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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 07.10.1924
- Erscheinungsdatum
- 1924-10-07
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192410078
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19241007
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19241007
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- LDP: Zeitungen
- Saxonica
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- Bemerkung
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- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
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Jahr
1924
-
Monat
1924-10
- Tag 1924-10-07
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Monat
1924-10
-
Jahr
1924
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Schutzzölle Los einem Thüringer Landwirt u>irft uns ge schrieben: In allen Tageszeitungen wirb da- Probte» der Gltrrideschutzzölle behandelt. E» Hal de» Anschein, al» ob man bei un» nicht imstande ist, au« der Ge schichte zu lernen. Die Entwicklunc, zeiOl, daß n«ch ein bis zwei Perioden die jedesmal e„igcgengesetzte Anschauung die Oberhand bekam. So schlitzte z. B. England 1820 seine Landwirtschaft durch Schutzzölle 20 Jahr» später war England Freihändler, bi» i„ den Jahre» nach 1870 die schutzzöllnertsche Richtuug wieder größere Gewinne versprach. Die anderen Bölter folgten. Der Freihändler Bismarck wurde »ach 1870 durch Laprivis „rettende Tat" abgelSst. Der agrarische Pulow folgte, bis 1914 die Getreide- und Lebensmittelzölle außer Kraft gesetzt wurden. Ich hätte eigrntlich erwartet, daß unsere Regierung und Wirtschaftspolitik«,: die deutsche Agrarfrage als das bezeichneten, was sie wirklich ist, nämlich die Eristenzfrage des deutschen Bolte». Statt dessen wird eine Getreidezollsrage daraus ge macht. Pinn behandelt die Frage so, als ob es keinen Weltkrieg und keine Umstellung der wirtschaft lichen Grundlagen unseres Lklkev gegeben Hütte, alle ilbersehen, daß die Lage der deutsche» Landwircschafk zum Weltmarkt eine andere geworden ist. Die Greise für laudwirtsctmftliche Produkte sind in Deutschland bis Anfang Juli sehr stark gesunken, weil fast alle kleine,e» und mittleren Bauern durch die Steuer- schraube der Negierung und durch die Krrditnot ge zwungen waren, ihr Getreide und Bieh um jeden Preis zu »erkaufen. Die Preise sind jedoch nicht ge fallen unter dem Druck ausländischen Angebotes. Die Auslandspreise stehen immer noch über den In- tandspreiscn. Man wird zugeden, daß cs ein auf die Dauer unerträglicher Anstand war, wenn die Landwirtschaft für Produktionsmittel (d. h. alle«, was die Landwirtschaft kauft) 115—t20 Prozent der Vorkriegsprrise zahlen mnß. während sie nur 80 bis 85 Prozcnt für ihre Produtte (abgesehen von Milch und Butter) erhält. Werden nun, um die Landwirtsckmft in ihrer Pro- duktionssiähigkeit zu erhalten und zu heben, Zölle eingeführl, so werde» die Lebensmittelpreise steigen. Dann werden natürlich auch die Löhne und die Preise der Inüustrieprodukte steigen, und wir haben wieder die Schraube ohnaLnde. Die deutsche Wirtschaft kann heute nicht, wie in der Vorkriegs zeit, eine dauernd« Brotverteuerung tragen. Die deutsche Industrie kann ihre schwere Stellung nicht befestigen, wen» das Brot ihrer Arbeiter um 20 bis 25 Prozent teurer ist, als das ihre« ausländischen Konkurrenz. Nur eine