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Musik- und Gesangchöre waren in dem Zuge ver- theilt. Draußen an dem große« Gradhügel, der 300 Gefallene umschließt, wurden mehrere begeisterte Reden gehalten. Man ist auf die Folgen dieser nothwendigen und großartig gelungenen Demon stration gespannt. — Das Ministerium hat vom Prinzen von Preußen ein Schreiben -an den König veröffentlicht, worin er von Brüssel aus seine An kunft auf dem Continent anzeigt und ausspricht: er werde mit Zuversicht und Treue der Entwickelung der durch dieVertreter des Volkes zu begründenden freien Institutionen seine Kräfte wivmen und dem Augenblick entgegensehen, um der vereinbarten Ver fassung die Anerkennung zu ertheilen, welche die Verfassungsurkuude für den Thronfolger festsetzt. — Die Anerkennung der Republik Frankreich von Seiten Preußens ist nun entschieden, indem Herr Arago mit dem vollständigsten Creditiv versehen hier eingetroffen und Graf Arnim Boitzenburg als neuer Gesandter nach Paris bezeichnet ist. Auch der Kaiser von Rußland (wird in einem Privat briefe versichert) ist nicht abgeneigt, die Republik Frankreich anzuerkennen und soll geäußert haben, daß es durchaus nicht an der Zeit sei, mit Gewalt zu reagiren. Berlin, 4. Juni. Es wird hier täglich unheim licher, weshalb alle unabhängigen Familien sich beeilen, Berlin zu verlassen. Viele Begüterte sind sogar entschlossen nach Amerika auszuwandern, wo Ruhe, Ordnung und Gesetz herrschen. — In hiesi gen Werkstätten wird bereits an eisernen Kanonen böten gearbeitet, welche zum Schutz der preußischen Ostseeküsten verwendet werden sollen. Erfurt, 4. Juni. Die Arbeiter brachten gestern dem Grafen von Keller eine Katzenmusik und war fen ihm die Fenster ein; die Bürgcrwache mußte einschreiten und verlor 10 Mann (2 Tobte und 8 schwer Verwundete). Da rückte auf Generalmarsch das Militair, sogar mit Kanonen, aus und stellte die Ruhe für heute wieder her. Berlin, 6. Juni. Nach dem Vorschläge des Volksmannes Held wird ein Verein zur Verstän digung der Hauptstadt mit der Provinz gebildet werden. Morgen soll, wie es heißt, der Prinz von Preußen hier ankommen und seinen Sitz in der Nationalversammlung einnehmcn. Berlin, 7. Juni. Der Prinz von Preußen ist heute Vormittag von seiner Reise nach London zurückgekehrt. Auf der letzten Station vor Pots dam fand der feierliche Empfang des Prinzen durch seinen königlichen Bruder statt. Aus der Niederlausitz, 1. Juni. Die durch die gestörten Derkehrsvcrhältnisse ohnehin hartbe drängte Lage unserer Fabrikstädte steigert sich noch durch die thörichten Vorkehrungen, durch tvelche die Landbewohner unserer Gegend ihre reichen Erspar nisse dem Verkehre entziehen. Bekanntlich waren bei den hohen Getreidepreiscn vorigen Jahres sehr bedeutende Geldsummen aus den Städten in die Hände der Landleute überqegangen und von diesen bei den städtischen Sparkassen zinsbar angelegt worden. Als sich nun die Kunde von dem Ber liner Barrikadenkämpfe und dem darauf folgenden anarchischen Zustande verbreitete, glaubten die Land leute die Sicherheit ihrer in den Städten deponirten Capitalicn auf das Aeußerste gefährdet und ließen sich dieselben sofort zurückzahlcn, um den Mammon, in eiseme Töpfe verschlossen, in die Erde zu ver graben. So sind zu diesem Zwecke allein in der Nieverlausitzer Sparkasse zu Spremberg seit dem 18. und 19. März gegen 200,000 Thaler abgeholt worden. Die Städter ermangeln nicht, den Land leuten das Thörichte und Unpraktische ihres Begin nens nachdrücklich vorzustellen, allein bis jetzt haben alle derartige Belehrungen nur taube Ohren ge funden. Baiern. München, 1. Juni. Die baiersche Armee wird bedeutend verstärkt und auf den Kriegs fuß gesetzt. Die numerische Stärke der Armee wird sich wohl auf 70,000 Mann belaufen. Oesterreich. Prag, 3. Juni. Gestern ist der Slavencongreß feierlich eröffnet und darin zuerst verkündet worden, daß Oesterreich ein slavisches Kaiserreich sei und daß mit allen Kräften die sla- vische Monarchie gekräftigt und erhalten werden müsse. Es wurden bereits mehrere enthusiastische Reden gehalten. Zwischen den Russen und Polen fand eine Versöhnung statt. Unter den 130 Kon greßmitgliedern sind die Polen am zahlreichsten. Als Präsident ist Polaczki gewählt. — Heute wur den zwei Fabriken durch Arbeiter (Zeugdrucker) zer stört. Die Studenten und das Militair haben weitere Ercesse verhütet. Wien, 3. Juni. Man hat beschlossen, eine neue Deputation nach Jnspruck zu entsenden, ob wohl man im Voraus fest überzeugt ist, daß der Kaiser, so lange jene Personen, welche jetzt den Hof umgeben, von Einfluß bleiben, nicht zurückkommt. — Durch kaiserlichen Erlaß ist die Prügelstrafe aufgehoben und eine weitere Vollziehung der To desstrafe sistirt worden, bis die constituirende Ver sammlung über Beibehaltung oder Aushebung der selben Beschluß gefaßt haben wird. — Die Wahlen zum österreichischen Reichstage sind ausgeschrieben. — Fürst Milosch ist in Croaticn verhaftet; man hat bei ihm 2,000,000 fl. und die Bestätigung eines Planes zu einem serbischen Reiche mit der Hauptstadt Belgrad gefunden. Solche Vorberei tungen sollen auch schon in der Türkei Knegsrü- ftungen veranlaßt haben. Neueste Briefe aus Jnspruck sagen, daß der Kaiser von Oesterreich noch dort bleiben will, seine Umgebung aber sieht endlich ein, daß sie durch län gere Hartnäckigkeit das Spiel verlieren wird. — Im Handel und Wandel regt sich wieder neues Leben. Das Bcsserwerden der Dinge in Wien