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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 25.12.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-12-25
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192312255
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19231225
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19231225
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-12
- Tag 1923-12-25
-
Monat
1923-12
-
Jahr
1923
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zu lenken, di« es für unseren Stand zur Folg« hätte, wenn da» Gegenteil der Fall wäre? Brauche ich../ Nein, er brauchte nicht sortzusahren. Herr Advokat Ruggieri, der wußte, daß er da» letzte Geld seine» Klienten in Empfang genommen hatte, rief: Es ist g«nug! Lonoedol Ich g«be nach/ Fünf Minuten später war Scipione Taranzella für juridisch tot, sein Testament für juridisch gültig erklärt und seine Söhne al» rechtliche Inhaber secn«» Hab und Gute» eingesetzt. Eine Stunde später nahm Scipione Taranzella einen starken Strick, ging in sein« ehemals ihm gehörig« Olivenplantage, suchte an ihrem äußer» sten Rande einen soliden Baum aus und erhängte sich daran, nachdem er sich vergewissert hatte, daß niemand in der Näh« war. Er wollt« es vermeiden, daß man ihn abschnitt und wieder in« Leben -urückriof. Es war ja doch auf jeden Fall hoffnungslos. Wenn man e» schriftlich hat, daß man tot ist^ dann ruft einen keine Macht ins Leben zurück. O Scipione Taranzellas zweiter Tod tat dem reli- g'öscn Vormarsch Sant' Antonios in der G«meind« Capri Einhalt. Die Lapreser sagten mit Recht: „Was hat man von einem Heiligen, der einen ins L ben zurückruft, wenn man sich nachher aufhänqen muß? San Costanzo tut keine Wunder, aber er stellt auch kein Unglück an/ Und sie stellten mit Achselzucken fest: .Sant' Antonio — d un santo eattivo!" Don ihren Felsen sahen die Anacapreser schaudernd aus Capri, dre Pflanzschule der Großstadtgewoyn- heitrn und der Skepsis, und sagten: „Sant' Antonio ist ein ausgezeichneter Heiliger aber gegen di« Advokaten kommt er nicht auf!" Die welke Lilie Eine New Yorker Geschichte Don ei». (rotlsnkslE Der Theaterdirektor stürzt eines Morgens in sein Vuveau, klingelt ungeduldig nach dem Sekretär und schreit ihn an: „Wo stecken Sie denn, zum Teufel? — Ich lese eben in den Zeitungen von der Krankheit des Dich» ter» ... des Dichters... wie heißt er nur gleich?" „Meinen Sie Joe Parkins, Herr Direktor? Don ihm ist in den Blättern vi«l die Rede . . / „Ganz richtig. Sagen Sie: wer ist dieser Parkins?" „Ein Ringender, Herr Direktor, ein Seher sym» bolistisch-okkultistischer Richtung — kurz, ein Mann, der außerhalb Ihrer Interessensphäre steht; ein Genie." „Wieso außerhalb meiner Interessensphäre? Er soll doch dem Tod nahe sein, heißt es in den Zei» tungen. — Hat er Stücke geschrieben?" „Erinnern Sie sich nicht, Direktor, an einen blassen, jungen Mann, der vor einigen Monaten drei», viermal da war? Und wollte sich gar nicht von seinem Manuskript trennen? Sie sagten mir noch: „Sekretär, da» Gespenst darf mir nicht mehr über vt« Schwelle — ich vertrage feuchte Hände nicht." „Gleichviel — der Mann liegt im Sterben, heißt e» in den Blättern. Wir müssen sein Stück sofort herausbringcn — noch am Tag des Todes, solang Ida» Ereignis brühwarm ist. Bringen Sie das Manu» skript und lesen Sie es mir vor!" Der Sekretär las. Nach dem dritten Satz sprach der Direktor: „Kurz, ein Dockmist; Literatur. Treibt das Publi kum sicher aus dem Theater. Am Tag des Todes aber? Wenn die Nekrologe in den Zeitungen stehen? Ah, dann ist Pietät eine schöne Gebärde — und den Kritiker möchte ich sehen, der sie mir nicht auf das ergreifendste würdigt. Verteilen Sie die Rollen!" „Und wenn er nun nicht stirbt?" Der Direktor schritt auf und ab; blieb plötzlich stehen und rief: „Meinen Ucberzieher, Hut! Ver ständigen Sie den Photographen! Ich eile an das Lager de» Poeten. Erst mal sehen, ob der Mann wirklich so weit ist." Der bleiche Dichter im Bett erschrak auf das glücklichste, als Besuch über die Schwelle kam. Nie vorher war Aehnlichcs geschehen. „Behalten Sie, bitte, einen Augenblick diesen wonnigen Gesichtsausdruck!" sagte der Direktor. Und -um