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62 Cch. 4. Jetzt verließ Numa die Zerstreuungen einer größeren Stadt, indem er meistentheils die Stille des Landlebens aussuchtc und lieber allein, bald da, bald dort, in den Hainen der Götter, auf heiligen Wiesen- mattcn und in einsamen Gegenden seinen Aufenthalt nahm. Daher bildete sich denn auch hauptsächlich die bekannte Sage hinsichtlich der Göttin, — daß nämlich Numa nicht aus Melancholie oder Geistesstö rung sich aus dem Verkehr mit anderen Menschen zurückgezogen habe; dich sei vielmehr geschehen, weil er die Freuden eines höheren Um gangs gekostet und einer göttlichen Ehe gewürdigt worden sei; er habe im Umgang mit der Nymphe Egeria, die ihn liebte, seine Tage zuge bracht und sei dadurch ein glücklicher, ja sogar ein durch Offenbarun gen erleuchteter Mann geworden. Daß nun alle diese Sagen mit vielen Mythen aus dem höchsten Alterthum eine Aehnlichkeit haben, ist unverkennbar. So haben die Phrygier eine bei ihnen hochgeschätzte Tradition von Attes, die Bithy- nier von Herodot, die Arkadier von Endymion*), und so gibt es noch viele Andere, von denen man glaubt, daß sie hochbcseligte Lieblinge der Götter geworden. Auch hat es doch wohl einen vernünftigen Grund, anzunehmen, daß die Liebe eines Gottes nicht auf ein Pserd oder einen Vogel, sondern ans einen Menschen gerichtet ist, — daß daher ein Gott mit hervorragenden guten Menschen gerne zusammen ist und den Verkehr mit einem heiligen, tugendhaften Manne nicht unwillig ver schmäht oder mißachtet. Daß jedoch auch ein menschlicher Körper, eine jugendliche Schönheit für einen Gott oder überhaupt für ein höheres Wesen zu einem Gegenstand der Gemeinschaft und des Wohlgefallens werden kann, — dieß ebenfalls zu glauben, ist bereits eine schwierige Ausgabe. Indessen scheint hier die Unterscheidung der Aegypter nicht völlig unbegründet. Diese halten es bei einem Weibe nicht für unmög lich, wenn ihr der Hauch und Geist eines Gottes nahekommt, um in ») Attes, ein phrygischer Hirte, wurde von der Göttin Rhea oder Äybele, En dymion von Diana geliebt, lieber Herodotus ist nichts bekannt.