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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 06.12.1924
- Erscheinungsdatum
- 1924-12-06
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192412069
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19241206
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19241206
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1924
-
Monat
1924-12
- Tag 1924-12-06
-
Monat
1924-12
-
Jahr
1924
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Seite « Kunst und Wissenschaft Traumulus 2. Vassermann'Uastspiel im Schauspielhau» Dieser Schauspieler ist reich, ist groß, ist von einer Bielfalt der Kräfte und der seelischen Masken, die aufs tiefste erschüttern muß-, um so mehr, da es um Einen geht, dessen Entwicklung abgeschlossen, dessen Nuancen allgemein bekannt sind. Als er den Faiseur im »Großen Bariton" gab, war er der schillernde Routinier, der geschickte, in allem Charme doch kühle Star, der die Üebergänge sozusagen aus dem locke ren Handgelenk herunterspielt und auch die Ueber. gänge der Anderen noch dirigiert. Im „Traumu - lus" kehrt sich die Figur einer anderen Hemisphäre zu. Nichts von Bloche, nichts von Routine, nichts von Geschick und Mitteln. Ein Mensch, siehe da, ein warmblütiger, reiner Mensch, der die Torheit des Glaubens in sich trägt. Man kann ihn um und um drehen, cs wird keine schauspielerische Kunsttertig- kcit, kein Kniff, keine Technik an ihm gefunden. Es ist, als müßten jeden Augenblick die Denen seines Leibes springen und heißes, Helles Blnt verströmen. Jeder kritische Einwand wird von der menschlichen Einfalt seines Traumulus ausgelöscht. Wer vor ihm sitzt, wartend vielleicht auf jenes Schillern des großen exotischen Falters, wird sich bewußt, wieviel dort oben auf der Bühne Leben und hier unten bei uns Spiel, Maskierung ist. Eine höhere Bestätigung schauspielerischen Wirkens dürfte nicht zu finden sein. Das ist um so bedeutender, als Bassermann seine Leistung einem Stück abringt, das von Senti mentalitäten strotzt, dir Bezirke des Reißerischen kaum verläßt. Ein einziges Mal stieg Arno Holz — wohl von seinem Mitarbeiter Oskar Ierschke verführt — ans den Tiefen seines meisterlichen Werkes an die Oberfläche, ein einziges Mal wurde er sudermannisch, verfiel er dem Rezept der drama turgischen Leitfadens, brachte er seine Anschauungs- Niederschläge vom ersten bis zum fünften Akt in eine publskumsichere Form, drückte er Lach- und Tränenmuskel, bekam er goldene Tantiemen. Er schuf, gleichwohl immer noch Arno Holz, eine Figur seines Ideallebens, den humanen Pädagogen, der Menschen mcubcn will, keine Kasernenfüllcr, Men- schen, keine schwarzweißroten Knallbonbons. Und den die brüske Mitwelt teils willentlich, teils ahnungslos schuldig werden läßt. Es ist nun nicht so, daß aller Glanz der Seele nur auf diesem Parsifal läge und aller Schatten der Tücke nur auf seinen Gegenspielern. Das Menschliche und Edle, das Brutale und Schwache ist in guter Dosierung ver teilt. Nur schlägt alles zum Leid d s guten Men schen aus. Die Schauspielerin, in der er die Dame sah. ist ein librrtinrs Tierchen: der Sohn ein Wechsel- falscher; der Lieblingsschüler ein Lügner au« An- stand, weshalb er zugrunde geht; die Gattin das Weib, das leben will und Einschränkung erringen muß. Alle Figuren haben den Knacks, den die exi stierenden Erscheinungen der Realität haben, und werden zu dem Chorus, der den Toren sich bekennen und verbluten läßt. Die Aufführung, unter Reinhold BalouS» Regie, hatte eine gute, temperierte Atmosphäre, die sofort gefangen nahm; sie hatte vor allem Bilder, un gezwungenes Nebeneinander, ein