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62 Macht besaßen, hatten sich schon langst nach seiner Ankunft gesehnt. Sie hofften, durch ihn zu einer noch höheren Stufe von Gewalt zu ge lange», wenn die demokratischen Einrichtungen vollständig aufgehoben würden. Andere jedoch, welche an einem Feldherrn ein einfaches, offenes Benehmen liebten, fanden in Lysander, verglichen mit Kalli- kratidas, nur einen Schalk und Sophisten, der im Kriege das Meiste durch listige Jntriguen durchführte und die Gerechtigkeit nur nach ihrem etwaigen Nutzen schätzte, dagegen im andern Falle das Profi table für gut nahm und die Wahrheit nicht naturgemäß der Lüge vor zog, sondern bei beiden ihre Anerkennung mir nach dem praktischen Werthe bestimmte. Leute, welche verlangten, daß die Nachkommen des Herakles im Kriege nicht auch die List anwendeu sollte», erklärte Lysander geradezu für lächerlich. „Wenn die Löwenhaut nicht lange, (sagte er), müsse man den Fnchsbalg noch daran nähen." 8. Demgemäß war auch sein Verfahren gegen Milet. Seine dortigen Freunde und nähere Bekannte, denen er seine Mithilfe zum Sturz der Demokratie und zur Vertreibung der Gegenpartie ver sprochen hatte, waren wieder umgeschlagen und hatten sich mit ihren Feinden versöhnt. Lysander heuchelte öffentlich seine Freude darüber und schien gleichfalls ausgesöhnt. Heimlich aber machte er ihnen die schärfsten Vorwürfe und stachelte sie zu einem Angriff gegen die Volks partei auf. Als er nun wirklich bemerkte, daß ein Ausstand dem Aus bruch nahe sei, eilte er im Sturm herbei, drang in die Stadt ei», sprach sich gegen die Ersten von den Aufrührerischen, denen er begeg nete, höchst ungehalten aus; ja, er drohte ihnen sogar, sie zur Strase zu ziehen, während er den Andern Muth einredete, indem sie bei seiner Anwesenheit nichts Schlimmes mehr zu befürchten Hütten. Alles war lediglich Heuchelei und blauer Dunst. Er wollte nur, daß die bedeu tendsten Männer der Volkspartei sich nicht durch die Flucht retten, sondern in der Stadt bleiben und sterben sollten. Dicß geschah denn auch. Alle, die seinem Worte geglaubt, wurden ermordet. Androklides berichtet auch von einer Aeußernng Lysünders, die eine große Leichtfertigkeit in Behandlung des Eides beurkundet. Er gab nach jenem Berichte den guten Rath, man solle Kinder mit Wür feln , Männer mit Eidschwüren hintcrgehen. Hierin befolgte er das Beispiel des Polykrates aus Sanios, — er, ein Feldherr das Beispiel