59 Hierauf segelte Lysander der Reihe nach zu den einzelnen Städten, und wo er Athener antraf, befahl er ihnen insgesammt, sich zu entfernen und nach Athen zu gehn; er werde ohne Schonung Jeden hinrichten lassen, den er außerhalb der Stadt antreffe. Letzteres führte er auch wiederholt aus und trieb dadurch die ganze Masse nach ihrer Hauptstadt, indem er wünschte, daß recht bald in Athen eine tüchtige HungerSnoth und Nahrungsmangel ent stehen sollte, damit sie ihm nachher nicht viel zu schaffen machten, wenn sie im Stande wären, bei guten Vorräthen die Belagerung auszu halten. Ueberall löste er ferner die Demokratie und die sonstige» Ver- sassungSsormen auf, wogegen er für jede Stadt einen einzigen lake- dämonischen „Harmosten"*) zurückließ, nebst zehn sogenannten Archon ten aus den von ihm gestifteten Clubs. Und dieß that er gleicherweise in den feindlichen Städten, wie in solchen, die sich dem lakonischen Bunde angeschlossen hatten. Dabei segelte er in aller Ruhe von einem Ort zum andern, in dem er sich gewissermaßen die Hegemonie über Griechenland zurichtcte. Den» weder Geburt, noch Reichthum bildeten den Entscheidungsgrund bei seiner Wahl der Archonten; nur nach den politischen Verbin dungen oder seinen Privatbekanntschaften vertheilte er die Geschäfts zweige an seine Anhänger, denen er unumschränkte Gewalt für Aus zeichnungen und Strafen verlieh. Ja, er wohnte sogar persönlich vielen Hinrichtungen bei, half die Gegner seiner Freunde mitvertrei- ben und gab dadurch den Griechen keine sehr erquickliche Probe von der lakedämonischen Herrschaft. Daher scheint auch der Komiker Theopompos zu faseln, wenn er die Lakedämonicr mit Marketende rinnen vergleicht, weil sie den Griechen zuerst den lieblichsten „Trank der Freiheit" kredenzt hätten, ehe sie ihnen den sauren Wein cingeschcnkt! Was man ihnen zum Versuchen gab, war von Anfang an heillos und herb, da Lysander keineswegs das demokratische Volk über seine Angelegenheiten Herr sein ließ, vielmehr den kecksten und trotzigsten Personen der Aristokratie die Städte in die Hand gab. ») Harmosten, eine Art von Statthaltern oder RegierungScommissLren.