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rückte. Wenn nur ein kleiner Theil der Glück- und Segenswünsche, welche dem Theuern für seine Person sowohl als Deutschlands Glück nach gerufen wurden, in Erfüllung geht, so sehen wir der heitersten und glücklichsten Zukunft entgegen. Chemnitz, 8. Mai. Heute Morgen waren an 1000 Leute vom Lande in der Stadt, welche Arbeit verlangten; eS wurde ihnen gesagt, daß die Arbeiten, welche gegeben würden, nur Com- munangehörige erhalten könnten; sie wollten aber trotzdem nicht vom Markte, wo sie sich zusam mengerottet hatten, weichen. Nun wurde Gene ralmarsch geschlagen und der Markt endlich von den Arbeitbegehrenden ohne Widerstand durch die Communalgarde geräumt. Beim Abziehen wur den einige Stimmen mit der Drohung vernom men, des Abends wieder zu kommen, und eine Anzahl Chemnitzer Arbeitslose,- nahm dieselben mit Beifall auf. Obgleich nun Abends die ganze Stadt in Bewegung war, so ist doch Alles gut vorüber gegangen; ein großer Theil der Com munalgarde war zusammengezogen. — Die Ar beitsansprüche werden hier täglich größer, da im mer mehr Leute abgelohnt werden; die Lager der Fabrikanten sind überfüllt und die schlechten Meß geschäfte geben keine Hoffnung zu neuer Beschäf tigung der Arbeiter. DaS Ministerium des Innern hat bereits eine Bekanntmachung erlassen, nach welcher der bera- thende Ausschuß für die Arbcitsverhältnisse und Arbeiterzustände gebildet ist und derselbe nächstens einberufen werden wird. Es befinden sich tüch tige, kenntnißreiche Männer unter den Gewähl ten, von welchen zu hoffen steht, daß sie ihre schwierige Aufgabe lösen, gute Entwürfe und zweckmäßige Vorlagen für Verbesserung der Ge weihs- und Arbeitsverhältnisse an das Ministe rium gelangen lassen werden. Das Ministerium des Innern hat unterm 5. d. eine höchst menschenskdMkMche^Derordnung erlassen, durch welche, unter Bcrückstchiigung der gegenwärti gen bedrückten Arbeitsverhältnisse unserer Fabrikbe völkerung aufs Neue und Dringendste darauf hin gewiesen wird, lohnende Beschäftigung für Letztere zu ermitteln. Die Verordnung wendet sich namentlich an die Landwirthe und Gemeinden und läßt sofort durch die Amtshauptmannschaften Nachweisungs- Bureaus für Arbeitgebcnde und Arbeitsuchende ein richten. Dorthin kann nun Jeder sich wenden, der Arbeit oder Arbeiter sucht. Die Bestimmungen jener Verordnung sind folgende: 1) Die Landgemeinden und Gutsbesitzer werden aufgefordert, das Ministerium des Innern bei der ihm obliegenden Fürsorge für die durch den Still stand der Fabriken in größerer Anzahl brodlos ge wordenen Fabrikarbeiter dadurch zu unterstützen, daß sie einige derselben für kurze Zeit übernehmen, um sie zu communlichen oder landwirthschaftlichen Arbei ten zu verwenden. 2) Zu Ausführung dieses Vorhabens werden für jeden amtshauptmannschaftlichen Bezirk einige Ar- beits-Nachweisungs-Bureaus errichtet. Die Bildung derselben ist der Fürsorge der Amtshauptleute anver traut, welche sich dafür der thätigen Mitwirkung der landwirthschaftlichen Bezirksvereine und ihrer Vor stände zu versichern haben. Unvermeidliche Ausga ben und Spesen werden vom Ministerium des In nern übertragen. 3) Die Landgemeinden und Gutsbesitzer, welche der Aufforderung unter 1) Folge leisten wollen, ha ben dies gegen das ihnen zunächst befindliche Nach weisungs-Bureau oder in Ermangelung eines solchen bei der Bezirksamtshauptmannschaft zu erklären und dabei zugleich die Zahl der von ihnen zu überneh menden Arbeiter, sowie wo möglich die Art der Ar beit, womit dieselben beschäftigt werden sollen, zu bezeichnen. 4) Die Auswahl und Zusendung der Arbeiter erfolgt durch die von dem Ministerium des Innern zu beauftragenden Commissarien, welche mit denNach- weisungsbureau's und beziehendlich den Amtshaupt leuten deshalb in Korrespondenz treten werden. 5) Nur solche Fabrikarbeiter können berücksich tigt werden,, welche für ihre Person vollkommen ge sund, arbeitstüchtig und unbescholtenen Rufes sind, und in deren Wohnorten keine epidemischen Krank heiten herrschen. 6) Verheirathete Fabrikarbeiter, die bei land wirthschaftlichen Arbeiten untergebracht werden, haben ihre Familien in ihren Wohnorten zurückzulassen, und die Landgemeinden sind zu Mitaufnahme der letzteren in keinem Fälle verpflichtet. 7) Die Arbeiter haben sich mit polizeilicher Le gitimation zu versehen, die an die Obrigkeit des Be stimmungsortes bei den« Eintreffen abzugeben und vor dem Weggange, mit dem Visa derselben versehen, wieder in Empfang zu nehmen ist. — Eines Hei- mathscheines bedürfen solche dagegen nicht, indem das Ministerium den betreffenden Gemeinden die Z>r- stcherung ertheilt, daß denselben aus dem vorüber gehenden. Aufenthalte der von ihnen aufzunehmenden Fabrikarbeiter heimathliche Verbindlichkeiten irgend einer Art nicht erwachsen werden. 8) Die Art und Weise der Unterbringung und Beschäftigung der Arbeiter ist Sache der einzelnen Gemeinden und resp. Gutsbesitzer. Denselben bleibt daher lediglich anheimgegeben, zu beschließen, ob sie die ersteren bei Gemeindearbeiten in Accord oder Tagelohn beschäftigen, oder ob die Begüterten die Beköstigung übernehmen wollen, während die Ge- meindecasse den Lohn zu gewähren hätte, oder ob man vorziehe, den einzelnen Begüterten die Beschäf tigung aus ihrem Privateigenthume zu überlassen, wie sich solches von solchen Arbeitern, die von Guts besitzern für ihre eigenen Zwecke direct verlangt und übernommen werden sollten, von selbst versteht. 9) Die Ansprüche der Arbeiter auf Lohn dürfen in keinem Falle den ortsüblichen Bettag unter Be-