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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 14.03.1925
- Erscheinungsdatum
- 1925-03-14
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192503140
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19250314
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19250314
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1925
-
Monat
1925-03
- Tag 1925-03-14
-
Monat
1925-03
-
Jahr
1925
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kinrs! - kif.: 20 pfsnnlg Dresdner Vchrittietwna Dresden.«. SUNnaenlir. 3. Yernlvr.32 S9S «ia HaLriche Scvrnttetiuna Marunttrab» 17 iTterntprewer ^S88> LI»- loNrg. 8onllsdeaä, 6ea 14 ULSrr 192S »r Leivstger DLrUtleUung: IohanniSgasse 8 cyrrniprecher 708111 IV. /2 Berliner Swriillciiung ^reiherr-v.-Siein-Slr.ö. I». Del. SiepvanS038 Vezug-prels-L-M«'?^ »«»«Igtnpr.«,: Be ellgw.eur Ausland 6 Mk. einlcvl.Porio. Srl»«ini iSglmora. MM UMM M MM M M V E M MM MM » M MM »w«tund>wan,ta Plennt,. gamiUrnanjecgen von BKvaien Höd.Gewali Ichliekilör'Ullunaaus Schrtltl.tz»klldäIt«si..DruSerrU W V V V V V V V W V MM '«»« Plennt«. - «elegenbellSan,. Tirllengeluche. Reklame- Letlntg. ?lodanniSaasir 8 «gernlpr.Or'Sacldr. Sammel-Nr.: 70811. 1"!««. Rabaiie usw na» Dar«, tzür komd.Aullr. mir N.L.Z. Sonder- Serngtlpr. 17089-17092» edrnda u. «n allen hlllalen «n,eigen, und Dla». u. Datenvorkwrltt. unvrrblndl. SrlUllungSor'u. «donnement.«nnahmr auch nimm, irde« DoNann Bettrllungen an. «erlchiSNand 8e«vi«g t«ml««er. L«tp»lg> Poltlch«ch.«,o. Letp»tg »004. La» „i»«t die ««Ui»«» da» L-Merliii» ke»lll Rede Don 8. Sssnssr (Berlin). Di« Rede Chamberlains in Genf, die gedanklich und formal bis auf das letzte I-ttlpfelchen im Lon doner Außenministerium ausgearbeitet wurde, um dem Dor tragen den lene ungewohnten rednerischen Anstrengungen zuzumuten, rmrd auch den glaubens- starken Anhängern des D-ölttrbun-gedankens in der weitmaschigen Fassung der Friedensvertrüge zu den ken geben. Der Vertreter des englischen Imperiums konnte sich natürlich nicht nach Genf begeben, um zu verkünden, was alle Welti längst wußte: daß das Genfer Protokoll tot sei. Er mußte die 2lb- lehnung der auf der Dreieinigkeit von Schiedsgericht, Sicherheit, Abrüstung aufgebauten Ergänzung zum Pakt aus den konkreten Bedürfnissen der internatio nalen Lag«, aber auch aus seiner bisherigen Wirk samkeit gründlichst motivieren. Insofern sind die Erwartungen nicht getäuscht worden- was immer auch Briand zur Verteidigung der vorjährigen Genfer Be mühungen vorbrachte. Denn wirklich, ist der Völker bund in seiner gegenwärtigen Gestalt noch jener Pakt, den ihr Schöpfer im Auge hatte? Dem Wortlaut nach gewiß. Aber indem die mächtigste Nation des Pla neten, — indem die Vereinigten Staaten von Amerika wider vermuten das Werk ihres Präsidenten verleug neten, rutschte es in jene gefährliche Atmosphäre der Parteilichkeit, aus der es zu befreien nun heroisch« Anstrengungen gemacht werden müssen. Wir wissen das alles längst, aber es ist doch gut, wenn es gerade von dem Sprecher des älteren Zwei' ges des Angelsachsentums in die Welt hrnausposaunt wird. Natürlich mußte die .Harmonie" des Völker- bundpaktes, mußte seine Autorität durch die Nicht zugehörigkeit so bedeutender Groß- und Wirtschafts. Mächte eine Schwächung erfahren. Dadurch allein schon verloren die vorgesehenen wirtschaftlichen Sank tionen ihr« kriegsheml'nendc