wachsend« Industrie, also hohe Industrielöhne können einen landwirtschaftlichen Schutzzoll vertragen. Vorläufig fehlt also die Kauf kraft, die die Zölle bezahlt. Deshalb muß dafür ge- sorgt werden, daß die Prei,e für die Produktion»- mittel der Landwirtschaft und auch die Transport doste» der Eisenbahn herabgesetzt werden. Aber diese Fragen spielen eigentlich eine untergeordnete Rolle. Es ist natürlich nicht leicht, die sich auf vielen Punkten widerstreitenden Interessen der wirtschaft lichen Kräfte unsere» Volkes zu vereinigen. Deutsch land kann aber weder einseitiger Agrar- noch ein seitiger Industriestaat sein. Ls muß Industrie- ftaat mit industrialisierter Landwirt, schäft werden. Die Interessen vo» Landwirtschaft und Industrie stich durchaus nicht so gegensätzlich, wie vielfach infolge der traditionellen Lehre von Frei- handel und Schutzzoll angenommen wird. Es ist debhalb notwendig, daß beim Wiederaufbau der deutschen Wirtschaft ein neues Agrarpro gramm auf Grund unserer veränderten deutschen Wirtschaft aufgestellt wird. Statt Schutzzollpolitik vor den Wahlen zu treiben, wäre es notwendiger, bei richtiger Wirtschaftspolitik in etwa fünf Jahren den Wert der landwirtsä-aftlicken Erzeugung um 50 Prozent zu steigern und damit einen Betrag von jährlich 5 Milliarden Goldmart zur Gesundung unserer Wirtschastsbilanz beizusteuern. Dazu ist aber notwendig, daß mindestens «ine Million Land wirte zum Fortschritt erzogen werden, und daß die Erkenntnis von der Bedeutung des deutschen Vvden» für den Aufbau unserer Wirtschaft in alle Kreise des Boltes dringt. Mr Schönewerda a. Unstrut. Antwort auf das Memorandum fertig London, v. Oktober. Wie die .Times" meldet, ist die englische Antwort auf das deutsche Memorandum über den Eintritt Deutschlands in den Völkerbund so aut wie fertiggestellt. Ein Ueinungsaustaufch zwischen den alliierten Regierungen in dieser Auge legenheit hat stattgefunden, und ein« Vereinbarung über die allgemeinen Linien der Antwort ist erzielt worden. Die englische Regierung begrüßt die Absicht der deutschen Regierung, um die Mitgliedschaft beim Völkerbund nachzusuchen, steht sich aber veranlaßt, auf di« Notwendigkeit hinzuweisen, daß die Pedin- yungen des Bersailler Vertrages strikt innegehalten werden, und empfiehlt, den Antrag auf Zulassung zum Völkerbund ohne irgendwelche Vorbehalte zu machen Herriois Dank für Motta (Don unserem Pariser Korrespondenten.) -s Paris, 6. Oktober. Herr ist hat a« Motta ein Telegramm gerichtet, in dem er ihm für seine vortref liehen Dienste, die er dem Völker bund als Prä ident der letzten Tagung t» Genf enoie en habe, dankt. Er spricht in dem Telegramm aus, daß Frankreich aufs eifrigste be strebt sei, den Frieden unter den Völkern zu sichern, d«m sie notwendig brauchten, um den ruinösen Rüstungen «in Ziel zu fetzen und um sich ohne Furcht der Sach« des Fortschritte« und der Zivilisation widmen zu können. Laiüaux verteidigt sich (Von unserem Pariser Korrespondenten.) X. Paris, 6. Oktober. Laillaux hat in Tour- q«nard »ine Red« gehalten und kam dabei aus die ihm gemachten Vorwürfe zu sprechen. Er führte aus, er hab« nur einen Konflikt vermeiden und das Gleichgewicht »wischen England und Deutschland festhalten vollen. Er s«i weder dem «inen noch dem anderen Land zugeneigt gewesen. Er hab« nur «ine» blutigen Drama aus dem Wege gehen wollen. Eaiüauk wandte sich auch der Frage der