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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Erscheinungsdatum
- 1924-07-04
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192407046
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19240704
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19240704
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1924
-
Monat
1924-07
- Tag 1924-07-04
-
Monat
1924-07
-
Jahr
1924
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
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» «VI» G. Wettchronik Das Testament Lenins Rigaer Blatt .Rarodnja My,l" »rrösttn«. licvt das von den Boychewiken lo stren» getzenn ge- yaltenr Testament Wladimir Lenin». Wir vrröstent- lichen untenstehend den Inhalt dieses wichtigen, kulturhistorischen Dokumente», da» einen Einblick in die provokatorische Politik Lenins wirft. Mein letzter Wille Genossen! Als im Jahre 1931 der Oraanismue der russischen Sowjetrepubliken so geschwächt war, daß man, nach vierjährigem Bestand der kommuni stischen Herrschaft, knapp vor dem Zusammenbruch stand, da rvar es unsere Hauptaufgabe, den sterben- den Körper zu beleben und sogar ihm Injek tionen mit einem Gift zu machen. Als solch ein Injektionsmittel wurde von uns der „Ncp" (Neue ökonomische Politik) ins Leben ge rufen. Dieser „Nep" sollte das gesamte Privatkapi tal, das in Sowjetrußlond vorhanden war, für Handels- und Industriezwccke heranziehcn, sollte das Bank- und Transportwesen beleben. Der „Nep" sollte wie eine Arsenikkur auf, den kranken Körper wirken. Aber die unbegrenzte Verwendung dieser Medizin wäre ein Verrat gegen unsere Tendenzen gewesen, denn die Fortsetzung der Politik der Kon zessionen würde schließlich zur Wiederherstellung der kapitalistischen Ordnung führen, und dqs hätte zu guterletzt zur Vernichtung der Eroberungen der Revolution geführt. Deshalb mußte Sowjetrußlond, nm neu belebt zu Serben, provisorisch das Gift einnehmen. Wenn Sowjetrußland die Krise über standen haben wird, wenn das Land gesund sein wird, dann muß mein Testamentsvollstrecker, der Ge nosse Dserdschinski, mit eiserner Faust alles ver- nichlen, was mit dem kapitalistischen Gift angesteckt worden ist. Die kommunistische Regierung hat dann die Pflicht, das Privatkapital zu vernichten und alle Personen, die an der »Erhaltung" der „Nep" inter- essicrt sind, unschädlich zu machen. Als wir uns im Jahre 1921 zu Konzessiv- n e n gegenüber dem Kapitalismus erklärten, haben wir — der Not gehorchend — zeitweise vom rechten Pfad abgelcnkt, denn dieser Schritt war zur Ge sundung des Landes nötig, aber jetzt müssen wir den kommunistischen Genossen zurufe»: Marsch, vor- warts! Wenn wir in dieser Bewegung nicht rechtzeitig eingrcifen, so stehen wir vor der eminenten Gefahr, daß wi^ unsere kommunistischen Ziele nicht erreichen werden, denn in einem Staat mit einer kapitalistisch- ökonomischen Politik kann man keine kommunistische Politik treiben. Die Durchführung meines Testamentes bildet das zweite Programm der zweiten Revo lution, die im Jahre 1924 anbrechen kann und weit mehr Opfer fordern wird, als die erste Revo lution im Jahre 1917! Als meinen Testamentsvollstrecker bestimme ich den Genossen Dserdschinski (Leiter der „Tsche