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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 28.12.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-12-28
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192312288
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19231228
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19231228
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-12
- Tag 1923-12-28
-
Monat
1923-12
-
Jahr
1923
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HÄben. Den Bewel» dafür freilich hat man bisher nur durch Verleumdungen und Fälschun gen zu ersetzen vermocht. Nachdem uun durch das Zeugnis unserer Arten die gegnerischen An schuldigungen zusammenbrechen — werden die Ankläger, die sich nicht entblödet haben, sich auch zu unseren Richtern aufzuwerfen, immer noch zögern, auch ihr« Archive zu öffnen? Oder sollten sie etwas zu verbergen haben? Es wäre sehr wiinsck-enswert, daß die deutsche Aktenpubll kation in dieser Hinsicht als Beispiel wirkte. Der Protest gegen -ie Vergewaltigung -er Pfalz Frankfurt a.,M., 27. Dezember. (Eig. Tel.) Der Protest, den der Außenminister Dr. St re fr- ma nu bei dem französischen Botschafter gegen die Unterstützung der Separatisten durch General de Dietz erhoben hat, hat aus einen Zu stand aufmerksam gemacht, der mit allen Rechrs- begrifsen und mit den auch nur bescheidensten Forde rungen, die im Namen der Gerechtigkeit und Zivili sation erhoben werden dürfen, in schreiendem Gegen- satz steht. Die erdrückende Mehrheit der Pfälzer Be völkerung lehnt die „provisorische Regierung der autonomen Pfalz" als eine willkürliche, unter keinem Rechtstitel, nicht einmal unter jenem der Revolution, errichtet« Gewaltherrschaft ab. Die Macht, die zur Zeit diese Usurpatoren, teilweise sehr anrüchiger Vergangenheit und sehr minderer Qualität, ausüben, ist nicht eüunal in ehrlichem Kampfe erkämpft, son dern einfach erschlichen worden. Wo die Be völkerung oder die Organe der legalen Regierung Widerstand zu leisten versuchten, ist dieser Versack schon im Keime durch Organe des Generals de Metz erstickt worden durch Verhaftungen oder Aus weisungen. Man hat der Bevölkerung nicht einmal jenes Recht gelassen, das noch keine Revolution d^r Welt verweigert hat: sich zur Wehr zu setzen. Di« Separatisten haben nichts anderes zu tun gehabt, als di« ihnen durch die Besatzungsbehörden geschaffenen Möglichkeiten mühelos auszunützen. Sie sind ' Prctsionsmittel oder Daumen- schrauben, damit die Bevölkerung mürbe gemacht werden soll. In der Pfalz wird ein ungeheurer Betrugsversuch der Welt gegenüber unternommen. Das sind die Tatsachen, die General de Metz selbst bestätigt hat und die unge'chminkt sprechen. Diese Tatsache ist laut und eindringlich genug. Dies sollte auch in Paris Eindruck machen. Englische und amerika nische Journalisten, die die Pfalz bere steu, haben nichts berichtet, was diesen Eindruck zu schwächen geeignet wäre, im Gegenteil sie haben ohne Ausnahme die absolute Rechtswidrigkeit und — das ist starker -—die Rechtslofigkeit, unter der die Bevölkerung leidet, bestätigt. Der Schritt, den die Pfalz selbst aus eigener Ini tiativ« unabhängig von dem Vorgehen der Reichs regierung bei der Rheinlandiommission unternommen hat, gewinnt im Lichte dieser Tatsachen an Bedeutung. Es ist in Koblenz darauf hingcwesen worden, daß durch di« neue Regierung, die mit fremder Truppen