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40 dem Tigranes den Krieg ankündige." Tigranes versuchte zwar, mit glatter Stirne und erkünsteltem Lächeln diese Worte anzuhören; jedoch blieb eS keinem Anwesenden verborgen, daß er über die Offenheit de- jungen Mannes das größte Befremden hegte. Eine solche freie Sprache hörte er zum erstenmal — seit nahezu fünfundzwanzig Jahren. Denn so lange war eS, seit er regierte oder vielmehr despolifirte. Er erwiderte nun dem AppiuS, „daß er MrthribateS nicht auS» liefern und, sofern die Römer ihn angreifen würde». sich zu verthei- digen wissen werde." Und da er auf LuculluS ärgerlich war, weil dieser ihm in seinem Schreiben nur den Titel „König" und nicht „König der Könige" gegeben hatte, so nannte er denselben in seinem Antwortschreiben auch nicht Imperator! Dagegen übersandte er dem AppiuSprachtvolle Geschenke, und als AppiuS diese nicht annahm, fügte er noch andere, bedeutendere hinzu. Von letzteren nahm Appius, um den Schein zu meiden, als ob er Alles in einer gewissen feindseligen Stimmung gewaltsam abweise, eine einzige Trinkschale an. Das Uebrige sandte er zurück und reiste darauf in Bälde zu seinem Imperator ab. Cap. 22. Tigranes hatte sich früherhi» nicht einmal herabgelaffen, den Mithridates zu sehen, oder zu sprechen, obgleich eS ein nahestehender Verwandter war, der so schnell den Verlust eines umfassenden König, reich- beklagen mußte. Auf schimpfliche, übermüthige Weise, und völlig theilnahmloS ließ er denselben in sumpfigen, ungesunden Ge« genden gleichsam als Gefangenen halten. Aber jetzt beschiel» er ihn mit allen Ehren und größter Freundlichkeit zu sich in den Palast. In den geheimen Unterredungen, welche sodann Statt fanden, wurde das gegenseitige Mißtrauen ausgeglichen, jedoch zum Unglück für ihre Vertrauten, auf welche sie alle Schuld wälzten. Unter die sen befand sich auch Metrodorus von Skepsis, ein Mann von gefälli ger Rednergabe und großer Gelehrsamkeit, der zuglrich eine solche Höhe der vertrautesten Gunst bisher genoß, daß er sogar den Titel erhielt: „Vater deS Königs!" AlS dieser Mann einmal, wie man glaubt, von Mithridates in