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Sette s Deutsche« im heutige» Loudon Do« ttrm» Notft« ve» eieer E»ela»dr«is«, Mai-Iuai. Wodurch wurde der Engländer, der Londoner, im «al de» Jahre« 1924 daran erinnert, daß e» in Mitteleuropa immer noch ein einstmal» viel genann. te» Land namens Deutschland gibt? Der Mai 1924 brachte nach elf Jahren zum ersten Male wieder diedeutscheOpernsaison. Dor der ersten Vorstellung warfen selbst so vernilnft ge Zeitungen wie die .Times' die Frage auf, ob e» denn durchaus wieder nötig gewesen sei, die alte Sitte neu zu beleben, ob denn nicht vielmehr die britische Lst>er in den letzten elf Jahren Zeit genug gehabt habe, sich .wunderbar' Au entwickeln und alle Fremden überflüssig zu machen. Und selbst noch nach der ersten Vorstellung merkte man die Folgen einer .kleinen Verabredung': es wurde kühn und dafür desto unsachlicher getadelt — die Stimmen der Sänger waren hier und da nun allerdings doch letzten Ende« bet Licht betrachtet nicht ausreichend, und warum Herr Walter im zweiten Teil von .Rhein gold' so erstaunlich nachl'eß, war, wenn nicht ein Fehler, so doch zum mindesten tadelnswert. Solche Tön» wurden von Tag zu Tag leiser. Der Publikums- erfolg war von Anfang an ungeheuer. Und schließlich erkannt« auch die Presse . . . Allerdings wurde da« Wort .Deutsch' so oft ver mieden, wie «» nur ging, oder so allgemein gebraucht, wie nur möglich, aber es wurde schließlich von .Herrn Walter' gesagt, daß man ihn me vergessen würde, und es wurde mit Vergnügen konstatiert, daß das ganz« Publikum bei den letzten Strauß-Dorstellungen (Ariadne — Rosenkavalier) in einen solchen Rausch des Entzücken» geriet, daß die Vorstellungen Minuten, lang unterbrochen werden mußten. Und schließlich wurde für nächste» Jahr wieder ein« deutsche Saison geplant. — Wichtiger für da« neue Deutschland war die schon ausführlich besprochene Aufführung von .Masse Mensch', die mit einem Schlag die Probleme und Röte eines besiegten und laborierenden Volkes ein dringlicher zur Diskussion stellte, als es tausend Gut achten und Berichten gelungen war. Daneben fanden eine Anzahl Einzelkonzerte deutscher Künstler statt. Am meisten wurde Elena Gerhardt begrüßt. Und schließlich geriet ganz London in Verzückung über den ersten Teil de» Ribelungenfrlms, der in einer der größten Hallen der Stadt vorgeführt wurde, in der Albert Hall, die nur für die besuchtesten Versammlungen und Veranstaltungen genommen wird. (Es gibt eine Menge Engländer, die nicht nur nach dem Ntbelungenfilm sagten, daß der deutsche Film unvergleichlich schöner sei, al» der englische oder amerikanische. Man kannte »das Kabinett des Doktor Caligari', den Henny-Porten-Film .Anna Boleyn', der immer noch und immer wieder in irgendeinem Stadtteil Londons neu ausgenommen wird, man hatte nicht genug Worte der Begeisterung für .Den müden Tod' und lobte .Die Straße'.) Aber all das ist die Invasion der deutschen Kunst. Und die öffentliche Meinung hält Kunst für ein« freundliche entschuldbare Angelegenheit. Also — wenn einer ein Künstler ist, so ist damit noch lange Milcht gesagt, daß er etwas taugt, oder daß er zahlungs- fähig ist. oder daß er nicht den englischen Interessen zuwrderlauft. Ja, man bemüht sich sogar, einen deut lichen Gegensatz zwischen der deutschen Kunst und der deutschen Politik zu konstatieren, — und ist damit vielleicht nicht mal im Irrtum. — So groß diese künstlerischen Erfolge sein mochten, der deutschen Sach« haben sie vorderhand weniger gedient, al» man annehmen sollte. Der Engländer ist zwar ohne Rückhalt zu begeistern, aber sobald er — otelleicht schon in der Pause — seine Zeitung ent- faltet und täglich publizierte Bilder beliebter GemM« in