232 Cosmas von Prag III, 62. 1125 ihn gekommen, daß er seines Gott gethanen Gelübdes beinahe Vergessen hätte und durch seine Begierde verlockt in die Fallstricke des Teufels gerathen wäre. Was wollte er machen? Er hatte einmal im Dialogus^) gelesen, daß der heilige Benedict den Brand fleischlicher Begierden durch den Brand der Nessel getilgt hätte; plötzlich von der göttlichen Gnade erleuchtet und wieder zu sich gekommen, suchte er es ebenso zu machen und da er keinen versteckten Ort fand, sammelte er heimlich eine Hand voll Nesseln, begab sich in sein Schlafgemach, schloß die Thüre und entledigte sich aller seiner Kleidungsstücke bis auf den letzten Faden. Ach, hätte Jemand damals den gesunden aber nicht ganz vernünftigen?) Priester gesehen, er hätte wohl oder übel lachen müssen und hätte er auch an diesem Tage sein Liebstes begraben. Führwahr, kein Magister wüthet so gegen seinen Schüler, kein zorniger Herr so gegen seinen Leibeigenen, wie der Priester, über sich selbst erzürnt, und vor Zorn unempfindlich, an den schuldigen Theilen seines Leibes mit den Nesteln wüthete. Endlich kam er zum Herzen und die Herzgegend noch ärger zurichtend rief er: „Du verderb tes Herz, du kreuzigst mich fortwährend, jetzt will ich dich kreu zigen, denn von dir gehen schlechte Gedanken, Ehebruch, Hurerei und alle schlechte Lüste aus." Indem so der rasende Priester seiner Raserei Genüge that, wurde er von so heftigen Schmerzen befallen, daß er drei Tage lang dem Tode nahe darniederlag; da er aber glaubte, er hätte noch nicht genug zum Heil seiner Seele gethan, sammelte er ein Bündel Nesseln und hing sie in seiner Kammer auf, um sie stets vor Augen zu haben; und so oft er die abgeschnittenen hängen oder andere am Wege stehen sah, entsetzte sich seine Natur und in Erinnerung an die ausge standenen Schmerzen Verließ ihn seine böse Begierde vollständig 1) In dem so betitelten Werke des Papstes Gregor I. über das Leben und die Wunder des heiligen Benedict. — 2) Das Wortspiel sannin insanisntsm läßt sich im Deutschen nicht wiedergeben.