Kraft; und gerade auf ihre Wirksamkeit hatte ja Wilson ursprünglich ge rechnet. Aber wie aus der Sackgasse kommen? Tat sächlich wird durch das im Genfer Protokoll vor* gesehen« System der militärischen Sanktionen der Geist des Völkerbundes wesentlich geändert; zu Ende gedacht, würde es diesen Friedensbunü zum Ueber- staat mit einer Militärmacht stempeln- wobei wir heut« die knifflige Frage übergehen wollen, wie aus einem Sammelsurium der verschiedensten Kontin gente so eine Macht in jedem Sankttonssalle zusam mengesetzt und die Einheitlichkeit des Oberkommandos gesichert werden soll. Jede Annäherung an die Mi litarisierung des Völkerbundes schafft — woran ihre Liebhaber nicht zu denken scheinen — neue Hem mungen aller schwierigster Art und bedeutet für die einzelnen Bundesmitgliodvr die Forderung eines Souoeränitätsverzichtes, auf den in ab- fehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Jedenfalls kann England in seiner heutigen Zwrtterlage, als dem europäischen Kontingent und gleichzeitig der ozea nischen Welt draußen zugehörig, diesen Weg nicht be schreiten. Selbst Macdon-ald war nicht wohl, als er sich in Genf zu Konzessionen in dieser Richtung an Herriot und Benesch bereit fand. Chamberlein ver kündet damit eine unanfechtbare These: wenn der Völkerbund in seiner heutigen Zusammsetzung den vertraglichen Apparat für eine militärische Exckut've in« Leben rufen will, so dient er nicht dem Frieden, er steigert vielmehr die Kriegsgefahr. Folgerungen über die Abrüstung liegen auf der Hand. Die Frage freilich, warum die einzelnen Staaten, auch diejenigen, die den Völkerbundspakt bereits unterschrieben haben, daran zweifeln, ob er ihnen genügenden Schutz gewähre —, sie hat das von Chamberlain vorgelesene Memorandum etwas eilig behandelt, um dann zu dem Schluß zu gelan gen, daß der unveränderte Friedensvakt ohne die durch das Protokoll vorgeschlagenen Ergänzungen wirksamer sei. Diel derber und praktischer wird die Pazifierung durch den Vorschlag erstrebt, der der englischen Weisheit letzte Schluß ist: den Dölkerbnudspakt durch besondere Abmachungen für besondere Zwecke zu ergänzen. Da alle Teilbündnisse d^r Weststaaten von England endgültig abgelehnt zu sein scheinen, so heißt das: wir wollen versuchen, in der Rich- tung der deutschen Dorschläae den Gegen- stand aller Kriegsängste in Zentraleuropa, eben Deutschland in ein großes Defensiv- bündnis einzubeziehen: vielleicht gelingt es doch, jene Nationen vertraglich aneinander zu binden, zwischen denen Gegensätze bestehen, die am le'chtesten zum Brande führen können. Sier wird der Stier wirklich bei den Hörnern gevackt. Pazi fismus kann nur zwischen freien Nation-n bestehen, solchen, die in freiwill ger Uebereinkunrt ibre Be schwerden regeln und für dann noch entstehende Differenzen ein Schiedsgericht mit streng umschrie benen Vollmachten und Befugnissen vors.'hen. Wird dann ein so beschaffener Defensivoertrag zw schen fünf oder sieben Mächten in Genf registriert, so er- hält dcrd ort residierende Völkerbund erst di« Weihe -es Lebens, ihm wächst dann die Autorität zu, die Widerspenstig« zu zahmen vermag. Mit anderen Worten: der Genfer Bund wird znm Euroväerbund, die Vereinigten Staaten von <*nrova wären geboren. Sie sind es, die am End« des Weges stehen, den Chamberlain im Anftrrge seiner Nation zu beschreiten emvsiehlt. Es st parador un bedeutet ein Auslöschen des Grnnddcnmas