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den Kampfe. Er warf daher allerhand Vorwände unter das Volk und suchte es immer wieder zu beschäftigen, so daß hiedurch die frag- lichen Anträge niemals zur entscheidenden Verhandlung kamen. Hie durch wurde eine große Verstimmung gegen ihn hervorgerufen. Aber der offenkundigste und bedeutendste Grund einer feindseligen Gesinnung des Volkes gegen ihn lag in dem Zehnten der Beute. Die Plebejer hatten hiebei keinen unvernünftigen, wenn auch nicht einen völlig gerechten Anlaß. Camillus gelobte nämlich, wie es scheint, wäh rend seines Zuges gegen Veji, im Falle der Einnahme dieser Stadt dem Gotte den Zehnten von allem zu weihen. Als nun die Stadt wirklich erobert und geplündert war, mochte er vielleicht seine Mitbür ger nicht belästigen, oder kam ihm bei seinen augenblicklichen Geschäften das abgelegte Gelübde in Vergessenheit: kurz, man nahm alles als gute Beute fort, ohne daß er es beachtete. Erst längere Zeit nachher, als er bereits seine Diktatur niedergelegt hatte, berichtete er darüber an den Senat, und auch die Wahrsager erklärten, daß sich an den Opfern ein Zorn der Götter zu erkennen gebe, der eine Versöhnung und Begütigung erfordere. 8. Der Senatsbeschluß ging nun dahin, „daß zwar keine neue Theilung des bereits Weggenommenen stattfinden sollte," — denn dies würde sehr schwierig gewesen sein; — „die Empfänger sollten jedoch unter Ablegung eines Eides selbst den Zehnten wieder an den Staat zurückerstatten." Allein auch die? war eine sehr harte Gewaltmaßregel für die Soldaten, — arme Leute, die viele Strapazen ausgestanden hatten und jetzt gezwungen wurden, von dem, was sie erworben, was sie be reits verbraucht hatten, wieder einen so bedeutenden Theil herauszu geben. Camillus wurde von ihnen förmlich bestürmt. In der Ver legenheit, einen besseren Vorwand zu finden, begegnete es ihm nun, daß er seine Zuflucht gerade zu dem allerunstatthaftesten Grunde nahm, indem er gestand, das Gelübde — „vergessen zu haben". Man war höchst unzufrieden, daß er, der den Zehnten von den Feinden zu nehmen versprochen hatte, jetzt dafür das Eigenthum seiner Mitbür ger verzehnte. Demungeachtet brachten Alle den zuständigen Theil herbei, und man beschloß, einen goldenen Mischkessel anfertigen zu lassen, um denselben nach Delphi zu übersenden.