Zusammenspiel, das keine Fugen sehen ließ. Auch die Pennälerszenc des 3. Akts klappte, ohne zur Karikatur zu erstarren. Die schwächste Besetzung fand das libertine Tierchen durch Else Bassermann, die nicht den Charme, nur die Scharfe der versierten Schauspielerin auf- weist. Pennälerhaft, doch durchaus nicht ans Eckige verloren, ein ringender Mensch, so gab Rudolf Schaffganz den Lieblingsschüler des Traumulus. Ein Jeder brachte den Typ heraus, zu dem er be rufen mar. Daß Lina Carstens die Gattin mit der notwendigen Mischung aus Weltläufigkeit und Verbitterung anlegte, bedarf keiner besonderen Be tonung. K. Leipziger Musik. In der Oper gastiert« Helge Roßwängl als Lyon«! in Flotows »Martha. Der Basler Gast hinterließ weder stimmlich noch dar stellerisch stärkere Eindrücke. — Der Leipziger Frauenchor (verstärkt durch Schülerinnen de» «cminars und der Studienanstalt Nord) sang unter Leitung Paul Losse» Lieder von Brahm», Berger und Reinecke. Der Chor «rwi«s sich al» gut diszi pliniert, hielt aber nicht immer die Stimmung an den Stellen, wo die Klavierbegleitung Lugen Schu berts pausierte. Für klangliche Abwechslung sorgt« Fritz Weitzmann mit Klaviervorträg«» von Beethoven und Schumann. Er schien etwas über trainiert. Im Grotrian-Steinweg-Saal stellt« sich Grete Altstadt (Wiesbaden) als beachtliche Pianistin vor. Gesundes musikalisches Empfinden führt« siegreich durch die ziemlich willkürlich auf gereihten Klaviereinfälle in W. v. Daußnerns Lis-Moll-Sonate. Verfeinerte Auswirkungen na türlichen Klangsinns dürften sich bei verbesserter Technik von selbst einstellen. Ebenso ist mehr Mut zu persönlicher Gestaltung bei zunehmender Podium- sicherheit zu erwarten. S. Der Neue Leipziger Mäunergesangvereiu feierte sein ISjähriges Bestehen durch ein Festkonzert mit Orchester und Solisten in der Alberthalle. Bei den Frithjof-Szenen Max Bruchs konnte man sich der von Max Ludwig zur Einheit zusammengrfaßten schönen Leistungen des Chors, der Solisten (Ilse Helling-Rosenthal, Rud. Bockelmann) und des Leipziger Sin fonie-Orchesters ohne Einschränkung freuen. fonie-Or ehester» freuen. Max Fest als Interpret des Orgelparis sei nicht vergessen. 0r. k. Professor Dr. Karl Bücher, der bekannte National- ökonom und jetzige Direktor des Instituts für Zei tungskunde an der Universität Leipzig, ist von der ^eaclemia ckei lin^ei in Rom zum Ehren mitglied ernannt worden. Todesfall. Der langjährige und hochverdiente Direktor der Münchener Sternwarte, Universität»- Professor Hugo von Seeliger, ist plötzlich ge storben. Der weltbekannte Gelehrte fe erte Ende September seinen 75. Geburtstag. Mit ihm ist einer der hervorragendsten Astronomen der Gegenwart dahing"gangen. Hochschulnachrichten. Der a. o. Professor der Philosophie an der Universität Gießen, Karl Koffka wurde von der Cornell University in Ithako, USA., für das Jahr IS24/25 -um Acttng- Professor for Education ernannt. — Der ordentliche Professor für neudestamentliche Dheologie der Uni versität Gießen, Dr. Karl Ludwig Schmidt, hat einen Ruf an die Universität Jena erhalten. Forschungsreisen Deutscher in den Anden. Prof. Dr. Fritz Klute aus Göttingen hat in diesem Jahre seine Forschungsreise auf der argentinischen Seite des nördlichen Patagonien abgeschlossen. Sie galt in der Hochpampa und Kordillere eisgeographischen und wirtschaftsgeographischen Fragen. Im Anschluß daran führte Klute morphologische und klimatische Untersuchungen am Nordranve der Atacama (nördliches Chile) aus. — Prof. Dr. Franz Kühn in Bueonos Aires unternahm eine Forschungsreise durch den zwischen den Flüssen Diamant« und Atuel gelegenen Dorandcn- und Ändenteil der Provinz