Volltext Seite (XML)
und dadurch nicht nur seine Mäßigung, sondern auch die zuver lässige Treue der Soldaten in Verdacht brächten." Er verlangte also, daß man seinen Unwillen hierüber theilen und ihm diese Leute strafen helfen solle! Seine Worte fanden allgemeine, bereitwilligste Zustimmung. Jndeß beschränkte er sich auf zwei Soldaten, die er bezeichnte, und deren Bestrafung bei Niemand Aergerniß erregen konnte. Hierauf entfernte er sich wieder. 4. Wer mit diesen Dingen bereits zufrieden war und über haupt Vertrauen hegte, mußte über die eingetretene Veränderung staunen. Andere fanden darin freilich nur nothwendige politische Maßregeln gemäß der augenblicklichen Sachlage, womit Otho wegen des drohenden Kriegs das Volk zu gängeln suchte. Denn bereits kam die wiederholte zuverlässige Nachricht, daß Vitellius die Würde und Vollmacht eines Imperators angenommen. Auch trafen fort während Eilboten ein, welche immer wieder neue Anschlüsse an den selben meldeten, wogegen Andere wieder anzeigten, daß die Armeen in Pannonien, Dalmatien und Mösien sammt ihren Generalen den Otho gewählt hätten. Bald liefen auch von Mucianus, sowie von Vespasianus, freundliche Schreiben ein; der Eine stand an der Spitze einer großen Truppenmacht in Syrien, der Andere in Judäa. Hiedurch crmuthigt, schrieb Otho an Vitellius einen Brief, worin er ihn ermahnte, „sich als treuen Soldaten zu zeigen; er werde ihm bedeutende Geldsummen geben, wie auch eine Stadt, in welcher er das sorgenfreieste und angenehmste Leben in aller Ruhe führen könne." Vitellius antwortete anfänglich nur mit gelinder Ironie. Aber bald geriethen sie in eine gereizte Stimmung und schrieben einander im bittersten Hohn eine Menge ehrenrühriger, gemeiner Sachen. Und das waren keineswegs Lügen, aber ein lächerlicher Unverstand wars, wenn Einer dem Andern seine Schandthaten vorwarf, die Jedem anhiengen. Denn Asotie, Weichlichkeit, Unkenntniß im Kriegswesen, Schuldenmassen aus früheren Zeiten der Armuth, — es war in der That eine Aufgabe, zu sagen, wem von Beiden dieß Alles weniger zur Last siel, als dem Andern. Auch sprach man von vielen Wahrzeichen und Erscheinungen, wovon jedoch die meisten auf unzuverlässigen Gerüchten beruhten,