspunkt der ganzen internationalen Erörterungen und dem Ausgangspunkt der Aktion des deutschen Kabinette eine Auslegung gab, die uns allerdings außerord. ,,:i ich bedenklich und gefährlich erschien. („Sehr wahr!" bei den Soz.) Die Deutsch nationalen behaupteten durch den Mund des Grafen Westarp daß das Fcbruarmcmorandum für das Kabinett nicht bindend sei. (Ruse rechts: „Sehr richtig!" Lel'h. Hört, hört! links.) Gras Westarp wurde in dieser Aktion in sehr nachdrücklicher Weise von seinem Freund, dem Minister des Innern Schiele, unterstützt. (Hört, hört! bei den Soz.) Unsere Interpellation war nicht der Hebel Hu»
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