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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 28.10.1924
- Erscheinungsdatum
- 1924-10-28
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192410281
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19241028
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19241028
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1924
-
Monat
1924-10
- Tag 1924-10-28
-
Monat
1924-10
-
Jahr
1924
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kinr-'-kip.: ropfenniys vienslsg, ckea 28, Oktober 1924 Berliner Scvrittleiluna Kochiir. 2t «Sernipr. TünNoit ÄlUU -jnn^, Dresdner Sanetnletiung LotMwtv, Lchiaer>,r.3.> lücrnspr rtotaiwtv 717, 118. tükro vallescve Scvrittlcitung Martrnilratze 17 «sZerntprcchcr Löü8> ' Berantworuta, ,ur den Len SvctredaNeur V- Goldtt«t», ^eIpntz. kir. 284 Pcrantw.'Hlicv tür Ju>cra>c Oswald Müller, Letk<'aAaimbos. Trncktt.Bcrlocr Vc'»vuacr )rerrcrardrnfk7re» n». lr.H.vorm. ^tscvcr D-r«gspreI- U^AUHH UpAU^A UH «WtWWÄ,: -.0? icugld. c,«r. Äuslond -. V.l. cunail.Porio. y r ^e«n« «Sgl morn W « M M, M > » N MM ,>veiunv,wan,ta B cnmgc, ''a"iiOenaa»eig?n von H-«l'.Ge»val« kcylictzrLrlNlt'ins aus Schrill, .yteiwälisil..Druckerei d V V V M Slciicaaonclt Leiv.lg. (XobaniuSaasse ü iJcriypr. Onsacspr. Sammel-Rr.: 7ÜS11 eu w .»adaiie mw nach Tarn. ,rttr tolllv. Ruilr. inn pecruacivr. 17llü3-1<ü9.'> evcnva u. in allen »Filialen >Un,eigen- und ^a^H^nau'lgen. Rap, und DatrnvortcvrMcik unvcrbindnL Avonnrmcnl-Annavmc auch nimm, Icdcs Poilanu Bestellungen an. l^riuuungsor. u. orcrichlSUand Leip,tg PoiNchcck-llonio Leipzig 30U4 TaS L«i»«t««r Ta«eblatl eatdiUl dia a»Ui«b«« Ber«uu»t«»ack»«»ae« d«d ^»li^«i»ratidU»»s veivst« Wahlniederlage -er Raöikalen in Hamburg Reichsparteitag -es Zentrums in Berlin - Bekenntnis zur Politik -er Mitte — Weitere -emokratische Kan-i-aturen Der Höhepunkt -es amerikanischen Wahlkampfes — Wu-Pei-Iu gibt nicht nach - «Sechs Personen in Halle -urch Gas vergifte England wählt 27. Oktober. « l. Ain Mittwoch wablt Ennknio. Dec .trnnipf um die stimme in mit seltener Lcidnt- schnft geführt moroen. wesentlich beei istusst durch die Plötzlichkeit, mit dec du-s englische Voll non den Parteien zur Äabiurne zitiert wurde. Dch eigentliche Ursache der Parlamcntsauslösunq war der englisch-russische Bert rag. Da aber der niiiU ok tlie straot nur sehr schwer für Verträge erwärmt werden iann, dagegen viel eher die Wahl seiner Partei nach Ueder'egunge» trifft, die sich mit »al>elicge»dr:t Dingen befassen, so stellten die Parteien die Außenpolitik in den H'ntcrg.-und. fragen des öffentlichen Lebens machen sich in den Wah'parolen breit. Neben dem obligatorischen Versprechen zur Beseitigung der A r b e i t s l o s i g t e i t bringen alle Par tei.» Programme, die sich mir der Behebung der Wohnungsnot befassen. Auch die Sen kung der stetig steigenden Leb en smit- tclp reise wird versprock-e». Alles Dinge, mit denen Massen in Bewegung gesetzt werden können. Wenn alles nichts hilft, wird mit Lokal fragen manövriert, Sknnöäläfen aufgetischt, die bei der Eigenart des englischen Wahlsystems, keine Listen, sondern Persönlichtciten aufzu stellen, besonders vnrksam angebracht werden können. Diesmal ist von dicker wenig fairen Möglichkeit in reichern Maße verbrauch gemacht