ka"). Ec muß mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln den „Nep" aus der Welt schaffen. Jeder, der dabei erfaßt wird, wie er Privathandel treibt, daß er Reichtümer aufstapelt, daß er sich mit Spsku- lotion befaßt, soll bestraft werden, sein Hab und Gut soll konfisziert werden. Nur Personen, von denen wir wissen, daß sic überzeugte Kommunisten sind, sollen das Recht haben, in einem kommunisti- schen Staate wie Sowjetrußland zu leben. Ich weiß, daß die Durchführung meines Testa mentes neue Opfer verlangen wird, aber diese Opfer sind notwcndia. um unser Programm mit eiserner Kraft durchzutührcn. Wladimir Lenin. O Die schonungslose Verfolgung der Anhänger der „illeps" und des Privathandels in Sowjetrußlond be ¬ weist, daß Dserdschinski gegenwärtig seine Mission al» Testamentsvollstrecker Lenin» mit eiserner Ener gie durchführt. siE. X. Die .Kusine" vor dem Schöffengericht. Der Prozeß gegen Frau Lermar. — Seit mehreren Tagen wird vor dem Großen Schöffengericht in Lhar- lottenburg ein umfangreicher Betrugsprozeß gegen eine Frau v. Cermar, die wegen umfangrei- cher Darlehnsschwindeleien an gewerbsmäßigen Geld gebern angeklagt ist. Sie war einmal als Heldin de» vielgesungenen Kouplets „Willst du mein Kusinchen sein" sehr populär. Der Anlaß zu diesem Refrain war die Reise, die sie mit dem Gouver- neur von Puttkamer nach Kamerun unter- nommen hatte und bei der sie offiziell als „Kusine" des Würdenträgers auftrat. Der Staatsanwalt be- antragte gegen Frau v. Lermar in 21 Fällen wegen versuchten und vollendeten Betrugs und Urkunden fälschung 2 Jahre 1 Monat Gefängnis, gegen Dr. Wiener wegen Begünstigung in drei Fällen, wegen Betrugs in Tateinheit mit Urkundenfälschung 2 Jahre 3 Monate Gefängnis, bei beiden Verlust der bür gerlichen Ehrenrechte auf 5 Jahre. Der betrunkene, hartnäckige Selbstmörder. Auf dem Potsdamer Bahnhof in Berlin erregte ein Betrunkener Aufsehen, der sich vor die Lokomotive eines abfahrenden Zuges geworfen hatte. Er wurde von Bahnbcamtcn zurückgerissen, wiederholte aber gleich darauf seinen Selbstmordversuch. Auch dies- mal wurde er in Sicherheit gebracht. Als er aber zum dritten Male das gleiche tat, brachten ihn die Bahnbeamten nach der Revierwache. Hier wurde der Betrunkene als ein gewisser Johann Thomas fcstgestellt. Man benachrichtigte seine Angehörigen, und bald darauf erschien die Frau des hartnäckigen Selbstmordkandidaten und nahm ihn mit nach Hause. Gottesdienst ist kein Turnsest. Aus München wird berichtet: Kardinal Faulhaber unterbrach am Sonntag plötzlich seine Predigt, weil er einig« Damen erblickte, deren Schultern entblößt waren und deren Blusen einen tiefen Ausschnitt zeigten. Er rief ihnen zu: „Das ist doch skandalös, in welchem Kostüm manche Damen sich erlauben, den Gottes- dienst zu besuchen. Eie kommen nicht zu einem Turn fest, sondern zu einer heiligen Handlung!" Ucberfall in der Berliner Ringbahn. Nachts wurde ein Lehrer aus Steglitz in einem Ringbahn zug betäubt und bestohlen. Er hatte mit dem Lehrer kollegium seiner Schule einen größeren Ausflug ge macht. Um 12 Uhr nachts bestieg er auf der Station Stralau ein Abteil 2. Klasse, nm nach Steglitz zurückzufahren. Er war ermüdet, hatte aber nichts getrunken und schlief auch nicht