bisheri- ger englischer Außenpolitik, daß das Inselreich die Führung übernehmen soll um d*e V-r Steg, ter: von Eurova schissen zu helfen. Was sagt der große Napoleon dazu? Fre.lich, wir sind noch nicht so weit, und nicht bloß deswegen, weil War schau sich krä»M SttesemM Pyrrhussieg As IWGiel der Rechten Berlin, 13. März. Der Reichsaußenminister Stresemann hat in der deutschen Innenpolitik am gestrigen Tage einen Pyrrhus-Sieg davongetragen, von dem er sich kaum allzuschnell erholen dürfte. Gleichzeitig hat er es zuwege gebracht, daß di« Deutschnat-onalen und mit! ihnen di« Dolkspartei heute alle Anstrengungen daran setzen müssen, durch „Richtigstellungen" und „Erklärungen" den Schleier von neuem zu knüpfen, der ihnen gestern vom Angesicht gefallen ist. Dabei zeigen die gestrigen Vorgänge im Loebell-Ausschuß dadurch besondere komplizierte Lin'en ß die Mo. tiv«, aus denen Stresemann und die Deutschnatio» nalen Hand in Hand spielen, recht verschieden«! Natur sind. Die Ablehnung der Kandidatur Geßlcr ist äußerlich dem Eingreifen Stresemanns zu verdau- ken, der durch seine dem Abgeordneten Fehrenbach mitgeteilten außenpolitischen Bedenken gegen di« No- miucerung Geßlers den Marx-Flügel des Zentrums stark macht« und ihm zum S'ege verhalf. Ferner hatte Stresemann den Beschluß des Rci'''sausschusses der Dolkspartei herbeigeführt, der sich im! Gegensatz zu dem Fraktionsbeschluß für Jarres erklärte. Eine Erklärung deutschnationaler Parteiinstanzen für Geß- ler lag überhaupt nicht vor und von der Volke lartei hatte man die beiden sich widersprechenden Beschlüsse vor Aug«n. Es ist im Interesse der letzten Aufklä rung über das Doppelspiel der Rechten äußerst bedauerlich- daß das Zentrum n'cht bei dieser Sachlage sich für Geßler entschied, denn die schnelle Folg« einer solchen Entscheidung wäre gewesen, daß die Dolkspartei auf Grund ihres Dovvelbcschlu^cs die Kandidatur Geßler abgelebnt hätte und die Deutschnat'onalen dieser Ablehnung beigetreten wären. Damit! wäre dann auch denen, die k«ine Kenntnis des Kulissen'-'"!? hoben, Klarheit dar über geworden, daß die Rechte der Kandidatur eine» Ministers, -er sich zur Republik bekannt hat, nur desha'b scheinbar zustimmte, weis sie nach ihrem Ge schrei von der bürgerlichen Sammelkandldatur nicht gut anders konnte. Die deutschnationale Presse ist heute mit großem Eifer dabei, die Schuld an der Nicht aufstellung Geßlers dem Zentrum in die Schuhe zu schieben. Aber alle Argumente, die angeführt werden, kommen nicht über das des Grafen Westarp in der „Kreuz-Zeitung" hinaus, der das ablehnend« Ver ¬ halten des Loebell-Ausschufles gegenüber der Bitte des Zentrums um Au schub der Angelegenheit damit motiviert, daß man dann noch einen Tag länger hätte warten müssen. Der böse Eindruck, -en die Taktik der Rechtsparteien im Loebell-Ausschuß auch auf diesen nahestehende Instanzen gemacht hat, ergibt sich aus einer Mitteilung des „Berl.ner Tageblattes", daß ein Vertreter des Bayrischen Bauernbundes, Fehr, und der Vertreter der Bayrischen Volks partei. Leicht, vorzeitig den Perhandlungssaal verließen, weil ihnen klar wurde, daß sie von der Rechten nur als Vorspann benutzt wurden. Sie sollen die Absicht haben, entsprechend nach Bayern zu der chten. Und nun Stresemannl Er ist erst für die Deutschnationalen tragbar geworden, seit er die Volkspartei herumgeworfen und sie unter Verzicht auf eigene? Wollen den