Hilfe in di« Pfalz eindrang und dort jode Sicherheit, auch die persönliche, gefährdet, den Städten Willkür- liche Geldbußen in einer Höhe auferlegt werden, die geradezu grotesk ist, ferner daß über 100 Pfälzer des Landes verwiesen wurden und daß die Methode d«r Permögensbeschlagnahme einem or ganisierten Raube gleichkommt. Gleichzeitig unter richtete man die Reparationskommission über die wahr« Stimmung der Pfalz, so daß der Schritt der Pfal> einem Appell der Verzweiflung an die Gerechtigkeit und an das Gewissen einer Behörde gleichkommt, die im Rheinland« selbst das wahre Ge- ficht des Separatismus erkannt hat. Erstaunlich bleibt, daß General de Metz. der doch als Oberdele gierter der Pfalz der Rcparationskommission unter steht, eine gefährliche und die Neparationskommission selbst desavouierende Sonderpolitik treiben darf. Da» laßt erkennen, daß in Paris Vernunft und An sicht mit einer Politik im Streite liegen, di« am besten zu fahren glaubt, wenn sie dem Besiegten gegenüber den möglichst rücksichtslosen Gebrauch von Gewalt und Faust macht. Lustspiel vom Alten Frih Schauspielhaus Der große Friedrich von Preußen ist eine sehr beoueme Lustsvielfigur. Man braucht gar nicht erst andere Autoren, man braucht nur hn selber ab- zuschttiben, und schon erscheint man dem dankbaren Publikum fabelhaft geistreich, denn alle seine Briefe, Erlasse und Randglossen kennen ja doch nur die wenigsten Leute. Die bescheideneren Belustigungen des eigenen Witze» und Verstandes schlüpfen dabei leicht mit unter. Auch große Könige müssen ja manchmal Belanglosigkeiten gesagt haben. In diesen Punkten sind die Herren Pre »der und Stein recht glücklich gewesen. Auch bei der Motivwahl, da ja aus lauter Briefstellen und Glossen noch kein Drama wird, haben sie den bequemen und breiten Weg — zur Liebesgeschichte — gefunden. Hier stört es nur etwas, tmß doch ziemlich viele Leute wissen, wie wenig es des Alten Fritzen Art, auch da er noch jung war, gewesen ist, auf solchem Wege zu dem Geschlechte hin zu wandeln, das die vielleicht irrige Meinung der Menge für das schönere hält. Er pflegte so wenig zur rechten wit -Ur linken Sand nach we blichen Reizen zu langen, und die Historiker sind sich ziemlich einig darüber, daß ihn di« legitimen Zärtlichkeiten seiner Gemahlin ebenso schr, will sagen ebenso wenig interessierten, wie die illegitimen Bemühungen irgend einer italienischen Tänzerin um sein körperliche» Wohlbehagen. Leiner Schwester, der klugen Markgräfin von Bavreuty, war er lebenslang in vertrauter Freundschaft ergeben, aber die Tänzerin Barbara Campiani au« Pened a wird wohl kaum in den Vorhof seines Herzens und gewiß nicht über die Schwelle seines Schlafzimmer« vorgedrungen sein. Da» Autorenpaar mag der Meinung gewesen sein, daß sich mit dem großen Friedrich al» Orcst und irgend eine» sein« historisch überlieferten Pylad.-sse ke» Familienlnstspiel schreiben ließ, und so hat e» r*oraezogen, ihm bi« kleine Barbarin«, ein ent- zückende» italienische« Luderchen und ein« große Tänzerin, »wischen dem Ersten und Zweiten Schlesischen Krieg an die Seite zu geben oder gewissermaßen zu legen, llvl die leichtsinnige Angelegenheit dcmn im letzt«» Bilde noch 30 Jahren mit Einsamkeit, Wind- Hunden und wehmütiger Erinnerung zu eine» Einschneidende Sparmaßnahmen in -er Rechtspflege Vertin, 27. Dezember. (Sig. Del.) Die schwierige Atnanzlaae, irr der sich Reich und