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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 01.05.1924
- Erscheinungsdatum
- 1924-05-01
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192405015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19240501
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19240501
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1924
-
Monat
1924-05
- Tag 1924-05-01
-
Monat
1924-05
-
Jahr
1924
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!ft! eltchronik Vie Woche -es Wahlkampfs Von itzfarner ttlettter Berli», Ende April 1924. Bislang hat der Wahlkampf das Gesicht der Stadt kaum verändert. Vielleicht daß die Parteien, alle ziemlich gleichmäßig von Kreditschwlerlgkeilen bedrückt, ihre Kraftanftrcngungen nur auf die letzten Tage des Feldzuges konzentrieren wollen. Wenn es überhaupt noch zu einem wirklichen Wahlkampf kommt, so wird ihn also diese letzte Woche bringen. Die repräsentativen Riese nwahl- Versammlungen in den großen Brauereien und Aonzcrtsälen (mit ihren vom Reichstag her nur allzu wohlbekannten Gesichtern der berufsmäßigen Parteiredner) sind bisher so gut wie vollkommen ruhig verlaufen; und auch die Prügeleien in der Gegend des Lützowplatzes am letzten Sonntag haben sich nur im Anschluß an eine deutschvölkische Ver sammlung entwickelt, nicht aber tu ihr selbst ereig net; ihren Ursprung hatten sie wohl auch weniger darin, daß den Angreifern, die der Polizeibericht schlechthin als „Kommunisten" bezeichnet, das deutsch, völkische Programm nicht gefiel, als vielmehr darin, daß in Berlin — das nun eben kein München ist — Uniformen höchst unpopulär sind, ganz besonders natürlich aber die der Hitlertruppen. Don sensa tionellen Versammlungserfolgen vermag bisher wohl keine Partei zu melden, auch nicht von überwältigen dem Andrang. Es sind zumeist kleinere, obskurere, halb nur partei-offiziöse Veranstaltungen, bei denen cs zu ausgeriffenen Stuhlbeinen, durch die Luft sau senden Bicrgläsern, blutigen Schädeln kommt. Laut los gleiten dervceilen in die Dohnungsbriefkästen die billigen, weißgrauen Reklamezettclchen, auf denen jegliche Partei sich ihre eigene Vorzüglichkeit leiden schaftlich bescheinigt, rascheln in dunkle Korridore und verschwinden sehr bald darauf im Kohlencimcr oder im Papierkorb... Eine erstaunliche Ruhe kennzeichnete bisher diese Wahl, ohne daß man deshalb aber von Interesse losigkeit sprechen dürfte: denn zweifellos hat di« Mehrzahl der Berliner tatsächlich schon innerlich ge wählt und setzt das gleiche vom Nachbar voraus. Erörterungen und Bekehrungsversuche hält darum jeder, eben aus seiner eigenen Ueberzeugtheit heraus, für aussichtslos. Auch Beobachtung der Unterhal tungen etwa in Straßenbahnwagen, in Restaurants, in Büros, der Frauen auf den Treppen, bestätigt im- mer wieder, daß zum mindesten hier in Berlin die Stimmungsströme sich bereits geschieden haben. Fast ein jeder trägt seit langem schon seine Abstempe lung. So scheinen auch die Unentschiedenen, das „Treibholz*, dessen Gefühle ständig zwischen rechtem und linken Flügel hin und her pendeln, dieses Mal ziemlich gering an Zahl zu sein. Verstärkt dagegen scheint das Heer der Nichtwähler. Die täglich neue Sorg« um das Auskommen hat aus allzuvielen Her- zen jede» Interesse für politische Fragen verdrängt, oder aber st« mit dem Pessimismus des hoffnungs- losen „Er hilft ja auch nichts* ganz erfüllt. Sie sind es auch, die, obwohl der unfrohe, kühle April an sich ja die Dersammlungssäle füllen sollte, immer wieder doch ein Kino, ein Musikkaffee, ein Tanzlokal vorziehen... Vollkommen sichtbar wurde der Wahlkampf bisber nur an den Plakatsäulen. Uebevall kleben di« großen weißen Anschläge, aus denen in endlosen Kolumnen das Wahllokal für jedes