woliaen. Der Kampf um die Stimme ent schuldigt alles. Die letzten Kainpfphase», bei denen es darauf ankommt, die Manen einzufangen,' die sonst nicht parteipolitisch gebunden sind und deshalb bei jeder Wahl von neuem erobert ivcrdrn müssen, haben nun durch das russische Gc - he i m s ch re i be n wegen Einrichtung von kommunistischen .Zellen" in England eine Ueberraschung erfahret, die alle Spekulationen über den Haufen-zu werfen droht. Obwohl sich das britische Auswärtige Amt dieser Angelegen heil sofort angenommen hat und eine sehr scharfe Beschwerde wegen lounnui'.isiischer Propaganda tätigkeit nach Moskau richtete, haben sich die bürgerlichen Parteien diesen Agitationsstosf nicht entgehen lassen. Macdonald hat einen schweren Stand dagegen. Auf der einen Seite treten er und seine Parteifreunde für die Russen wegen des Vertrages ein, auf der anderen Seite muß er sich aber wegen der russischen Propa ganda in Großbritannien gegen Moskau wen den. Die Versuche, das Geheimschreiben als ge fälscht hinzustellcn, haben urenig Wirkung. Es ift gar nicht daran zu zweifeln, daß die Mos- kauer Instruktion, ob echt oder gefälscht, un günstig für die Arbeiterpartei wirken wird, selbst ioenn Moskau noch vor dein Wahltage, also am 29. August, erklären würde, daß tatsächlich eine In'schung vorliegt. Diese wenigen Angaben zeigen die Unmög lichkeit an, etwas über den Ausgang der Wahlen vo.auszusagen. Das gegenwärtige W.hlproblem ist ungewöhnlich kompliziert. Es fehlt an einer klaren, alles übertönenden Wahl parole, die zu einer Gliederung der Parteien drängt. Verwirrend wirkt auch das Verhält nis zwischen den bürgerlichen Parteien. Offiziell führen die Liberalen den Wahlkampf selbständig, in der Praxis liegen jedoch die Dinge ganz anders. Das englijAp? Wahlsystem ist auf zwei Parteien zugeschnitten. Die Wahl wird in einem Gang entschieden, und zwar für den, der am meisten Stimmen l>at. Wenn aber drei Parteien in einem Wahlkreis sich nm den Sitz streiten, so gilt ebenfalls der Kandidat für ge- wählt, der d?e meisten Stimmen bekommt. Dabei passiert es nun sehr häufig. Laß ein Kandidat siegt, der viel weniger Stimmen auf sich ver einigt, als feine beiden Gegenkandidaten zu sammen erhalten lrabcn. Die. Arbeiterpartei verdankt diesem System bei den letzten Dahlen nicht weniger als 70 „Minoritätssitzc". Diese Beute wollen die bürgerlichen Parteien der Ärbeitersxirtei wieder abjagen. Um die „Dreieckwahlen" zu vermeiden, l>abcn nun in verschiedenen Bezirken Konservative und Libe rale, ohne daß ein generelles Wahlbündnis be steh-, sich dahin geeinigt, der Arbeiterpartei nur einen Kandidaten entgegenzustellen. Maß gebend für die Aufstellung des gemeinsamen Kandidaten soll die Höhe der letzten Wrhlziffern sein. Von dem Umfange der Anwendung dieser Wahlkoalition wird der Ausgang de» Kampfes bestimmt werden. Oie Rechte verliert 60000 Stimmen Hamburg, 27. Oktober. Bri Seu gestrigen Wahlen znr Hamburger Bürger schaft (2. Kammers haben Vie Demokraten nur 2 Litze, die Lozialdemokraten Ni Litze und Vie Deutsche Bolkspartci 8 Litze verloren. (Heivonnen haben Vic Deutsch nationalen i" Litze, die «ommnnisten 7 Litze, währens vao Zentrum ven bisheri gen Besitzsianv behauptete. Die Bürgerschaft war allerdings schon im Jahre 1021 gewählt worden; sic setzte sich aus l»ü