Lander während einer Ueberganaszeit von drei bis vier Monaten befin den, hat den RekchSjuftizminister veranlasst, in zwei aus Grund von Artikel 48 der Sieichsverfafsunsi vom Reichspräsidenten erlassene» Verordnungen der Austizpflege Beschränkungen ausruerlegen, wie sie nur die Rot der Zeit rechtfertigen kann. Wie ansierordentlich einschneidend die finanziellen Beschränkungen für die Austiz- pflege find, geht daraus hervor, datz der preussische Ainanzminlster dem Anstizmini- sterin« in Preuhe« für die Zeit vout 1. April bis 1. Oktober nächsten AahreS nur vier Millionen Mark zur Verfügung stelle» karr«. Der Zustizmiuister hatte als Mindestbetrag 36 Millionen Mark für diese sechs Monate, also das Neunfache an gefordert. Maa hat ihm aber sogar uahegelegt, nach Möglichkeit Gefängnisse znöffne», wenn er mit diese« vier Millionen Mark nicht ansreiche» sollte. Diesen in der heutigen Zeit besonders gefährlichen Weg will der Rcichsjustizminister aber nicht be schreiten lasten, und deshalb wird in den beidrn Notverordnungen zunächst folgendes bestimmt 1. Das R «ichsgeri cht, das während des letz ten halben Jahres 1200 neue Strafsachen wegen Landesverrats überwiesen bekam und dadurch außerordentlich überlastet ist, zumal 10 Prozent seiner Mitglieder wegen des Beamten abbaues in den Ruhestand versetzt wurden, kann L a n d e s v e r r a t s s a ch e n an die Ober landesgerichte der Länder verwaisen. 2. Da da» Gericht die Kosten für di» außer- ordentlichen Gericht«, die in Kcttbus, in Hamburg und in Berlin nach den Lebensmittel unruhen errichtet wurden, nicht mehr tr.gen kann, sollen die dort anhängigen Strafsachen im be schleunigten Verfahren erledigt werden. Damit haben dann die Länder die Kosten auch für den Strafvollzug zu tragen. Die Stellung der An geklagten wird dadurch eher verbessert, weil die Straskammerkolleqien mit fünf Richtern besitzt sind, während sie bei Ken außerordentlichen Gerichten nur aus drei Richtern bestehen. Für die Zeit nach dem 1. April ist eine Vereinfachung de« Jnstauzeuzuge« in Aussicht genommen. Die Gerichte beim Ober landesgericht werden nicht mehr mit fünf, sondern nur m t drei Mitgliedern, die beim Reichsgericht statt mit sieben mit fünf Richtern besetzt werden, obwohl dies eine außerordentliche Belastung der Richter und vor allem des Vorsitzenden bedeutet. Die Schwurgerichte, zu denen 30 Ge schworene erscheinen mußten, von denen 18 wieder nach Hause geschickt wurden, sollen, um Kosten zu ersparen, durch große Schöffengerichte er sitzt werden, deren Mitglieder alle für einen be stimmten Tcrm'n einberüfen werden. Für die Zivilrechtspflege liegt zwar eine Reform des ganzen Zivilprozesses in Entwürfen fast vollständig vor, aber deren Ausführung würde so lange Zeit in Anspruch nehmen, daß man auch hier zu Notreformen seine Zuflucht nehmen muß. In den nächsten Tagen wird eine Notverordnung zur Beschleuuigung de« Zioilp^ozeßverfahreus im .Reichsgesetzblatt" veröffentlicht werden. Sie be- schränkt sich auf folgende Hauptgesichtspunktr: Die Mündlichkeit de« Verfahren» wird dort, wo sie nur mehr formelle Bedeutung hat, be seitigt, z. B. wenn zur bloßen Verkündung des Urteils noch eine Verhandlung angesetzt werden mußte, wird im Einverständn s der Parteien das Fristurteil schriftlich verkündet. Weiter kann auch bei den Landgerichten die Vordere tung der erst'n Verhandlung so erfolgen, daß auch bereits die erste Verhandlung