einzelne Haus angegeben ist und vor denen man auch fortdauernd ernst und sachlich notiererlde Männer (kaum jemals übrigens eine Frau) stehen sieht. Rings um diese weißen, schmucklosen Listen breitet sich dann das großflächige Mosaik der bunten Wahlplakate. Diel Eindrucks starke» war bislang nicht unt«r ihnen. Die Par- teien der Rechten arbeiten zumeist mit historischen Sentimentalitäten: Die Deutschnationalen haben den Großen Kurfürsten bemüht, (dessen Gesicht den Massen fremd ist und die ihn darum häufio für ein« ältere Frau, die gramdurchfurchte Mutter Ger- mania etwa halten), die Deutsche Bolkspartei um den Marschall Blücher, der, von Weinreben wie ein Bacchus umkränzt, auf den Rhein zeigt und ver heißt, die Deutsche Bolkspartei werde den ehrwürdi- den Fluß wieder frei machen. Die Deutschvölkischen plakatieren ein wirres Durcheinander von Haken- kreuzen, Totenkäpfen, die au» Ackerfurchen herausragen und einem Bismarckkopf, von Wolken umgeben. Demokraten und Deutsche Volks partei verweisen beide auf ihren Plakaten auf die Rentenmark; bei den Demokraten ziert sie eine Mole, gegen die ein Strom von Milliarden- und Billionen- Scheinen vergeblich anbrandet. Die Sozialdemokratie zeigt den bekannten Arbeiter mit den entblößten star- ken Armmuskcln, oder einen Kreuzweg, an dem ern roterWegweiserzur Linken auf ein reifen des Getreidefeld zeigt, während zur Rechten mit Blitz und schwarzem Qualm Granaten krepieren. Sehr stolz sind dann anscheinend die Deutschnatio nalen noch auf ein Plakat, auf dem der deutsche Michel einen mit dem (übrigens ungekrönten!) Reichs adler geschmückten Karren aus einem rötlich schim- mernden Sumpf, in dem ein Strolch mit einer Bal lonmütze versinkt, herauskutschiert; darüber steht im erfrischend agrarischen Jargon: „Raus aus dem Dreck!" Künstlerische Lei st ungen sind bisher fast noch keiner Partei gelungen — abgesehen höchsten« von einem einzigen Plakat der Deutschen Bolkspartei und einem zweiten der Sozialdemokratie. Da» erste stellt den deutschen Adler dar, dem ein« blau- wciß-rote Trikolor« die Füße umwindet und der mit dem Schnabel die Fessel zu lösen sucht; die straffe und energische Bewegung, mit der der große liegende Vogel den Kopf zu den Füßen hindreht, ist nicht ohne Reiz. Sehr viel statt» aber ist da» sozialdemokratische Plakat, auf dem ein Soldat hilf los verblutend im Stacheldrahtverhau hängt; „das ist das Schicksal eurer Söhne, wenn ihr reaktionär wählt", steht darüber; das Plakat ist namentlich far big (der rotbestrahlte Körper steht grell gegen das heiße Blau des Himmels) ganz überzeugend; schlecht hin ergreifend ist die Haltung des Kopfes, der Aus- druck des Noch-nicht-ganz-verstehen-Könnens in dem arglos bäuerlichen Gesicht... Halbwegs noch ins Bereich der künstlerischen Pro paganda gehören dann auch, wenn man will, gewisse auffällige Erscheinungen in Aonzertsälen, Kinos, Varietes deren Programm ganz offensichtlich von Subventionen abhängt, die aus den Wahlfond» der Nationalisten stammen — so etwa die neue Entfesse lung dcsgrotesken Fridericusrummel», nicht nur mehr im Kino, sondern auch im Zirkus: vollendet lächerlich wird hier in muffiger Pferdestall. Atmosphäre von vermummten Schulreitern, Provinz- schauspielern dritten Ranges und elend entlohnten Statisten der Siebenjährige Krieg und das Mcnzelsche Flötenkonzert aufgeführt. Uralte, technisch längst überholte und langweilig geworden« Films werden hervorgeholt, nur weil in ihnen Bismarck oder der alte Fritz auftritt. Und jeden Tag fast konzertriert, an den Anschlagsäulen in schwarz-weiß-roter Umran dung angezeigt, da« sogenannte „Deutsch? Tonkünst lerorchester', das eine eigene, jüngst feierlich „ge weihte" schwarz-weiß-rote Fahne besitzt und dessen Programm ausschließlich aus