Suche löschen...
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 16.05.1924
- Erscheinungsdatum
- 1924-05-16
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192405167
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19240516
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19240516
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1924
-
Monat
1924-05
- Tag 1924-05-16
-
Monat
1924-05
-
Jahr
1924
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Uveiundzwanzig Äoldvicnnigc, Fainilicnaiijeikicn von Privaten mw-Pcue lew« «oldplcnnigr. G<iegenbeii«an;ciacn Llellenaesulvc Reklamezcile» uiw nacb Larti. Prcisnawiai; det AMchiuk. Pia,- unv Daienvorschriiien unverbindUcv. Für das Ausland entsprechender Aufschlag. Ertüllungsort Leipzig Posuctzeck-Nonio Leipzig 3004. ciursk-Nf.: 20 Lolöpfg. - 200 Wlis^en IV» ««reigeuprei»: - ' ' Leipzig. JohanmSZassc 8 sffernspr.OriSgespr.Sammel.Nr.:70S11. izerngespr. 170d9-17Ü92): ebenda u. in allen Filialen Anzeigen, und soll m Deutichiand monatlich - - —-—--! Ausland 8 (Hoidinark ein. lchlieirlich Porto. Erscheint täglich morgen« lchlietzi ErMllung aus. ' >s>u»>ii<ri-,lr.: ,uorr. izerngespr. 170r>9-17W2): ebenda u. »n allen Filialen Anzeigen, und Avonnemciu-Annahinc: auch nimmt iedcs Posiami Bestellungen an. Das L,ipgi«<r rasebla« »nid»« di- a»tttcha« ««lannlmaebna»»« de» V-»i»-r»räiidi»Ms Letazi« - , — Kl- ION m-!2»'woriUch <Ur den Len: Cbcsredarieur L. «oldttei«, Leipzig. Berliner Schriktleilung: »ochsir. 21 (Fcrnspr.Tönvosf^ro 3,»63, ?Ir. 120 « Leipzig - Naunvo,. krellso. den 16. jltlsi 1924 DreadncrLcvriiticitung Loschwiv. Ächillernr. 3.; (Fcrnspr 31 793, 118. Isdro. Drucku.Veriag. LeipzigerVeriagSdruckerei G.m.b v.vorn«.FischerLKiirstcn. * Halleschc Ichrtstleitung: Martinstrabc 17 (Fernsprecher 8588, Die Abstimmung in Hannover 15. Mai. bl. bl. Nach dem Artikel 18 Her Neichsver- Oer Kampf um die Weltwährung Amerikanisch-englische Rivalität London, 15. Mai. (k? i g. Te l.) (5s hat in England ungeheures Aussehen erregt, dah vcr Aufsichtsrat der amerikanische« Bnndes-Reservc-Vant in einem Be richt über den Dawes-Plan den Anspruch gestellt hat, das; derDollarauLtellc de- Pfundes die massgebende Währungseinheit der Welt werden soll. Der Aussichts rat erklärt, eS sei nicht zu bezweifeln, dah Rügland leichter zur vollen Gold währung zurüiktehren könne, wenn auch die deutsche Währung aus Gold gestellt wird. Werde diese aus Pfund gestellt, so müsse England bei einem Bersnchc zur Goldbasis zurückzukehren, seine Anstrengungen gleichzeitig auch für die vom Pfund abhängige deutsche Währung machen. Auch müne die Welt in diesem »Halle daraus gcsaht sein, dah die Währungsbasis aus unabsehbare Feit weiter schwanke. Die An nahme des Goldes, d. h. in diesem ^alle der Dollarbasis, werde dagegen die Wiederherstellung der Stabilität ans der qanzen Welt beschleunigen. fussung können durch den Willen der Bevölkerung Gebictsänöcrungen oder Neubildungen von Ländern innerhalb des Reiches veranlaßt wer den. „Der Wille der Bevölkerung", so heißt es im Artikel 18 der Reichsverfassung, „ist durch Abstimmung festzustellen. Die Reichsregierung ordnet die Alistimmung an, wenn ein Drittel der znm Reichstag wahlberechtigten Einwohner »cs abzutrennenden Gebietes es verlangt." Um nun festzustellen, ob dieses Drittel vorl;anden ist, findet am kommenden Sonntag in fünf