fruchtbringend gestattet werden kann. Wichtig ist, daß die ordentlichen Gerichte zu Schiedsgerichten umgewandelt werden können. Dies geschieht auf Lbere. istimmcnden Antrag der Parteien, die auch verlangen können, daß zu der Per- Handlung Laienrichter zugezogen werden. Sin solches schiedsmäßig entscheidendes Gericht hat den Vorteil, daß es sein Verfahren frei gestaltet, sich also von vielen formellen Umständlichkeiten befreien kann, und daß sein Urteil rechtsgültig und sofort voll- streckbar ist. Schließlich wird durch die neu« Notverordnung das wertbestimmend« UrteU eingeführt. Danach kann an Stelle der Papiermark eine andere Werteinheit im Urteil bestimmt werden, zunächst Goldanleihe und Rentenmark. Doch können auch andere Werteinheiten noch ein- geführt werden. In Bagatellstreitverfahren wird da- für gesorgt, daß bis zur B:rufungsgrenze (das sind 60 Goldmark) durch Schiedsgericht zu ent scheiden ist. Bei Klagen um so kleine Beträge ist der Amtsrichter also nicht mehr an die bisherigen formellen Vorschriften gebunden und seine Ent scheidung endgültig. Reichsin-exziffer USO Milliarden Berlin, 27. Dezember. Die ReichS- inverzifser für LevenshaktunstSkosten fEr- ttähruna, Wohnung, Leiznng, Beleuchtung und Bekleidung) beläuft sich nach den ssesiftellungerr des Statistischen ReichSamtS für Sonnabend, de» 22. Dezember, dem wegen der Feiertage an Stelle des Montag gewählte» ErhebnngStage, aus das 115 0- milliardensache der Vorkriegszeit. Gegen de» 17. Dezember (1165 Milliar den) ist demnach eine Abnahme von 1,1 P r o z e » t z« verzeichne«. Unregelmäßigkeiten -ei -er Dresdner Grtverbslosenfürforge Dresden, 27. Dezember. (Erg. Tel.) Eine um- fangreiche Untersuchungssache ist b«i der Staats anwaltschaft Dresden anhängig, die sich auf überaus grobe Unregelmäßgkeiten innerhalb des Bereiches der Dresdner Erwerbslosenfür sorge bezieht. Ungetreue Angestellte des Krirgs- siirsorgeamtcs zu Dr.sden und bekannte Persönlich- leiten der Erwerbslosen haben gemeinschaftliche Sache gemacht und sich an den für du Arbeit,losen bestimmten Geschenken und billig Überla nenn Lebensmitteln und Sachen aller Art ocrariffeu. Ferner wurden mft gefälschten Kassenbelegen be- trächtliche Summen Unterstützuogsgelder zu Unrecht abgehoben. Nicht weniger als 12 Per sonen wurden verhaftet und d-- Staats anwaltschaft zugeführt. Wie verlautet, haben Erwerbslose in führender und verantwortlicher Stelle sich Betrage bis zu 26 Goldmark pro Tag zu verschaffen gewußt. Auch wurden Kassenbeleg- und Auszahlungszettel an der einen Geschäftsstelle gestohlen, dann ausgefüllt und an anderen Kaffenstellen zur Erhebung der Gelder vorgelegt. Die Angelegenheit erregt weit über Dresden hinaus Aufsehen. In Berchtesgaden ist der Schriftsteller und Herausgeber des .Völkischen Beobachters", Dietrich Eckart, gestorben. Eckart war im Zusammen hang mit den Ereignissen des 8. Novembers in Schutz, haft genommen, am Freitag aber wieder freigelasten worden. würdigen und für jedes bessere Publikum durchaus befriedigenden Ende zu bringen. Man wird den tüchtigen Herren nicht ernstlich zürnen dürfen, denn sie enthalten sich tapfer jenes Uebermaßes von kitschiger Sentimentalität, das die deutsche Nationaldichtung .Alt-Heidelberg" zu so vielen Triumphen geführt hat, sind nur streckenweise langweilig und meistens, nicht nur soweit der Alle Fritz für die schwächeren Schriftsteller vorgesorgt