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62 herziger Bruder in der schlesischen Zeitung: In Radlm, gleich in der ersten Hütte, beginnt er: Vater und Mutter todt; sechs hülflose Kinder, von denen die beiden ältesten, etwa 15 und 16 Jahre alt, am Typhus lagen. Der Vormund hatte die Stube noch nicht betreten und wird sie auch nicht betreten, weil große Furcht ihn zurückhält. — In Malklitz bei Breslau, auf dein Lande, ist das Elend am furchtbarsten; dort mußten wir eine Thürc mit Gewalt aufsprengen. Und waS sahen wir? 18 Köpfe — Väter — Mütter — Kinder am Typhus liegen. „WaS macht Ihr, Leutchen?" „O, eS kommt Niemand zu uns, eS ist streng verboten, da haben wir zugeschlossen und wollen Alle sterben!" Der Tod war nicht mehr fern. Als wir nun Holz kaufen gingen, Feuer machten, ihnen Suppe kochten, Arznei gaben, trösteten ic., da streckten die Armen ihre von' Typhushitze glühenden Arme aus, umarmten, küßten uns, und wir mußten es geschehen lassen; denn die Thränen stürzten uns herab, wir wußten kaum, wo wir waren. — In Radlin klopften wir an eine Hütte, Niemand öffnete; wir bitten, flehen, da geht die Thür auf, und eine Frau, buchstäblich auf Händen und Füßen kriecht, nachdem sie geöffnet, auf ihr Lager zurück. Der Mann todt, die Mutter mit vier Kindern sehen dem Tode durch Hunger und Typhus entgegen. Ebenda selbst sprengen wir in einer andern Hütte die Thüre auf und neun Wittwen wohnen bei ein ander und erwarten den Tod. — Ebendaselbst liegt eine Mutter auf Stroh, rechts und links von ihr, an das Herz gedrückt, ein Kind. Seit neun Tagen krank, ohne Wasser, Holz und Brod, Niemand wagte, ihnen auch nur ein Tröpfchen Wasser zu bringen; denn der Schulze hat es unter Strafe von Prügeln und Gesäng- niß verboten. Eine schwarze Tafel scheucht Alles fort; ich habe die Wegnahme der Tafeln bean tragt; denn die Leute gehen sonst alle zu Grunde. Die Sterblichkeit ist furchtbar. In einem Dorfe sind vierzig Sterbefälle in einem Monate dem Pfarrer nicht angezeigt worden. s In Oppenau hat sich in der Nacht vom 8. zum 9. d. ein schreckliches Unglück ereignet. Um die Mitternachtsstunde ertönten die Sturm glocken und der gräßliche Feuerruf. Als der Tag graute, lagen 6 Häuser und ei'.e Scheuer in Asche. Der schreckliche Brand ist durch plan mäßige Brandstiftung entstanden, was offenbar am Tage liegt. Nachdem mittels Einbruchs in das hiesige Spritzenhaus von den Spritzen die sogenannten Mundstücke entwendet, die Feuerlei tern in der Mitte durchgeschnitten, der Mühlbach, welcher durch die Stadt fließt und daS zur Lö schung erforderliche Wasser liefem sollte, oberhalb der Stadt gestellt und die Stellfallen zugenagelt waren, haben die Brandstifter Feuer in die von der Hauptstraße etwas entlegene Scheuer des hiesigen Pfarrhauses gelegt: Diese stand auch bald in vollem Brande, und beinahe gleichzeitig schlugen die Flammen aus zwei Häusern in der Hauptstraße empor. Eine strenge Untersuchung ist bereits eingeleitet. f- In der zweiten Kammer der badischen Stän deversammlung wurde am 7. Februar eben so, wie kürzlich, bei dem preußischen Landtage, der Amrag auf Abschaffung der Todesstrafe gestellt. Es fand dieser Antrag fast dieselbe Entgegnung ' von Seiten des Ministeriums, wie in Berlin; man sagte unter anderm: so lange die Humani tät noch nicht so weit vorgeschritten sei, daß der Begriff von Verbrechen und der Strafe über haupt aus dem Staate verschwinde, so lange man nicht in den Verbrechern nur Unfreie oder Kranke erblicken und die Strafanstalten nur als Heil- und Erziehungsanstalten betrachten könne, so lange überhaupt eine Strafe noch bestehe, müsse man auch die Todesstrafe beibehalten, wenn man nicht der Strafe die Spitze und dem Gerichte den Ernst nehmen wolle. Man müsse vorher beweisen, was bis jetzt noch nicht gesche hen, daß die Todesstrafe dem sittlichen Gefühle des Volkes widerstrebe oder ungerecht sei. DaS Leben sei der Güter höchstes nicht, die Freiheit stehe höher, und doch räume man dem Staate das Recht ein, Freiheitsstrafen zu erkennen; wer diese verhängen könne, müsse auch zur Ausspre- chung der Todesstrafe berechtigt sein. So schön aber auch diese Rede klang, und man möchte sagen, so viel Wahrheit sie auch enthielt, wurde dennoch der Antrag für Abschaffung der Todes strafe von der Kammer angenommen. Ob nun die erste Kammer und die Regierung sich dazu verstehen werden, dürfte wohl sehr zu bezweifeln sein. — s Aus Polen hört man die bittersten Kla gen über die beispiellose Strenge der diesjährigen Rekrutenaushebung. Alles, was Waffen tragen kann, wird ausgehobcn, vorzugsweise trifft dieses Loos junge Juden, die in Folge ihrer weichlichen Erziehung größtentheils dienstunfähig sind. Aber die polnischen Juden haben Ducaten und geben gern den letzten Groschen hin, um nur nicht nach dem Kaukasus, wohin sie in der Regel geführt werden, wandern zu müssen. Der Grund dieser starken Rekrutirung soll der allgemeine Crawall in Italien sein. Sollten die Oesterreicher daselbst zu thun bekommen, so wird Rußland an der Grenze Galiziens sicher bedeutende Streitkräfte aufstellen. f In München hat ein sehr ernsthafter Studentencrawall stattgefunden. Bekanntlich be stehen daselbst mehrere Verbindungen unter den Musensöhnen, vielleicht die einzigen in Deutsch land, welche von der Regierung nicht nur ge duldet, sondern gleichsam gepflegt werden. Eine