Hall«, München und anderswo sieht. läßt er sich von der schönsten Oper nichts vormachen. Aber die Tatsache, daß einen Monat lang in Cvvevt Garden in deutscher Sprache musiziert worden ist, wird ihre verspäteten Wirkungen haben, sobald auch da» Geschäftliche wieder in Gang gekommen sein wird. (Die königliche Familie war ungefähr die einzig« Familie besserer Abkunft, di« sich nie in Eovent Garden blicken ließ. Aber sie geht auch zu englischer Musik nur mit größtem Widerstreben — sic vermeidet Geräusche.) e Es ist schon bei anderer Gelegenheit davon di« Rede gewesen, daß e» der Au»stellung»leit«ng von Wembley gelungen ist, die Worte Deutschland und Deutsch vollständig zu vermeiden. Wenn die Ausstellung auch nicht gerade ein« Angelegenheit der Regierung ist, so hat doch di« Regteruna sehr ent- scheidend mitgewlrkt, und diese» Nichterwahnen Deutschlands entspricht ungefähr den Forderungen, die der Durchscknitt»besucher von Wembley an eine honette Ausstellungsleitung stellt. Wer nun etwa» weiter gehen möchte und durchaus etwa» Günstige» auch im offenbar Üngünst gen zu finden vermag, dem könnte es auffallen, wie krampfhaft immer und immer wieder betont wird, daß dieser Strumpf und jener Füllfederhalter garantiert in Großbritannien her gestellt sind. Als ob man mit einer gewissen vor sorgenden Angst das .d-iacke io dritaLu* jener anderen Floskel gegenüberstellen wollte: .stlacke lo Qerman^. Artikel mit deutschen Namen, die viel Reklame für sich machen, haben alle eine (oder ihre) Fabrik in England. Zum Beispiel ein berühmter Hunde- kucken, oder eine berühmte Seife, oder eine Stiefel einlage für Platt-, Hohl-, Klump- und Schweißfußr. Oder gewiss« Medizinen und Starkunasmittel für verschiedene Zwecke. Oder Mineralwasser. (Der Mann, der in England das meiste Mineralwasser hcrstellt, dazu Ingwerbier und sämtliche Stouts, der aber seit Jahrzehnten al» rein englische» Unter nehmen zu gelten hat, und eine fast hysterische Reklame veranstaltet, heißt Schweppe: jeder hat den Namen, der zu seinem Gewerbe paßt.) Es gibt einige Buckläden, an denen deutsche Namen stehen, und dort liegen — aber vereinzelt i« großen London — eine Anzahl neuer deutscher Kunst- Publikationen aus — Bildermaterial, Faksimile reproduktionen. (So kann man die Hofgesellschaft Heinrichs Vlll., von Holbein gezeichnet, nur au» deutschen Reproduktionen kennen lernen, di« denn auch zahlreich genug in den Stätten der Bildung, al» die man die Londoner Universität ». B. ansprechen kann, herumhangen. Aber die Originale, die sich in Windsor, eine Stunde von London, befinden, darf kein menschlich Auge erblicken. Wenn man an den völlig verblüfften Wärter im Schloß Windsor da» Ersuchen richtet, nun auch die Holbeinschen Zeich nungen sehen zu wollen, dauert e» ersten» eine ge raume Zeit, bi« er seine Geiste»gegen«art wieder gefunden hat, zweiten» erkennt er, daß er es mit einem Kontinentalen zu tun hat, und dritten» er klärt er mit strahlender Freundlichkeit, daß man «in schriftliches Gesuch an den königlichen Bibliothekar von Windsor zu richten habe, und daß man dann viertens immer ein« abschlägig« Antwort bekäme. Dem hohen Eigentümer dieser berühmten Zeichnungen ist vielleicht nicht bekannt, daß sie ihm gehören.) Aber ein deutscher Artikel wird unverhüllt aus gestellt, auf Lager gelegt und auf Wunsch frei in» Haus geliefert: das deutsche Klavier. Ueoerall sieht man die berühmten und alten deutschen Namen über der entblößten Tastatur in schwungvoller Doldschrift glänzen. Ueberall stehen sie in erster Reihe, überall werden sie mit Stolz zuerst den geschqitrn Käufern gezeigt und vorgeritte» — und gekauft. Nur be schränkte Nationalisten stoßen sich an den Kanten der