Deutschnationalen in die Arme führte. Besonders sympathisch war er auch seitdem den Deutschnationalen nicht, aber er war ihnen außerordentlich nützlich. Jetzt wird die Ge legenheit benutzt, die es den Deutschnationalen zur Notwendigkeit macht, vor der Welt das „Geßler- gesicht" zu wahren, und man verfährt reichlich unsanft mit ihm. In fast allen Zeitungen der Rechten macht man sich beinahe die Kennzeichnung seines Verhal'ens als Doppelspiel zu eigen, die es in der republika nischen Presse erfährt. Man deutet auf die persön liche Animosität zwischen Stre'emann und Geßler hin und schreibt ungeniert, Stresemann habe aus persön- lichen Motiven die bürgerliche Einigung verhindert. Herr Stresemann wird vielleicht allmählich erkennen, daß noch weitere solch« Siege wie sein gestriger seinem Renommee wenig förderlich sind. W lly Hellpach Der demokratische Kandidat für den Reichspräst» dentenposten Dr. med. «t phil.' Wilhelm Hugo Hell- pach ist am 26. Februar 1877 in Del« in Schlesien geboren und evangelisch. Er habilitierte sich als Dozent für Psychologie an der Technischen Hochschule in Karlsruhe im Jahr« 1906, wurde 1911 zum außer ordentlichen und 1920 zum ordentlichen Professor ernannt. 1922 wählte ihn der Landtag auf Grund der Vorschläge der demokratischen Fraktion zum Kultusminister, ohne daß er dem Parlament ange hört hätte. Staatspräsident ist Dr. Hellpach seit dem 9. November 1924. ErMslese SGPMMkhMWkli Schiedsspruch im Reichsbahtiarbeiterstreik wahrscheinlich Berlin, 13. März. Heute vormittag haben im Reichs arbeitsministerium Vie Verhandlun gen ver Eisenbahnergewerkschaften unv der Generaldirektoren der Deutschen Reichsbahngesestschast vor dem Schlichter begonnen, die die Entscheidung über Streik oder Weiterarbeit im Eisenbahnbetrieb bringen sollen. Trotz der Zusage des Ge- werkschaftssührerS, datz der Streik bis zum Ausgang der Schlichtungsverhand lungen nicht ausgedehnt werde» soll, sind heute vormittag weitere Arbeiter in den Streik getreten. An Berlin beläuft fich die Zahl der Streikenden auf 1500. Diese Verbreiterung der Streitbasis hat die Einsetzung der Technischen Nothilfe vorerst auf dem Bahnhof Rummelsburg notwendig gemacht. Berlin, 13. März. Die Verhandlungen tm Reichsarbeits ministerium über die Lohn- und Arbelts- zeitfrage bei der Reichsbahngesellschaft haben zu keinem Ergebnis geführt. Die Vermittlungsversuche des ReichS- arbeitSministeriumS blieben ergebnislos, so datz ein Schiedsspruch notwendig wird, der in den Abendstunden zu erwar ten ist. Die Schltchtungskammer, die den Schiedsspruch fällen wird, ist heute nach mittag zusammengetrete«. Oie Lage in Sachsen Die Pressestelle der Reichsbahndirektion Halle (Saale) teilt mit: „Pie Zahl der in Wahren unü Leipzig Streikenden ist am 12. März um drei Köpf« aus ! insgesamt 686 Köpfe gestiegen. Betrieb und Verkehr 1 wickeln sich im Bezirk noch weiter in glatter Wesse ab. Nach Mitteilung der Hauptverwaltung streiken im Bereich der Deutschen Reichsbahn-Gesellschaft am 12. März 8182 Mann, das sind 1,9 Prozent des Arbeiterbe st andes. Meldungen, wonach 11000 Mann und darüber die Arbeit niedergelegt haben, entsprechen auch heute nicht den Tatsachen. * Die Reichsbahndirektion Dresden gibt fol gende Notiz über die Streiklage am 13. März, vor- mittags, aus: „Die Zahl der Streikenden ist gegen den Dor- tag fast die gleiche geblieben. Im Betrieb und Verkehr keine Aenderung der Lage." * Die