Märchen, „Schlachten musik" und ähnlichen Barbarismen besteht. Endlich sind dann wohl auch noch eine ganze An zahl Variete- und Kabarett-Künstler" Pensionäre der nationalistischen Parteien; so etwa Schnellmaler, die als Clou ihrer Leistung ein buntes Fridericus- Porträt produzieren oder „Humoristen", die zur Re vanche gegen Frankreich aufrufen und sich inzwischen über di« Republik lustig machen. Aber der Beifall, den sie finden, ist meistens recht matt, und Zischen mischt sich ein. Dem kühlen Temperament des V.r- liucrs sagt dergleichen nicht zu; ihm ist sowohl P o- litik wie Vergnügen je ein ern st Haftes Geschäft — das keinerlei Vermischung mit einem andern duldet. Folge-schwere, ll-wetter in der Oberlaufitz. Ein traurige« Bild der Verheerung bietet der Land- strich der Oberlaulitz, in dem das Unwetter der letzten Tage gewirtschaftet hat. Der Schaden läßt sich erst jetzt ganz übersehen. In Bernstadt, wo die Häuser meterhoch unter Wasser standen, ist in vielen Grundstücken erheblicher Schaden entstanden. Die Wasserfluten strömten in breiten Strömen die ab schüssigen Straßen herab. Die Feuerwehr hat tage- lang zu tun, das Wasser aus den Kellern zu pumpen. Fuhrenweise müssen die Schlammasscn aus den über- flutet gewesenen Wohnungen, Ställen, Werkstätten und Kellern und von den Straßen weggeschafft werden. In Gunnersdorf amen die Wasscrmassen so rasch, daß kaum Zeit war, die Tiere aus den Ställen i» Sicherheit zu bringen. Hier wurde auch das Bahnglei» unterspült. Nur den sofort aus. genommenen Notarbeitcn ist cs zu danken, daß kein Eisenbahnunfall an dieser Stelle entstanden ist. In Neudorf äscherte ein Blitzstrahl Scheunen und Lchuppengebäude des Gutsbesitzers Hermann mit ollen darin befindlichen Erntevorrätcn und Maschinen ein. In Strawalde brachte der Wolkenbruch so große Wassermasten, daß das Vieh in zahlreichen Ställen unter Wasser stand. Wiesen, Gärten und Felder sind vollständig verschlammt. Der Schaden ist gewaltig. Eine wichtige Entdeckung für die Orlik. Aus New New Pott wird ««drahtet: Dem 2. Direktor der General Electric Company, Edward Berry, ist es gelungen, Quarz, das wegen seiner Sprödigkeit einer Verarbeitung bisher schwer zugänglich war, durch ein besonderes Verfahren so zu vcrarbe tcn, daß es einen wertvollen Ersatz für Glas d.irstellt. Besonders an Lichtdurchlässigkeit über trifft es das Glas bei weitem. Während eine meterdickc Schicht des besten optischen Gla'cs nur 65 Prozent des Lichtes durchliißt. ist dieses Quarzglas für 90 Prozent des Lichtes durchlässig und bildet damit den am meisten lichtourchlässigen aller bekannten Stosse. Man nimmt daher an, daß es revolutionierend auf die optische Wissenschaft wirken wird. Auch die Anwcn- dunng ultravioletter Strahlen, die für die Heilkunde von größter Bedeutung sind, dürste aus neue Grundlage gestellt werden, da Quarz im Gegensatz zu Glas sehr durchlässig für ultraviolette Teile des Spektrums ist. Derry verarbeitet bresilia- Nischen Bergkristall, den er in besonders konstruierten elektrischen Oefen unKr Vakuum und hohem Druck schmilzt. Der Prozeß, der nur 80 M nu en in An- spruch nimmt, liefert jede gewünschte Menge von Quarz-Glas. Da» Grab al» Altenteil. Die barbarische Sitte, di« Alt«n, die der Familie zur Last fallen, ins Jen seits zu befördern, steht bei den Papuas noch 'n allen Ehren. Wenn eine Person Alters gebrechen zeigt, so bettet man den unbrauchbar gewordenen Alten in ein Grab und läßt ihn dort ver hungern, oder man setzt ihn fern von dem Dorfe in d«r Einöde ans und überläßt ihn seinem Schicksal. Hat ein Fa-mil «nmitglied ein bestimmtes Alter cr- reicht, so tritt die Familie zusammen und bestimmt in gemeinsamer Beratung mehrere Monate voraus den Tag seiner Beerdigung Stirbt der Betreffende in der Zwischenzeit, so