ein. Dennoch verlor er ganz plötzlich das Bewußtsein. Wann und wo, weiß er nicht. Jedenfalls wurde er gegen IN Uhr auf dem Bahnhof Neukölln im Abteil aufaefunden. Seine goldene Uhr und seine Geldtasche waren ihm entwendet. In dem Abteil war noch deutlich ein L h l o r o f o r m g c r u ch wahrzunehmen. Der Lehrer nmr so hinfällig, daß er von Bahn- beamten aus dem Abteil getragen werden mußte. Im Wrack de« „Thor". Mit Hilfe von dänischen Marinefliegern wurde das Wrack des vor einigen Tagen bei Dragör untcrgcgangenen Dampfers „Thor" autgefunden. Durch Taucher konnten drei Leichen geborgen werden. Als Ursache des Unglücks nimmt man nach den bisherigen Feststellungen an, daß das unziveckmäßige Verstauen der Ladung zu- sammen mit einem zu plötzlichen Steuermanöver das Schiff, das starke Schlagseite hatte, zum Kentern gebracht hat. Der Briefkasten als Bienenkorb. In dem Städt chen Siddington hatte sich ein Bienenschwarm in dem vor dem Posthause angebrachten Briefkasten häuslich niedergelassen, was der Postbchörde große Schwierigkeiten verursacht«. Erstens beriefen sich die Beamten auf das Postrcglement, wonach nur voll- frankierte Gegenstände in den Briefkasten geworfen werden dürfen. Da» war bei den Bienen nicht der Fall, und die Möglichkeit- nachträglich von ihnen Strafporto zu erheben, erschien selbst dem Postdirektor ausgeschlossen. Dazu kam, daß die Be- amten sich weigerten, den Kasten auszunehmen. So erließ die Behörde zunächst einen Aufruf, der die Bevölkerung aufforderte, keine Briefe in den Kasten zu tun, sondern sie am Schalter abzugeben. Dann versuchte man, den Kasten auszuränchern. Als das mißglückt war, wurden Honigtöpfe vor die Einwurföffnung gestellt, um die Bienen her- auszulocken. Die Bienen naschten aber nur davon und kehrten vergnügt wieder in ihre Amtswohnung zurück. Schließlich wurde der Briefkasten mit Terpentin ausgespritzt, und dieses Mittel befreite endlich die Post von den unerwünschten Gästen. .!>''!! Frauen dürfen nicht freibadeu. Die türkischen Behörden haben einen Badeerlaß herausgegeben, der den türkischen Frauen verbietet, im Meere zu baden. Die Polizei Hot strengen Auftrag bekommen, die Durchführung des Verbots zu überwachen. Aber die Beamten befinden sich in einer sehr schwierigen Lage. Seitdem die türkischen Frauen sich mehr und mehr von den alten Landcesitten emanzipiert haben, sind sie von den Europäerinnen, deren Kleidung sie anlegen, nicht zu unterscheiden, weder zu Lande, noch zu Wasser. Und da den in der Türkei lebenden Europäerinnen das Baden nicht verboten ist, be fürchtet die türkische Polizei, daß auch hin und wieder eine Türkin im Meer badet. Die türkische Polizei hat also schwere Sorgen. Riesige Heuschreckenschwärme in Afrika. Tausende von Hcuschreckenschwärme sind in der Kalahari, der südafrikanischen Sandwüstc zwischen dem Orange» und Zambesifluß, versammelt und bereit, in dos sud- afrikanische Ackergebiet einzudringcn. Ein einziger dieser Schwärme mißt 250 Kilometer in der Länge und ist in raschem Vorschrciten in Richtung Johannesburg begriffen. Ein dort angekommencr Reisender erzählte: „Ich bin zwei Tage und zwei Nächte gereist und habe während dieser Zeit nichts weiter als Heuschrecken gesehen." Die 300 000 Pfund Sterling, die die