Mendoza. U .a wurde der 4800 Meter hohe Dul - kan Overo erstiegen, dessen ein bis zwe, Kilometer großer Krater mit Eis gefüllt ist. Ausschreibung des Wardeu-Preife». Der Warden- Preis, der alle drei Jahre zur Verteilung gelangt, wird jetzt für die beste Arbeit auf dem Gebiet« der Physiologie, Chirurgie und petholo- gischen Anatomie ausgeschrieben. Die Arbeiten können deutsch, englisch und französisch abgefaßt, dürfen aber noch nicht veröffentlicht sein. Der Dreis beträgt 500 Dollar. Die Arbeiten sind in Maschinen schrift bis 15. April 1V25 an das Blaflachusetts General Hospital in Boston einzureichen. Der Mann mit den Chrysanthemen In einem silbernen Sarg hat man in Chicago den Helden Dion O'Banion begraben, und er, der auf Chrysanthemen starb, lag aufgebahrt auf Rosen. Diese Geschichte, die sich dieser Tage im nüchternen Chicago zugetragen hat, ist nicht weniger abenteuer lich als die Ilias. Dieser Dion O'Banion, ein Held au» Irlands romantischem Blut, ist das Wildeste ge- wesen, was im zahmen Amerika ein Mensch heute sein kann: ein »Bootlegger" ein heroischer Whiskyschmuggler; außerdem war er ein »Hijack", «in »Gunman", hurtig mit Messer und Revolver; es scheint, daß er mit der Zeit fünfund dreißig Männer und Frauen der Unterwelt von Chicago persönlich umgebracht hat. — Der letzte Streich war so: er hatte bei einem Bootlegger-Syndikat n New Park Whisky für hunderttausend Dollar be teilt; er wollte bei der Uebernahme zahlen. Al» der wchst geheimnisvolle Wagen, in dem der Whisky ver- teckt war, über die Landstraße gefahren kam, heim- ich, wie es sich gebührt, tauchte an einer einsamen Stelle rin Stratzenräuber auf — nie wird man ahnen, wer er war — und stahl den Whisky mit bewaffneter Hand. — Die Eigentümer des Whiskys konnten, das ist das Geschäftsrisiko beim Schmuggeln, sich nicht gut bei der Polizei beschweren, aber sie grollten. Und dieser Groll wurde wild, als plötzlich ein harmloser Geschäftsbrief von Herrn Dion O'Banion kam: er verlangte sofortige Lieferung des bestellten Whiskys, ja, er bestand darauf. Diese Frechheit war vielleicht doch etwas zu groß; jedenfalls empfanden es Dions New Parker Geschäfts leute so. Sie fuhren sogleich nach Chicago. Sie fanden Dion O'Banion (empfindsame Seele, die er war) im Gewächshaus seiner hübschen Villa — er züchtete in einem Glashaus wunderbare Chry santhemen und verbarg dort auch Whiskykisten. Die New Parker Geschäftsfreunde sagten nicht erst Guten Tag, sondern schossen sofort ihre Revolver auf Dion O'Banion ab; er fiel blutend in die Chrysan themen. — Sein Begräbnis war, wie gesagt, großartig. Rosen auf dem Leichenwagen, eine meterhohe Schicht, ein Silbersarg, ein berühmtes Streichorchester hinter drein, tausend Autos und mehr als tausend Strolche und Damen aus den Bcrbrechervierteln Chicagos als Leichengefolge. Das Grab wurde ganz mit Veilchen bedeckt. — Aber da riß der Polizei von Chicago die Geduld. Der öffentliche Skandal dieses Heldenbegräbnisses war in den Zeitungen besprochen worden, und am nächsten Tag strichen auf einmal Polizeipatrouillen durch die Straßen der Elendsviertel, lauter aus gesuchte Scharfschützen; sie hatten wörtlich den Befehl mitbekommen: »Der Ambulanz zu tun geben, nicht den Advokaten." Sie gehorch ten diesem Befehl, und wo sic einen »Gunman", einen bekannteren Verbrecher, sahen, machten sie es wie O'Banions Besuch aus New Pork, sie begannen sofort zu schießen. — Wie auf des Patroklos Grab fiel auf Dion O'Banions Heldengrab blutig eine Hekatombe. Die Polizei schoß und schoß; erst als sie genug geschossen hatte, begann sie zu verhaften; am ersten Tag nur 86 Personen, am nächsten, da nicht mehr