wird die Leiche, wenn er aber am Leben bleibt, so wird das arme Opfer lebendig beigeseht. Am fest gesetzten Tage ziehen die Kinder mit dem zum Tode verurteilten Greis« nach dem vorher ausgeschaufcltcn Grabe. Das ganze Dorf folgt dem Trauerzuge, und di« Bevölkerung tanzt unter Trommelbegleitung, bis das Grab mit Erde gefüllt ist und sich darüber ein Hügel wölbt. Alle Bemühungen der Europäer, diesem grausamen Verfahren zu steuern, bleiben er folglos. Da man die öffentlichen Begväbnist« hem« nicht mehr wagt, greift man zur List. L'n Forschungsreisender bringt zu diesem Kapitel eiarn interessanten Beitrag. Ein neunjähriger Knabe war unter der Beschult) gung, seine Großmutter erschlagen zu haben, eingeliefert worden und hatte den Mord auch ohne weitere» zugegeben. Wi« er erzäblte, Hutten die Vorsteher des Dorfes ihm auseinavdrr- gesetzt, daß sie angesichts der teueren Lebensmittel preis« nicht mehr imstande feien, ihn und die Groß mutter zu erhalten, daß di« Sache aber ganz anders sein würde, wenn die Großmutter nicht mehr nm Leben sei. Nach dieser Erklärung hatten sie den Jungen verlassen, nicht ohne ihm vorher eine Axt m die Hand zu geben. Der Junge, dem das Schreck bild des Hungers vor Augen stand, li«f nach der Hütte der Großmutter und schlug die schlafende al'e Frau tot. Die Dorfältesten hielten es jetzt aber für ihre Pflicht, den Jungen, den sie zum Morde an- gestiftet hatten, der Polizei der Kolonialbehövden zu übergeben. Auf der Drautschau nach einem Gorilla. Seit kurzem erfreut sich ein Z rkus in New Port des Be sitzes eines jungen Gorillas, namens John Dani-!, der von einer eigens engagierten Wärterin gehegt und gepflegt wird. Der junge Affe, der ein un gewöhnlich schönes Exemplar seiner Art ist, wohnt in einem der be st en Hotels von New Port und empfängt dort den Besuch von allen prominenten Größen der ameritanischcu Metropole. Nach einer Besichtigung durch den Psychologen Perkes stellte der Gelehrte auf Grund seiner Untersuchung fest, daß der Nervenzustand des Affen bedenkliche Symptome aufweise, die befürchten lassen, daß er unter dem Einfluß des Klimas zugrunde geht. Um ein Gegengewicht zu schaffen, beschloß man, ihm eine Lebensgefährtin zu suchen. Di« Nationale geographische Gcsellsä>aft von New Pork hat zur Er- Haltung des wertvollen Affen eine öffentliche Samm lung eröffnet, deren Erlös dazu dienen soll, eine Ex- pcdition auszurüsten, die den Zweck verfolgt, in Afrika ein G o r i l l a w e i b ch c n als L:bens- gcfährtin für den melancholischen Afsen- jüngling zu besorgen. Ueber dcu Ozean zum Friseur. An Bord des R'.escnd..mpfers „Leviathan" sind in diesen Tagen nicht weniger als 225 Amerikanerinnen in Frankreich gelandet, die di« weite Rc sc eigens zu dem Zwecke unternahmen, um für ihr« Bubi köpfe einen geschickten Friseur zu f nden. Radio und Berbrecherjagd! Dieser Tage hielt in London, Exhibition Road, Last Center 17, ein elegan- tes Auto. Eine Dame stürzte am Portier vorbei in den Raum, in dem c.v" Kapelle gerade den Tango milonga von Manuel Iooes spielte. Das Zimmer war der amtliche Radioausnahmcraum, und das Konzert wurde von der Welle 365 in aller Welt gehört. Die Dame rief laut „Ruhe!". Und als die Musiker erstaunt die Instrumente sinken ließen, schrie sie in den Raum: „Soeben ist der Argentinier Juan Quevedo aus Lon don flüchtig geworden. Er ist von kleiner Statur, trägt im Augenblick einen Hellen, gestreiften Anzug. Er ist zu erkennen an seiner stark gebogenen Nase und au stechenden grauen Augen. Um die Pupillen herum weisen die Augen sonderbare schwärzliche Ringe auf. Der Mann ist Hypnotiseur und hat eine Frau in seine Gewalt gebracht, mit der zusammen er die Flucht an treten dürfte ..." Die Dame war die deutsche Tön- zerin Inge Bry. Und was sie zu diesem seltsamen Schritte steckbrieflicher Verfolgung nötigte, das ist der Inhalt der Novelle „Tango milonga" von Paul Ickes, die soeben im 2. Heft der Halbmonatsschrift „Der Die Das" erscheint. Es ist für Gm. 0^0 in jeder Puch- Handlung zu hoben. Wo keine am Orte, wende nn.: sich an die Lcivziger Dcrlagsdrnckcrei, G. m. b. H, vorm. Fischer 6 Kürsten. Lt'p.ng, Iohanrnsgasse 8. »I-----»->«»-<»»» !»»