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70 Am 13. September, der so ziemlich mit dem Vollmond des athenischen Monats Metageitnion zusammensällt, war Alles bereits auf dem Capitolium versammelt. Horatius hatte die son stigen Ceremonicn bereits verrichtet und wollte nun, die Hand an die Pforten gelegt, nach herkömmlicher Sitte die bei einer Weihung gesetzlichen Formeln sprechen, als Publicolas Bruder, Marcus, der schon lange an der Thüre gestanden und nur ans diesen Augenblick gelauert hatte, plötzlich ihm zurief: „Consul, dein Sohn ist im Lager gestorben an einer Krankheit!" Dies machte auf Alle, die es hörten, einen niederschlagenden Eindruck, allein Horatius ließ sich nicht im Mindesten aus der Fassung bringen, sondern erwiderte nur die paar Worte: „Nun denn, so werft den Todten, wohin ihr wollt; ich nehme die Trauer nicht an!" Indessen war die gegebene Nachricht unwahr. Marcus hatte sie nur erdichtet, um dem Horatius die Einweihung unmöglich zu machen. Der letztere verdient daher unsere Bewunderung durch sein festes Benehmen, sei es nun, daß er den Betrug augenblicklich durchschaute, oder die Nachricht, wenn er sie glaubte, lediglich nicht auf sich einwirken ließ. Cap. 15. Auch bei dem zweiten Tempel scheint die Einweihung von einem ähnlichen Zufall begleitet gewesen zu sein. Denn der erste, welchen, wie gesagt, Tarqninius gebaut und Horatius geweiht hatte, ging in den Bürgerkriegen durch Feuer zu Grunde. Den zweiten errichtete Sulla; zum Vollzug der Einweihung wurde jedoch Catulus bestimmt, weil Sulla zuvor mit Tod abging. Allein auch dieser Tempel wurde in den Unruhen unter Vitellius zerstört, und nun ein dritter von Vespasian aufgeführt, — einem Kaiser, der, wie überall, so auch hier, ein besonderes Glück ge noß, sofern er das Gebäude von seinem Anfang bis zu seiner Vollendung werden sah, ohne nach kurzer Zeit dessen Untergang noch zu erleben. Er war demnach insofern glücklicher, als Sulla, weil dieser schon vor der Einweihung seines Werkes, VeSpasian