Lozialdemokraten, 2:i Demokraten, 11 Mitgliedern der Deutschen Bolts. Partei, 18 Deutschnationalen, 17 Kommunisten und 2 Mitgliedern des Ttentrnmo zusammen. Vergleicht man das gestrige Wahlergebnis mit den Ziffern der R « i H s t a g s w a h l von, 4. Mai 1024 und berücksichtigt mau die schlechte Wahlbe teiligung, so ergibt sich ei«, »anderes Bild. Am r. Mai wurden abgegeben für die Demokraten 51514, jetzt 70 500 Stimmen, für die Sozial, demotraten 173 587, setzt 173 356 für die Deutsche B o l k s p a n rrc i 70482, letzt 74 <9)4. pir die D c n t sch n n r i o n a te n 122 004,- jetzt 90 423, für die Kommunisten 114365, jetzt 78 657, für di? Völkischen 37 754, jetzt 13 580 Stimmen. Daraus ergibt sich, daß gegenüber der letzten Reichstagsivabl die Deutscbuatianalen und Oie Völkischen zusammen fast 00000 Stimmen, die Kommunisten :r6 000 Stimmen cingebiißt l>abe», während die Demokraten, die Deutsche Volksportei und die Sozialdemokraten ungefähr ihren Besitzstand i behaupten konnten. I Wenn sich auch gc^nütnr den Bürge rsckMts- wahlen von 1021 die Mittclparkcicn verschlechtert haben, so ist im Vergleich zu den Zistern der Rcichstagswahl vom 4. Mai lroydem eine erheblich? Verbesserung ihrer Wahlzis- f c rn fcstzustellrn. Trotz der schwachen Wahlbeteili gung haben Dentschnationale, Kommunisten und Völkische zusammen nicht weniger als itl 000 Stim men cingebiißt, was als Vorzeichen für die kommende Neichstagswahl wichtig ist. Das prozentuale Bei- hältnis von Verlust nnd Gewinn, gegenüber den- jcnigen Ziffern, die die einzelnen Parteien bei der verminderten Wahlbeteiligung hätten erreichen m ii s s e n, beträgt dem Ergebnis der Rcichstagswah- len gegenübrrgestellt: Sozialdemokraten Gewinn 20 Prozent, Deutsche Bolkspartei Gewinn 11 Pro zent, Demokraten Gewinn 0 Prozent, Pölkische Verlust 65 Prozent, Kommunisten Verlust 22 Prozent, Dentschnationale Verl u st 13 Prozent. Es ergibt sich hieraus der völlige Zusam» menbruch der völkischen Bewegung, ohne daß die Abwanderung von ihr den Dcutschnalio- nalen zugute gekommen wäre, dagegen ist eine starke Abwanderung von den Kommunisten zu den Sozial demokraten und eine sichtliche Stären ng der M i t le l p a r t e i e n auf Kosten der Dcutschnatio- nal-en scstzustellcn. Außerdem aber zeigt di? Wahl müdigkeit, daß besonders viele Anhänger der radi- > kalen Richtungen sich der Stimme enthalten haben, ! ohne sich anderen Parteien zuzuwenden. Pon den 160 Sitzen der Bürgerschaft hatten die ! sozialistisch - demokratische Koalition 02, somit /2 Stimmen über die Mehrheit, sie ist jetzt mit 75 Sitzen zwar in die Minderheit gekommen, es fehlen ihr aber nur 5 Sitze. Voraussichtlich wird unter Einbeziehung der Volkspartei und des Zen trums die große Koalition herbeigeführt wer den, die dann über 9V von 160 Mandaten verfügen würde. Die Deutsche Bolkspartei wird aber wohl erst die Reichstagswahl voriibcrgchen lassen, bevor sie an Konlitionsverhandlungen hcrangeht, um sich ihre Propaganda für die Reichstagswahl nicht zu verderben. Line Rechtskoalition käme selbst dann nicht in Frage, wenn Demokraten und Zentrum Mit wirken würden, weil' sie keine absolute Mehrheit hätte. Stresemann- „Lrrtum" Berlin, 27. Oktober. sEig. Tel.) Der Ab geordnete Erkelenz sendet an die Press' folgende Zuschrift: „Man kann auch dem