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41 deren Quelle man nicht kannte. Aber das konnte Jedermann mit eigenen Augen sehen, daß auf dem Capitolium der Victoria, die auf einem Wagen stand, die Zügel aus den Händen gefallen waren, — als ob sie dieselben nicht mehr halten könnte! und daß die auf der Tiberinsel errichtete Standsäule des Kaisers Casus (Caligula) ohne irgend ein vorangegangenes Erdbeben oder einen Sturm sich von Westen nach Osten umgekehrt hatte, — und dieß soll gerade in den gleichen Tagen geschehen sein, in welchen Vespasianus offen nach der Krone griff. Auch den Vorfall hinsichtlich der Tiber deuteten Viele als ein ganz böses Zeichen. Zwar war es Frühjahr, — eine Zeit, in wel cher die Flüsse am meisten angeschwollen sind, aber doch war sie früher niemals bis zu einer solchen Höhe gestiegen, hatte niemals in so außerordentlichem Maße geschadet und Verderben angerichtet. Damals überströmte und bedeckte sie einen großen Theil der Stadt, namentlich den Getreidemarkt, so daß man sich eine ganze Reihe von Tagen in der größten Noth und Verlegenheit befand. 5. Als hierauf die Nachricht einginq, daß Cäcina und Valens, zwei Generale des Vitellins, bereits im Besitze der Alpenpässe stün den, da gerieth zu Nom Dolabclla, ein Mann von vornehmer Geburt, bei den Prätorianern in den Verdacht von revolutionären Planen. Diesen schickte also Otho, sei es, weil er ihn oder einen Andern fürchtete, mit ermuthigendem Zuspruch nach der Stadt Aguinum. Als er hierauf aus den höheren Beamtenkreisen sich seine Be gleiter für die bevorstehende Abreise auswählte, stellte er unter die selben auch des VitelliuS Bruder Lucius, welchem er seine hohe Stellung, die er besaß, weder gesteigert noch abgenommen hatte. Eben so kräftig sorgte er für Vitellius' Mutter und Gemahlin, da mit sie ja nichts für ihre Person fürchten sollten. Zum Hüter von Nom stellte er den Flavins Sabinus, einen Bruder des Vespasianus, ans. Letzteres that er vielleicht dem Nero zu Ehren, von welchem Sabinus sein hohes Amt erhalten hatte, das ihm nachher Galba wieder abnahm. Vielleicht wollte er auch durch die weitere Er hebung des Sabinus dem Vespasianus noch in höherem Grade seine freundliche Gesinnung und sein Vertrauen bekunden.