>W-WW Sprache, wir haben auf dem Polarstern zum Glück nur eine, noch nicht zurechtfinden wer- den, bitte ich Sie, sich doch in etwa einer Stunde in meinem Büro einzufinden. Sie können dann sofort in etwa 10 Minuten elektrisch das Wich tigste lernen." „Go sind Sie, mein Herr, und mit wem habe ich die Ehre?" „Ich bin im Büro der interastralen Reise- gesellsä>aft und heiße Nummer 409 817 116. Wir führen hier keine Namen, sondern nur Zahlen." „Und wie weit?" „Ganz in Ihrer Nähe. Nach Ihrer Berech nung noch nicht ganz 600 Kilometer. Auf Wiedersehen!" Die Platte verdunkelte sich wieder. Mr. Tittles neuer Pflegevater hatte wäh rend des Gesprächs in einer kleinen silbernen Schrie allerlei Pulver gemischt, die er Mr. Tittle jetzt freundlichst anbot. James schluckte sie brav. Es war die Tage^mahlzeit im Extrakt. (Nicht wohlschmeckend, aber äußerst praktisch.) Dann wurde er zu einem Flugzeug geführt, das vor dem Hause hielt. Mr. Tittle bestaunte einige Zeit den im hellsten Sonnenlichte flutenden Platz der großen Stadt, deren Eindruck ihn überwältigte. Was waren das für Bauten gegen die Bauwerke der Erde! Eine breite Straße pfeilte schnür- gerade dahin. Der Doppeldecker, dessen niedere Kabine er bestieg, erhob sich nach kurzem Anlauf wie ein Brummer und strich etwa vier Meter über dem Boden dahin. Hier gab es scheinbar keine Pferdedroschken und Autos, sondern nur einen wundervoll geregelten Flunverkehr. Dor und hinter ihm stiegen und senkten sich Flugzeuge, rechten sich ein, alle hielten das aleich« Tempo und den gleichen Abstand. Die 600 Kilometer wurden in kürzester Zeit geschafft. Mr. Tittle erschrak, als er bei einer Seiten- Wendung das Gesicht de» Thauffeurs sah. Auch dieser Mann glich chm sellsst aufs Haar, viel leicht mochte er einige Iahe jünger sein. 56 Dor dem Prachtbau der interastralen Reise gesellschaft hielt der Doppeldecker, und Mr. Tittle stieg aus. Er wurde von Herrn Nummer 409 817 116 bereits erwartet. Mr. Tittle hatte abermals einen Doppelgänger vor sich. Der numerierte Herr begrüßte ihn freundlichst. „Sie werden sich über manches gewundert haben. Mr. Tittle. Ich kann das begreifen, denn ich kenne Ihre Hemmt aus eigener An- schauung. Ich war durch Professor Bvatts Freundlichkeit ein halbes Jahr bei Ihnen oben." „Oben?" « „Ja. Ihr Planetchen steht für uns oben, wie der Polarstern für Sie. Sie haben ja noch ganz barbarische Sitten da drüben! Was Sie Essen und Trinken nennen.. höchst unappetitlich und rückständig. Doch zur Sache. Herr 57 812 222, in dem Sie gerade zur Miete sind, befindet sich auf einer kurzen Geschäftsreise und wird erst in zehn Jahren zurückkommen. Sie haben also Zeit, sich bei uns umzublicken. Unsere Sprache werden Sie elektrisch eingetrichtert bekonrmen. Ihr Herr Nr. 11111111, bei dem Sie woh nen, freut sich, von Ihnen dann allerlei Inter- essantes über die Erde zu erfahren, und bittet Sie, sich als sein Gast zu betrachten." „Verehrter Herr Direktor, ich bin nicht zum Vergnügen herqekommen, sondern ich verfolge einen internationalen Gauner, namens Pot, der sich auf dem Polarstern befindet." „Gauner? Ah richtig! So was gibt's bei Ihnen ja auch noch. Mit der Verhaftung wer- den Sie allerdings nicht viel Glück haben, denn wir kennen keine Polizei, weil es bei uns keine Verbrecher gibt." „Dann muß Ihr Planet ja ein Glücksstern sein!" „W'e man's nimmt. Wer nicht» anderes