phantasievollcn Herrn «trcstmann nicht erlauben, aus einem irrtümlichen Zeitungsbericht über meine Hamburger Rede eine falsche politische Schlußfolgerung zu ziehen. Ich habe mich in Hamburg nur für die Politik der Mitte eingesetzt, mit keinem Wort habe i.d gesagt, daß wir einen Linksblock erreichen, daß wir alle Beziehungen zur Deutschen Polkspartei abbrech-n usw. Ich wie- verhol«, was schon unser erster Wahlaufruf sagt: Wir kämpfen für die Politik der Mitte. Wir kämpfen dabei auch gegen die zum Rechtsblock ob- geschwenkte Deutsche Bolkspartei, wir wcndcn uns dabei auch gegen die spripigvolle Politik des Herrn Stresemann. Wenn er reuig zur Mitte zurückkehrcil will, so ist das seine Sache. Dafür führ«» wir ja den Wahlkampf. Wir freuen uns darüber, daß Herr Stresemann schon jetzt am Anfang de» Wahlkampfe» di« Haltung prciegibt, die fein« Fraktion in den letzten Monaten eingeuoyim'n und dir uns zu Reichstagsiienmahlcn geführt hat. Wenn Herr Stresemann und seine Freund? sein? gestrige Thüringer Rede schon bis hieran zur Grundlage ihrer Politik gemacht hätten, wäre es gar nicht zu einer Reichstagsauflösung gekommen." Unstimmigkeiten auf -em Leipziger Parteitag -er GPN Dresden, 27. Oktober. (Lig. Tel.) Aus Kreisen, die dcn soziald-mokratischen Ministern nahestehen, w rd ndcs mitnctei.lt: „Die bisher erschienenen Berichte über den sozial demokratischen Parteitag in Leipzig können bei der Art, wie die Geschäfte erledigt rvordcn sind, erklär- I'kberweisc nur unvollständig sein und müßen daher zu Mißverständnissen Anlaß geben. Besonders ausfällig könnte es erscheinen, daß gerade die eil,schneidendsten Beschlüsse einstimmig ge faßt worden sind, so daß der Eindruck erweckt AÜrd. die M inistcr und Vertreter der Landtags fraktion hätten den Beschlüßen ebenfalls zu- acstiniutl, seien also gewissermaßen nmgefallen. In Wirtlichkeit wurde die Tagesordnung des Partei tages umgesteUt und der ursprünglich letzte Punkt der Tagesordnung, die Beschlußfassung über dos neue Organisationsstatut, zuerst verhandelt. Dieses sieht aber vor, daß nur die gewählten Dclcgicr- t e n ans dem Parteitag Stimmrecht haben. Mit der Annahme des Orgnnisationsstatnts war also den Vertretern der Landtagsfraktion das Stimm recht genommen, zumal der Vorsitzende des Par. teitages, Abg. Arzt, erklärte, daß das Organisations statut mit seiner Annahme sofort in Kraft tritt. Da mit war am zweiten Verhandlungstage den Land tag sabgeordneten das (Stimmrecht ent. zogen. Wie rvenig der Parteitag im übrigen ge neigt war, objektiv zu verhandeln, geht daraus her- vor, daß es trotz der heftigen Angriffe des Referen- ten bei dein Punkte Reichstagswahlen, des Abg. Flcißner, gegen die sächsische Koalitionspolitik und den Ministerpräsidenten Heidt dem letzteren nicht möglich war. die Stellung der Minister und der Vertreter der Landtagsfraktion zu v»u:teidi- g c n, und er sich darauf beschränken mußte, ihren Standpunkt in einer Erklärung zu präzisieren. Oie Krage der sächsischen Neuwahlen Von unserer Dresdener Redaktion. p Dresden, 27. Oktober. Da der Sozialbemo- kratische Landesparteitog die Auflistung des säch sischen Landtages beschlossen hat, wird der voraus sichtlich am 4. November znsammentretende Landtag sofort diese Frag« erörtern. Line Landtagswahl gleichzeitig mit der Rcichstagswahl