Regierungsbezirken der Provinz Hannover eine Bo r adst i m m u n g statt. Das Borgehen der Deutsch-Hannoverschen Partei ist also ver fassungsrechtlich einwandfrei. Indessen spricht bereits der genannte Artikel von einem „über- wiegenden R e i ch s i n t e r e s s e" als' einem der bei solchen Gebietsünderungeu ein scheidenden Momente. Es kann gar keinem Zweifel unterliegen, daß gerade im Interesse des Reiches die Ablehnung der hannoverschen Auto- nomiebestrebungen zu fordern ist. Um den durch den ganzen Verlauf der deut schen Geschichte erwiesenen Widersinn zu zeigen, der in den welfischen Loslösungsbestrebungen liegt, bedarf es nur eines Rückblickes auf dir .deutschen Einigungskämpfc im vergangenen Jahrhundert. Wenn die auf die Reichseinheit ab zielenden Bewegungen anfangs ergebnislos ver liefen. so lag das vor allem an der Beschränkt- heit und der Selbstsucht der Dynastien, die in .dein Verlangen nach einem einheitlichen Reich den Verlust ihrer Privilegien erblickten. Als Bismarck dann mit Hilfe der preußischen Macht das nationale Einigungswerk erzwang, konnte er das Reich nur auf bundesstaatlicher Grund lage aufbauen, weil wiederum die Dynastien weitergehende Bestrebungen in der Richtung auf den Einheitsstaat im Wege waren und sich ohne hin nur widerwillig der Macht Preußens beug ten. Ls ist bezeichnend, daß insbesondere die monarchistisch eingestellten Kreise Bayerns den Mittelpunkt der Bestrebungen zum Partikularis- mus bilden, aber glücklicherweise bei dem größe ren Teil des Volkes keine Unterstützung finden, wie das Ergebnis der bayrischen Landtags wahlen gezeigt hat. Auch die sogenannten „Deutsch-Hannoveraner" sind zum großen Teil Monarchisten und wünschen die Wiedereinsetzung der welfischen Dynastie. Es ist natürlich, daß die hannoverschen Abtrennungsfreunde die dy nastische Frage gegenwärtig in den Hintergrund treten lassen und sich schon damit zufrieden geben würden, wenn sie die Loslösung von Preu ßen vorläufig in der Form eines Freistaates be werkstelligen könnten. Um so bedauerlicher ist es, daß sich ihnen auch liberal und republikanisch gesinnte Leute zur Verfügung stellen, die sich offenbar nicht des Widerspruchs bewußt werden, in den sie sich mit dem Verlangen nach der Auf- teilung Preußens begeben, die heute mit dem doch wohl auch ihnen vorschwebeviden Ideal der einheitlichen Republik unvereinbar ist. Anscheinend um der hannovcrscl)en Autono miebewegung einen größeren Rahmen zu geben und ihr außerhalb der Provinz Unterstützung zu sichern, spricht man von einem Land „Nieder sachsen", das neben Hannover die Hansestädte, Oldenburg, Schleswig-Holstein und einen Teil von Mecklenburg umfassen soll. Dieser Plan hängt aber vorläufig noch vollkommen in der Luft, und es ist erst noch zu bewehen, daß in -diesen Reichsteilen tatsächlich der Wunsch nach einem neuen Ländergebilde besteht. Abgeschen von den politischen Fragen fallen insbesondere die wirtschaftlichen Folgen einer Lostrennung ins Gewicht. Wie völlig unsinnige Pläne dabei er- wogen werden, beweist ein Interview mit dem Reichsbankpräsidenten Dr. Schacht, der über die Möglichkeiten einer „hannoverschen Währung" befragt wurde. Es ist überflüssig, auf derartig alherne Fragen einzugehen. Sie zeigen aber, mit welchen Gefahren gerade für die Wirtschaft die Auflösung Preußens in mehrere Mittel staaten verbunden wäre, denn bei einem