Ein verleibung Elsaß-L«thrtag«ns nach Frankreich zu und erinnerte daran, daß ein nationalistischer Schriftsteller geschrieben habe, es <et bester gewesen, Frankreich Hütte Elsaß und Lothrin- ä«m «ich« wi«derbekomm«n, dafür Hütte es keine» Kris«-Wsbs». ..Nansen spricht für Deutschland Oie erste Vollsitzung des LS. Weltfriedenskongresses Berlin, « Oktober. (Eig. Lei.) Di« erste Vollsitzung de» 28. Beltfriedenskongres ses begann heut« vormittag im überfüllt«» großen Gnat« de» Reichswirtschaftseatt». Das Haupt ereignis d«r Sitzung war da» Erfcheiaen Fritjof Nansens, der mit Jubel begrüßt wurde. Nansen führte ans, daß Europa ohne Völkerbund gar nicht denfbar wäre, rein politisch wie auch rein wirt schaftlich, und kam dann auf seine Forderung, daß auch Deutschland unbedingt seinen Sitz im Völkerbund »einnchmen müsse, zu sprechen. .Ich erkenne', so sagte er, .vollkommen hi« Vorbehalte der deutschen Regierung an, aber ich bin fest davon überzeugt, daß di« Schwierigkeiten behoben werden können, und ich lann sagen, daß sogar ein Teil der Schwiertgkelre» bereits behoben ist. D«r Völkerbund wird erst ein wahrer Völkerbund sein in dem Augenblick, wo Deutschland Vertreter in Genf besitzt.' Die Versammlung bereitete Nansen nach seiner Red« stürmische Ovationen. Vorher hatte Eenator Lafontaine einen politischen Bericht über die Ergebnisse der Völ kerbundstagung in Genf erstattet. Nach der Rod« Nansens wurde längere Zeit über die Frage des Eintritt» Deutschlands in den Völkerbund diskutiert und do im entspcum sich ein« erregte De batte über das Verhalten der Reichsregie, ruug, die bisher durch keinen ihrer Vertreter von der Taguirg des internationalen Friedenskongresses Notiz genommen habe. Es wnrdc zwar mitgeteilt, daß Reichspräsident Ebert «ine Abordnung de» Kongresses empfangen werde, man beschloß aber trotzdem einstimmig, ein Telegramm an den Reichs- tangier Marx zn seitdem, in dm, der Verwun- derung ülber da, Fernbleiben der Re gierung Ausdruck gegeben werde» soll. Ferner beschloß der Kongreß, ein Telegramm an di« dii- »ische Regierung zu richten, in. dem inan sie beglückwünscht, weil sie den Plan zur vollkom- menen Abrüstung Dänemark» gefaßt habe. Rechtsradikale Sewalttütig- kette« gegen Professor Basch Berlin, 0. Oktober. (Eig. Tel.) Der bekannte Pariser Pazifist Prof. Basch, der an dem gegen wärtig in Berlin tagenden Weltfriedens kongreß teilnimmt, und am Donnerstag auch in Leipzig spricht, sollte heute auf einer Veranstal. turcg der .Deutschen Liga für Menschenrechte' über das Thema .Deutschland und Frankreich vereinigen sich im Völkerbund' sprechen. Von rechtsradi kaler Seite wurde verbreitet, daß man mit allen Mitteln das Auftreten de« französischen Redner» verhindern werde. Auf eine Anfrage des Pots- damrr Polizeipräsidiums beim preußischen Ministe- rium des Innern wurde dieser angewiesen, mit allen ihm zur Verfügung stehenden polizeilichen Kräften die Versammlung zu schützen. Die Versammlung wird aber trotzdem nicht ab gehalten werden können. Der Besitzer de» gemiete- t«n Saales hat mitgeteilt, daß er den Saal nicht zur Verfügung stellen werde, da ihm nicht Prof. Basch, sondern ein deutscher Redner an gegeben wurde. Die Versuche der „Liga für Men- schenrcchte", einen anderen Saal zu mieten, sind ge scheitert. Den Potsdamer Lokalbesitzern soll von rechtsgerichteten Organisationen angedroht worden sein, daß über jedes