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Beilage zu Nr. 78. des sächsischen Erzählers. KttttwoG, Ke« 8. November 1848. Das traurige Schicksal Wien s muß jeden Deutschen, welcher dieEtnhett und Freiheit feines Vaterlandes wünscht, auf die Ursachen aufmerksam machen, wodurch es möglich ward, daß Deutsche durch kroatische Hor den auf deutschem Grund und Boden niedergemetzelt, daß die erste Stadt Deutschlands auf Befehl einer deutschen Regierung bombardirt und zum Theil zerstört werden konnte, ohne daß die deutsche Centtalgewalt zum Schutze jener Stadt etwas unternommen hat. Es ist daher Bedürfniß für jeden Vaterlandsfreund, nach Kräften dahin zu wirken, derartigen uner hörten Greueln einen kräftigen Damm entgegenzusetzen, und werden daher zu Berathung und Beschlußfassung über die Mittel zu Abwendung des Schicksals Wiens von andem deutschen Städten alle Freunde der deutschen Einheit und Freiheit aus Bischofswerda und Umgegend eingeladen, sich zu diesem Entzweck Donnerstag, den A November d. I. Abends 6 Uhr in hiesigem Schießhause zu versammeln. In diesen Tagen fiel mir ein Schristchen in die Hände, das seiner allzugroßen Eigenthümlichkeit und der Ver hältnisse wegen, unter denen es seinen Weg in unsere Gegend gesunden, wohl verdient, hier kurz abgefertigt zu werden. Sein Tit:l ist: „Ein Wort zur Verständi gung in diesem gegenwärtigen Wirrsal rc. von E. H. Merz, Steuer-Rendant und Regierungs-Advocat im Fürstenthum Reuß-Greiz". Das Geschreibsel soll ein Wort zur Verständigung sein; — etwas Unverständ- . licheres ist mir aber noch kaum vorgekommen. Dem ehrenwerthen Salzrendanten istmft dem irdischen Salze, das ihm die Märztage entzogen, nicht allein das geistige gänzlich abhanden gekommen, sondern es ist ihm auch, wenigstens nach dieser Probe, alle Logik und Vernunft dermaßen durchgegangen, daß man stch alles Ernstes versucht sieht, ihm völlig Recht zu geben, wenn er S. 14 spricht: „Jetzt werdet ihr glauben, daß ich im Wahn sinn rede." Die Richtung des Herrn Regierungs-Advocaten ist hierarchisch-dogmatisch-despotisch, und als Probe seiner eigenthümlichen Ansicht und Schlußfolge stehe hier der erste Satz seines politischen Glaubensbekenntnisses: „Ich glaube (S. 7) 1) daß jedes Haupt, mithin auch das eines Staatskörpers, diePflicht und dasRecht hat, die Glieder zu regieren, diese aber dir Pflicht haben, sich regieren zu lassen, ingleichen das Äecht, nach Got tes Geboten regiert zu werden, und wo dies nicht ge schieht, dieRache dem König der Könige zu überlassen." Ich breche ab, denn schon hieraus wird man erkennen, daß mein obiges Urthetl nicht unbegründet ist. Bei all' der Verwirrung aber, die unfern Verfasser so ausschließlich eingenommen hat, ist ihm doch jene Klugheit nicht abzusprechen, die unsereHandwerksftom- men aUSzeichnet. Mit unübertrefflicher Dreistigkeit, mit päpstlicher Untrüglichkeit weiß er eine Unzahl von Bibelsprüchen an seine schalen Sätze anzuleimen, um ihnen dadurch ein frommes, christliches Ansehen zu geben und durch dieses Mittelchen möglichst viele von den einfältigen Seelen, die sich nichts Argem versehen und weder gewohnt noch im Stande find, tiefer zu sehen und nach dem Grunde zu forschen, zu berücken und in jenes düstere Zwielicht zu versetzen, das sie das Bessere der Zeitbestrcbungen nicht erkennen läßt. Dadurch allein werden solch' ärmliche Machwerke gefährlich, und wahrlich, wenn uns die Preßfreiheit nur Solches brächte, dann hat Herr Merz vollkommen Recht, wenn er in gerechter Selbstwürdigung die Preßfteiheit die „gefährlichste aller Gaben Gottes" nennt. Und solch ein Gemächte verbreitet ein evangelischer Geistlicher so recht geflissentlich in seinerDorsgemeinde. Ist man auch gewohnt, auf der Nordseite vonBischofs- werda diese Herren als sehr dunkel austreten zu sehen, so ist doch eine derartige Fürsorge für das Heil der anvertrauten Seelen ein zu deutlicher Beweis von dem, was eigentlich dieAnsicht dieserHerren von den Errun genschaften unserer Zeit ist. Durch Vertreibung der artiger Schriften, die offenbar darauf hinausgehen, Preßfteiheit, Versammlungsrecht und constitutionellen Sinn und Wesen auf alle Weise zu verunglimpfen, die Begriffe der Leute zu verwirren und die alte gute Zeit mit ihren Vorrechten und Pfründen wiederherzustellen, steht man so recht klar und deutlich, daß den „Pfaffen" die jetzigen Verhältnisse gar nicht behagen, daß sie mit all' ihremWesen der Reaktion angehören und kein Mit tel unversucht lassen, mit ihren treuen Helfern, den Aristokraten, das Volk wieder zurückzuschrauben. Darum hütet euch vor Denen, die immer dastehen als von Got tes Gnade über euch gesetzt, die jedes ihrer Worte mit einem frommen Spruche verbrämen und stets im Na men Gottes predigen! Lasset euch weder durch die frömmelnde Miene, noch durch das ehrwürdige Gewand täuschen, sondern seid stets eingedenk der Worte: „An ihren Früchten sollt ihr fie erkennen!" Ein BolkSfrennd.