hat, sondern auch durch den Mund der literarisch meines Wissen» unbelasteten Barbarina ziemlich unter- haltend in maßvoll sprühenden Witzen. Der alte Fritz ist zunächst die bekannte Aufgabe der Perwandlungskünstler im Pariets. Auch dem Franz Stk . n gelang dieser alte. Ein bißchen diau- äugiges Gcblitz, gebeugte Haltung voll müder Würde, schon ist cs getan. Der junge Fritz war nur mäßig. Stein hatte da eine zu spitze Schärfe voll subalterner Arronganz, und war nicht immer König, sondern manchmal Schrcibstuben-Unteroffizier. T-e Ungezwungenheit der Sprache ziemt dem bedeutenden Menschen, nickt die Gezwungenheit des Lchauspce-ero, der sich verstellt. Di« .Ballerina de» Königs", mag sie auch seine Ballerina nie gewesen sein, trug das Stück chen. Lina Carsten» hat genug Ausgelassenheit und natürlich-dreiste Kaprize in der Kehle und <n den Beinen für die italienische Tänzerin, obwohl sie keine italienische Kehle und keine tanzenden De» ne hat. Sie markiert doch beides, den Tanz und Italien so, daß man'» gegenwärtig glaubt, und füllt da» erträgliche Lustspielchen mit einer beinahe beglücken- Len Heiterkeit. Ein Vergnügen war auch die vertraute Her-lich- keit de» Kämmerers Fredersdorfs, mit der, w.e der beste aller unterschlagenen Pr>s--dcsse, Herr Böhm den jungen und den alten Fritz umhegte. Knn» B«or? Klesikar V« Eßepa« Schiudler-Nikisch hat sich an Erich Ziegel« Kammerspiel« nach Hamburg verpflicht« lass«:. Zwei Leipziger Bühne» »erden ärmer durch diesen Entschluß, der de» Wunsche, sich zu verändern, ebenso sehr entsprungen sein mag, «1« de« Wunsche, sich an einer Bichue -u vereinigen. Nora Nikifchs. die schon am 1. Januar nach Hamburg geht, ist im halbvergangenen Winter kaum noch am Schauspiel hause hervorgetreten. Ob sie deshalb geht oder ob sie so viel auf Reisen war, weil sie gehen wollt«, steht dahin. Jedenfalls wird e» nötig sein, sich bald nach einer Naiven mit echtem Charme umzusehen denn aus dem vorhandenen Bestände ist dis liebens würdige kleine Tochter des großen Kapellmeisters kaum zu ersetzen. — Für Ewald Schindler muß in Hamburg besonders die Aussicht auf zahlreiche moderne Rollen an den Kammerspielen verlockend sein, wobei der Ton sowohl auf modern als auch auf zahlreich liegt. Denn seine schauspielerische Natur wird sich im eleganten Konversationsstück und im stilisierten Zeitstück reicher als im lissifchen Drama erweisen. Vor allem aber wird er "fter in neuen Rollen auf der Bühne stehen dürfen, als es, zumal in den letzten beiden Jahren, am Stadtrheater möglich war. Den Nachfolger für Schindler sollte Kronacher unbedingt noch in dieser zweiten Ämter- Hälfte ausprobieren, bevor er ihn braucht. Denn Schindler wird für uns nur durch einen Mimen von großer Reichweite im klassischen und modernen Rollenfach vom Helden bis zum Tharaktersvielrr er setzt werden können, und es würde uns auch nicht genügen, ihn brav und ordentlich ersetzt zu finden. Für Mepihsto und auch für Hamlet kann man keinen Ersatzmann brauchen, sondern nur einen Kerl, der seinen eigenen Dämon schon mit auf unsere Bühn« bringt. »Ur. Michelangelos Schneemann Ein starker Schneefall war bi, Ursache, daß bi«^ Familie Medici dem jungen Michelangelo ihre besondere Aufmerksamkeit zuwendete. Wie da» kam, erzählt Georg Brande» in seinem eben un Erich-Relß-Derlag zu Berlin erschienenen Werk .Michelangelo Buonarroti". Der -roße Lorenzo von Medici, der «in Förderer