am 7. Dezember wäre indessen nur noch möglich, wenn vorher das sächsische Wahlgesetz, wonach die Wähler listen mindestens vier Wochen vor dem Wahltcrmin acht Tage lang ausgelegt werden müßen, abge» ändert würde. Ls müßte also vor Auflösung dcs Landtages noch rin Gesetzesentwurf verabschi d-t werden, der die vorgesehene Frist von vier aus drei Wochen herabsetzt. Der Aeltestenrat und die Mehr zahl der Landtogsfraktionen nehmen bereits am 1. November ihre Arbeit wieder auf. Krisenstimmung in Oesterreich Wien, 27. Oktober. (Sig. Tel.) Die Wiener Montogsblöttcr befaßen sicki mit Gerüchten, daß Bundeskanzler Dr. Seipel dem Führer der sozialdemokratischen Opposition mltgeteilt habe, falls die Kritik an der Tätigkeit einzelner Minister, insbesondere der des Finanzministers Dr. Kien böck und des Vizekanzlers und Instizministers Dr. Frank sor?dauere, werde er sich genötigt iehen. dcn Rücktritt des Kabinetts z» be schließen nird Neuwahlen zu veranlaßen. Diese Gerüchte sind mit dieser Begründung un- gcnan. Daqeqen ist es richtig, daß innerhalb der christlich sozialen . Partei selbst gewiße Mei nungsverschiedenheiten seit längerem dem Bundeskanzler Schwierigkeiten ber-st >d daß Dr. Seipel vorläufig nicht bereit ist, eine teil- weise Umbesetzung der Ministerpoften vorzunehmen. Allerdings tonnte sich kaum eine der Paine-en jetzt Vorteile von Reu»atzl«» »«rfMeche« Oer Reichsbanner-Genera u. Berlin, Oktober 1924 Zn Beginn dcs Dreißigjährigen Krieges siel »' Bürgermeister von Pforzheim, Deimling, mir vi^ hundert Monn, als er nach der Sa>la.ht bei Wimplk dem geschlagenen badischen Markgrafen gegen d» kaiserlichen General Tilly den Rückzug deckt?. Ectne Nachkomme dieses bürgrrlichcn Kriegsmannes i.ui der sich nicht schcute, auch gcgcn die kaiserlich Majestät tapfer die Waisen zu ergreifen, ist de«, heute 71 Jahre alte General Berthold vor Deimling, Protektor und Organisator del Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold nnd stärkste Hots nung des nun endlich aktiver erwachten deutsche« Republikauertums. Deimling hat starke innerlich« Wandlungen durchzumachcn geha'w, ehe er sich auj dem Platze fand, den er heute einniinmt, obwohl er, im badischen Karlsruhe als Sohn eines Juristen ge boren, auf dem Gymnasium zusammen mit Fehlen bach herangcwachsen, aus einen« durchaus süddeutsch demokratischen Milieu stammt. Aber der kurz nah dem siegreichen sranzösischcn Kriege in die Armie einiretende junge Mensch unterlag offenbar dock dem suggestiven Glanz der ungestüm steigendem Sonne des Kaisertums, zumal da er als ungswähs lich begabter Soldat rasch Karriere nachte. Ls wir. verholte sich bei ihm mahl ein tausendfach im wi. helminiscken Deutschland zu beobachtender Borgon» daß nämlich bürgerliche Offiziere sich bemüht-n, do in der p enßischcn Armee traditionell-n „schneidige:«' Innkerton zu kopieren und möglichst noch zu über bieten. Weltbekanntes Musterbeispiel hierfür it heute noch der Fall Ludcndarts. So kam es, do' der Gencrnlstabsoffizicr Deimling im Jahre 190t einen heftigen, in der ganzen Presse widerballende» Zusammenstoß mit den Lintsparte ien des Reiche tage: hervorricf, vielleicht sogar provozieite. «veil sie ein?» von ihm zn begründenden Antrag auf Ausbau inne: Eisenbahnlinie in Denrsch-Asrikn nicht bewillige» wollten. So brachte er es