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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 07.10.1924
- Erscheinungsdatum
- 1924-10-07
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192410078
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19241007
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19241007
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Bemerkung
- Images teilweise schlecht lesbar
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1924
-
Monat
1924-10
- Tag 1924-10-07
-
Monat
1924-10
-
Jahr
1924
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vi«a»t»g, 7. VLtober Die Leipziger Winterhilfe arbeitet wiever Wie wir erfuhren, hat der Hauptausschuß der leipziger Winterhilfe beschlossen, auch in diesem Winter wieder seine segensreiche Tätigkeit aufzu nehmen. In absehbarer Zeit werden zwei von den geplanten zehn Mittelstandsheimen er öffnet. Die Leipziger Mnterhilfe wird auch in den bevorstehenden Monaten" bedürftigen Leuten Le- benomittelpakete zugehen lassen, notleidende Akadc- nnter unterstützen und alten und gebrechlichen Ar beitern ihre Hilfe zuteil werden lassen. Da aber die vorhandenen Mittel nur noch für zwei Monate ausreichcn, ist es notwendig gervor- den, neue Sammlungen für die Leipziger Winterhilfe einznleiten. Um die Gebesreudigteit des Publikums zu erhöhen, werden besondere Peranstaltungen er- felgen, aus deren Erlös neben den Sammlungen die Nassen der Leipziger Winterhilfe gesxeist werden sollen. Zunächst werden a m 18. u n d 19 O k t o b c r in Leipzig Blumen tage abqehalten, deren Reinertrag den Rentnern und kinderreichen Fa milien ungekürzt zufließt. Junge Leute beider lei Geschlechts werden gebeten, sich für die Haupt sammlungen zur Verfügung zu stellen und sich schon jetzt im Rathaus, Zimmer 343, von 8—1 Uhr vormittags zu melden. Mit Rücksicht auf den wohl- räoigen Zweck der Sammlung kann eine Vergütung für diesen Hilfsdienst nicht gewährt werden. Jeder Sammler erhält einen polizeilichen Ausweis, so daß V.trügereien von vornherein ausgeschloessn erscheinen. Um das Ergebnis der Blumcntage zu erweitern, sollen Postkarten verkauft werden, die auf ein P r e i s a u s s ch r e i b e n Hinweisen, an dem sich jeder Käufer der Karten beteiligen kann. Es werden ,-nch bunte Blumen airs Wollresten, die von arbeitslosen Familien hergestellt werden, auf den Straßen feilgehalten. Um den Kindern eine Freude zu machen, sollen blau-gelbe Ballons verkauft werden, deren Reinertrag wiederum der Leipziger Winterhilfe zusließt. Auch der Zoo stellt sich in den Dienst der guten Sache und wird einen Zigeuner wagen durch die Stadt laufen und ein Kamel führen lassen, das ein Plakat mit dem Aufruf „Gebt der Leipziger Winterhilfe!" trägt. Es ist zu wünschen, daß die Leipziger Bevölkerung sich dieser Veranstaltung mit ganzem Herzen zuwendet und soweit als möglich Mittel zur Verfügung stellt, da mit die Leipziger Blumcntage auch einen fühlbaren Ertrag für die bedrückten Rentner und kinderreichen Familien ergeben. Erstes Iugendkonzert. Der Leipziger Verein derKinderfreunde beginnt nun wieder seine Iugcndkonzerte. Der Besuch des ersten dieser acht Rachmittage bezeugte die Beliebtheit dieser Beran Haltungen bei der Jugend wie auch bei denen, die gern wieder einmal einige Stunden im Kinderland weilen. Auf die Leistungen als solche braucht man bei solchen Gelegenheiten nicht einzngehen; die große Tugeird ist hier die richtige Auswahl. Und hierin haben alle Mitwirkenden ein erfreuliches Ver ständnis