35 Von dem alten Leonidas*) erzählt man, daß er auf die Frage: „was er von dem Dichter Tyrtäus**) halte?" die Antwort gab: „guat zum Anzllnda für a jungs G'müath!" Denn erfüllt von Begeisterung, die ihnen seine Gedichte einflößten, kannten sie in der Schlacht keine Schonung ihres Lebens. So enthält auch die stoische Philosophie für große, raschere Naturen ein Element des Gefähr lichen und der Verwegenheit; wo sie dagegen sich mit einem tiefen und sanften Charakter verbindet, bewirkt sie die entschiedensten Fortschritte für jene Sittlichkeit, die in ihr liegt und nur in ihr. Cap. 3. Als Kleomenes nach dem Tode des Leonidas die Regierung übernahm, bemerkte er, daß die Bürger ebendamals sich in einem Zustande völliger Erschlaffung befanden. Die Reichen hatten über ihren Privatvergnügungen und ihrer Gewinnsucht kein Auge mehr für das Allgemeine, während die Armen bei ihrer bedrängten häus lichen Lage theils alle Geneigtheit für den Kriegsdienst verloren hatten, theils auch in der spartanischen Lebensführung gar keine Ehre mehr suchten. Er selbst führte »nur den Namen eines Kö nigs, die Herrschaft war ganz in den Händen der Ephoren. Daher setzte er sich alsbald in Len Sinn, den gegenwärtigen Zustand abzuändern und umzuschaffen. Da er nun einen Freund, Xenares, besaß, der sein früherer „Liebhaber" ***) war, — ein Ver- hältniß, das die Lakedämonier mit dem Ausdruck „begeistert sein" bezeichnen — so versuchte er es zuerst mit diesem Manne. Er erkundigte sich bei ihm nach Agis: „was das für ein König ge- ») Lconidas, der bei Thermopyla siel. "> Tyrtäus, lahmer Dichter aus Athen, den die Athener im mssscnischen Kriege den Lakcdämoniern auf deren Bitte um einen — General zufandtcn. Er war ihnen beinahe mehr. Durch seine Kriegslieder entflammte er den Muth der Truppen und der Sieg wurde gewannen. ««») Wir haben — mit einigem Rechte — kein eigenes Wort für dieses hellenische Verhältniß, das, neben schönen Seiten, zugleich die Keime von so großer Corruption in sich trug.