etwa auch späterhin ah Kommandierender General im Elsaß fertig, für dt in der Zabern-Asfär? kompromittierten Offizier-' öffentlich Partei zu ergreifen, und die Straßburgs Bürger dadurch zu verärgern, daß er durch Parade mitten in der Stadt stundenlang den Verkehr nntev band, während er die Reservemannschaften nsi. Kernspriichen zn entlaßen pflegte, wie etwa: üv Kriegeroereilic bildeten das beste Bollwerk gegen dl „Gefahr des ewigen Weltfriedens". Nichts schie' chm damals verächtlicher als Pazifismus. Immerhin war er bereit, auch persönlich ans sek ner Meinung die Konsegnenzen zu ziehen. Er bi wies es, indem er sich freiwillig auf del s ü d w e st a s r i ra n i s ch e n K r i e g s s ch a n p l a s «neidete, zuerst als Kommandeur des 2. Feldregi »icnts, von 1906 an als Oberbefehlshaber der- aa samten deutschen Streitkräfte. Und hier in Afrit« scheint zum ersten Male auch die trotz allen» ererbt« bürgerliche Sachlichkeit seines Wesens wieder hev vorgcbrochen zn sein. Er räumte nicht nur mit dc> allmählich eingerissenen Lrappensiiler: (besonders wie er sich ausdrückt, mit dem „Susi, dein Erblastm Südwcsts") erbarmungslos auf, sondern er uerzick- tcte auch persönlich auf jede Beqrunnlichkcit. El reiste lnsispielswcise nie im Eisenbahnzuge d s Gon- verncurs, der ihm znr Verfügung stand, sondern b» Wind und Wetter iinmer nur auf "incr offener. Draisine. Er schloß endlich auch mir dcn »Herero« ziemlich eigenmächtig einen ausgesprochenen Vr» ständigungsfrieden, der nichtsdestoweniger, stlom? die Kolonie in dentscher Hand war, nicht mehr gr stört wurde. Im Weltkrieg dann wurde die erste sieg reiche Schlacht, bei Mülhausen, unter seine- Kommando geschlagen. Auch hier schonte er sich per sönlich ebensowenig wie später bei Avern und Per dun: mehr als einmal wurde ec bei Erkundung» Vorstößen verwundet. Das Groß? Sanptquarticr sparte nicht mit Auszeichnungen für ihn, er wurd« sogar, eine Ehre, die sonst ja nur Fiirftlichkciter. widerfuhr, zuin „Inkabcr" eines Infanterie-Regi- ments ernannt — bis er Mitte 1917 plötzlich irr den allerdings nicht unbegründeten Verdacht geriet, mit der Erzbergerschen Fricdensresoiution zum sympa thisieren. Da war er für di? Halbgötter dcr „Obersten Heeresleitung" erledigt und wurde, wenn auch unter äußerst schmeichelhattcu Dankesben u-run gen Wilhelms II., sofort zur Disposition gestellt. Ls scheint also, daß sich damals schon die großr Wandlung in ihm in aller Still- vorbereitet ha:. Bald nach dem Zusammenbruch von 1918 jedenfalls rvar sic vollendet. Da ergriff Deimling zum Staunen der ganzen öffentUchen Meinung, die imm.e ncch den Eisenfresser aus dem Elsaß in ihm sah, in der Preße das Wort, und zwar stets zur Verfechtung der entsagnngsreichcn, aber gesunden Realpolitik dr: deutschen Demokratie. <?? fühlt? «ich nicht zi» einer phrasenhaften Basall-ntreue verpflichtet. Er sah ein, daß weit über der Pasalleutreue die Treue des Bürgers zu seinem Gemrinwcsen zn stehen hat, dessen Erhaltung seine ob?.st? Pflicht sein muß: so setzte er sich 1919 für die Unter,.richnung d?s Frie- densoertrages ein, 1921 für die Annahm? des Lon- donep Ultimatums; er bekämpf Dolchstoß! Hende und Antisemitismus ebenso mutig »t« die blut- dürftige H«tz« di« ,O«stUdmU»'.P»lifst:r — bis
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