für die Kinderseele gezeigt. Was tut hier nicht eine Ueberschrift, ein Text, ein mündliches Kommentar! Anny Eisele hat bei ihren kleinen Zuhörern eiuen großen Stein im Brett; das zeigte sich^gleich nach dem „Reitcrlied", als einer ihrer jungen Verehrer ihr einen Strauß hinaufreichte, selbst so rot wie die Rosen in seiner Hand. Bei den Liedern, die Anni Q u i st o r p lang, konnte »um mit dem Beifall ost gar nicht bis an-s Ende warten, be sonders bei den Liedern des großen Kinderfreundes Reinecke. Albin Frehse und das Horn- guartett des Gewandhaus-Orchesters hatten schon gewonnenes Spiel, als sic auf's Vodiun, traten, mit ihren seltsam gewundenen Hörnern, die so freudig glänzten. Und als sie erst spielten, so weich und leise, wie man'» gar nicht geglaubt hätte, da kannte die Begeisterung keine Grenzen. Als Albert Ri. Bertschmann Stücke von Beethoven vortrug, har sich sicher mancher kleine Geigenspieler vorge- nommen, nun recht fleißig zu üben, nm auch einmal so schön spielen zu können. vr k. Plaut'» »heiterer Abend". Rach Senff-Georgi und Keßler Joseph Plaut. Bis turf Len letzten Platz füllten seine Leipziger Freunde den Reuen Rathaus-Saal. Plaut s Humor bewältigt ein Riesen- Repertoire. Wie vermag er Andersens Rtärchcn zu verwirklichen, wie ist ihm Fritz Reuter's Mecklen burger Platt geläufig! Hanne Nütes Abschied vorn Pastor, von der Mutter, vom Pater, und der Be ginn ihrer Wanderung — das alles lebt leibhaftig. Doch am stärksten entsprachen dem Geschmack der Zu hörer die Parodien und Glossen. Seine Kind-Por- sührungen: „Erblich belastet oder die Bettlerin von dir Neue Weidendammer Brücke" wurden ebemo belacht wie die „Lieder zur Laute am Klavier . ." Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold, Ortsgruppe Ramsdorf. Sonnabend, 1t. Oktober, abends f<.8 Ithr, im Gasthof in Ramsdorf öffentliche Versammlung. Referat: Zweck und Ziel des Reichsbanners Schwarz- Rot-Gold. Redner: Kamerad Sekretär P. Weise. Alle ehrlichen Republikaner werden hierdurch freund lichst eingeladen. Gegner der Weimarer Verfassung haben keinen Zutritt. Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold, Ortsgruppe Borna bei Leipzig. Dienstag, 21. Oktober, abends )L8 Uhr, im Großen Saale des Poltshauses Borna öffentliche Versammlung. Kamerad Studienrat Dr. Riemann-Leipzig spricht über: „Der Re- publikanismus eine Kulturbewegung." Alle ehr lichen Republikaner werden hierdurch freundlichst ein geladen. Schwarz-Rot-Gold in Pegau. Mittwoch abend 8 Uhr, Liebcrts Restaurant, Breitstraße, Versamm lung des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold. Alle Republikaner werden um ihr Erscheinen gebeten! Die Leipziger Schiilerwerkstätten eröffnen am 8. Oktober d. I. ibre neuen Winterkurse. Getreu dem Leitspruche: „Bilde das Auge, übe die Hand; fest wird der Wille, schars der Verstand!" arbeiten schulpflichtige Knaben und Mädchen in Papier- und Papparbeit, leichter Holz- und Hobclbankarbeir, eventuell auch in leichter Metallarbeit und erwerben sich so bereits im jugendlichen Alter eine gewisse, sehr erwünschte Geschicklichkeit im Gebrauch der ein fachen Werkzeuge. Tie Schüler arbeite» einmal wöchentlich zwei Stunden au schulfreien Nach mittagen und .zahlen dafür monatlich eine Mark. Werkstätten befinden sich in verschiedenen Stadt teilen. Anmeldungen in der Ieutralwcrkstatt, Löhr- straße 2V (l. Fach- und Fortbildungsschule), Erd geschoß, Zimmer 5 oder 8, Mittwochs 3 bis 5 Ubr. lk-'. D-Zug»vertehr Leipzig—Köln. Die während de» Sommerfahrplans zwischen