43 nicht einmal diesen Tag noch zugewartet, nicht einmal während eines Festes die Stadt vor einer Hinrichtung „im Namen des Volkes" rein gehalten hatte. Indessen glaubten seine Feinde, den Kampf gleichsam noch nicht lange genug fortgesetzt zu haben. Sie faßten den Entschluß, sogar den Leichnam des Phokion über die Landesgränze zu bringen; außer dem sollte kein Athener ein Feuer zu seiner Bestattung anzüuden. Daher wagte es auch keiner von seinen Freunden, die Leiche anzu rühren. Nur ein gewisser Kouopion, der an solche Dienstleistungen gewöhnt war, trug den Todten über Eleusis hinaus und verbrannte ihn sodann mit Feuer, das er aus dem Megarischen bekam. Das Weib aus Megara, welches mit ihren Mägden dabei war, schüttelte auf derselben Stelle ein sog. „Kenotaph" *) auf und weihte es mit einem Trankopfer. Die Gebeine nahm sie in ihr Kleid, trug sie während der Nacht nach Hause und vergrub sie neben ihrem Herde, mit den Worten: „Dir, lieber Herd, vertrau' ich hier die Ueberreste eines edlen Mannes an, und d u gieb sie dereinst der Grabstätte seiner Ahnen zurück, sobald die Athener — zur Vernunft kommen!" 38. In der That vergieng nur eine kurze Zeit, bis die Ver hältnisse deutlich genug den Werth eines Mannes bewiesen, welcher ein wahrer Hort der Vernunft und Gerechtigkeit gewesen war und den das freie Volk umgebracht hatte! Man stellte ihm jetzt ein Standbild in Erz ans und begrub seine Gebeine aus öffentliche Kosten. Den Einen seiner Ankläger, Haguonides, verurtheilten die Athener selbst zum Tode; er wurde hingerichtet. Den Epikurus und Demophilus, die sich aus der Stadt geflüchtet hatte», fand Phokious Sohn in ihrem Versteck aus und nahm an ihnen gleichfalls seine Rache. Letzterer soll überhaupt kein sehr wackerer Mann geworden sein. Unter Anderem erzählt mau von ihm, daß er sich einmal in eine junge Sklavin verliebte, die im Hause eines Bordellbesitzers lebte. Zufällig war er anwesend, als der atheistische Philosoph Theodorus im Lyceum folgenden Schluß vortrug: „Wenn es keine Schande ist, einen Freund loszukaufen, so ist es ebensowenig eine Schande bei einer Freundin; °> Ein Grabhügel ohne die Leiche darin.