Bezirksleitung Sachsen de» Deutschen Eisen bahner-Verbandes teilt mit: „In den Donnerstag vormittag im Reichsarbeit». Ministerium zwischen der Reichsbahnhauptverwal tung und den Eisenbahnertariforganisationen statt gefundenen unverbindlichen Verhandlungen ist ein Schiedsgericht vereinbart worden. Al» Vor sitzender des Schiedsgericht», dem je vier Arbeitgeber, und Arbeitnehmerbeisitzer angehören, wird voraus sichtlich der Ministerialdirektor Sitzler im Reichs- ardeitsministerium fungieren. E» wäre tm Inter esse der sächsischen Wirtschaft zu begrüßen, wenn durch einen befriedigenden Schiedsspruch der Eisen bahnerstreik beigelegt werden könnte; denn im Reichs bahndirektionsbezirk Dresden machen sich die Stö rungen des Wirtschaftslebens durch die von der Pressestelle der Reichsbahndirektton Dresden aller- ding» immer noch entschieden bestrittene Lahm legung de» Güterverkehr» immer mehr bemerkbar. Zum Beispiel ha« die Spinnerei Ullrich in Werdau rund 600 Arbeiterinnen aussetzen lassen müssen, do infolge des Eisenbahnerstreik» keine Rohstoffe heran kommen. De» weiteren werden in Mitteldeutsch'«»- und Rheinland-Westfalen keine Güter mehr fü Sachsen angenommen. Im übrigen ist die Streik lage im Reichsbahndirektionsbezirk Lachsen unser- ändert und der Kampfeswille der Eisenbahner ein sehr ausgezeichnete»." Nil Meitertn LnM Don Prof. vr. vksltsr vostr. M. d. R. Die demokratische Reichstagsfraktion hatte kaum erwartet, daß ihr am letzten Montag an die Parteien des Reichstags obgesandter Brief eine so starke Wirkung ausüden würde, wie es in der Tat der Fall gewesen ist. Denn es erfolgte darauf die Einladung des sogenannten Loebell-Büros („zur Vorbereitung der Präsidentenwahl") aus Mittwoch vormittag zu einer gemeinsamen Besprechung. In dieser wurde von den Vertretern der Demokratischen Partei die Absicht ihres Briefes erläutert und Reichsgerichts präsident Dr. Simons als geeigneter Kandidat vorgcschlagcn. Man wußte dabei noch nicht, daß Dr. Simons selber am gleichen Tage jede Kandidatur bestimmt ablehnen werde. Die Parteien der Rechten erklärten jedoch, ebenso wie das Zentrum, daß für sic Simons nicht in Frage komme. Darauf wurde von derWirtfchastspartei der Reichswehr mini st er Geßler als geeigneter Kan didat vorgeschlagen. Di« Parteien der Rechten und das Zentrum nahmen diese Kandidatur zur Berichterstattung an ihre Fraktionen an; di« Bayrische Dolkspartei stimmte ohne weiteres zu. Die Vertreter der Demokratischen Partei konnten selbst verständlich keine andere Erklärung abgeben, als daß ihnen diese Kandidatur recht sei, falls alle andern zustimmten. Die Verhandlungen der Fraktionen, der Partei- vorstände und der Parteiausschüfl« hoben sich seitdem anderthalb Tage hingezogen. Herr Stresemann hat sich beeilt, außenpolitische Bedenken gegen die Kandidatur Geßlers geltend zu machen Bisher galt es als ein nichtswürdiges Vorrecht der Demokratie, Rücksicht auf dans Ausland zu nehmen — Herr Stresemann hat uns nunmehr für immer entlastet. Man darf also von jetzt ab als deutscher Patriot Rücksicht auf das Ausland zu nehmen — Herr wir nur aller Wahrscheinlichkeit nach mit dem nahen Rücktritt Dr. Stresemanns vom Amte des Außen- Ministers zu rechnen, da er ja bekanntlich selber seit London und seit seinen sich anschließenden Wand- lungen eine starke Belastung für die deutsche Außen politik darstcllt. Im Vorstand seiner eigenen Partei fand Dr. Stresemann