Leipzig und Köln verkehrenden Schnellzüge I) 189/1) 190, die im all gemeinen stark benutzt wurden, sollte» ursprünglich ab ü. Oktober wieder in Wegfall kommen. Mit Rück sicht auf die Wichtigkeit dieser Verbindung haben di : beteiligte» Eisenbahndirektionen jedoch ihre Bei» benaltung beschlossen, so daß sie auch im Wimerfahr- ;la» verter verkehre», s Sie werden nach wi.' vor iiber Halle—Halberstadt—Goslar—Soest-Hugen— Elberfe'l gelüstet und führen beide Schlmwagen. l< 190 fäh't in Leipzig Hbf. 10,40 abends ob und tnsft 9.28 vormittags in Köln ein, während I) 189 Köln 10.05 abends verläßt und 8.5,0 vorm rtags in Leipzig Hbi. ankommt. „Die Siebzehnjährigen". Die 17jährigen Lehr linge Wilhelm Franke und Willy Münster aus dem Vororte Friesenheim in Ludwigshafen, die ein Liebesvert-ättnis mit einem 17jährigen Mädchen unterhalten hatten, das nicht ohne Folge» blieb, warfen das Mädchen auf einem nächtlichen Spaziergang in den R h e i n. Sie stellten sich freiwillig der Polizei und gaben die Tat mium- uunden zu. Das Lastauto al» Autofalle. Ein Uebersall, wie er selten vorkomuit, ereignete sich auf der Potsdamer Ehaussee in Wa unsre. Dort stellte sich ein von Berlin kommendes Lastauto mit Anhänger quer über die Chaussee und schnitt damit den von Potsdam kommenden Automobilen den Weg ab- Die Arbeiter des Transportzuges schlugen zunächst auf de» Chauffeur des ersten Automobils ein, gingen dann auf den Führer des zweiten Automobils los und verprügelten ihn und die Insasse». Als die Arlviter das Herannahen weiterer Automobile sahen, gaben sie die Chaussee frei und fuhren in der Richtung nach Potsdam davon. Es gelang der Polizei, die radaulustigen Arbeiter zu verhaften. Es wird grotesk. Die Ankunft Jackie Coo- gans im Piräus, dem Häsin vv» Athen, wäre bald zu einer Tragödie geworden. Als der kleine amerikanische Filmstern landete, wurde das Kind mit seinen Angehörigen von der Menschenmenge beinahe in du Meer gedrängt und beim Besteigen des Wagens fast erdrückt. Dabei hat der Knabe infolge der verschiedene» Küchen, an die er sich auf seiner Reise noch nicht gewöhnen konnte, unter ernsten Verdauungsstörungen zu leiden, so daß er sogleich in das Hotel gebracht werden mußte. Seine Eltern ließen nur wenige, besonders begeisterte junge Mädchen zu Jackie, der ihnen Autogramme gab, und nur einige Reporter, denen er seine Ansichten über das klassische Altertum erläuterte! (Die Reporter werden für die Belehrung durch das Kind sehr dankbar gewesen sein!) tUMU ttlck IiMM I.eipriS. " LrütlnunU von provl»kon»1r»l»n 6«r kuvtüßSßkIcisrL suk 15 läge uocl länger lest: kustruuß vou ?.u günstigen Lsäingungsn. Durch Verordnung äes 8üebsisesien dlini<?turiums ckor ckustir nur Vunuknlk von .Vsli im k»I!e cke-- s 1808 ckes DürLorliciwn DssetWucliss ermüriitiet! Seide « Vereinsleben verein Leipziger Wamnrsreunve. VersÄMMlung am Mtttwocü, den 8. Oktober, abenos 8 Ubr, im Lehrer vereinsbaus, »lroinerstratze. Ltchttnldcrvortraa des Herr» Bertholv über du- oiradeiUour Freiberg—Rolfen und Bc sprccvung über dle Londersabrr nm 12. Oktober nach dem Har; loyale, Romr.wpe, Hexenrainpluv: Preis 5,70 Mark für Hm- und Rückfahrt. Avfcwtt -.26 Uhr morgens vom Hauptbabnüof. „Vorwärts", iinrKmriilvrrein Stotze Lchre». Diens tag abend 7 Ubr: Uebunge» in jamttieycn Abteilungen in der Hr.meuHernsSfcbttle, Lcküüersiraüe Rr. 9, Zimmer 2. Zulckriiien an Zeitz Repse, Leipzig t-tovlis, LMb.inier Ltrahc Ar. Telephon dir. 5»l IW. Verein Heuuanreucr Zeiher Dienstag, se» 7. Ot loder, 8 Ubr: 'Vereinsabend, Brücklcers