Regierung zur Bekämpfung der Heuschreckenplage ausgegebcn hat, sind nutzlos vertan. Gelegentlich der Maßnahmen der Polizei kam es zu einem ungewöhnlichen Zwischenfall. Die Polizisten, die den Auftrag hatten, in der Nähe von Krügersdorp die im Vormarsch befindlichen Heu schreckenschwärme zu vernichten, hatten bei der Jagd eine Heuschrecke gefangen, an deren Körper ein kleines Stückchen Papier befestigt war und auf dem die Worte verzeichnet waren: „Kolonisten, tut euer Bestes." Erkundigungen ergaben, daß das Insekt einschließlich der Ruhepausen nur 24 Stunden ge- braucht hatte, um den Flug über eine 350 Kilometer lange Strecke ouszuführen. Das anstößige Kind. Lin Beispiel für die Un- zulänqlichkeit de« amerikanischen Einwauderungs- gosetzrs bildet der vielbesprochene Fall einer Frau Werner, einer Engländerin, die seit vielen Jahren mit ihrem Gatten in den Bereinigten Staaten an- sässig ist, der aber jetzt nach einem längeren Aufent halt in Europa das Betreten des amerikanischen fBodens von der .Ginwanderungsbehörde verwehrt worden ist. Den Stein des Anstoßes bildete in diesem Fall da« wenige Monate alte Kind von Frau Wer ner, das in Italien das Licht der Welt erblickt hatte. Aus diesem Grund erklärte nm» der Mutter, daß sie mit ihrem Kind erst in Amerika zugelaflen würde, wenn die italienische Einwanderungsqiwtc miter die vom Gesetz festgesetzte Höchstgrenze herunttrgegongen sei. Frau Werner mußte sich wohl oder übel ent- schließen, mit dem Kind und der Amme vorläufig in Ellis Island Quartier zu beziehen. Angesichts des Entrüstungssturmes hat sich jetzt indessen der Arbeit«' Minister Davis mit Rücksicht auf die besonderen Um- stände, die hier in Frage kommen, bereit gefunden, eine Ausnahme von der Regel zu machen und Frau Werner mit ihrem Kind wieder ins Land zu lassen. Sette S Seltsame vaaberer. Ein Mann Hot mit seiner Frau gegenwärtig 30 000 Kilometer zu Fuß zurück- oelegt, und wenn er sein« Wanderung ganz vollendet naben wird, wird er eine Strecke gegangen sein, die oie doppelte Länge de» Aequator» beträgt. Dies« Wanderung hat eine romantische Vorge schichte. Dor zwei Jahren wurde dem Manne von seinem Arzt mitgeteilt, daß er an einer unheilbaren Krankheit leide und seine Tag« gqählt seien. Er aber glaubte unerschütterlich an sein Weiterleben und ging mit einem Freund eine Wette ein, daß er 7b 000 Kilometer in sieben Jahren zurücklegen würde. Er selbst und seine Frau, die ihn begleiten wollte, sollten nur einen Pfennig auf die Wanderschaft mitnehmen; wenn sie mit diesem Pfennig wieder zurückkchrten, so sollte der Freund ihnen 2000 Pfund auazahlen. Jetzt hat der Mann 30 000 Kilometer zurückgelegt und aus dem „Todeskandidaten" ist ein von Gesundheit und Kraft strotzender Naturmensch ge- worden. Das Paar wanderte durch ganz Nord- amerika und hat in seinem Tagebuch die Stempel von 5363 Postbiiros, bei denen cs sich seinen Weg bestäti gen ließen. Sie sind beinahe verdurstet beim Durch- queren einer Wüste und in verschiedenen Fällen durch Wölfe, Räuber und Ucberschwemmungen in große Ge- fahr gebracht worden. — Aehnlichc kühne Wande rungen werden in einer englischen Zeitschrift zusam- mengestellt. Ein Schweizer, der im Jahre 1914 auf eine Weltwanderschaft ging, um einen Preis von 10 000 