Erfolg der hannoverschen Sonderbestrebungen würden vermutlich diejenigen ermutigt werden, die in Rheinland, Westfalen, oder Hessen-Nassau auto- nomtstische Bestrebungen verfolgen. Die damit eingeleitete Belegung würde uns um ein Jahr- hundert in der-Geschichte zurückwerfen. Es ist daher zu hoffen, daß die Abstimmungsberechtig ten in Hannover sich der Verantwortung bewußt werden, die sie über den eignen Umkreis hinaus M di» LnWickdmg t» ganstsrr Reich tragen. Der Aussichtsrat hält es deshalb für zweckmäßig, der Bundes-Rescrve-Bank auch jetzt schon zu ge statten, deutsche Handelswechsel in Dollar a l e A nlage anzukaufcn, wenn diese Wechsel von der kürzlich eingerichteten deutschen Goldkrcdttbank dis- kontiert würden. Der Aufsichtsrat begründet diesen Beschluß folgendermaßen: Maßnahmen dieser Art haben nicht mir die Wirkung, unserem Goldschatz zu einer gesunden und aktiven Betätigung zu ver helfen, indem wir andere Länder ermutigen, in aller Ruhe in Dollar Handel zu treiben, sondern wir fördern dabei auch unseren eigenen Handel. Wir erleichtern dadurch nämlich den Ankauf unserer Erzeugnisse in der Dollarwährung. Gleichzeitig würden wir auch fremde Länder und amerikanische Händler von der Vermittlungstätigkeit Englands als Makler abbringen. Englands Bcrinittlertätig- keit würde noch überragender werden, wenn das Pfund allgemein als Basis für Handel und Verkehr gelten würde. Nachdem der Bericht festgestellt hat, daß der amerikanische Goldschatz jetzt 930 Millionen Pfund oder annähernd 18 Milliarden Goldmark beträgr, heißt es weiter: „Wenn Amerika keine Mittel und Wege findet, um seine übermäßige Macht in der Pankwelt zu benutzen, um anderen Ländern behilf lich zu sein, besonders solchen Ländern, die ver suchen, ihr Haus in Ordnung zu bringen, kann der Dollar seine Stellung als Weltstandard der Wäh rung und des Warenaustausches nicht mehr behaup ten, und fremde Länder sowie der amerikanisck>e Handel werden wiederum in großem Maße vom Pfund abhängig auf Kosten der Stellung des Dollar." . * Als bekannt wurde, daß die Noten der deut schen Golddiskontbank auf Pfund lauten würden, wurde dies allgemein als Schachzug der englischen Hochfinanz gegen die llebermacht des Dollars an gesehen. Wie sehr diese Meinung berechtigt war, geht aus den neuesten Meldungen aus Amerika her vor, nach welchen man dort Stimmung dafür zu machen sucht, die Goldnotcnbank der Sachverständi gen auf Gold-, das ist auf Dollarbasis zu stellen. Diese Meldung nun gibt zugleich einen tiefen Einblick in das geldpolitische Geschehen der Welt, so daß es sich wohl lohnt, einen Augenblick bei ihr zu verweilen, zumal Deutschland als das Hauptobjekt der Gegensätzlichkeit der amerikanischen und englischen Geldpolitik erscheint. Amerika hat am Weltkriege ungeheuer viel ver dient, sagt man. Wie sieht dieses Verdienen nun aus? Geht cs den Amerikanern deshalb besser als anderen Ländern, oder wie sonst merkt man, daß Amerika durch den Krieg reicher geworden ist? Spricht denn nicht manches dafür, daß seine Wirt schaft ebenso krankt wie die des Kontinentes? Ver gebens bemühen sich die Farmer, für ihre Boden- crzeugnissc in Europa Absatz zu finden, vergebens versucht der amerikanische Staat für die Handels- flotte, die er sich in der Zeit des Krieges geschaffen hat, einen Käufer zu finden. Genau besehen, besteht das Vcrdienthaben darin, daß während