Restaurant, u :on nadenstratze 1-j, I, wozei alle Landsleute «lngemde» werden. Hcimatbuno der in Leipzig bestehenden Landsmann schaften. Dienstag, den 7. Oktober, abends 8 Uhr: Ver- rreterversammlung im Panorama. Ornithologischer Verein. Dienstag, den 7. Oktober, 8 Uhr, im Hotel Weister Hirsch, Windmühlenstraste b>: Die wirtsamstliche Bedeutung der Vögel «Herr Haubolo«. Gäste willkommen. Astrologische WeseUschast. Dienstag, ven 7. Oktober, ,V rauen-Berufsschule, Ecke König- unv Tatslrgs.e: Hebung der aktiven Aötcilnng. — Donnerstag, den !>. Oktober, '.'tuguste Demmdl Haus: Ansünger-KursuS (Fortfetzungt. Bäurischer Waldverriu, Lektion Leipzig. Dienstag, 8 Ubr: Mouatsversamuiluug im Lehrervereinsbaus, «ranlerstrrste. Dringendes Erschein«» aller Mitglieder «rsoro erlich. Lonsigrvcnlicier. Der Verein sür Volkswo bl veranstaitct Miuwocü, 8 Ubr abends, eine vicvenkleter sür Hermann Löns. Vortrag: Karl Langer. Lönsliedev zur Lante. Eintritt jrei! „Babelsberger Lteuogrnphrnverrin von 1846. Don nerstag, Soualpädagogisebes .Vrauenseminar, König »raste 20. Zimmer ll. Ubr Beginn eines Leb, aangs sür Anfänger .'lusküniie in den Unterrichts. raumen oder schrill»», durch LLiilu Ltepva», Leipzig, Tchcukendorssrraste 17. Anmeldung scderzeil möglich. Ltcnographrnvrrein „(Babelsberger" Leipzig Lüd Vorstadt. Uevungen Dienstag, abends '^8—9 Ubr: I. Volksschule, Molilesirasze, in süns '.'lvtcilungen. Ans künstc daselbst ober in ver tstesaiäftssieUe Baverscve Lrr. Rr. !>1, Hos t. Vorbereitung aus die Geschäsissletw- grapheilprüsung. Esperanto ttelebschast Leipzig. Dienstag, 8 Ubr: Restaurant Canitz Petervsieinioeg 10: Konversaiions abend Kunstkalender RcueS Llieater. Da bisher sänutickre Aufsührungen der Kinvcrtänzc „V o n tt indc r n sür »t i nde r" aus venaust waren, werden die Kiudertünze Lonnabend, den ll. und LoniUag, den 12. Oktober, wiederbolt. Diese belDcn Ausfübrungen ü>>S aus technischen viründen die letzte». Der Vorverkauf beginnt bereits Mittwoch an der Tageskasse. Preise 2» Pf. bis 2 Matt. — Zn der am Mittwoch, den 8. Oktober, slattsiiidenben Anssübrnng „Carmen" singt Ilse Kocgel zum ersten Male dir Partie ver Micaela. Jubiläen. Die Litberne Hocb»eit feiern am 7. Oktober .Job. Lcvrciber und Fran. Delitzscher 2tr. 32. — Am ti. Oktober Vollendelen sia> 25 Zavrc, seit Zrau veriv. Risse im Hause Dtülleritzer 2«raste24 wohnt. Der Geiger Veesey wird sich nach längerer Pause w e- öer in Leipzig hören lassen, und zwar in einem ergeuen Konzert am 11. Oktober im Kanshcrussaale. Agnes Delsarto gibt am 11. und 12. Oilober im Rut- haussaale zwei Lanteirabende mir völlig neuem, vor wiegend heiterem Programm. Kammersänger Hjalmar Arlberg wird ur dem L eder- abend von Dorothea Schröder (10. Oktober, Neues Rathansi Mitwirken und gemeinsam mit der Konzert- goüerin Duette von Ioh. Brahms zum Lortrag bringen. Dlsred Forest gibt am l l. Oktober im Kaufhaus' .mle einen Loewe-Balladen-Adenö. Am Klao'.er: Els« Liebe tran. Sepp Lummer, ver nnler den Länger» zur Laute mit an erster Drelle siebt, singt heute abend 8 Ubr im Rat- hanssaale erstmalig sein neues Programm „Aus deut schem Herzen". Die vorliegende Ausgabe umfaßt 12 Seiten fauülie angenommen. Sobald sie jedoch auf Reisen ivaren, fingen sie an, sich herumzu treiben wie zwei gute Vagabunden, die nicht müde werden zu bummeln. Unaufhörlich war sie bestrebt, ihr Heim am Wannsee zu verschönern Hier enipfingen sie jli.e Gäste, mit Auswahl zwar, aber doch ohne allzu ängstliche Sichtung. Julius von Hankas