Volltext Seite (XML)
385 Aus dem Voigtlande. Die Thatsache, daß geschloffene Gesellschaften kleiner Städte nicht allein die Stände schroff einan der entgeaenstellen, sondern auch in politischer Hin sicht zu Parteien Veranlassung geben, bestätigt sich jetzt alle Tage. Die sogenannten Honoratioren huldigen gewöhnlich dem Hergebrachten, weil eS dem Genüsse ihrer Aemter und Pfründen und dem Gewinne des Handels am Besten zusagt, und lä cheln mit gemächlicher Patriciermiene über die Kühnheit jüngerer Mitglieder, welche dem Zeitgeiste die Pforten des Schlendrians eröffnen und das alte Gleis des Herkommens verlassen wollen. In den Bürgervereinen, deren Mitglieder gewöhnlich die Welt mehr gesehen haben und für vernünftigen Fortschritt reger eingenommen sind, sucht man sich über die Forderungen der Neuzeit und die Bedin gungen zu einer genügenden Lösung der so sehr verwickelten Tagesfragen zu belehren, benutzt die Aufklärung, welche die Verständigem ihrer Mitte geben, und bemüht sich vor Allem, die Schattensei ten der örtlichen Zustände aufzufinden und zu besei tigen. Da fehlt es natürlich nicht an Seitenhiebcn auf andere Vereine, an mißliebigen Ausfällen auf Mitglieder anderer Gesellschaften. Diese werden erwidert, es entsteht ein Wettkampf, der aber ge wöhnlich unentschieden bleibt und eine geschraubte, hofmännische Stellung auf immer zurückläßt. Der aufmerksame Beobachter lächelt über diese kleinen Leiden der Kleinstädter und sieht die geheimnißvolle Urne, in welcher die Einigkeit Deutschlands ver schlossen ist, im Geiste niemals geöffnet. ES könnte allerdings an vielen Orten diesem Uebelstande ab geholfen werden, wenn man die Hochtories igno- rirte und sich die regsamem Mitglieder der verschie denen Gesellschaften vereinigten. Das geht aber auch nicht einmal, weil der Herr Vater, der Prinzi pal und andere Potentaten nicht einwilligen. Wie diese abstimmen, so müssen auch die Jüngern folgen ; das Ende eines solchen Skrutiniums ist leicht vor- auSzusehen. Man nennt jetzt einen Jeden Bürger und verschanzt sich noch hinter den Wällen gcschlos- sener Gesellschaften; ist das konsequent? (D. I.) Zum « August. Tausend Jahre find es, daß ein Volk zum ersten mal in die Reihe der politischen Reiche eingetreten ist, und seitdem find die Thaten seiner Männer, die Lieder seiner Sänger, die Werke seiner Kunst und Wissenschaft gefeiert durch die Welt, seitdem hat seine Sitte und Sprache als ein köstlicher Schmuck im Diadem der Ge schichte geglänzt. Aber der Wanderer, der di, ft tausend Jahre durchpilgern könnte, dieses Reich zu suchen — würde er es finden? Unter welcher Zone ist das eine deutsche Reich, das einige Deutschland gelegen? Liegt es am Rhein, an der Donau, an der Elbe, an der Oder? Wird es von den Wogen der Nordsee oder des Baltischen Meeres bespült? — Ach, Ihr kennt alle daS schöne Arndt'sch» Lied: »WaS ist deS Deutschen Vaterland" — und seinen Schluß: »Das ganze Deutschland soll es sein!" — Ja, wo ganz Deutschland ist, da ist Deutschland, und Deutschland ist nur ganz, wenn eS einig ist. Ein altes Zauber- mährchen, diese deutsche Einheit, welches mit dem Barte des verzauberten Kaisers von den llrältern bis zu den Enkeln herabgewachftn, aber doch keine Wahrheit ge worden ist. Horch! es tönen die Glocken, Geschützsalven er schüttern die Luft, die Freudenklänge der Musik dringen in unser Ohr., Der Zauber ist gelöst! — Wir begrü ßen endlich ein einiges Vaterland! — Weit ge fehlt! — Preußens Sonne soll in Deutschland nicht aufgehen, sie könnte ihren preußischen Glanz ver lieren. Preußens Krieger sollen der deutschen Einheit nicht huldige»: Preußens Waffenruhm könnte erblei chen — und Preußens Thron könnte eine Stufe nie driger stehen als der des Reichsverweftrs. — Da habt lhr das Geheimniß von der deutschen Einhzit. Deutsch land war stets einig in der Uneinigkeit — und doch wohnt in ihm ein Volk von Brüdern, doch reden wir alle dieselbe Sprache, doch schlägt in uns allen dasselbe deutsche Herz. -— Ihr vergeßt, daß Deutschlands Ein heit einer tausendjährigen Geschichte, einer tausendjäh rigen Erziehung seines WM? bedurfte. Nicht der Kaiser, nicht der Thron, nichtM Hauptstadt, nicht die Centralisation der Regierung «^Deutschlands Einheit. Sie ist eine Idee, aber ihr Reich ist nicht minder wahr, nicht minder wirklich, als die Reiche, die unsere Väter gründeten. Zn Frankfurt a. M. ist ein Thron aufgeschlagcn, nicht von Gold, Purpur und Sammet. Hundert edler deutscher Männer hoben aus den Schild deutscher Kraft einen Mann, dessen Name gefeiert ist eurch alle Gauen deS Vaterlandes, dessen Krone deutsche Ehre, dessen Scepter Deutschlands ver einte Macht ist. Ist er ein Kaiser? Ist er ein König? Nichts von Beiden. Wohl ist er ein Fürst, d. h. einer der Ersten unter Deutschlands Männern, sonst aber nur der Hüter, nicht des eigenen Reiches, sondern des deutschen Vaterlandes. Diese Idee ist eS, deren Reich Johann hüten und bewahren soll. Darum ist mit dem 6. August für Deutschland ein wichtiger Tag gekommen, wichtig wegen der unendlichen Zukunft, der wir an diesem Tag huldigen. Eine neue Zeitrechnung beginnt mit ihm für unser Vaterland. — Zn einem einzigen Bette haben sich Deutschlands Ströme vereinigt. Wer kann sagen, wohinfle strö men ? Wer kann sagen, wie weit das Meer reicht, in welches sich ihre Fluthen ergießen. Am Strande die ses MeereS stehen wir heute, an seinem äußersten Gestade flaggen Deutschlands Farben. Seht, eine stolze Galeone hat ihre Segel gespannt, ihre Anker ge lichtet. Am Steuer steht ein Pilot, der vorwärts schaut, mit dem Blicke deutscher Zuversicht in die däm mernde Zukunft. — O jauchzet ihm zu, dem edlen Führer, habet Muth und Vertrauen zu ihm und zu euch, haltet mit deutscher Treue fest an dem Ziele, das euch winkt—und bald wird durch die Reiche Europa s