56 daß er jede Handlung deutlich mitanzusehen und die ganze Be- rathung zu hören vermochte. Der Beschluß, den man faßte, ging auf die Ermordung der Consuln und man gab den Gesandten Briefe dieses Inhalts, die an Tarquinius gerichtet waren. Die Gesandten hatten nämlich, als Gastfreunde der Aquillier, eben in diesem Hause ihre Woh nung und waren bei Ablegung des Verbindungseides zugegen. Als sich nun Alle nach Beendigung der Sache wieder ent fernt hatten, schlich sich auch Vindicius insgeheim davon. Allein er wußte sich bei dem Vorfälle lediglich keinen Rath, sondern be fand sich in größter Verlegenheit. Einerseits hielt er eS, und nicht mit Unrecht, für höchst gefährlich, die Söhne des Brutus bei ihrem eigenen Vater, oder die Neffen des Collatinus bei ihrem Oheim deS gräßlichsten Frevels zu bezüchtigen; andrerseits glaubte er keinem einzigen gewöhnlichen Bürger so schwere Geheimnisse mit Sicherheit anvertrauen zu können. Und doch war es ihm auch rein unmöglich, völliges Stillschweigen zu beobachten. Getrieben, ja gescheucht von seiner Mitwissenschaft bei der Sache, eilte er endlich auf's Ungefähr zu Valerius, wozu er haupt sächlich durch die Freundlichkeit dieses Mannes gegen Jedermann ohne Unterschied veranlaßt wurde. Denn Valerius war wirklich für alle Bittenden zugänglich, ließ sein Haus stets für Jeder mann geöffnet sein, und es gab keinen Menschen von geringerem Stande, dessen Anbringen oder Wünsche er jemals mit Uebermuth und Stolz zurückgewiesen hätte. Cap. 5. Zu diesem Manne begab sich Vindicius und machte ihm eine vollständige Anzeige, wobei nur noch Valerius' Bruder und Gattin zugegen waren. Voll Bestürzung und Angst ließ derselbe den Sklaven nicht mehr zum Hause hinaus, sondern sperrte ihn in ein Zimmer ein und stellte seine eigene Gattin als Schild wache an die Thüre. Zugleich befahl er seinem Bruder, den königlichen Palast und Hof umringen zu lasten, um, wenn irgend möglich, die Briefschaften in seine Hand zu bekommen; auch sollte