Photographen: „Haben Sie. . .?" Abermals zum Kranken: „Eia Meisterwerk, Ihre „Welke Lilie", — aller Schönheit voll; wird Epoche machen. — Reichen Sie mir heiß die Hände, lieber Freund! Sehen Sie mich »al innig an! Sol Photograph, knipsen Sie! Fertig. — Und nun, Meister: Wie geht es Ihnen? Husten Sie immer so schauderhaft? Ja? Herrliches Stück? Wir proben noch diese Woche. Spucken Sie auch Blut? Ah, spätestens Eonnnabend ist die erste Auf führung. Photograph, versenden Sie die Bilder so- fort an sämtliche Redaktionen!" Mit letzter Kraft hatte sich der Dichter im Bett aufgesetzt und flüsterte: „Agathe, mein Weib! Bisher wollt' ich sterben — da» hat mich krank gemacht. Nun will ich leben — ba» wird mich gesund machen. Wie dank ich Ihnen, Direktor! „Die welke Lilie" auf der Bühne! Ich darf, ich werde, ich muß meine Schöpfung mit eigenen Augen sehen." „Gottes Wunder!" jubelte die Frau. „Sehen Sie nur, Herr Direktor: er gewinnt Leben, Farbe!" Der Direktor wandte sich auf dem Absatz um, aina davon. Welche Eselei hat er da angerichtet! Sich selbst um einen sicheren, riesigen Erfolg zu bringen — unglaublich; sich mit eigenen Händen den Hal» abzudrehen — wie dumm! Eine Woche darauf erschien, auf ein«» Stock ge stützt, der Dichter beim Direktor: „Ich komme, um Ihnen tiefsten Dank zu sagen. Eie mein Retter! Mein Gott und Abgott! Seit Ihrem Besuch huste ich nicht mehr und blute nicht. Ich wevde völlig genesen. — Und wie steht «» mit den Proben?" Darauf der Direktor: „Wir proben — gewiß. Sogar sehr fleißig; ein andere», vernünftiges Stück. Ihre vertrottelte Sym- bolisttk aufführen? Ich denke nicht darau." Der Dichter wollt' e» zuerst nicht glauben. Sah den Direktor mit weiten Augen an. Dann fiel er in den Stuhl und wand sich in furchtbarem Husten. Al» er hrlmkow, fragte die Frau entsetzt: „Um de» Himmel» willen — wa» ist geschehen?" Der Dichter antwortete mit Blut. Der Direktor ist bester Hoffnung; hat schon wieder Proben «-«setzt. Weihnachten von Univ. Prof. vr. 4. W>. (Bonn) Welten der Innerlichkeit umspannt da» traut« Wort der Weihnacht. L» weckt di« Erinnerungen an seliger Kindheit Tag«, in denen Auge und Gemüt frag los die Wunder des Feste» cn sich auineymen. Noch heute ist es in den Herzen und Köpfen frommer Lhnstmenschen umwoben von zartesten Geheimnissen und leitet hinüber aus der harten Welt des Raume» und der Zeit in da« Friedensveich des Ewigen. Grundidee und Grundstimmung dieses Festes sind bereits beheimatet in der vorchristlichen Welt. Sie gehören dem „unbesiegbaren Lichte". Schon alt orientalische Sonnengötter tragen den Namen: Unbe- sicgbar«. Ays dem Orient drang der Kult des Eonn:n- gotles immer mehr in da» Abendland ein und ver band sich hier mit dem römischen Kaiserkult. Auch die aus Persien stammende Verehrung de» Rtithra», di« durch Soldaten de» römischen Heeres sowie durch Kaufleute und Sklaven Verbreitung fand, galt dem siegenden Licht. Der Tag des tiefsten Sonnenstandes wurde als Geburtstag diese» — wiederum schon nach heidnischer Vorstellung von einer Jung, rau geborenen — Lichtgottes gefeiert. An solche bestehend« heidnisch-religiöse Feierstimnmng konnte die christ liche Kirche in geschickter Weis« anknüpfen. Von alter» her hatte man auf Christus das Wort de» Propheten Maleachi 4, 1 bezogen: Es wird aufgehen di« Sonne der Gerechtigkeit und Heilung ist in ihren Schwingen. Bei der Darstellung Jesu im Tempel, vierzig Tage nach der Geburt, begrüßt der greise Simson das Kind lein als das Licht der Welt, wie in ganz ähnlicher Weise Buddha ein halbes Jahrhundert vorher begrüßt worden war. Di« messianische Erwartung, das im Dunkel wandelnde Volk werde ein großes Licht sehr», schien damit erfüllt. In der ältesten Christenheit aber siel das Vöeihnachtsfest zusammen mit dem Feste der „Erscheinung des Herrn"; Epihani« — S. Januar. Erst seit Mitte des vierten Jahrhunderts wurde es auf den Tag der Wintersonnenwende gelegt. Damit hatte ein altheidnischer Feiertag, der 25. Dezember, einen neuen Inhalt gewonnen^ oder besser gesagt: di« alte Grundmelodi« des religiösen Mythus von der Geburt Sonne und des Sonnengottes erklang an dem durch fromme Ueberli«ferung geweihten Tage in neuer Variation. „Das Licht nimmt