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13 ihn berufen wollte. Man ist einig darüber, daß er 45 Mal die Würde des Obergenerals erhielt, ohne ein einziges Mal bei dem Wahlakt zugegen zu sein. Er war stets abwesend, wenn man ihn herbeiholte und die Stimmen aus ihn fielen. Daher mußten sich auch unverständige Leute höchlich über das Volk verwundern. Phokion trat diesem am häufigsten und in schroffer Weise entgegen; weder ein Wort, noch eine Handlung hatte bei ihm je den Zweck, zu gefallen. Und doch war's, wie bei den Königen, die, wie man behauptet, ihre Schmeichler nur benützen, um an ihnen die Hände abzuputzen! In ähnlicher Weise brauchte das athenische Volk seine höflicheren, heiteren Demagogen nur zu seiner Belustigung; handelte es sich von hohen Aemtern, so besaß es immer Nüchternheit und Ernst genug, um den finstersten und kalt verständigsten unter seinen Bürgern zu berufen, einen Mann, der allein oder in stärkerer Weise, als alle Andern, seinen Wünschen und Anwandlungen ent gegentrat. Als z. B. einmal ein delphischer Orakelspruch vorgelesen wurde, worin es hieß, daß, „während alle andern Athener übereinstimmten, nur ein einziger Mann eine der ganzen Bürgerschaft entgegengesetzte Ansicht hege", so trat Phokion aus und sagte: „man solle sich nicht weiter bemühen; er sei dieser Mann, den man suche; er sei der Mensch, dem Alles, was man da verhandle, nicht gefalle!" Ein anderes Mal fand er bei der Auseinandersetzung seiner An sicht den entschiedensten Beifall des Volks und sah die allgemeine, warme Ausnahme, die seine Worte fanden. Da wendete er sich au seine Freunde mit der Frage: „ich habe doch hoffentlich nichts Schlim mes gesagt, ohne es zu merken?" 9. Zu einem Opserseste verlangten die Athener einmal Beiträge, die von den Andern wirklich gegeben wurden. Auch an Phokion er ging vielfach die Aufforderung dazu. Allein er erwiderte: „Hier! —- bittet die reichen Leute darum! I ch würde mich schämen, einen Beitrag zu geben, ehe ich dem da meine Schulden bezahle!" Dabei wies er auf Kallikles hin, der ein Geldgeschäft trieb. Allein sie hörten nicht aus, zu lärmen und zu schreien. Da er zählte er ihnen eine Fabel: Ein feiger Mann zog einmal in den Krieg, aber als die Raben kreischten, legte er die Waffen auf den Boden und