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manches sicher« noch Wünschenswerthe, durch dasLm- provisirte des Ganzen entschuldigen läßt. Rühmlichst aiizuerkennen ist dagegen, daß das Ganze nicht durch den geringsten Erceß oder muth- willige Störung irgend einer Art getrübt wurde; eS war ein schönes Freudenfest, bei dem die allge meine Heiterkeit nur zum Schluffe durch die Abends mit den Dampfwagenzügeit hier «»gekommenen, wohl übertriebenen Gerüchte über die neuesten, traurigen Vorgänge in Berlin, in eine ernstere Stimmung verwandelt wurde. Bei der Versammlung im Schießhause sprach sich im Allgemeinen die regste Theilnahme für den patriotischen Fortschritt sowie reger Sinn für Bür gerversammlung, zu deren Belebung und Leitung es auch in Bischofswerda an tüchtigen Männern nicht fehlt, aus. Möchten sie wirklich ins Leben trete»! SS. Nachrichten aus Berlin. Der preußische Absolutismus, der sich von Gottesgnaden dünkte, ist endlich von Volkesgna- den überwunden worden. Die preußische Dyna stie hat sich, statt in Purpur, in das Blut des Volkes gehüllt; zwischen der blutgetränkten Dy nastie und dem preußischen Volke ist jedes Band zerrissen. Den letzten Nachrichten von Reisenden zufolge bis zum 19. Morgens ist eine Anrede des Kö nigs vom Balcon herab mit der weiß und schwar zen Fahne mit Steinen beantwortet und dem Ruse nach schwarz-roth-gold. Drei Regimenter sollen zum Volk übergctreten sein. Der Aufstand war nun vollends organisirt. Der Kampf dauerte bis 19. früh fort, unter dem Sieg des Volkes. Der König soll gefangen, ein Prinz (Carl oder Waldemar) erschlagen sein. Vor acht Tagen hätte Friedrich Wilhelm Kaiser von Deutschland werden können. Glück für uns, daß er cs nicht gemerkt hat. Aus dem Berichte eines Augenzeu gen. — Gegen Mittag (den 19.) wurde ein Erlaß, Aufhebung der Censur und ein neu ver heißenes Preßgesetz an den Ecken angeschlagen. Die Berliner, welche den großen Unterschied zwischen Preßgesctz ohne Censur und Preßfreiheit nicht kannten, waren in großer Freude darüber. Man jubelte und viele Haufen brachten dem Könige Vivats. Ein Volksredner setzte dem Volke auseinander, daß die Preßfreiheit ganz etwas Anderes und dem Erlaß nicht zu trauen sei. Die Freude legte sich; man verlangte die Entfernung des Militairs. Indem hieß cs vor dem Schlosse, wo viele Tausend Bürger unbe waffnet standen: das Militair rückt aus! (aus Dem Schlosse.) Die Dragoner drangen gegen das Volk vor und suchten cS zu zerstreuen, hie- ben flach, bisweilen auch scharf ein. DaS Mur ren begann. Die Infanterie (12tes Regiment) rückte vor und gab zwei Salven auf die unbe waffneten Bürger. Die neufchateller Schützen aber schossen ihren Offizier, der Feuer comman- dirte, zuerst vom Pferde, traten zu den Bürgern über und übergaben ihre Büchsen. Es war gegen 4 Uhr. Da fielen zwei Schüsse an der Ger- traudtenbrücke, das Signal der Bürger zum Auf stande. Man bewaffnete sich nach Möglichkeit; dj§ Waffenläden lieferten den Bürgern auf Un terschrift ihres Namens die Waffen aus, der Kampf wurde organisirt. Alle Wagen jeder Gattung wurden zu Barrikaden benutzt, die Frauen warfen Stühle, Tische u. dgl. aus den Fenstern zu diesem Zwecke; Dächer wurden abgedeckt, um die Steine gegen das Militair zu gebrauchen. Die Erbitterung wurde tödtlich. Die Dragoner und das Kaffer - Franz - Regiment (größtentheils Polen) gingen zu den Bürgern über. Die Ar- tilleriecafernen und die Kanonen (Eisen)-Gießerei brannten am Abend. Die Salven, mit Kano nenschüssen gemischt, dauerten bis ^4 Uhr Mor gens. Die Bürger hatten noch nicht die Ober hand. Bis hierher kämpften noch keine Pro letarier, kein Geselle, Lehrbursche rc., nur an ständig gekleidete Bürger; man hoffte den näch sten Tag auf die Hülfe der untern Stände. Militair von Außen wird nicht weiter in die Stadt gelassen, die Bürger haben die Thore be setzt; die frankfurter und schlesische Eisenbahn hat den Transport von Militair nach Berlin geweigert. Das Blutbad in Berlin ist schrecklich. Die rheinischen Abgeordneten (Beckerath, Camp hausen) sollen vom Könige den 19. bis 4 Uhr Nachmittags die Zusage der Forderungen der Rheinländer verlangt haben, ohne welche die Rhcinprovinzen sich lossagen würden. Die Zu sage ist bis dahin nicht erfolgt, und Briese vom Rhein lassen vermuthen, daß die Ablösung der Rheinländer schon ausgesprochen sei. Komme dort, was will, Eins ist sicher: dke Politik deutscher Cabinete hat aufgehört, die Po litik des Volkes, ein einiges starkes großes Deutsch land beginnt. Ihr erstes Bestreben muß sein, mit Frankreich ein Jntegriräts-Bündniß zu schlie ßen. Polen wird sich erheben, Rußland wird der preußischen Dynastie Hülfe bieten; es wird den Tod finden. Das polnische Reich mit jenen Länderstrecken, deren fremdartige Beimischung Deutschland nicht stark macht, muß wieder her gestellt werden; es ist die natürliche Schutzmauer gegen Rußland. In Krakau soll schon am 18. die Republik proclamirt sein. Der Krieg darum wird unvermeidlich werden, der Sieg der Freiheit über die Barbarei kann nicht zweifelhaft sein; die deutschen Ostseeprovinzcn lassen sich wieder gewinnen, Rußland mag sich nach Asien weiter verbreiten. Zu diesem Kriege mögen die deutschen