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79 lange Kleid tragen half und Muth einsprach, obwohl Kratesiklea selbst sich keineswegs vor dem Tode fürchtete, sondern nur die eine Bitte aussprach, vor den Kindern sterben zu dürfen. Als sie an dem Platze ankamen, Wo die Henker ihr Hand werk auszuüben pflegten, mordeten sie zuerst die Kinder und Kra tesiklea mußte zusehen. Dann kam die Reihe an sic selbst, wobei sie trotz der maßlosen Größe ihres Unglücks doch nur das einzige Wort sprach: „o liebe Kleine, wohin ist's mit euch gekommen!" Panteus' Gattin aber, eine kräftige, große Person, schürzte sich den Rock auf, um sodann jeder der Sterbenden schweigend und ruhig noch den letzten Dienst zu leisten, indem sie deren Kleidung ordnete, soweit die Umstände es erlaubten. Zuletzt nach allen machte sie selbst ihre Todestoilette und ließ die Gewandung nieder, duldete aber nicht, daß irgend ein Dritter herankam und sie sah, mit Ausnahme dessen, der zur Vollziehung der Hinrich tung befehligt war. Sie endete als eine Heldin, und brauchte keine Hand, die sie noch herausputzte oder zudeckte nach ihrem Tode. So blieb denn auch im Sterben noch die edle Schönheit ihrer Seele, und die sorgsame Achtsamkeit, die sie im Leben ihrem Leibe angedeihen ließ, wurde von ihr bewahrt bis zum letzten Augenblick. Cap. 39. Lakedämon hatte durch dieses tragische Frauenschicksal einen großartigen Wettkampf, durchgekämpft, einen Kampf um die Männ lichkeit mit der Männerwelt. Es hatte auch hier den Beweis geliefert, daß.selbst in Zeiten des äußersten Unglücks die wahre Tugend nicht verhöhnt werden kann von dem Schicksal. Wenige Tage nachher bemerkten die Leute, welche den ge kreuzigten Leichnam des Kleomenes bewachen mußten, eine unge wöhnlich große Schlange, die sich um seinen Kopf herumgeschlungcn hatte und hiedurch das Gesicht verdeckte, so daß kein fleischfressender Vogel heranflog. Dies erweckte in dem König eine abergläubische Besorgniß und Angst, wie es auch die Weiber zu seltsamen Reinigungen veranlaßte, indem inan jetzt den Getödteten für einen