des Krieges ,ein Gold ström nach Amerika «insetzte, der noch heut« anhält. Aus allen Ländern der Welt strömt das Gold nach Amerika ab und das bezeichnen wir ebenso populär wie falsch als Bereicherung, als Gewinn für Amerika. Was aber tut man dort mit dem Gold«? Das einzige, was man nach Lage der Dinge tun kann, um zu verhindern, daß die Gold- anhäufung Schaden anrichtet: man vergräbt es in den tiefsten Kellern, man entkleidet es seines Cha- rakter» als Geld. Denn würde man dieses Gold in Umlauf sehen, so würden die Warenpreise unge heuer steigen und die Folgen davon wären unabseh- bar für Amerika wie für die ganze Welt. Ist Anic- rika durch den Goldzustrom nun wirklich reicher ge worden? Um diese Frage zu beantworten, muß man in Kürze auf die englische Geldpolitik der letzten Zeit und die Meinungsiindetung über das Wesen des Goldes eingehen.. England war vor de« Krieg« die Metropole des Welthandels. In London liefen alle Fäden zusam- men, London war der Markt für Geld und olle Waren. Fast schien es, al» ob die» noch de«N Kriege ander« werden sollte und Amerika an die Stelle England« treten werde. Amerika hat ja jetzt da« Gold, das alle Welt regiert. Und doch haben wir von einer Borherrschaft Amerikas bisher noch so gut wie nichts zu spüren bekommen. England war das erste Land, dem die Erkenntnis kam, daß der Besitz an Gold allein nicht ausreicht, um sich zum wirtschaftlichen Herrn der Welt zu machen. Amerika muß ja dos Gold, das ihm zuströmt, vergraben! Ls muß also doch etwas nicht stimmen in der Be hauptung, daß der Besitz an Gold reicher mache. Und schon ert-ebt Keynes seine Stimme und malt in seinem letzten Werke: „Ein Traktat über Wäh rungsreform" den Teufel an die -Wand: Die Ent thronung des Goldes. Allqemcinvcrständ- lieh und über Keynes Ausführungen hinausgehcnd müßte man so sagen: Wir haben vergessen, daß dre Wirtschaft Fortschritte gemacht hat. In der Periode der Geldwiriscbait ist das Gold Geld schlechthin. Di« anschließende Periode der Kreditwirtschaft ist von der Goldwirtschaft gewiß nicht prinzipiell oer- schieden, aber sie zeigt schließlich doch der Geld politik neue Wege. Die Untersuchungen Fishers über die Kaufkraft des Geldes geben die Ntöglich- keit, eine Währung ohne Gold aufzubauen. Denn das Wichtig«, woraus es änkommk — und dies ist bisher übersehen worden —, ist gar nicht die Stabi lität des Geldes, sondern die Stabilität der Preise. Um aber die Preise stabil zu halten, braucht man kein Gold, dazu genügt auch Papiergeld. Wir sihen cs ja an der deutschen Rcntenmark, die ohne Gold schon über ein halbes Jahr ihren Wert unter kleinen Schwankungen herauf und herunter behaupte! hat. Die englische Währung, sagt Keynes, muß un abhängig bleiben vom Dollar. Denn wenn Amerika einmal durch irgendwelche Verhältnisse oder Umstände gezwungen wird, das ihm zuge strömte Gold aus den Kellern heraus und auf die Warenpreise loszulassen, dann darf die englische Währung davon nichr berührt werden. England muß also seine eigen« Geldpolitik treiben — ohne Sold. Es fällt aus dem Rahmen dieser Zeilen, zu unter- suchen, ob diese Gedankengängc richtig oder falsch sind. Genug, — sie haben ihre Wirkung jenseits des Ozeans nicht verfehlt. Man hat dort erkannt, daß eine Goldwährung nur dann ihren Dienst richtig tut, wenn auch die anderen Länder eine Goldwäh rung haben. Aber wird England, wo man