aller Künste war, hatte sich schon »tt be« Knaben beschäftigt. E» wird erzählt, daß Mickrlangelo in dem Garten Lorenzo», der für den Besuch aller geöffnet war, unter den dort aus gestellten antiken Plastiken den Kopf eines bärtigen, grinsende» Satyr» fand und in sich den Drang ver- fpi^t^ WM Kops, daß« Memd stark gelitten chatte. Demokratischer Parteitag für Thüringen a. Jena. Der Landesverband Thüringen der Deutschen Demokratischen Partei hält am Sonntag, den 2S. Dezember, in Jena einen außerordentlichen Parteitag ab. Den Houptgegcnstand der Tages ordnung bildet die Beschlußfassung über die Aus stellung einer Einheitsliste oller nicht sozialistischer Parteien und wirtschaftlichen Gruppen für die Land tags wähl. Im Anschluß hieran soll die Aufstellung der Lande»liste erfolgen. * In einem Mahnwort zur Landtag», wähl nimmt der Vorsitzende des Landesverbandes Thüringen der Deutschen Demokratischen Parier, Professor Dr. Slotty, Stellung zu dem Ec- gebni« der Sitzung vom 20. Dezember, in der alle anwesenden Vertreter sämtlicher nicht- sozialistischer Parteien und fast aller wirtschaft- lichen und vaterländischen Verbände sich verpflichtet haben, in ihren Kreisen für die Aufstellung e ncr Einheitsliste mit aller Entschiedenheit zu wirken. Auf die Frage, w e sich die Demokraten dazu stellen sollen, schreibt Professor Slotty u. a.: „Wir müssen diese Frage ohne jede Gedankenstarrheit, mit offenem Wirklichkeitssinn zu lösen versuchen. Ich gebe zu, daß es für einen linksstehenden Demokraten schwer st. einer Liste seine Stimme zu geben, aus der auch Namen extrem rechtsgerichteter Männer ent halten sind. Aber trifft das gleiche nicht auch für den ganz Rechtsstehenden zu? Man betrachte di.se Liste auf beiden Flügeln als eine bitterste Medizin: der Kranke wird sie auslöffeln, wenn er we ß, daß er damit Leben und Gesundheit erhäll! Man schlucke sie in dem Gedanken, daß Thüringen damit allein erhalten bleiben kann. Und man kann es ohne Gewissensbisse auf allen Seiten tun: es werden bei der Einigung auf eine Einheitslinie keinerlei Ab machungen über die parlamentarische Arbeit in dem neuen Landtage getroffen: jede Partei behalt für ihn völlige Handlungsfreiheit und wird in ihm zu allen Fragen Stellnua nehmen, die ihr nach ihrer Ueberlieferung vorgeschrieben ist. Wir geben also auch unserseits kein Iota unsere» Programms auf-, wir ziehen nur diesmal sozusagen nicht durch das linke Tor des Parlamentsgebäudes ein, wie bisher, sondern mit den andern in einheitlichem Demopstra- tionszuqe, den uns die Sozialisten so ost unnöt'ger- weise vorgemacht haben, durch das hoffentlich iür die Menge der Abge"rdneten d"r nichtsozialistischen Parteien zu schmale Tor der Mitte! Wirklichkeitssinn lehrt uns. daß es diesmal keine andere Wahl gibt, als die Einheitsliste. Bei der Landtagswahl am 10. September 1S21 sind für die sozialistischen Parteien zusammen 33S275 Stimmen, für die nichtsozialistischen zusammen 337 507 Stimmen abgegeben worden; hätte damals ein Einheitsliste bestanden, so hätten wir 27 Man- date auf die Wahlkreislisten (die fetzigen vier zu grunde gelegt!) und 1 auf die Landesllste errungen, d. h. beide Gruppen hätten sich wie 28:2 gegenüber gestanden, und den Sozialisten wäre es nicht mög- lich gewesen, allein di« Regierung zu bilden, oder sie wären al« Minderheitsregierung stets auf das Wohl- wollen der andern angewiesen gewesen. Wie viel Leid wäre