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386 »er donnernde Ruf „Land, Land!" ertönen — und die Völker werden es glauben, daß die Deutschen ihr ver lornes Vaterland wiedergefunden haben! (Schl. Z.) Starker Toback. Der Vetter Andres, er ist jetzt Gastwirth zum Rolandsbrunnen geworden, hat frische Speisen und schenkt einen klaren Wein. Der Vetter An dres hat seine wohlbekannte, große Burbaumdose der Wirthöstube vermacht, sie steht auf dem Tisch, und wer da will, kann sich nach Belieben eine Prise holen; eS ist kein echter Pariser, der in Deutschland gemacht worden ist, sondern einfacher Doppelmops. Einstmalen kommt ein Fremder zum Vetter Andres, er meint, er sei ganz unbekannt, der Vetter Andres hat's aber dick hinter den Ohren und hat ihn als bald erkannt, daß er nämlich, wie man sagt, ein großes Thier war, das aber einem ganz kleinen ähnlich sah, so etwas Spitzes, wie bei einer Spitz maus oder einem Eichkätzchen war in dem Gesichte. Sie setzen sich nun zusammen und reden über aller lei. Andres bietet dem Fremden eine Prise an, dieser schnupft aber nicht, sondern hält die Prise zwischen den Fingern geklemmt und will sie bei gu ter Gelegenheit wegwcrfen. Es stehen zwei Talglichter auf dem Tische, von der neuen Erfindung, sogenannte Sternlichter, bei denen man keine Putzscheere mehr braucht. Der Fremde fragt nun: „Sind diese Lichter hier schon viel verbreitet?" „Wenig," erwiderte Andres, „sie sind noch zu theueo, die Erfindung ist noch zu neu. Die Regierung ist diesen Lichtern auch nicht hold." „Wie meinen Sie das?" „Es giebt z. B. in der Religion Freunde des Lichts, die da wollen, daß die heiligen Kerzen, die in den Kirchen und in den Herzen der Menschen brennen, so seien, daß sie sich von selber putzen, d. h., verstehen Sie mich recht, daß die Gemeinden selber dafür sorgen, daß eS hell leuchte. Nun aber wollen die Pfaffen und die cs mit ihnen halten, bei den alten Lichtern bleiben, an denen oft ein so großer Putzen ist , daß man gar nichts mehr dabei sieht, oder wo, tvie man sagt, ein Räuber im Docht ist, der unversehens den ganzen Nahrungsstoff des Lichtes für nichts abfließen macht. Die Pfaffen und die es mit ihnen halten, sagen, sic allein seien Herren von der Putzscbeere und sie wollten schon das Licht schneuzen, wenn sie's für nöthig hielten, und nach Belieben das Licht ganz auslöschcn. Das aber wollen die Freunde des Lichtes nicht und sie haben Recht." Der Fremde warf die Prise nicht weg, sondern schnupfte sie und sagte gar freundlich und herab» lassend : „Sie sind ein denkender Kops!" Er meinte dadurch den Andres hoch zu ehren, hatte aber weit gefehlt, denn diesen verdroß es, daß daS „große Thier" sich berechtigt glaubte, ihm ein Zeugniß auszustellen. Als freundlicher Gastwirth sagte aber der Andres nichts, sondern zuckle nur mit den Achseln und der Fremde fuhr fort: „Sie scheinen aber ein besonderer Feind der Geistlichen zu sein." „Gott bewahre und behüte!" erwiderte Andres, „im Gegentheil, ich kenne nichts VerehrungSwür» bigeres, als einen echten frommen Geistlichen, des sen Liebe zu Gott sich in echter Menschenliebe be währt. Ich kenne Manchen, den ich im tiefsten Herzen verehre." „Sonst aber scheinen Sie sehr unzufrieden." „Ich bin gerade so wie alle Leute, die die Augen im Kopfe und keinen leeren Kasten drüber fitzen haben." „Wie meinen Sie nun, daß geholfen werden soll?" „Ja," erwiderte Andres, kniff die Lippen ein und trommelte unwillig mit dem Fuß auf den Boden, „das kann-ich nicht so sagen, heißt das, ich kann, aber ich darf nicht; unter vier Augen ging's schon aber hier?" „Nun, Sie werden mir doch etwas angebcn können?" „Ja, etwas wohl, ja ... cs kann nur geholfen werden, wenn man an einem Tage in ganz Deutsch land alle Volksschulen aushcbt." „Alle Schulen?" „Ja, alle, alle, groß und klein, und aus den Schulbänken macht man ein großes Feuer und wirft alle Schulbücher hinein; alle Welt kann jetzt lesen und schreiben und rechnen, Alles ist ge schult, das sann die Regierung nicht dulden." „Die Regierungen sind doch nicht schlechter, als srüher auch?" „Ja da liegt der Has im Pfeffer. Ich bleib' da bei, es geht nicht mit den Schulen. Es ist jetzt eine Zeit in Deutschland, wie sie noch nie da war. Seit mehr als dreißig Jahren ist am kleinsten Fleck eine Schule. Die Schulmänner denken Tag und Nacht darauf, wie sie den Kindern auf die leichteste Weise ein gesundes Denken beibringen. Die Männer, die jetzt zwischen 30 und 50 Jahr alt sind, und das ist immer der Kern des Volkes, sind alle gut geschult und die geistlichen und die weltlichenHerren wollen das dumme Volk noch nach der alten Manier lei« ten und ihm gar nicht gönnen, seine Sache in die Hand zu nehmen und auch ein Wort drein zu re den. Es soll noch Alles sein wie vor alten Zeiten. Das geht nicht. Drum bleib' ich dabei: die Schu len aufgehoben! daö ist das einzige Mittel. Dann nur noch die kleine Verordnung, aber streng durch geführt, daß kein Vater sein Kind unterrichten darf. Dadurch allein giebts wieder Zufriedenheit in der Welt. Die Männer, die oben stehen, müssen nur die rechte Kurasche haben." Der Fremde stand auf und mußte dreimal me ßen. Der Vetter Andres sagte schnell: „Zur Gene sung ! Sie scheinen das Schnupfen nicht gewohnt zu sein."