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grüßte die Feinde von den Mauern herab, andere öffneten die Thore, zogen hinaus und mengten sich unter die anrückenden Truppen. Nie mand that ihnen Etwas zu Leide; man begrüßte sich mit Herzlich keit, man gab einander die Hand; alle schworen dem Vitellins Treue zu und traten über. 14. So berichten die Meisten, welche die Schlacht mitgemacht haben, über dieselbe. Indessen gestehen sie ein, daß sie bei der herr schenden Unordnung und in Folge der Unebenheit des Terrains selbst nicht alle einzelnen Umstände genau kennen. Als ich später einmal Uber die Ebene gieng, zeigte mir Mestrius Florus, ein gewesener Consul, der damals, wie mancher Andere, nicht freiwillig, sondern nothgedrungcn auf Otho's Seite gestanden hatte, einen alten Tem pel und erzählte mir dabei, wie er nach der Schlacht dahin gekommen sei und einen so Ungeheuern Haufen Leichen dort gesehen habe, daß die obersten bis an den Giebel reichten. Einen Grund hievon, wor- nach er suchte, habe er, wie er sagte, weder selbst finden, noch von irgend einem Andern erfahren können. Daß bei Bürgerkriegen, wenn einmal eine Armee geschlagen ist, mehr Leute umkommen, ist begreiflich, weil man keine Gefangenen macht; denn was sollte man mit Gefangenen anfangen? Aber ein Aufbeugen und Zusammen schleppen in solchem Maßstabe läßt sich doch auch vernünftigerweise nicht begreifen *). 15. Zn Otho drang zuerst nur ein unbestimmtes Gerücht, wie dieß bei so wichtigen Ereignissen gewöhnlich der Fall ist. Als aber auch einige Verwundete aus der Schlacht mit ihren Meldungen eintrafen, hätte man sich vielleicht weniger wundern dürfen, wenn seine Freunde ihn nicht zur Verzweiflung kommen ließen, sondern ihm entschieden Muth einsprachen. Wohl aber überstieg die Leiden schaft, welche die Soldaten für ihn hatten, allen Glauben, — wie da keiner fortgieng, der sich auf die Seite deS Siegers stellte, keiner einen Zug von Selbstsucht blicken ließ, nachdem die Lage ihres Füh rers doch hoffnungslos geworden war. Nein, alle mit einander kamen vor seine Thüre, nannten ihn fortwährend ihren Imperator, -) Wahrscheinlich Mndertcn die Bauern der Umgegend die Leichen und warfen sie dann zusammen auf einen Hansen, uin ihre Felder davon frei zu halten,