1. Mer neue Kaiser begab sich mit Tagesanbruch auf das Capitolium und opferte. Dann befahl er, den Marius Celsus her beizuführen. Er grüßte ihn, redete mit ihm auf's freundlichste und bat ihn: „lieber den ganzen Anlaß zu vergessen, als anseine Freilassung sich zu erinnern." Auch Celsus erwiederte ihm in wür devollen, verständigen Worten. „Eben das (sagte er,) was man ihm vorwerfe, müsse Vertrauen zu seinem Charakter erwecken. Der Vor wurf bestehe ja nur darin, daß er sich dem Galba als zuverlässigen Freund bewährt habe, ohne demselben irgend eine Gunst zu verdan ken !" Die Anwesenden zollten Beiden ihre Bewunderung und auch das Militär drückte seinen Beifall aus. Im Senate hielt Otho eine lange Ansprache voll Popularität und Freundlichkeit. Für die Zeit, in welcher er selbst noch Consul sein sollte, theilte er seine Stelle dem Virginius Rnsus zu, während er allen, die noch von Nero oder Galba ernannt waren, ihre consu- larische Würde unangetastet ließ. Mit den priesterlichen Aemtern beehrte er nur Männer, welche sich durch Alter oder Ansehen hervor hoben. Sämmtlichen Senatoren, die unter Nero verbannt worden und unter Galba zurückgekommen waren, gab er wieder ihr vollstän diges Vermögen, soweit er dasselbe nicht verkauft vorfand. Daher gieng auch den ersten und angesehensten Männern, welche anfänglich mit Schauder glaubten, daß kein Mensch, sondern eine Furie, ein mörderischer Dämon plötzlich den Thron an sich gerissen habe, jetzt wieder ein lichterer Hoffnungsstrahl auf, gegenüber einer Regierung, die so freundlich zn lächeln verstand. 2. Aber in ganz Rom ohne Ausnahme erregte nichts eine größere Freude, nichts gewann ihm alle Herzen mehr, als sein Verfahren