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64 eintrat. Ist es nicht vielmehr wahrscheinlich, daß bei ihnen der Um gang der Götter ein völliger Ernst war, weil sie eine Belehrung und Aufmunterung zu den edelsten Zwecken beabsichtigten, während ihr Verkehr mit Poeten und girrenden Lyrikern, wenn er überhaupt statt- sand, vielleicht nur Spiel und Posse war? Man kann hierüber auch anderer Meinung sein; dann sage ich mit Bakchylides: „Nun denn, der Weg ist breit!" Denn selbst eine weitere Erklärung, welche man über Lykurg, Numa und andere derartige Männer abgibt, enthält durchaus nichts Ungeschicktes. Um Menschenmassen, welche schwer in Schranken zu halten oder in Ordnung zu bringen waren, dennoch zu bändigen und bedeutende neue Einrichtungen in der Verfassung einzu führen , gaben sie sich vielleicht den künstlichen Schein, den sie von der Gottheit entlehnten und der gerade denjenigen selbst am meisten zum Heile gereichte, denen er galt. Cap. 5. Doch genug hievon. Numa stand bereits im vierzigsten Lebens jahre, als von Rom dieGesandten ankameu, welche ihn auf den Thron beriefen. Ihre Sprecher waren Prokulus und Velesus, von denen, wie igan früher erwartet hatte, das Volk den einen oder den andern zum Könige wühlen würde; denn Prokulus genoß die Anhänglichkeit be sonders von den Unterthanen des Romulus, wie Velesus von denen des Tatius. Ihre Anrede war sehr kurz, weil sie meinten, dem Numa würde ein solches Glück in hohem Grade willkommen sein. Allein es war, wie man sah, keine kleine Aufgabe, sondern ein Stück Arbeit, das viele Worte, viele Bitten erforderte, die Gedanken eines Mannes, der bis her in Ruhe und Frieden gelebt hatte, zu überzeugen und ihn auf einen solchen Standpunkt zu stellen, daß er zur Uebernahme der Regierung eines gewissermaßen nur durch den Krieg entstandenen und emporge kommenen Staates bereit war. Numa erwiderte in Anwesenheit seines Vaters und eines seiner Verwandten, Marcius, Folgendes: „Jede Veränderung im mensch lichen Leben ist etwas Gefährliches. Wem es an nichts fehlt, um seine