dem Lande erspart geblieben! So ergibt sich die zwingende Notwendigkeit, mit. größter Entschiedenheit von allen beteiligten Faktoren die Aufstellung einer Einheitsliste zu fordern. Wer sie verhindert, ladet eine schwere Verantwortung vor dem Thüringer Volke und der Geschichte auf sich. Kommt sie aber zustande, so wird der Sozial- demokratie eine solche Lehre für ihren Verrat an der Demokratie zuteil werden, daß sie in Zukunft weder die Möglichkeit noch die Neigung haben wird, sich auf ähnliche Experimente wie bisher einzulaffen. Cie wird sich dem Einfluß ihrer radikalen Elemente ent- ziehen und dadurch zur Mitarbeit in aufbauendcm Sinne geeignet werden. Dann wird aber auch die Politik recht behalten, die wir seit je in Thüringen als die einzig mögliche gehalten haben. Jetzt aber wollen wir daran denken, daß n'cht wir die Sozial demokraten von uns gestoßen haben, sondern daß sie unser« Mitarbeit und die anderer aufbauender Kräfte obgewiesen btt, n-> b'- mit ien staatszerstörenden, den Bürgerkrieg selbst in Mi nistersesseln betreibenden Kommunisten fortzeugcnd Unheil zu gebären." in Marmor nachzubilden. Das glückte ihm in wenigen Tagen. Da der lachende Mund offen stand, so waren alle Zähne zu sehen. Lorenzo erblickte die Arbeit im Garten und sagte scherzhaft zu dem Jüngling, ein so alter Mann, wie der Satyr sei, hätte selten noch alle Zähne im Mund, darauf entfernte Michelangelo sofort einen Zahn und bohrte ein Loch tn den Ober- ki«fer, um so die Zahnwurzel «nzudeuten. Lorenzo sah diese geschickte Veränderung am anderen T..g. ließ den Pater des begabten Knaben zu sich kommen und nahm dann Michelangelo in sein Hous auf, wo er ein eigenes Zimmer, Taschengeld, den ganzen Unterhalt, und, als Zeichen besonderer Gunst, einen lila Mantel erhielt. Aber nach dem Tode Lorenzos, im April 1492, war Michelangelo aus seiner Woh nung im Palazzo Medici wieder zu seinem Vater zurückgekehrt, und die Verwandten seines Mäzens schienen ihn vergessen zu haben. Da ereignete sich eines Tage» ein starker Schneefall in Florenz, und wenn solch ein im Süden seltenes Ereignis ecntrat, so pflegte man es al» festliche Gelegenheit zu betrachten, bei der auf den Plätzen vor den Kirchen und Palästen Schnee männer aufgestellt wurden. An dieser lustigen und beliebten Bildhauerarbeit im Schnee beteiligten sich die größten Künstler. Besonders gern machten diese Meister au« Schnee das Wahrzeichen von Florenz, den sitzenden Löwen, den sogenannten Marzoceo. Aber auch menschliche Gestalten, und zwar in riesig-n Dimensionen, wurden aufgerichtet. Es wird uns er zählt, daß Michelangelo im Hofe de» Palazzo Medici einen so vortrefflichen Schneemann schuf, daß Lorenzo« Nachfolger, Piero de Medici, davon ganz entzückt war. Er fragte nach dem Verfertiger dieser Figur, und al» ihm der Name Michelangrlo genannt wurde, zog er ihn wieder an sein« Tafel und unterstützt« ihn nach Kräften. Da« Wohlwollen Piero» schmolz nicht mit dem Schneemann, sondern er scheint M'ü elangelo viel genützt zu Haven, und r» ist nur ein Bewei, der Verbitterung, mit der der große Meister in seinen alten Tagen alle» be trachtet«, wenn er selbst behauptete, Piero wäre stnlz darauf gewesen, in seinen Diensten zwei außerordent liche Menschen zu besitzen, ihn selbst und eine» spani- schen Schnelläufer, den der Fürst nicht einmal zu Pferd« «iuholau konnte,
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