an scheinend mit dem Gedanken ein-er modernen Kredit währung spielt, geneigt sein, zur vollen Gold währung zurückzukchren und damit Amerika als dem qoldbesitzenden Lande einen Vorrang einzu- viiumen? In diesem Zwiespalt wirft Amerika, dessen größte Bank, die Rational Lity Bank, kürzlich Liberalchenderweise, in dem geschilderten. Zusammen- hange gesehen jedoch selbstverständlich für eine Streichung der Kriegsschulden eingetreten ist, seine Augen aus Deutschland. England hat es verstanden, das Deutsche Reich durch sein Entgegenkommen bei der Errichtung der Golddiskontbank in seine finan- ziellc Einflußsphäre einzubeziehcn. Deutsch lands das Geld beziehungsweise Kredit braucht, wird also, so glaubt man in New Parker Finanz- kreisen, leicht geneigt sein, sich den amerika- nischen Geldplänen anzu schließen, wenn ihm von dort Geld (Kredit) in ausreichendem Maße bewilligt wird. Der Aufsichtsrat der Bundes- Reserve-Bank geht hierbei so weit, «in« versteckt« deutsche Anleihe zu empfehlen. Deutsche Handels- wechsel sollen als Anlage in Amerika unter gebracht werden. Ein Wechsel ist niemals ein« Geld anlage, aber durch Zwischenoerabredungen ist es wohl möglich, ihn zu einer solchen zu machen. Deutschland soll an Amerika nun so weit verschuldet werden, daß es, vor die Alternative Gold- oder Kreditwährung gestellt, für die erster« stimmen müßte. In diesem Widerstreit zwischen der englischen und der amerikanischen Geldpolitik ist der deutschen Politik, und zwar nicht nur der Geldpolitik, sondern auch der sonstigen auswärtigen Politik, ein De- tätigungsfeld eröffnet, das es zum Wohle Deutschlands zu bearbeiten gilt. So sehr das ameri kanische Gold locken mag, so sehr ist anzuerkennen, daß der englischen Geldpolitik nach ihren bisherigen Erfolgen der Vorzug gebührt. Die alte Anschauung, daß Gold reicher mache, hat sich nicht bewahrheitet, und England, das noch nicht zur vollen Goldwäh rung zurückgekehrt ist, hat seine alte Stellung als Metropoledc« Welthandels behauptet. Und wenn das DeutWe Reich von den beiden angelsächsischen Weltmächten auch im großen ganzen als Objekt der Goldpolittk behandelt wird, ein kleines Wörtchen dürften wir schon mitzureden haben. E« geschickt zu tun, ist unsere Aufgabe. Rach den deutschen und französischen Wahlen Bon 8. bLSnzsi' Die Befriedigung, mit der die Züchtigung des Voincareismus durch die frauzösische Wählerschaft in der ganzen Welt ausgenommen wurde, sollte uns in Dcutschlqnd zu denken geben. Sie hat einen noch weit stärkeren menschlichen als rein poli- tischen Unterton-, denn noch weiß niemand, wie im einzelnen die französische Politik ai'-sthen und welche Fahrtrichtung die neuen Regenten an der Seine einschlagen werden. Aber das weiß man, daß der Ton ihrer Politik, gewissermaßen deren Seelen klang (wenn es nicht vermessen wäre, in diesem Zu sammenhang« von Seele zu sprechen) sich ändern wird. Gerade diese menschliche Resonanz ist es, die verrät, wie hinfort eine wachsende Mehrheii unter den Men schen aller Zonen und Zungen auch die große Politit betrieben wissen will. Lin Symptom: man photographiert Köpfe, man er hebt den Zeigefinger und sagt: Sieh her, das ist Ari- stide Briand, derselbe, der mitten aus aussichts reichem Gespräche mit Lloyd George und Wolter Rnthenau in Lonnes nbbcrufcn wurde, um seinem un erbittlichen Kritiker Raymond Poincarö Platz zu