Lokal der Boykott verhängt würde, das seine Räumlichkeiten für diese Veranstal tung zur Verfügung stellen werde. Demokratische Beschlüsse gegen de« Bürgerblock Magdeburg, v. Oktober. (Eig. Tel.) Di« De u ts ch« Demokratische Partei in Magde burg nahm bei einer Versammlung, nach einem Vor- trage des Neichstagsabgeordn«ten B üll-Hamburg über die Stellung der Demokraten zur Regie rungsbildung, eine Entschließung an, m der da» Vorgehen des Reichskanzler», di« Bildung einer Volksgemeinschaft unter Einbeziehui^ der Sozialdemokraten und der Deutschnatioiralen zu erzielen, gebilligt wurde. Die Demokratisck)« Partei erstrebe, so heißt es weiter, eine Politik der Verständigung und bekenne sich zur Ver teidigung nnd zum Ausbau der demokratischen Republik, lehne den Bürgerblock ab und ver lang« von der demokratischen Reich» taqsfratt io« eine rntstirechende Haltung. Köln, 0. Oktober. (Eig. Tel.) Am Sonntag tagte in Köln der Provinzialverband Rheinland der Deutschen Demokratischen Partei, der aus der Provinz und den angrenzenden Bezirk«» beschickt war. Das Hauptreferat tzielt Iustizrat Falk- Köln. Unter Zustimmung der Vertreter aller besetzten Lanbesteile, von der Pfalz bis nach West falen, wurde folgenbe Entschließung an- genommen: .Der Provinzialoerband der Deutschen Demokra- tischen Partei in der Rbeinprovinz erklärt: Die Zu sammenfassung aller verfassungstreuen, staats- bejahenden Kräfte zu einer großen Volks- gemeinschaft sei die einzige Möglichkeit »ur G«sund»ng de» Staates, zur Erhaltung der deut- sche» Kultur und zum wirtschaftlichen Wiederaufbau. Der von den Rechtsparteien geforderte Viirger- block dient nicht diesem Ziel, er bedeutet einen Rückfall in die Gedankengänge des Klassenkunpfes und ist der Ausdruck d«r nach wirtschaftlicher und politischer Herrschaft strebenden reaktionären Kräfte. Der Nechtsblock würde aber auch einen unerträglichen Einfluß auf die Führung des Reiche» aus üben, dem wir nach unseren Erfahrungen im Kamps um die Zugehörigkeit des Rheinland«» zum Reich allerscharfstes Mißtrauen entgegenbrinqen müßten Die Deutsche Demokratische Partei muß sich daher der Zugehörigkeit zu diesem Block ver sagen.' In einer weiteren Entschließung empfiehlt der Provin-ialverband seinen Freunden den E »n - tritt in das .Reichsbanner Schwarz- Rot - G o l d'. Frankfurt a. tt. Oktober (Eig. Te l.) Der Landesausschuß der Deutschen Demokratischen Partei für Hessen tagte hier in Frankfurt am Main. Da» einzige Referat erstattete Finanz minister Henrich. Er gab für den Wahlkampf die Parole für die derzeitige Koalition au«: mit Sozialdemokraten, Zentrum und Demo- kraten. Gegen den Biirgerblock wurde folgende Entschließung gefaßt: .Die Deutsche Demo- kratischc Partei lehnt den Biirgerblock ab, weil er zur Durchführung der Außenpolitik un geeignet ist und das Volk in -weiKlassen von Staatsbürgern trennt. Sie erwartet von der demokratischen Reichstogssraktion, daß sie sich an einer einseitigen Erweiterung der Regierungen durch die Deutschnationalen nicht beteiligt, und hält für den einzig möglichen Ausweg au» der jetzigen parla mentarischen Situation die Auflösung de» Reichstages.' Auch Vertreter der sozialdemokratischen Parteiorganisation von Hessen war«n in Frankfurt versammelt zu einer anßeraröentlichen Landespartei- versammlung, um die am Ist. November stattfind«», den Landtagswahlen vorzubereite«. Entscheid«*- -es Gtaatsgenchtstzsfes über den ,Froai-arm"? München, S. Oktober Wie gemeldet wird, halt «« der Strafsenat de» Obersten Landaericht» für richtig, daß Hitler, Kriebe! und Dr. Web er vom .Frontbann' und feinen Ziele» wußten. Eine Wirkung auf bi« Bewährungsfrist hat aber diese Tatsache nnr dann, wenn der .Frontbann' eine Fortführung der verbotenen Kampf verbände ist. Es ist deshalb mit d«r Möglich keit zu rechnen, daß die Entscheidung in den Fällen Weber und Kriebel von der Entscheidung de» Staatsgerichtshofes zum Schutze der Republik abhängig gemacht und bi» dahin ausgesetzt wird. Ob dies auch für Hitler gilt, hängt von der Prüfung der Akten durch den Senat des Obersten Landesgerichts ab, die noch einige Zeit in Anspruch nehmen wird. Di« Dorwürfe gegen -en Abgeordnete« Arzt (Von unserer Dresdener Redaktion.) >««» Dresden, tt. Oktober- Die Nachrichtenstelle der Staatskanzlei versendet folgende Notiz: .In der Presse ist die Meldung, daß eine Abordnung der Sozialdemokratischen Partei Sachsens unter Führung des Adg. Arzt beim Ministerpräsidenten Heldt Begnadigung des früheren Ministerpräsidenten geigner angeregt hat, in Zusammenhang gebracht worden mit ein«r anderen Meldung, wonach das gegen Arzt al» Bezirksschulrat schwe-b«nde Diszi plinär-Verfahren seinen Fortgang nehme. Daran wird die Frag« geknüpft, ob die Meldung von der Fortsetzung des Disziplinar-Verfahvens etwa eine Drohung sein solle, nm den Abg. Arzt ein- znschüchtern und sein« Entschlüsse al» Parteiführer zu beinflussen. Diese Vermutung entbehrt selbst verständlich jeder Grundlage. Das Disziplinar-Der- fahren ist seit Ende Marz 1924 anhängig und geht seitdem seinen vorgeschriebenen Gang Nachdem die Voruntersuchung im Juni zum Abschluß gebracht worden war, mußte zunächst das Ergebnis des Er in i t t e l u n g s-P e r fa h r « n s abgewartet werden, da« die Staatsanwaltschaft Leipzig auf Arzt« An trag wegen eines beleidigenden Artikels eingereicht Katie. Di« Staatsanwaltschaft i>at es vor kurzem abgelehnt, die Strafverfolgung des betreffenden Schriftleiters wegen Beleidigung de» Abg. Arzt im öffentlichen Interesse zu übernehmen, so daß nun- mehr das Disziplinar-Derfahren seinen Fortgang nimmt. Die Regierung steht den oben erwähnten Pressemeldungen fern.' Hierzu erfahren wir noch: Dein Abg Arzt war bekanntlich vorgeworsen worden, er hätte eine ihm persönlich intim befreundete Dam« in ein Ministerium al» Regierungsrätin hin«inprotegiert. Weiter werden außerordentlich üble Vorwürfe gegen Arzt erhoben, so u. a-, daß sein Verhältnis zu dieser Regierungs rätin nicht ohne Folgen gewesen sein soll. Arzt hat sofort das Disziplinar-Verfahren gegen sich beantragt und den staatsanwaltlichen Schuß gegen die Anwürfe erbeten. Die Staatsanwaltschafk hat diesen Schutz nun, wie in den meisten ähnlichen Fällen, verweigert. Dem Abg. Arzt bleibt nunmehr nur der Weg der Privatklage gegen di« Urheber der ihn schwer kränkenden Zeitungsnotizen iibrig. Streit um -en badischen Staatspräsidenten Frankfurt a. R., v. Oktober. (Eig. Tel.) Der badische Landtag wird demnächst die Reu- wähl des badischen Staatspräsiden ten, di« verfaffungsgemäß alljährlich zu erfolgen hat, vorzunehmen haben. Bisher war es nach einer Ab- machung uckter den Koalttionsparteien üblich, daß di« Regierungsparteien den Staatspräsidenten ab wechselnd stellten. Seit einiger Zelt hat sich aber da» Zentrum darum bemüht, Demokraten und