kein Echo: hier war man gc- neigt auf Geßler einzugehen; den Parteiausschuß der Volkspartti aber führte Stresemann zu einem Nein. Auch in dem Wahlausschuß haben bei erneuten Beratungen die Bedenken Dr. Stresemanns keinen ausschlaggebenden Widerhall gefunden. Zwar nur sehr zögernd und gedrängt durch den Mangel eines anderen geeigneten Kandidaten waren die Parteien der Rechten der Kandidatur Geßlers etwas näher- gerückt. Es ist durchaus ein Irrtum, Geßler als den Kandidaten der Rechten anzusehen. Die Parteien der Rechten hielten die Kandidatur Jarres noch immer im Hintergrund bereit, obwohl sie durch die bestimmte Ablehnung der Zentrumspartei schon un- möglich geworden war. Dann aber versuchte noch stundenlang eine Partti der anderen die Perant- Wartung zuzuschieben. Das selbst noch unentschlossene Zentrum hat dann unter dem Eindruck der ent schiedenen Stellungnahme der Wirtschaftspartei, der Bayrischen Volkspartei und d«r Demokraten an die Deutsche Polkspartei am Donnerstag nachmittag die Anfrage gerichtet, ob sie bereit sei, zusammen mit dem Zentrum für Geßler einzutreten. In diesem noch schwebenden Stand der Dinge kam es zu einer neuen Gesamtbesprechunq am Donnerstag gegen Abend. Die Komödie, die sich hier abspielte, ist wert, für die Nach- weit festgehalten zu werden. Hier nämlich erklärten zunächst die Deutschnationalen, daß sich inzwischen ihre Stimmung für Geßler abgckühlt habe — offen- bar infolge des sehr wenig geschickten Verhaltens einer Berliner demokratischen Zeitung, die den Republikaner Geßler so eifrig empfohlen hotte, daß den Deutschnationalen allerdings schwül werden konnte. Aber es ist wohl möglich, daß den Deutsch nationalen die Tragweit, einer Entscheidung für Geßler innerhalb 24 Stunden doch etwas deutlicher geworden war als im ersten Augenblick. Die Deutsche Volkspartei folgte auf Weisung ihres Parteiaus- schusses den Deutschnationalen mit weiteren starken Bedenken gegen Geßler. Nun aber verlangte das Zentrum eine Stunde Pause, damit die endgültige Entscheidung seines noch tagenden Vorstandes ab gewartet werden köckntt. Diese Stunde Pause wurde von De u t sch n a t i o n a l e n und Deutscher Volkspartei, nach einer Son. derberatung von 38 (achtunddreißiy) Minuten, äbgelehntl Und während nun bei- nahe g'eichzeittg der Vorstand des Zentrums sich im Reichstag mit 18 gegen 6 Stimmen für die Kandt- datur Geßler entschied, beschloß man in der Pots damer Straße, weil das Zentrum keine Instruktion hab«, den Abbruch der Verhandlungen. Das eine darf man hiernach fcststcllcn: das Schicksal Deutschlands ruht, soweit die Rechtsparteien in Frage kommen, in der Hand wahrhaft zuverlässiger, weit blickender, das Vaterland über jedes Parteiintcrcsse stellender M^'nne*. Möge sich der deutsche Aristophaneg finden, der diese Komödie aufzeichnet und dleseMänner unsterblich macht. Sie haben es reichlich verdient, und die Zentrumspartei darf nach dieser Behandlung durch d'* Rechtsvar^eien ebenfalls als endgültig ver- lorener Unuedsgenosse der Rechten bezeichnet w-rden. Ob die Rechtsparteien unter diesen Umständen an einer Kandidatur Jarres Freude erleben werden ist jetzt eine Frage, die uns andern nichts m.hr au-" h.>. Der ehrliche Versuch der ^>?moki atischen Partei einem gemeinsamen, erfolgversprechenden Kandida , zu gelängen, ist an dem Parteigeist der Rechten gc - scheitert.
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