Franken zu gewinnen, ist kürzlich zurück- gekehrt. Er hatte zwei Begleiter, von denen der eine in Peru am gelben Fieber starb, der andere in Dal- paraiso den Marsch aufgab. Unglücklicherweise kehrte der Wanderer 7 Monate zu spät zurück und verlor die Wette. Als Entgelt aber brachte er sich aus Ser- bien eine Frau mit. — Eine der merkwürdigsten Rei- sen ist von einem Amerikaner unternommen worden. Er erließ eine Ankündigung, daß er eine Wette vor schlage um 5000 Dollar, nach der er sich ohne die geringste Kleidung auf den Weg machen werde und sich ailf seiner Wanderung noch 5000 Dollar verdienen wolle. Nachdem er im adamitischen Kostüm los- gegangen war, machte er sich aus Zeitungs- papier einen Anzug. Dann ließ er sich in diesem Aufzug als „Wundertier" sehen und hatte so großen Zulauf, daß er bald hübsche Einnahmen hatte. Er sicherte sich Aufträge von Firmen, für die er auf seiner Weltreise Reklame machen sollte, und brachte so bald 5000 Dollar zusammen. Dann hielt er Vor- träge über seine Abenteuer und hatte großen Erfolg. Aber ein böser Zufall hinderte ihn an dem Gewinn seiner Wette, denn er wurde wegen eines Betruges verhaftet, den er vor Antritt seiner Wanderung be gangen hatte. Goldfunde in Australien. Die Untersuchungskom mission, die im März von LeonvP in Westaustralien ausgeganyen ist, um die Bedeutung der Goldfunde bei Black Knöb, 250 Kilometer nordwestlich von Leonora, zu erforschen, hat jetzt einen Bericht erstattet, der auf große Goldlager schließen läßt. Die gefundene Ader ist zwei Fuß breit; in etwa 2 Kilometer Entfernung davon zieht sich ein mir Gold durchsetzter Gang von drei Fuß Breite hin. Eine andere Ader ist stellen- weise sieben Fuß breit, das Gold liegt hier ganz deut- lich zutage. Die Bergwerke lohnen den Abbau; dos ganze Gebiet ist von Goldadern durchsetzt, die eine große Schar von Goldgräbern anlocken werden. Berrey hetratet. In der bischöflichen Kapelle kn Porungia fand die Trauung des berühmten Violinvirtuosen Vecsey mit der Gräfin "IMS Baltoschi aus einer ungarischen Patrizier» familie statt. „ _i ;? '' -:rr? Lunapart. Ter Gewinner t»rS Sonntag tm Lunapark verlosten FodrradeL vat sich gemeldet. SS ist der Hikf»- schlosser Johann Wolfram, Lindenau, Angerstratze S. — Tie Direktion de» LunaparkS beabsichtigt, am kommenden Sonntag drei komplette Rundfunkemp fong». Nationen mit Hochantenne und Bkaupunkthvr«r, -vr- fertig in die Wobnung montiert, zu verschenken RöhercS bringen Vie Inserate. 60 später mal genau Wie mein Otto — —dachte sie unwillkürlich, „der wird sicher sehr streng und korrekt, der wird seinem Schwiegersohn scharf auf die Finger sehen!" Liliane war unterdessen in den Garten ge gangen. Hier, wo das herbstliche Laub ihr zu Füßen raschelte, und die Dunkelheit sie umfing, losten sich alle Aufregung und Qual in ihr, und sie begann heftig zu schluchzen. Warum miß handelte sie ihr Verlobter? Sie bekam die Vorwürfe von allen Seiten zu hören; seitdem Fred sich so kalt und fast brutal gegen sie be nahm, unterwarf sich ihr liebendes Gefühl seinem herrischen Ton. Sie hörte ihr eigenes Schluchzen nicht und nicht die fernen Geräusche der Großstadt; sie hörte nicht die Schritte, die nahten, erst als sich eine Hand auf ihre Schulter legte, fuhr sie