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10 Ungefähr auf gleiche Weise verhielt es sich bei der Art, wie er sprach. Durch ungemein glückliche Einfälle und Gedanken waren seine Vorträge sehr ersprießlich; dabei zeigten sie eine gewisse gebieterische, strenge, ja herbe Kürze im Ausdruck. Denn wie Zeno sagte: „Der Philosoph müsse jeden Satz, den er ausspreche, in den Verstand ein- tauchen," so enthielten Phokions Vorträge bei den wenigsten Worten in der That den größten Verstand: dieß scheint auch Polyeuktos von SpH et tos*) im Auge gehabt zu haben, wenn er das Urtheil abgibt: „daß Demosthenes der beste Redner gewesen sei, aber Phokion der gewaltigste Sprecher." Wie der innere Werth eines Geldstückes gerade bei dem kleinsten äußeren Umfang am meisten Geltung hat, so schien auch bei ihm sein gewaltiges Wort mit Wenigem Vieles auszu drücken. So erzählt man sich, daß Phokion selbst einmal, während das Theater sich allmählig anfüllte, unter der Bühne auf- und abging, tief in Gedanken versunken. „Ei," — sagte Einer von seinen Freunden zu ihm, — „es scheint, du meditirst, Phokion!" — „Ja gewiß, (erwiderte er) ob ich noch etwas von der Rede weg lassen kann, die ich an die Athener halten will!" So verachtete auch Demosthenes alle andern Redner; wenn aber Phokion austrat, pflegte er ganz offen zu seinen Freunden zu sagen: „Das ist für meinen Vortrag das Mordmesser!" Doch muß diese Aeußerung vielleicht auf seinen Charakter bezogen werden; denn ein Wörtlein, ein bloßer Wink von einem rechtschaffenen Manne findet einen Glauben, der tausend schönen Sentenzen und künstlich gebauten Perioden das Gegengewicht hält. 6. In seinen jungen Jahren verkehrte Phokion viel mit dem Feldherrn Chabrias, den er begleitete. Daraus zog er einestheils für seine Kenntnisse im Kriegswesen einen bedeutenden Gewinn, andern- theils fand er wiederholt Gelegenheit, auf dessen natürliches Wesen, welches sehr ungleich und heftig war, verbessernd einzuwirken. Außerdem träge und schwerfällig, wurde Chabrias jedesmal im Kampfe selbst ganz wüthend und feuereifrig und stürmte mit den *) Sphettos, eine athenische Gemeinde; Polyeuktos, Redner und Staats mann -u Phokions Zeiten, durch Schwelgerei und Beleibtheit bekannt,