Sozialdemokraten zu überzeugen, daß ihm al» der stärkst«» Partei da» Amt de» Staatspräsidenten allein überlassen bleib«. Runmehr hab«n sowohl Demokraten al» auch Sozialdemokraten er klärt, daß sie darauf unter keinen Umständen sich eil^ lassen würden und daß da» im Jahr« 1019 ge troffene Abkommen eingehalten werden müßte. Es ist demnach wahrscheinlich, daß im Wahljahr 1924/25 der Staatspräsident au» den Reihen der Demo kraten hervorgehen werd«. Der letzte demo kratisch« Staatspräsident war der »bemaliae Kultus- Minister Hummel. 42VV Ar-eiien für -en deutschen Friedenspreis Berlin, 6. Oktober. (E i g. Te l.) Der deutsche Friedenspreis von 10000 Dollar, den der Bostoner Großkaufmann Edward A. Filene vor mehreren Monaten gestiftet hatte, ist nunmehr zur Verteilung gelangt... Die Namen der Preisträger werden im Lauf« der Woche veröffentlicht. Einst weilen wird bekanntgegeben, daß der 1. Preis von: kzOOO Dollar zwischen zwei Arbeiten ausgestellt wor- den ist, di« beide als Hauptgrundlag« de» Weltfrie dens den Völkerbund bezeichnen und im übrigen verschiedene Vorschläge zum Ausbau des Bunde», zur Entwicklung des Schiedsverfahrens, zur Entgiftung der moralischen Atmosphäre zwischen den Volkern und zum Ausbau des internationalen Wirt schaft». und D«r1ragsrechts machen. - Auch der 3. Preisträger, der mit 1500 Dollar be dacht ist, geht von den gleichen Gedankengöngen aus, fordert aber u. a. Verwaltung aller Kolo nien durch den Völkerbund zue Herstellung rrirt- schafiltcher Gleichberechtigung und eine au«gespro- chene Freihandelspolttik. Di« restlichen 3500 Dollar sind in kleine Preise zu je 100 Dollar aufgeteilt worden. Es waren im ganzen 4200 Arbeiten eingegangen, also fast genau di« gleiche Zahl, die auch in Frankreich und England für die entsprechende Ausgabe erreicht wurde. Die Krisenmacher »Erft sag ich jq, dann lag ich nein, und manches and««, «och dazwischen," dies könnte der Wahlfpruch der Deutschen Dvlnhartet sei», seitdem im Herbste des vorigen Jahres, nachdem »der beste Mann der Parset- Reichskanzler geworden war, der ehemalige Charlottenburger OberbüMMMeister und Reichs- wftttsckaftsWhgster des „Kabinetts der Fachleute" unter Fehrenibach, Herr Dr. Scholz, die Leitung der volksparteilichen Reichstagsfraktion übernom- men hat. Die Deutsch« Dolkspartei bat nie ihre Herkunft von der Nattonalliberalen Partei, der Psrtet des ewigen Schwankens und Lavierens, verleügnen können. Au Anfang im Jahre 1919 und 1920 kämpfen Stinnes und Vöaln- zusammen mit dem Sozialdemokraten Legien für die Arbeits- Den Reichstag sw ahlkampf 1920 führt die Volks partei in engster Fühlung mit den Deutschnationalen unter de» Motto: „Von roten Ketten macht uns frei!" Alles links der Deutschen Dolkspartei wäre«» „Revolutionäre", „vaterland-lose Gesellen', .sozial demokratische Anhängsel". Wer in der Partei auch Grenzen nach rechts zu ziehen wagte, wurde mund tot gemacht, wer das Glückwunschtelegramm zu Wil helms des Zweiten Geburtstag nicht mitunterzeich net«, mit dem konnte man eigentlich nicht viel mehr gemein baden. Nach der Reichstagswahl wurde es bald anders, „die Große Koalition" wurde das Leitmotiv, alle die Fahre hindurch, bis sie unter Stresemann im Herbst l923 nach der wenig ruhm reichen, vom Deutfchnationalcn Helfferich k«ark be einflußten Cuno-Regierung Wirklichkeit wurde. Im Werdegang der Partei ist nicht viel Klarheit und Zielbewußtsein, wenn