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22 festlich, indem man ihn den „Geburtstag" der Vaterstadt nennt. An fänglich aber, wie man erzählt, opferten die Römer hiebei nichts Leben diges, sondern meinten, für ihre Vaterstadt das Fest, welches von der Begründung den Namen trägt, durchaus von allem Blute rein erhal ten zu müssen. Indessen wurde bei ihnen auch schon vor Erbauung der Stadt auf obigen Tag ein Hirtenfest gefeiert, welches Palilia*) hieß. Heut zutage freilich zeigen die römischen Neumonde keine Uebereinstimmung mehr mit den griechischen; doch soll der Tag, an welchem Romnlus den Grundstein zu seiner Stadt legte, genau der dreißigste Tag (des griechischen Monats) gewesen sein; an demselben soll auch eine Son nenfinsternis; eingetrcten sein, welche, wie man glaubt, Antimachus**), der bekannte Epiker aus Teos, berechnet hatte und die in's dritte Jahr der sechsten Olympiade fiel. Zu den Zeiten des Philosophen Varro, eines Mannes, der zu Rom der fruchtbarste Schriftsteller im historischen Fache war, lebte ein Freund desselben, Namens Tarrutius***), der sich gewöhnlich mit Philosophie und Mathematik beschäftigte, daneben aber auch aus wis senschaftlicher Liebhaberei Astrologie trieb, und in letzterem Fache für äußerst geschickt galt. Diesem gab Varro die Aufgabe, die Geburt des Romulus nach Tag und Stunde auszurechnen, indem er ans den vol lendeten Thatsachen, die man hinsichtlich des betreffenden Mannes be richtete, seine Schlüsse ziehen sollte, — gerade so, wie die Auslösungen von geometrischen Problemen hiezu Anleitung geben. Denn es müsse der Wissenschaft ebenso gut möglich sein, bei gegebenem Leben die Ge burtszeit aufzufinden, als umgekehrt, wenn man die Geburtszeit eines Menschen erhalten habe, dessen Leben vorauszusagen. Tarrutius -s) that also was ihm aufgetragen war. Zuerst waren es die Leiden und die Handlungen des Romulus, die er in Erwägung zog; hierauf vereinigte er die Dauer seines Lebens und die Art seines Todes »> Palilia von der Hirtengöttin PaleS. »») Antimachus, Zeitgenosse Plato's, Dichter der ThebaiS. »—) Tarrutius. Auch Cicero nennt ihn einen Mann, der in de» „chaldiiischen Rechnungen" sehr bewandert war. sh Tarrutius rechnete als Schiller der Aegypter in der Astrologie nach ägyptischen Monaten.