so viel geschossen wurde, fast tausend. Tausend Personen verhaften ist leicht, aber lau- send auf» Geradewohl Verhafteten vor dem Richter eine Schuld beweisen, ist schwer — doch nicht in Chicago, sagt der amerikanische Korrespondent der „Times". Dort durchsucht man die Gefangenen sol- cher Razzien einfach nach verbotenen Waffen, und diese streng verbotenen Waffen werden immer ge funden, auch wenn sie vorher nicht da waren. — Glücklicher Dion O'Banion, der so poetisch in den Chrysanthemen fiel, der unter Veilchen sanft schlum- mert! Er hat, der Gute, nichts mehr mit der Chicagoer Polizei zu tun. §oau»d«i6, 6« 6. va»«adar ZRF.-Fest. Im großen Saal« de» gentraltheater» fand am Dienstag ein Fest zugunsten des jüdischen Nationalfond» statt, da» einen Dlassenbesuch aufwies. Neben gelungenen musikalischen und schauspielerischen Darbietungen sorgten ein« Tombola mit schönen Ge winnen und vor allem der nach Absolvierung de» Programm» einsetzende Tanz für die Unterhaltung der Gäste. Die Eleganz der anwesenden Damen bvt übrigen» eine wertvoll« Bereicherung de» Pro gramm». * Messe und Kunstgewerb«. Auf der Leipziger Frühjahrsmesse vom 1. bis 7. März 1925 wird im Grasst-Museum in besonders dasür eingerichteten Räumen wieder eine äußerst reichhaltig« Messeaus stellung des Kunstaewerbes vorhanden sein. Die Zu lassung zu dieser Ausstellung erfolgt nur nach ei. er vorhergegangenen Prüfung der Ausstellung»gegen. stände, so oaß eine Gewähr dafür besteht, deß nur auserlesene Arbeiten de» Landwerks und der Manufaktur vorhanden sind, die einen Ueberblick über die künstlerischen Kräfte und Richtungen de« modernen Kunstgewerbes geben. Wetterbericht -er Landeswetterwarie de» L. D*»e«b«r 1S24 Station Dem- I prraiur in» SelNuS" I Wind 8 12: Orkan » 0: still ss Witterungs verlauf Leniperal. tiefsted verg. Nach« Vöchste v. gestr. Tages Dresden -s 3 080 1 Regen 4- - -ft " WahnSdors -f- l 080 5 Regen — 0 -i- < Barium -i- « 8 i> Regen «W» Berltn - 0 80 3 Regen 4- 1 4- b Hamburg -s- 3 80 5 bedeckt -l- - 4- « Swinemundr - r 80 « bedecN — 2 -l- 4 Danzig Memel - 8 80 1 bedeckt - d -t- 7 Slawen 4- 7 8 ö »oolttg 4- 5 4- 1' Magdeburg Breslau * 1 4- 0 080 3 080 2 wollig Schnee r r r? Frankfurt a.M. 4- « 81V , Regen Nebel 4- « 4- « München B 2 880 S -1- 2 4- 3 Fichtelberg Brocken — 2 — 3 8 7 80 7 Schnee Schnee — 4 — 3 -l- 0 W«tterlag«: Der Vorstoh der seit »oster» von Skandinavien vordringenden Polarlust richtet sich gegen Polen und Westrutzland. Die eindringendc Kaltlust ruft über diesen Gebieten Luftdruckverstärkungen hervor, so daß das östliche und nördliche Europa von einem Hoch druckgebiet mit Uber 770 Millimeter Luftdruck überlagert wird. Ueber dem nordtoostlichen Europa befindet sich eine umfangreiche Depression mit Zentrum bei Irland, in welchem der bemerkenswerte tief« Barometerstand von 715 Millimeter beobachtet wird. Ein Ausläufer dieser Depression, der sich über die Nordsee nach Nordfrankreich erstreckt, bringt dem französischen, hollänl.schen und deut schen Küstengebiet, sowie dem westlichen Deutschland Regenfälle. Da «In« erhebliche Beeinflussung unseres Gebietes durch den AuSlLufer kaum zu erwarten ist, bleibt die Witterung DachsenS der von Osten anströmenden öst lichen Luftströmung unterworfen. Flugwetter: Wolkig bis mittlere Bewöllung. In Flughöhe Winde östlicher Richtung, 5—10 Sekunden meter. Sicht ausreichend. Luftdruckverteiluug: Hoher Druck, 775 Millimeter, mittlere Ostsee; Depression. 715 Millimeter. Westküste Islands, mit Ausläufer über die Nordsee nach Frankreich. Depression unter 7S5 Millimeter: Italien und DonaulLNder. Wettervorhers»«« für Sonnabend, den K. Dezember: Wette» allmähliche Temperaturabnahm«. Nachtfrost. Vorwiegend wollig, ohne erheblich« Niederschlag«. Müßige, in hoher Lag« östlich« Winde. 