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11 welche des Königs Tochter, Antho, bei ihrem Vater einlegte. Doch wurde sie eingesperrt und mußte ihre Tage in völliger Abgeschieden heit zubringen, um nicht ohne Vorwissen des Amulins Mutter zu wer den. Demungeachtet gebar sie bald darauf zwei Knaben von unge wöhnlicher Größe und Schönheit. Um so mehr gerieth Amulius in Furcht, weßhalb er einem Diener befahl, die Kinder sortzutragen und auszusetzen. Dieser Diener soll nach Einigen Faustulus geheißen haben, während Andere nicht sowohl ihm, als vielmehr dem Auffinder der Knaben, obigen Namen ertheilen. Er legte also die beiden Kin der in eine Wanne und ging sodann an das Ufer des Flusses, um sie hineinzuwerfen. Als er jedoch den Fluß stark angeschwollen fand und mit tobendem Wellenschlag dahinrauschen sah, bangte es ihm, näher hinzutreten. Er setzte sie daher bloß in der Nähe des Uferrands ans den Boden, worauf er sich wieder entfernte. Aber der Wasserschwall des ausgetretenen Flusses faßte die Wanne unten, hob sie in die Höhe und brachte sie ganz ruhig an einen sanft emporsteigenden Platz, der jetzt Kermalus heißt, vor Alters aber „Germanus" genannt wurde, — wahrscheinlich weil „Germanus" auch die Bedeutung von „Brü dern" hat. Cap. 4. In der Nähe befand sich ein wilder Feigenbaum, den man R ri nn na lis nannte, — entweder nach Ro mulus, wie die Meisten an nehmen, — oder weil auf der Weide die wiederküuenden (rumi- n uns) Thiere wegen des Schattens dort ihre Mittagsruhe hielten, — oder am liebsten wegen des Süugens der beiden Kinder, weil bei den Alten die weibliche Brust rums. hieß. Auch eine gewisse Göttin, die, wie man glaubte, für das Aufziehen der Säuglinge sorgte, nennt man Rumi lia und bringt ihr sogenannte „nüchterne" Gaben dar, indem man Milch statt Weins auf ihre Opfer gießt. Hier lagen nun die Kinder, als eine Wölfin, der Sage nach, sich einstellte, um sie zu säugen, und ebenso ein Specht, um sie nähren und bewachen zu helfen. Beiderlei Thiere galten dem Mars für heilig. Dem Spechte namentlich widmen die Latiner eine ganz besondere re ligiöse Verehrung, und wegen dieser Umstände hauptsächlich fand die