machen. Gewiß, auch von ihm heißt es: pupillarisch nicht ganz sicher; außerordentlich liebenswürdig im persönlichen Umgang, ja gutmütig bis zur Weich herzigkeit; doch gerade um seiner Bieg- und Schmieg, samkcil willen als Politiker zuweilen unbcguem bis zur Unberechenbarkeit. Bisher hat auch er noch nichr bewiesen, daß er den großen Mut des wahrhaftigen Staatsmannes besitzt, im kritischen Augenblick gegen die Straße zu regieren. Und trotzdem: ein Kopf, in dessen psychologischer Landkarte sich stark menschliche Züge offenbaren; ein Ausdruck, in dem sich ein un- gewöhnlich politischer I «stinkt mit menschlicher Wärme so stark paart, daß in seiner Nähe den Men schen doch unendlich wohler wird, als in der eiskalten Zone juristischer Korrektheit und nationalistischen Pharisäertums des Herrn Poincarö. Natürlich wird auch Briand etwa als leitender Minister nicht mir einem Satz über das N u hrerb e seines Vorgängers Hinwegspringen, er wird genug zu tun haben, die überkommene Zwangslage langsam und vorsichtig zu j liquidieren. Nichtsdestoweniger ist dieser Pferde- wechsel doch zugleich auch ein Gesinnungswechsel, für den die Weltlage nach dem Dawes-Bericht, der Frankendämmerung, der Teuerung und dem Steuer druck reif geworden ist. Und der hier ist jetzt Edouard Herriot, der Lyoner Bürgermeister. Freundlichkeit und Wohl wollen leuchten ihm aus den Augen. Den Armen und Beladenen seiner großen Stadt ist er ein steter be reiter Helfer: sollte er nicht den Ehrgeiz haben, seinem ganzen Volke ein gleich fürsorglicher Vater zu sein? Er gilt nicht als Flieger, dieser warme und fein- gebildete Mensch, den noch heute heimlich die Musen aufsuchen, wenn ihm einmal etwas Muße beschieden ist. Ist diesem Politiker zuzutrauen, daß er, bei der Machtübung im großen, die französische Isolierung um Poincaröscher Bedenklichkeiten, Rechthabereien und Hinterhältigkeiten willen der endgültigen Der- ständigung mit den angelsächsischen Mächten und mit Deutschland vorziehe? Auch er wird kein bequemer Kontrahent für uns sein; aber sicher findet eine Politik unversöhnlicher Starrheit und grundsätzlichen Mißtrauens in diesem Menschentum keinen Ort. Aehnliches gilt von Painleve, dem bedeutenden Mathematiker, von Leon B lum, dem Sozialistrnfüyrcr, und den anderen, die an der Spitze der siegreichen Partei gruppen stehen und für die leitenden Staatsstcllen in Betracht kommen. Von ihnen erwartet die »Welt" etwas wie eine Humanisierung der inter nationalen Politik auf dcr^afis der materiellen ge- schichtlichen Kräfte, die über menschlichem Einzel- willrn stehen, wiewohl wir Deutschen auf alle Fälle g«faßt sein müssen, harte finanzielle und wirtschaft liche Lasten zu tragen. Und nun rasch einen Blick auf die durch die deutschen Wahlen geschaffene Lage- -sie ist weniger erfreulich. Soweit der deutsch: Natio nalismus, der durch sie seine Weihe erhalten -u haben behauptet, die naturnotwendige Reaktion auf dem PoincarSismus ist, lassen wir ihn heute bei seite. Das Uebel, das unser Dasein bedroht, ist seine Verwendung als Wandschirm, hinter dem die Oollarpariläten an AuslandSbSrfen Lmerwiwiracr KeiamMA in Billionen Mark 15. Mai ! 14. Mai Zürich Amsterdam 4,2 4,3 4^ 4,2 London — — Prag 4,2 4.2 Äew Dork (Borbürse). . — — . „ (Nachbörse) - 4,2 * 8oa6erIcLde1 6el6Lur»e cker Vordür»« 8»riin Innvao
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite