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unklug und gewissenlos finden, wenn in dieser Beziehung nur selten deu natürlichsten und gerechtesten Anforderungen genügt ist, ja es beschleicht Einem entschiedener Unwille, wenn man hie und da Kabachen und Spe lunken als Arbeiterwohnungen bemerkt, während man weifs, dafs Ver brecher dagegen in Palästen wohnen, und während man die vortrefflichsten, wohl eingerichtesten Ställe für Pferde, Schafe u. dgl. wahrnimmt!“ — Jene Uebelstände sind auch bereits Gegenstand der allgemeinen Auf merksamkeit, namentlich der landwirtschaftlichen Behörden und Vereine geworden und in Folge derselben die hauptsächlichsten Mängel der bis herigen Bauweise der älteren Tagelöhner-Wohnungen anerkannt, und bei einigen neueren Anlagen auch zum Theil vermieden worden. Obgleich in localen Verhältnissen, der häuslichen Lebensweise und der Stellung des Arbeiters zur Herrschaft selbst, aufserordentliche Ver schiedenartigkeit obwaltet, so läfst sich eine solche Raumbeschränkung, wie man sie bei älteren Tagelöhnerhäusern vorfindet, gewifs in keinem Falle rechtfertigen. Der Geheime Oberbaurath Linke bezeichnet in einem äufserst zutreffenden Aufsatze in den v. Lengerke’sehen Annalen der Landwirthschaft, die älteren Tagelöhner-Wohnungen nur als Nothbehelfe, deren ausdauernde Benutzung Seitens einer mit Kindern reichlich gesegneten Familie, sowohl die physische wie moralische Ver kümmerung derselben herbeiführen mufs. „In der That, fährt Linke fort, sind die Mehrzahl dieser Wohnungen von der kläglichsten Beschaf fenheit, kaum dem Aufenthaltsorte menschlicher Wohnungen ähnlich, in welchem einer zahlreichen Familie oft nur ein einziges dumpfiges und dergestalt räumlich beschränktes Gemach zu Gebote steht, dafs in demselben von einer Heilsamkeit der Luft nicht die Rede sein kann. In diesem, mitunter den aufrechten Stand eines Erwachsenen kaum gestattenden, Wohnzimmer müssen auch sämmtliche Familienmit glieder schlafen, und da nach Aufstellung des unentbehrlichsten Haus- üreräthes ein ausreichender Platz für einen vereinzelten Stand der Betten nicht verbleibt, mehrere Personen eine gemeinschaftliche Schlafstelle erhalten. Fehlt nun auch noch Küche und Keller, so tritt die Nothwendig- keit ein, in jenem Zimmer nicht allein zu kochen und zu waschen, son dern auch den Wintervorrath von Kartoffeln und Wurzelwerk wenigstens theilweis mit unterzubringen, für welchen alsdann ein verfügbarer Raum nur unterhalb der Betten übrig bleibt. Dafs bei einem so beengten Zusammenleben einer vielleicht zahlreichen Familie, namentlich in Krank heitsfällen oder zur Zeit häuslicher Ereignisse, welche eine gänzliche Isolirung der Hausfrau unfehlbar erfordern, ein wahrhaft betrübender Nothstand eintreten mufs, bedarf ebenso wenig des Beweises, wie dafs