8vröäo u. rott Saut I Luflpringen berHLnd« n. d« ««sicht», Wundsrin u. unrein«» I Diese» bewährte Haut, tigt sofort ll—8lll pflegemittel erhalten Sie überall, wo Et« di« bekannte llhlorodont-Zahnpast« kaufe». 80 modernere Einrichtungen treffen? Hum Bei spiel ist eine Kinderbewahranstalt ein großes Bedürfnis in Mellnitz für Kinder der Leute, die zur Arbeit gehen." „Nein, ach nein, ich mag so etwas nicht! Das ist alles so unschön. Ich bin nicht das, was man gutherzig nennt, und bringe nicht gern Opfer." „Ja — dann! Aber wissen Sie was, liebe Cllida? Man muß auch etwas zum Schein tun." „Der Zweck heiligt das Mittel?" „Wenn Sic wollen, ja. Ich kannte eine Dame, die zum Besten ihrer neuen Robe all- jährlich ein „Wohltätigkeitsfest" veranstaltete. Sie hat nie gefragt, welche Einnahmen inan erzielt hatte, ihre Frage lautete: War meine Toilette nicht künstlerisch? Und man liebte diese Frau und fand, daß von dem Kultus, den sie mit sich selbst trieb, auch etwas für andere abfiel." „Ja, diese Dame hatte ein entsprechendes Auditorium, sonst könnten Sie ja nicht von ihr erzählen. Mer denken Sie, bitte, ich! Ich bin allein!" „Bitte sehr; ich weiß, daß im Dorfe ein Frauenverein besteht. Die Oekonomierätin, die Frau Oberförster und noch einige Damen taten sich zusammen. Ich fragte, weshalb inan Sic nicht aufgefordert habe, den Vorsitz zu übernehmen " „Nun, und was antwortet man Nnen? Das interessiert mich wirklich." Sie stemmte die Arme auf, nahm den Kopf in die Hände und sah ihm lächelnd in die Augen. „Man sagte, die Frau Gräfin ließ an- deuten, daß sie keine Beziehungen wünsche." „Ja, das stimmt! Ich suchte etwas; ich wünschte; ich hoffte — auf irgendetwas, das mich aufrütteln, befreien könnte; aber das da unten im Dorfe — meine Mama fand das auch furchtbar fade — dies Hausierengehen mit Gefühlen. Wer etwas will, soll zu mir kommen. Ich gehe nicht fragen: Braucht ihr Geld, braucht ihr sonst etwas? Ich bin einfach zu ungeschickt dazu!" Er wandte sich ab. Sie ging im Zimmer umher, ließ spielend die Finger durch die künstlichen Gräser gleiten, die eine hohe Vase füllten, und sprach lässig: „Sie mögen meine wenig moderne Auffassung befremdend fin den, zumal ich doch noch so jung bin. Aber aus mir selbst vermag ich so gar nichts zu machen; es fehlt eben die führende Hand." Ihre scharfen Augen ruhten auf ihm mit einer Neugierde, die den andern reizte. „Seien Sie mal aufrichtig — wenn Bodo Ihnen zur Seite gestanden hätte, glauben Sie, daß er imstande gewesen wäre, Ihren Anschauungen oder ihrem, Verzeihung, etwas spröden Sinn eine andere Richtung zu geben?" „Ganz gewiß!" Ihr Haupt senkend, sprach sie halblaut: „Ein Haus ohne Mann, das ist schrecklich. Schon gleich nach meines Vaters Tode empfand ich es bitter. Ueberall diri gierte Papa, und dann, als seine Augen ge schlossen waren, waren wir ratlos. — Und jetzt sehe ich es wieder, was der Herr im Hause bedeutet. Nur kurze Zeit sind Sie hier, und wie verwandelt ist alles! Jeder, der geringste Diener im Schlosse, fühlt es: Gin Gebieter ist do! Jedem gibt es einen Halt, ein strafferes Pflichtgefühl und, offen gesagt, mir selbst gibt Ihr Hiersein ein Gefühl der persönlichen Sick-erheit." Er lächelte etwas verlegen. In dem Augenblick fühlte sie, sie hatte zuviel verraten; sie wurde rot. Ein Klopfen an der Tür, Htersemann brachte die Post. Unter Zeitungen und Re klamen sah Ellida einen breiten Umschlag mit englischer Marke liegen. Die großen Buch staben darauf konnten auch von einer Damen hand sein. Eberhard