erschrocken auf. Vie unterschied im ersten Mo ment nur eine hohe, breite Gestalt, die aus der Dunkelheit drohte — zwei Augen funkelten — „Jack — ach Sie sind es!" atmete Fräulein Sandow auf. „Ja, Fräulein !" Der Bursche war plötzlich durch seine eigene Kühnheit verlegen. „Do ist denn mein Vater?" fragte sie, ihre Tränen trocknend. „Der hat das Auto selbst behalten," er widerte Jack, „der isl mit Herrn Hcgele zum Direktor Schmidt gefahren!" „So!" erwiderte Fräulein Sandow und eilte ins Haus zurück. „Jack ist draußen," sagte sie, ins Zimmer tretend, „Papa ist nicht mitgekommen!" „Wie?!" Dr. Harby unterdrückte einen Fluch — kam der Kerl trotz seiner starken Muskeln allein zurück! „Er wollte nicht," achselzuckte Jack. „Er hat mir den Wagen einfach weggenommen!" fügte er trotzig hinzu. Schon drückte er sich wieder zur Tür hinaus, so blieb das Brautpaar allein. Die lange Fcstcstafel gemahnte an eine öde Hochzeitstafel, die zwecklos gedeckt und ver lassen war; es schien Liliane ein trauriges Symbol. Frau Sandow war drunten in der Küche; die Speisen waren vom Herd gerückt; da» Per» sonal war verstimmt und hatte Hunger. Auch die Gcheimrätiu kränkte sich: cs schien, mau hatte heute nur für die Kochfrau gekocht! Den Braten hatte sie unberührt zur Veite stellen lassen; nur den Fisch und die Kalbsrouladen und die süße Speise waren serviert worden. Fred, den der Genuß der vielen Schokolade creme dazu veranlaß! batte, mehrere Schnäpse zu trinken, fühlte das Blut in seinen Pulsen kochen. Da Herr Sandow ihm als Zielscheibe fehlte, entlud er nun ungecechterweiie seinen ganzen Groll aus seine verweinte Braut. „Ich habe mich furcbtbar über dich ge kränkt! Du lügst micy an — du wußtest um den anonymen Brief; deine Mutter ist mit deinem Einverständnis heimlich zu Dr. Stern in meine Wohnung gegangen!" begehrte er auf. „Sie ist doch nicht beimlich hingegangen," wehrte sich Liliane. „Sie wollte dich vcsuchen; sie war damals zufällig in der Nähe der Faberstraßc. Wir haben doch gar nicht an die Wahrheit des häßlichen Briefes geglaubt!" — „T^nnoch hat deine Mutter es für richtig gehalten, einen Wildfremden, nämlich den Dr. Stern, ins Vertrauen zu ziehen! Der gute Herr hat das recht sonderbar gefunden," log Fred jetzt — „wie leicht hätte ein Ehe- lcmflikt entstehen können, wenn der Mann angenommen hätte, ich interessiere mich für seine gar nicht häßliche Frau!" „Aber nein," erwiderte Liliane resigniert, „sie hat doch auch eine jüngere Schwester, die unverheiratet isl " „Die ist verlobt!" antwortete Dr. Harby kategorisch, obgleich er keincsrScgs von den ehr lichen Absichten des Prokuristen Fink unter richtet war. Gr dachte im Moment an Herrn Irling; wenn alle Stricke reißen sollten, mußte der den Bräutigam spielen! „Sie ist verlobt?" fragte Fräulein Sandow. „Ja, warum soll sie denn nicht verlobt sein," ärgerte sich Fred, „du bist doch auch ver lobt und flirtest mit andern!" „Was heißt denn das?" erregte sich Liliane und sie wurde ganz blaß vor Zorn. „Mit wem flirte ich? — Das ist nicht wahr! Das ist eine gewissenlose Verleumdung!" (Fortsetzung folgt.) - . Das Schwungrad 15 Boman von SoSulin l-rachdruct ) Vorderhand verschwieg Frau Stern noch! ihre neue Bekanntschaft, doch im Flüsterton! redete sie ihrer leichtsinnigen Schwester ins Ge wissen. Wie stand cs denn eigentlich mit Herrn Irling? — Doch auch das Abenteuer mit Herrn Irling würde nur eine Zeitlang währen — Männer, die einem gefielen, waren nur für eine Zeitlang — die Männer der Dauer ge fielen einem nicht „Ja, ja —," nickte Nelly gähnend. Sic löste ihr lockiges Blondhaar und sah wie eine Puppe aus „aber ich hatte Freo doch sehr gern! — Wenn nun am Ende aus seiner Che nichts wird, glaubst du nicht, daß er mich vielleicht heiratet?" „Nein," erwiderte Sera bestimmt: „Du hei ratest Herrn Fink!" Herr Fink war wohl besoldeter Prokurist; er bewarb sich in ehrbarer Form seit einem Halden Jahre um Fräulein Nelly. „Dann kann ich in drei kleinen Zimmern sitzen, genau wie es der Geheimrat von Fred verlangte." „Es geht nicht anders!" beharrte Frau Stern. „Hast du noch immer nicht von Fred gelernt, der ständig behauptet: er müsse sich rangieren?! Es ist auch für dich endlich an der Zeit!" — „Ja ," schmollte Nelly seufzend, «ich (ehe es ja ein. Aber so praktisch wie dein Mann wird der meine nicht werden!" „Warum nicht," vertröstete milde Frau Sera, „er ist oft verreist; er hat wenig Zeit — und er ist ein anständiger Mensch!" „Du bist so klug," meinte Nelly, sich müde in die Kissen schmiegend. „Leider ," erwiderte melancholisch Frau Sera und glitt leite in ihr Zimmer. Sie hatte es wirklich nicht so leicht; sie sorgte für die sorglose Nelly und ihren weltfremden Satten, als wären die beiden ihre Kinder. Dr. Harby war kampfesmutig bis in die Knochen, als er am nächsten Tag im Büro der Sandow-Werkc erschien, um die Beamten noch mals ein wenig aufzuhetzen. Das war jedoch gar nicht nötig; man war sich einig, man sagte ab. Der Geheimrat hatte kein Entgegenkommen mehr verdient; er halte hinterrücks nicht nur den Betrieb, sondern sein ganzes Personal mitverkauft! Die Erbitterung war groß, und sie saß in den beiden ehrwürdigen Herren, die ihre Lebenskraft diesem Werk gewidmet hatten. Der energische Volontär diktierte den Absagebrief, erst um sechs Uhr sollte er in die Billa über-. bracht werden. Dr. Harby steigert« sich erneut in Wut, um am Abend gewappnet zu erscheinen und seiner Tischrede an der leeren Tafel das nötige Tem- perament zu verleihen. Auch sollte ihm sein Zorn über das tiefe Unbehagen hinweAelfen, das wegen des anonymen Briefes und der peinlichen Begegnung auf der Treppe noch in ihm gärte. Wer in aller Welt mochte diesen Brief ge schrieben l)aben? Einen Moment dachte er an Herrn Irling, der vielleicht wegen Nelly eifersüchtig war. Dann dachte er an Nelly selbst schien sie nicht gestern abend reichlich frivol und schaden- froh? — Wollte sie am Ende die Verlobung auseinandersprengen? Fred hatte sich ent- schlossen, ihr l>eute schon die versprochenen Prozente auszuhändigen, um sie gefügig zu stimmen; bevor er sich zum Diner umkleidete, hatte er ihr ein stattliä>es Kuvert überreicht. Sie war heute sehr liebenswürdig; sie weinte ein bißchen und spielte di« Unglückliche, weil Dr. Harby sie verließ. Auch er mimte die Nolle des Opfers: „Herr Irling verdrängt mich," sagte er, „mein Schwiegervater verfolgt mich! — Wenn ich nur den Hund erwischen würde, der den anonymen Brief geschrievea b-tt*
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