man nicht annehmen will, daß Stresemann, gestützt auf eine starke — an Zahl stark, weniger an einheitlichem Willen — Partei, zur Regierung komme» wollte, was ihm denn auch von Mitgliedern der eigenen Partei mehrfach in nicht gerade schmeichelhafter Weise vorgeworfen wor den ist. Stresemann ist der seine Zuhörer immer wieder in seinen Bann ziehende und im Augenblick mitreißende und überzeugende Redner. Alles war begeistert, wenn Stresemann sprach, niemand wagte Widerspruch. Aber im Inneren war die Partei schon lange unterminiert, als Stresemann das Kabinett der Großen Koalition bildete. Die Maretzki, o. Lcrsner, Heinze, Geisler, Ouaatz und eine ganze Anzahl kleinerer Geister hatten ihre Arbeit eifrig und gewissenhaft getan, es war nur trügerischer Schein, wenn nach außen hin die Partei noch ge schlossen für die große Koalition eintrat. Schon die Wahl des Nachfolgers Etrrse- manns als Fraktionsführer zeigte dem Eingeweihten unzweideutig, wohin der Weg ging. Nur solche Mit glieder der Reichstagsfraktion kamen in Vorschlag, die innerlich dem Gedanken der Volksgemeinschaft und der Großen Koalition fremd gegenüberstanden. Becker, Heinze, Scholz waren die Kandidaten, nicht v. Raumer, nicht v. Kardorf. Becker und Heinze lehnten ab, Scholz war Sieger. Er hat die ihm gestellte Aufgabe glänzend erfüllt. Die Große Koali tion erhielt schon sehr bald ihren ersten Stoß durch den Fraktionsführer der an -er Großen Koalition hauptbeteiligten Partei, durch Herrn Scholz von der Deutschen Dolkspartei. Ein zweiter Angriff und die Große Koalition war erledigt. Herr Scholz wurde immer mehr der Liebling der Deutschnationalcn. Die Auseinandersetzungen innerhalb der Partei gingen weiter. Di? Große Kvaliiton war tot, es lebe -er Biirgerblock, Herrn Scholzens große Sehnsucht. Es kam der Paruütag von Hannover, es kam die Ab- spaltung der Nationalliberalen Vereinigung, ein Teil der ewigen Krisenmachrr verschwand, ein bedenklich großer Teil aber blieb. Die Reichstagswnhlen brach- ten den von so vielen Poiksparteilern heißersehnten Ruck nach rechts. Was mackste es, daß man ein Drittel der Mandate verloren hatte, die Deutsch nationalen hatten ja entsprechend gewonnen. Seit Herr Dr. Scholz die Reichstagsfraktion der Deutschen Volkspartei führt, ist jede klare Richtlinie gtschrvunden, nur ein«s ist klar: die Krise über alles! Die eine Frage muß aber gestellt werden: Ist der Parteiführer — und dies ist immer noch Herr Dr. Stresemann — mit dieser saft ausschließlich auf Regierungskrisen eingestellten Frgttionsfllhrung einverstanden? Wenn er nicht eingreift, dann muß man annehmen, Herr Scholz handelt in seinem Lin- verftändni», dann muß man aber auch von Herrn Stresomarm glauben, daß ihm di« Große Koalition und die Volksgemeinschaft nur ein Weg zum Bürger- block war. Dann aber scheidet die Deutsche Volks partei aus, als eine Partei, auf die man ernstlich im demokratischen Deutschland als staatserhalten, de Stühe rechnen kann- Eine Regierungspartei, die ewig Krisen macht, die stete dem leitenden Staats- mann im ungeeignet«n Augenblick« Schwierigkeiten bereitet, um der schönen Arigen einer Nachbarpartei willen, die stet» bereit ist, eine Krise in -er Regierung herbeizuführen, hat das Recht verwirkt, als Re gierungspartei ernst genommen zu werden. M.-V. Wettere politische Nachrichten Seite 11
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