Stellung, seine weithinreichenden Beziehungen .»achten ihm ein stets geöffnetes Haus zur Pflicht. Wer von den hinzureisendeu Be- '.auntcn einige Tage in Berlin verblieb, wurde zu Gast geladen. Hierin zeigten sie sich ganz geleitet von den besten (Hesellschaftstraditionen des Berliner Bürgertums. Keyserling hatte das Monokel ins Auge ge dräut, um einen Pizarro betrachten zu können. „Das ist wirklich erhaben!" rief er, immer kickst gerührt und begeistert, mit seinem lveichen, singenden baltischen Akzent. Es waren die ersten Häuser einer Stadt, die Bannmeile, der Anfang des Ungeheueren, das cs zu ahnen galt: die Großstadt! Eine L.uldstraße, die Stadtstraße zu werden sich an- sihsiit! Es war Landflucht darin, die Größe und das Furchtbare dieser Flucht. Roch war die Natur wirkend und schaffend in den urdclsiicu, melancholischen Weidenstümpfen zur Seite xr Straße. „Ich stabe nur wenig Verständnis für Lano- siimstcu," sagte Julius von Hanka, der weiter gegangen war. „Aber ich begreife die große Dualität der Malerei." Er war ein athletisch gebauter Blann, breit schultrig und beleibt, dennoch beweglich und elegant: das an den Schläfen graue, aber nirgends gelichtete Haar straff zurückgebürstet; darunter die vielfältig gegliederten, energisch aufwärts strebenden Gesichtszüge eines Mannes, der gewohnt ist, folgerichtig zu denken und zu stundeln; sein Wesen, seine Art zu sprechen und sein (Hang diszipliniert durch ein Preußen lum, das die weltstädtische Zivilisation Berlins bis zur Znternanonalitüt gemildert hat; eine reinliche Erscheinung der norddeutschen Ober- tlasfe. Er hatte sich in der Fügend viel mit Mathematik abgegeben, «r war Ingenieur ge worden, dann hatte er die industriellen Werke seiner Familie übernommen. Im Weltkrieg war er der Führer einer Kompanie, später eines Bataillons gewesen. Die erstau 'ickie Tatsache, daß ein Krieg wie dieser am Meu,äieu abgleitet, ja womöglich ihn noch verjüngt, war auch bei ihm in Erscheinung getreten. Er lzatte in den großen Schlachten der Westfront ge kämpft, in ihnen lxttte er sein Gehirn aus nichts anderes eingestellt als auf exaktes Denken und auf taktische Betrachtungen. Zu weilen in der Ruhestellung hatte er sich ciu- geschlossen und dann bekam er Weinkrümpse, während die Kameraden erschöpft schliefen oder nervös feierten. Aber gerade diese Fähigkeit, erschüttert zu sein, lMte ihm Seele und Gesicht jung erhalten. Nur die Haare waren schon früh ergraut, wie in allen Ländern des Krieges eine ganze Generation zu früh ergraut war, Männer und Frauen. In der Tat hatte er keine unmittelbare Be ziehung zu den Kunstwerken feines Hauses, ebensowenig wie er sie zu der Seele des Men schen hatte. Seinen! geistigen Ursprünge gemäß hätte er über die <Äele und über die Kunst Erwägungen angestellt, wie hierüber ein intelli genter Ingenieur und Mathematiker zu denken pflegt: daß diese Dinge Faktoren der Kultur sind, die in Berechnung gestellt und gemäß dem Wert, den andere ihnen beimessen, gewürdigt zu werden verdienen. Aber eine wunderbare und tief begründete Ehe mit dieser Frau l>atte ihn nach mancherlei Kämpfen und Mißverstäud- nissen dazu vermocht, der Kunst sowohl als auch der Seele einer Frau eine sehr ernsthafte und felbst-prüfende Beachtung zu scheukeu. Wenn seine Frau ihm den Sinn und die Schön heit eines Kunstgegcnstandes erläuterte oder wenn sie von einem Erlebnis ihrer Seele be richtete, von einem jener Erlebnisse, die kaum noch in Worte zu fassen waren und irrational zu sein schienen, so pflegte er zuweilen