Nebengänge, klappen hier und da «inen schäbigen Deckel hoch, um mit Befriedigung «inen englischen Namen zu lesen, und schleppen schließlich eine barbarisch hackende Maschine nach Haus«. In Wembley zwar macht man verzweifelte Anstrengungen, da» britisch« Klavier zu Ehren zu bringen — wer da» britisch« Klavier nicht ehrt, ist die britisch« Musik «richt wert —, vergeben». * Ein, einzige deutsche Schule im Westen London» hat sich den ganzen Krieg hindurch halten können, die übrigen mußten geschlossen werden. Und jetzt haben die deutschen Kirchen erst wieder ein Drittel ihrer Gemeinden, und manche» deutsche Schulhaus ist vorläufig noch zu irgendwelchen Ge- schäftszwecken vermietet — und davon leben die deutschen Kirchen augenblicklich. Die deutschen Pastoren — die niemals mit ihren englischen Brüdern zusammenkommen — haben ihre Gemeinden schon wieder gesammelt. In der Oesfentlichkeit wird von diesen Dingen nichts bekannt, viele der Ge- meindemitglicder sind während des Krieges oder nach dem Kriege Engländer geworden, um der Ausweisung oder Gefangenschaft zu entgehen. Aber Sonntags finden sie sich in ihrer Kirche, und ihr Krankenhaus unterhalten sie selbst. (In England gibt es nämlich kein Krankenhaus, das nicht von der privaten Wohl- tätigkeit abhängig ist.) * Die Täte Galerie enthält die Sammlungen moderner Kunst. Sie besteht seit beträchtlicher Zeit vor dem Kriege. Sie enthält die Bilder des einzigen großen englischen Malers: Turner, und anderer Herren, die dort den Namen Künstler führen. Sie enthält eine herrliche Sammlung der großen Fran- zofen des IS. und 20. Jahrhunderts, aber sie enthält kem einziges deutsches Bild. Der Deutsche kommt nur auf einigen Krieasbildern vor: al» Gefangener im Schützengraben oder als Zuschauer auf der be siegten Kölner Rheinbrücke. Kein Menzel, kein Liebermann — von anderen zu schweigen. Ignorierung — eine Waffe, die man zu handhaben versteht. Nun ist er gewiß nickt wichtig, daß ein Liebermann ver lassen und voll Heimweh in der Täte Galerie hängt, aber auf anderen Gebieten kann diese Taktik gefähr lich werden. Typisch die Schilder im Britischen Museum, es ist nur noch in englischer und franzö sischer Sprache verboten, auf den Boden zu spucken — da» dritte Drittel der Plakate ist mit einer zähen grauen Schlelmfarbe übermalt. Da» Ausspucken in deutscher Sprache ist nicht einmal verboten — es kommt überhaupt nicht in Betracht. * in emer großen Handelshochschule. Er hauptsächlich, und unterrichtet wenig, nur Bei dieser Haltung darf die stille Arbeit eines Manne» nicht verschwiegen werden, der als Eng- länder und ohne jede politisch« Absicht eine friedliche Propaganda für das Deutsche macht und fördert. W. H. Kerridge ist vor vielen Jahren in Deutsch land gewesen (überhaupt: bei jedem Engländer, der auch nur 14 Tage in Deutschland war, findet man ganz andere Ansichten als bei denen, die von Deutsch, land keine andere Vorstellung haben, als: fernes nördliche» Land mit rauhem ungesunden Klima) — also Mister Krrridge kennt Deutschland gut, und hält e» für unmöglich und gefährlich, Deutschland zu ignorieren. Seine Neigungen gehen auf Kunst, sein Beruf ist die Leitung de» Unterrichts in fremden Sprachen an einer großen Handelshochschule. Er organi'7 ' ' .. " ' Deutsch. Und er hat den ersten und einzigen deutschen Abend in London eingerichtet, der augenblicklich be- steht. An diesen Abenden spricht er mit seinen Schülern — Engländern — nur Deutsch und über Deutschland. Diese stille, zähe und den Einzelnen all mählich sicher gewinnende Arbeit mag ihm drüben Feinde machen — er wünscht keine Feinde deshalb, keine Freunde deshalb: er wünscht gerecht zu sein. Roch gehen seine Bemühungen unter in der äugen- bltcklichen