ließ diesen Brief in seine Rock- tasche verschwinden, schob die Zeitungen bei seite und wandte sich ihr wieder zu. Etwas gewaltsam und zerstreut, wie es ihr schien. „Ueber die Schulverhältnisse sind Sie >wohl auch nicht unterrichtet?" „Wie meinen Sie das?" 81 „Nun, weil meine Tante, die hier vor Ihnen Herrin gewesen, stets allen Prüfungen beizuwohnen pflegte." „Ach, lassen Sie mich!" Sie wandte sich mit drolligem Entsetzen ab. Er sah sie lächelnd an, schüttelte den Kopf und schwieg. „Was denkt er sich?" fragte es in ihr, und dann sprach sie weiter und weiter und berauschte sich an ihren eigenen Watten. Er aber war mit seinen Gedanken weit, weit weg. * * * Da waren sie wieder alle beisammen in der Gesindestube. Heute führte Lisette das Wort. „Ganz weiß ließ sie sich zur Ausfahrt mit ihm kleiden. Das neue Jackenkleid hat sie an. Und einen großen, schwarzen Hut mit weißen Federn. Und den großen Schirm. Und einen Deilchenstvauß hat sie an die Brust gesteckt. Riesig fein sah sie aus." „Und strahlend vor Glückseligkeit," warf Trude ein, die ihre Augen zu dem jungen Grafen erhoben. „Warum denn nicht, ihr Lästermäuler?" nahm die Anton das Wort. „Warum soll sich die Gräfin nicht freuen, ihresgleichen zur Gesellschaft hier zu haben? Zu gönnen iffis chr doch gewiß. Das junge Blut hat genug in der Einsamkeit gelitten." „Ob der Herr Graf wirklich bloß wegen des Herrn da oben geblieben ist?" John, der breitspurig am Fenster stand, wandte nur halb sein rundes Gesicht und lächelte Trude an. „Na, weeß mersch denn?" fragte die Scheuerfrau, sich die Nase reibend. Während dieser Zeit spitzte der Kutscher auf dem Bocke die Ohren; aber er bekam nicht viel zu hören. Die Herrschaften sprachen nur wenig. Wie immer, wenn Frühlings- brausen die Brust schwellt, verstummt das matte Wort. Ellida genoß in vollen Zügen die Nähe des geliebten Mannes, und er freute sich, sie so schön und glücklich neben sich zu sehen und empfand es mit Behagen, daß sie sich an ihn schmiegte wie an einen älteren Bruder, wie er glaubte. Hin und wieder sprach er von diesem und jenem, zeigte ihr wohl auch einen Weg, den er früher mit Bodo gefahren, wobei es ihr wie ein Stich durchs Herz ging. Als sie nun durchs Städtchen fuhren, an jenem Häuschen vorüber, in dem Ellida zuerst die postlagern den Briefe gelesen, biß sie die Zähne zu- sammen und eine tiefe Röte übergoß ihr Gesicht. „Was dachten Sie eben?" Eberhard beugte sich interessiert zu ihr herab. „An etwas recht Törichtes." „Das kleidet Damen immer gut. Darf man wissen was?" Seme schönen Augen lachten sie an. Sie fühlte das Gute, Zutrau liche in ihm, und dachte, etwas Geborgenes müßte das Weib, das ihn mal besitzen würde, empfinden. Du bist die Ruh' und die Sicher heit. Glückselig die Frau, die an deinem treuen Herzen ausruhen darf. „Darf tch's nicht wissen?" Sie schreckte aus Dren Sinnen auf. „Ach — gern sagte ich es Ihnen; aber Sie würden mir zürnen." „Wer weiß; aber wenn es Ihnen irgend- wie peinlich ist, reden wir von etwas an derem." Sie nestelte nervös an der Krücke ihres Sonnenschirmes und blickte zur Seite. Sah er sie an? Zögernd, sich bezwingend, begann sie: „Don etwas anderem? Eigent lich weiß ich ziemlich wenig von meinen Dor- Sängerinnen, Eberhard, Sie sollten mitteil samer sein." „Befehlen Sie ganz über mich, was wün schen Sie zu wissen?" „Wer hatte das Jagdhaus bewohnt?" „Das Jagdhaus? — Wie kommen Sie darauf?" „Einmal hat Bodo davon erzählt." „So? — Aber, Verzeihung, Ellida, Sie sagten vorhin Vorgängerinnen. Sie meinten also die Herrinnen auf Bergenswalde! Mit hin werde ich Ihnen zunächst von Ihrer
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