mit einer Art von fast tragischer Aufmerksamkeit und Anstrengung zuzuhörcn, wie er sie nie mals in seinen Geschäften anzuwenden ge nötigt war. setzung folgt. Frau vou Hanka mußte sich oft Rat holen von den Mädchen. Die Mädchen ihrer seits berieten untereinander, abends in den Wirtschaftsräumcn litten sie zuweilen erust- lmfte Gespräche, die sich bis tief nach Mitter nacht hinzogen. Es ging immer um das Wohl und Wehe der Frau. Der Mann und die Kinder hatten nur insofern Bedeutung, als sie untrennbar damit vertnüpft waren. Zuweilen liefen die Mädchen mit roten Köpfen und glucksenden kleinen Tönen in der Kehle aus Sem Zimmer, die Schurze voller Sachen, die sie in ihren Stuben bewundernd auf den Betten ausbreiteten, die Fingerspitzen an der Backe. Dann hatte Frau von Hantu ,gekramt'. Frau von Hanta pflegte durchschnittlich jeden Monat einmal zu kramen. Sie war ein wenig unordentlich, eigentlich mehr hastig, dennoch war sie diszipliniert. Sie wußte durchaus und in jedem Augenblicke, was ihr frommte, dock) fand sie es diptomatisch, einen Rat einzuholen, den sie unmerklich nach ihren Wünschen gelenkt statte. So glaubte jedes Wesen im Aause, seine Autorität und seine Bedeutung zu hoben. „Wie mar die Ernte, Nikola?" fragte Frau non Hanka, als sic mit Kcyferling im Auto mobil nack Berlin fuhr, um Besorgungen zu machen. Keyserlings verwittertes Gesicht zuckte. „Es gibt verschiedene Ernten, Kathrin. Welche meinen Sie?" „Die Rübenernte." „Die Rübenernte," erwiderte Keyserling. „Werden Sie sehr deprimiert sein, Kathrin, wenn ich Ihnen verrate, daß der Herbst allzu rrocten wa.?" Frau von Hanta lächelte zerstreut. „Hören Sie, was für einen Aeraer hatten Eie eigentlich?" Sie setzte beteuernd hinzu, mit mit ihrem sanftesten Wilden-Blick: „Also dos interessiert mich nun aber wirklich!" Keyserling sah etwas mißmutig zur Seite. „Das ist eine Sache, die mir zu schaffen macht. Wir haben da für den gesamten Vieh bestand einen sogenannten Schweizer'. Da er von Geburt ein Italiener ist, so nennen sie istn bei uns nicht .Schweizer', sondern den Hirten. Sie kennen ihn noch nicht. Sie waren ja jetzt fast drei Jahre nicht bei uns." Keyserling hüstelte ein wenig. Frau von Hanka berührte seine Hand. „Nun?" „Ja. Er ist ein prachtvoller Mensch für das Vieh. Es gedeiht unter seiner Pflege wie nie zuvor. Er versteht mehr davon als ich." Frau von Hanta erwiderte einen Gruß. „Ja?" fragte sie etwas zerstreut. „Aber er ist nicht so prachtvoll gegen die Menschen. Das eben ist es." „Was tut er denn Böses?" „Er tut nichts anderes als Böses," ent gegnete Keyserling, und er drängle seine schmale Gestalt fröstelnd in die Ecke des Wagens. „Er ist männlich schön wie der Far- nesisck)e Herakles und gewalttätig — nun, es gibt keine zivilisierte Mythologie, die einen Vergleich darböte." Arau von Hanta hörte aufmerksam zu. „Er hat Streit mit den Männern?" „Ja. Denn er hat Liede mit den Frauen. Die Frauen kommen zu ihm, jedes Alters kommen sie zu ihm. Alle Bande lösen sich, und er mißlxrndelt sie. Er gibt ihnen Kinder. Er verhöhnt und mißhandelt sie und schenkt ihnen die Fortpflanzung feiner Art. Er wird eine Naturgottheit für die Bewohner von Herbst- relde. Er reißt die Frauen und Mädchen aus den Hütten, beinahe in Gegenwart ihrer Männer und Väter, die seine herakleifche Stärke fürchten. Es gibt ein lateinisches Sprichwort: -Man erkennt den Herakle» an 2 Krau von Hanka Roman von Wilkalm (Copyright 1924 by Ernst Rowohlt Verlag Berlin.)
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