kennt, ist mit dem zufrieden, was er hat. Ich I persönlich entsinne mich immer wieder mit Fre'tde eines Erlebnisses auf der Erde. Sie haben ja wohl etwas, da» man Mebe' nennt." (Fortsetzung folgt.) Meouseristeme ' 14 Gin phantastisch -grotesker Mr. Tittles seelenloser Körper wurde von zwei Dienern in die Eishalle geführt und neben Mr. Porridge untevgebracht. Der Professor überwachte persönlich den Transport. Wie war das alles möglich gewesen, daß dieser Gauner ihn hatte betrügen können? Grenzenloses Der- trauen hatte er ausgenutzt und seine Erfin dungen zum Betrug der Menschen verwandt... Mr. Tittle hatte ihm die Geschichte der Medusen- steine erzählt, und jetzt war ihm klar geworden, wie diese Gaunerei möglich geworden war. Die Medusa war der äußerste der 14 Planeten, die um den Sirius kreisten (diese Erfahrung hatte Pot von Medusa-Asttonomen mitgebracht). Da er etwa einen Abstand von der Siriussonne hatte wie der Jupiter von der Erdsonne, waren die Bewohner dieses Planeten, wenn sie nicht erfrieren wollten, gezwungen sich selbst zu helfen. Und wie die Not innner stärkste Trieb- kraft für alle Erfindungen gewesen ist, soweit sie nicht dem Zufall zu verdanken waren, so hatten Ingenieure aus der Medusa die künst- lichen Diamanten erfunden (die Entwicklung ihrer Technik war auf manchen Gebieten der unseren weit voraus) . . . Mit diesen Dia manten hatten sie chre Erde gepflastert, um die Lichtwirkungen ihrer kälteren Sonne zu ver stärken. Diamanten hatten dort drüben den Wert von Straßensteinen, deren Zusammen setzung >eder kannte. Pot aber hatte seine Kenntnisse zum Schoden der Erde verwendet. Der Alte stand vor Mr. Porridges Körper. R'chtia. den hatte dieser Pot ja auch auf dem Gewissen. Ex batte in das friedliche Familienleben eines anständigen amerikanischen Bürgers gegriffen und die Verbindung zweier sich liebender Menschen gestört. Hier war ein Streich wieder outzumachen. Aus Mr. Tittles Erzählungen ging hervor, daß Pot auch Translokationen vorqenommen hatte, bann konnte man fie hier einmal er- prob«. Roman von Petar ittov Bratt ließ sofort einen Assistenten rufen und besprach mit ihm den Plan. Ter war be- geistert. „Herr Professor, wenn es uns gelänge, den richtigen Porridge wieder in sein Gchiiuse zu rückzubringen, dann wäre auch die letzte Er findung, die uns noch fehlte, geglückt." „Ja, aber dieser Porridge wohnt doch nach Mr. Tittles Angabe jetzt in Pots Körper. Der aber muß, wenn er nicht verwildern soll, doch eine andere Seele bekommen. Wo nehmen wir die jetzt her?" Der Assistent lächelte. „Ich wüßte etwas. Und es wäre ein wissen schaftliches Erveriment, das fruchtbar werden könnte. Der Pförtner Douglas hält sich einen zahmen Affen. Das Tier ist klug, gut erlogen und nicht im geringsten menschenscheu. Wenn wir Mr. Porridge wieder an Ort und Stelle haben, können wir leicht erfahren, wo sich Pots Körper befindet. Dis wir ihn holen, mag der Affe ihn beseelen. Und wenn der Affcnleib zugrunde geht, so ist nur ein Tier, aber kein Mensch zum Teufel." „Wir wollen s versuchen." Bratt wandte sich an den Diener. „Mr. Porridge kommt in die Kuvpel. Fragen Sie bann Doualas, ob er uns seinen Affen für 24 Stunden borgen will." * Porrrdge-Pot, der berühmteste Darietöstar der Welt (ach, wie schnell kann jemand zu so herrlichem Ruhme gelangen!) hatte da» beste Teil seiner Laufbahn gewählt. Ein« russische Fürstin Katharina Mikulewskaja hatte sich in leine Schönheit rettungslos verliebt, und da sie ihr Vermögen in Goldrubeln rechtzeitig vor dem Kriege noch Schweden und von dort nach den U. S. A. gerettet hatte, konnte sie ihrem Günstling allerlei bieten. Porridge-Pot saß an einem Abend gerade i» zärMchper Umarmung mit der nicht gerade
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