Stimmung. Ueoerhaupt werden auf solche Weis« die entscheidenden Aenderungen nicht Herbei geführt werden können — aber wenn eine» Tage« Mißtrauen und Konkurrenzneid hübe», und drüben geschwunden find, wird die Arbeit Kerridges — al» Hüterin de» Gedanken» — nachträglich zu genau solcher Wichtigkeit kommen, wir di« nun schon wieder verklungenen Töne der deutfchen Opernfaisoil. Schwer« SchtfssnnfiUl«. Auf dem Weg« von Ko- psnhogen noch Sonderduvg. kentert« im Oe res und der klein« Dampfer -Thor', der ein« Stund« vorger Ko penhagen verlassen hatte, bet ganz ruhiger See. Besatzung und Passagier» merkten plötzlich, daß da, Schiff starke Schlagseite bekam, dir das Schiff nach drei Minuten zum Kentern brachte. Von den acht Mann Besatzung und sechzehn Pasftlgieren sprangen di« meisten über Bord und wurden von zwei Schiffen, die das Unglück beobachtet hatten, zum Teil gerettet. Unter den bisher Vermißten des »den sich der Kapitän und der Maschinist, di« kaum mit dem Leben davongekommen sein tÄrften, da andere Dampfer die Unfallstelle nicht absuchten. Das Ken- tern des Schiffes ist wahrscheinlich durch rol- lende Last verursacht worden, die nicht ge nügend fest verstaut gewesen ist. — Sonntag abend stießen vor Sandkrug bei Memel di« beiden Dampfer .Kranz' und .Beethoven' so heftig -ukam- men, daß „Beethoven' nach wenigen Minuten sank. Die Passagiere und die Besatzung des gesunkenen Dampfers konnten gerettet werden. Unter den Aus- flüglern des Dampfers .Kranz' trat ein« Panik ein. Auf der Kommandobrücke des .Beethoven' befand sich nur der Schiffsjunge, Kapitän und Steuer mann waren abwesend. Der Schiffsjunge, der wahr- sckeinlich falsches Ruder gegcken hat, ist über die li tauische Grenze geflüchtet. — Auf dem Elbing, fluß kenterte ein mit zwei Handelsschülern und vier Handelsschülerinnen besetztes Segelboot in der Nähe der Eisenbahnbrücke. Nur ein Handel«, schiller und Handelsschülerin konnten gerettet wer- den, die anderen v irr er t ra nken, darunter ein Lehrerssohn, der gleichzeitig zwei jung« Nküdchen reiten wollte. Großer Sacharin schmuggel in Oesterreich. Der österreichischen Süßstoffgesellschaft in Wien war vor längerer Zeit zur Kenntnis gekommen, daß ist Wien Sacharin reichsdeutscher Herkunft in den Handel gebracht wurde, wodurch die öfter- reichische Sacharinindustrie enorme Schäden erlitt. Die Nachforschungen haben ergeben, daß auf dem Südbahnhof zwei Kisten im Gewicht von 179 Kilo gramm mit Sacharin deutscher Herkunft lagerten, die am 3. Juni plötzlich nach Kärnten auf- gegeben wurden und dort von dem Expositurleiter der Spedition Schenker L Eo., einen gewissen Ferdi- nand Scherinu vom Bahnhof abgeholt worden waren. Bei einer Revision im Hause Scherinu» wurden 14 Sacharinkisten vorgefunden. Der Ueberraschte mußte sich schließlich zum Geständnis entschließen, daß sämtlich« 14 Kisten deutsches Sacha- rin enthalten. Er und zwei Teilnehmer wurden ver- haftet, außerdem wurden zwei Finanzwachtbeamte au» Wallach und Klagenfurt frstgenommen. Der Staat erleidet durch die Machenschaften einen Schaden von einer Milliarde Kronen. Sin« Filmgesellschaft verschollen. Die Direktion der Saschafilm-Industri« A. G. veröffentlicht fol- gende ihr aus Kairo zugsgangene Meldung: Die vor einigen Wochen hier eingetroffene Safchafilmexpe- dition, die sich zu Aufnahmen in die Wüste begab, ist seit längerer Zeit verschollen. Man versucht mit ihr in Verbindung zu treten. Insgesamt zählt die Expedition 20 Mitglieder, darunter Direktor Deutsch, Operateur Fakra», Regisseur Dheyor, ferner von bekannten Filmschauspielern: au« Dien Gustav Diesel und Lilian Palm, aus England: Henry Hqotts, Robers und Benn« Smith, sowie den ftanzö- sichen Filmstar Lusy Vernon. Die letzten Nach- richten von der Expedition trafen vor 4 Wochen ein. Die Expedition wollte sich von Luxor au» in die Wüste Sahara begeben. Aus diesem Grunde wandte sich die Filmgesellschaft an di« Behörden ia Aegypten, worauf sie da« erwähnte Teiagvmnm erhielt. weilen ging sie mit Bekannten «uw, zum Bei- spiel heute «wen- »ar sie mit rin« befremde- ten Familie verabredet gewesen. Ast« ste» war doch nicht das Richtige! Ihre gerundeten, lässigen Bewegungen er- weckten das Zutrauen des Geheimrats — eiste gewöhnliche Person von der Straße war sie nicht; sie hatte eine gute Haltung; sie aß ma- nierlich die Hors d'oeuvre; an stn« sorgfältig gepflegten Hand schimmerte der Ehering. Dreiundzwanzigstes Kapitel , Dierkwürdig rasch enteilten die Minuten. Ium ersten Male seit langen Wochen war in dem hastigen Ablauf aller aufreibenden Ereig- nisse eine Pause für den Geheimrat ein- getreten. Er hatte den ganzen Tag üb« kaum etwas gegessen, der Aerger schlua sich ihm oft auf den Magen. Nun spürte er Appetit. Nun saß er wirklich wie in einer fremden Stadt — immer ferner rückte ihm sein eigene« Schicksal immer ferner rückte ihm seine detekti vische Mission. Noch hegte « die Absicht, seine hübsche Partnerin zu entsenden, damit sie auskund- schäfte, zu wem nun eigentlich die auffällige Begleiterin seines Schwiegersohnes gehörte. Doch allmählich verwarf « den Plan, in diese intim« Angelegenheit jemand Fremden einzuweihen. Er würde schon in Erfahrung bringen, was an der ganzen Sache war! Schlimm genug, daß Fred e« wagte, al» Schwiegersohn eine» der angesehensten Män- ner der Stadt sich öffentlich in solcher Gesell- schatt -u zeigen! D e schwelgend« Art der Fremden beruhigte ihren Nachkur, okgleich ihr reizvoll« Anblick auch wieder «in wenig beunivhigend wirkte. Beim Dessert wurde sie gesprächiger; siebe- gann in abgebrochenen Sätzen ron sich zu «- zählen. Ja, sie war verhenlicl, ihr Gatte lebte sehr still gewiß, fie hatte ihn gern. Er war ab« etwa« leidend, und immer konnte sie auch nicht so trübselig zu House fisten. Zu- weilen ging sie mit Bekannten au«, zum Bei- 52 .Sie wünschen nicht in die Bar zu gel-en?" fragte sie den Unschlüssigen. .Nein — —überlegte Herr Sandow, ^/»llerdtng« ich würde ein anderes Lokal oorziehen, fall» Sie gestatten,' fügte er hin- zu. (« wußte nicht recht, in welche Kategorie « seine Begleiterin einrechen sollte. „Ist nicht ein anderes Lokal hier in der Nähe?' fragte er. .Nur das Restaurant des Carlton-Hotels —> allerdings etwas teuer,' bemerkte die „O bitte,' entgegnete der Geheimrat und rückte an seiner grünen Brille — ein Hotel war vielleicht nicht das schlechteste — da waren nur Fremde, da wurde man nicht gesehen. Er mußte doch vor allem erst prüfen, mit wem er es zu tun hatte, ehe er die Dame in seine detektivischen Pläne einweihte. Herr Sandow verließ seine Partnerin für «inen Moment, um erst allein den Speisesaal de» Carlton-Hotel» zu inspizieren die Lust war rein. Er wählte einen gesonderten Ackttsch, darauf «ine elektrische Lampe und eine Blumenvase stand — hi« war er gesichert ver- barri kodiert. Nachd«n die Fremde nun den Schleier ab- genommen hatte, gefiel sie ihm bedeutend besser —^i» war wirklich hübsch — allerdtnas ge- pudert, mtt leicht gefärbten Lippen, doch nicht so auffällig hergericktet wie das Fräulein, das sich tu Freds Begleitung befand. Der Geheimrat hatte seine dunkle Brille abgenommen; er wirkte recht stattlich. Der Oberkellner neigte sich devot über die Speise- karte und gerade setzte die Musik ein. Herr Sandow prüfte flüchtig den Zeig« der Uhr — fünf Minuten nach zehn uA —, vor ein oder zwei Stunden würde sein Schwieger- sohn woP kaum da» Lokal drüben verlassen — er hatte also noch etwas Zeit, denn so vom Stapel ließ sich die schwierige Sache nicht brechen. Vor allem mußte « selbst einmal wissen, wa» er nun eigentlich tun wollte! Die besten Ideen kamen ost bei einem guten Gla e MM. Der Ob« entkorkte geflissentlich de Aekiihtte Mvselflnsch«. Die hübsch« Begleiterin Oss Schwungrad Nomau von Ootttoetn« «ockeetn :«a»drua verhol«,.) Die Ereignisse überstürzten sich. Der Ge- Heimrat hatte inzwischen imt Direktor Schmidt «ine peinliche Konferenz gehabt; die Ein ladung zmn Abschiedsessen war eingelaufen, doch auch hier vertrat Dr. Harby energisch seine Meinung: „Meine Herren!" begann er wieder mit Pathos, „obgleich Herr Sandow mein Schwie gervater ist, möchte ich mich doch mit Ihnen ganz solidarisch erklären. Ich plädiere dafür, den Geheimrat im Glauben zu lassen, daß wir feine Einladung annehmen, um dann gemein- fam und formell im letzten Moment abzusagen. Unser einstiger Chef Kat es nicht um uns ver dient, daß wir freunoschastlich zu einem Gna denessen bei ihm erscheinen. Ich, meine Herren, riskiere meine Kündigung als Schwiegersohn — aber auch diesen Kampf nehme ich ent schlossen um Ihretwillen auf!" Der stets vorsichtige Ingenieur Hcgece schien etwa» zögern, doch was blieb den Beamten eigentlich anderes übrig, als zuzustimmen? Binnen kurzem dirigierte Dr. Harby — zwei- fellos — dieser junge Mann verstand keinen Spaß; e« war seine Absicht, daß hier ein frischer Aua hereinwehte. Vielleicht aber wehte der frische Zug plöhlich so stark, daß er die alten Beamten mit hinausfegte! Ja, man war entschlossen, man sagte ab — obgleich man das gute Diner bei den schlechten Zeiten nicht ungern mitgenommen hätte. Dr. Harby freute sich bereits auf den Mo ment, wo der Geheimrat wartend auf und nie der schritt —- und kein einziger seiner Beamten erschien — nur der Volontär! Und der wollte dann eine kleine Tischrede kalten, in der er sich zum Schluß al» Generaldirektor der San- Vow-Derke vorsteltte. Ja, er freute sich bereit» auf seine Heber- vaschung! Leid« ab« kamen noch ankere lieber- . Mischungen dazu. l D« anonyme Brief w«r dtttMch an Hemm Sandow adressiert, der seiner Frau das Schrei ben wortlos überreichte. „Da hast du's!" trumpfte er nach einer drohenden Pause auf. „Solche Fetzen flatterst einem ins Haus! „Werter Herr!' als lieber- schrift und wie steht es denn mit dem ersten Briefe, von dem hier die Rede ist?' — „Mein Gott,' erwiderte kleinlaut Frau Erna, „wir wollten dich gern damit verschonen — ich war ja selber in Freds Wohnung, habe mich mit eigenen Augen überzeugt, haoe per sönlich mit Dr. Stern gesprochen und alles in Ordnung gefunden!' „So!' donnerte der Geheimrat heraus, „und das alles hast du hinter meinem Rücken getan!" „Aber Otto,' ängstigte sich seine Gattin, „Du warst damals so aufgeregt mit deinen Ge schäften!" „Ganz aus der Luft gegriffen kann diese Denunziation nicht sein!" grollte Herr San dow und klopfte auf den verhängnisvollen Brief, „da muß doch irgendein Frauenzimmer droben wohnen! Ich werde mich diesmal per sönlich überzeugen — jawohl — ich gehe in das Theater und in die angegebene Kneipe! Und ich vnbiete dir strikt, daß du Liliane ein Wort davon verrätst!' „Aber Otto," vermittelte die Geheimrätin, die einen Skandal befürchtete, „natürlich wohnt eine Dame droben: die Wirtin und auch ihre Schwester; Dr. Stern hält das Ganze für einen Dienstbotenklatsch!" „Dienstboten klatsch!" wiederholte zornig Herr Sandow. „Warum kommt denn euer Fred so selten mehr? Darum hat er denst abends so ost Geschäfte?" „Er muß doch irgendwie sein Geld ver dienen ' „Ich will keinen Schied« zum Schwieger sohn!' brauste der Geüennrat auf. ^>in Gott — Schieb« —wagte Fran einDMeensteA, Net steRN ststyMft