zu"; auf diesen Ruf war das heidnische Sonnenwendsest gestimmt. Da» christliche Weihnachtsfest stimmte in seiner Weise m den gleichen Grundakkord ein. Es prie» und preist das in der Krippe liegende Knäblein al» seinen einzigartigen „göttlichen Heiland" des „einzig wah- ren" Erlösers des Menschengeschlechtes, al» das himm- lische Licht, da» nach den Worten des Zohannes^Lvan- acliums »ur Erleichterung der Menschen in die Weit kam. Als der große Kirchenvater Augustinus in der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts von dem Manichä«r Faustus den Vorwurf hörte: Ihr Christen begeht ja die heidnischen Neujahrs- und Sonnwendfeste, gab er für die metaphysisch kirchliche Heilandslehre die typische Antwort: „D«r, den wir feiern, ist mehr al» die Sonne." Di« Menschwerdung des vom Christentum ver kündeten Gottessohnes Jesus von Nazareth führte «.neu scharfsinnigen Theologen des 11. Jahrhundert», Anselmu« von Lanterbuy, auf den begrün- deten Gedanken: Gott mußte Mensch werden und Flcischgcstalt annehmen; denn der Mensch hatte rn Adam ein« unendliche Schuld auf sich geladen, welche m-t eigenen Kräften zu sühnen über sein endlich«» Vermögen hinausging. Gott als allheilige» Wes-.n aber durfte nicht aus Sühne verzichten und mußt« sie von dem sündigen Menschengeschlechts fordern. So mußte ein Doppelwesen erscheinen, ein „Gott-Mensch", um beiden Gedanken, der unendlichen Schuld wie der unendlichen Sühne, Rechnung zu tragen. Bis zum heutigen Tage behauptet sich diese Lehre von der Menschwerdung des Gottessohnes Christus als ein Kernstück des „apostolischen Glaubensbekenntnitses, der kirchlichen Dogmatik. Trotz aller Zweifel und Ein wände, welche menschliche Vernunft immer wieder geltcnü zu machen geneigt ist. Sollt« dies nicht sein«» tiefsten seelischen Grund darin haben, daß die zarte Poesie des Acndleins in der Krippe, di« erhabene Ide« reinster Mütterlichkeit, immer wieder den orll- belnden Verstand zum Schweigen bracht«, in solchen, die das überlieferte Glaubensgeheimnis nicht in seine rem menschlichen und übermenschlichen Bestandteile zu zerlegen geneigt oder vermögend waren. Ls starben Tausenden und aber Tausenden Menschen unseres Zeitalters jene frommen Gesichte, di« di« kirch lichen Gläubigen heute noch erfüllen. Gerade für jene im alten Kirchenglauben erschütterten Menschen kehrt darum heute die Idee des Weihnachtsfestes in ihrer vein menschlichen und natürlichen Bedeutung zurück. Die Kripp« m Bethlehems Stall ist das zeit- überlegen« Sinnbild des Gedankens, daß das Hohe und Höchste nicht geknüpft ist an äußeren Prunk, an die Vorrechte de» Stande» und der Klass«, daß der wahre Adel der Geburt an sich von äußerer Lage un abhängig ist, daß reiner Menschenwert Lauterkeit der Gesinnung, Wärm« des Herzens sowie auch Klarheit des Kopfes und Energie des Wollens keine Vorrechte reicher Herkunft sind. So ist di« Krippe mit den sie umwebenden phantasievollenLrzählungen geeignet, nicht nur di« Christen aller Bekenntnisse, sondern mehr noch all« Menschen — soweit sie des Namens würdig sind — zu einigen. Die Lichter der Krrppe und des Weihnachtsbaume», dessen Sitte feit etwa drei bis vier Jahrhunderten nachweisbar ist, senden wärmend« Strahlen auch in frostig« Menschcnhcrzen und predigen di« Kunst eine gütigen Verstehen» und milden Schenken». Am „heiligen Abend" frierende, zitternde Kinderhände bedeuten ein« schwere Anklage gegen bestehende Un zulänglichkeiten des menschlichen Gemeinschaftslebens. Aufeinander an der Geburtsstätte ihre» Erlöser» in Jerusalem in heiliger Weihnacht schießend« „Brüder im Christo" bedeuten vollend» die schnödeste Derleug- nung dieses Festes der Liebe mit ferner Fr'.edensbot- schäft und seiner aller Gewalttätigkeiten abholden Weife. — Ein« kühn« Diston schleicht sich angesicht- aller völkischen und menschlichen Zerrissenheit der Gegenwart in hoffnungsvoller Phantasie: Vertreter aller Klassen, Stände und Berufe, ja di« Vertreter aller Kulturnationen — zunächst und vor allem di« der sogenannten christlichen — möchten sich g«rad« an diesem Feste der Lieb« in stiller Feierstunde ver- sammeln und sich aus die gemeinsam« Ide« de» Menschentum» besinnen. Die» ist da» tiefste Weihnachr»probl«m: Dürfen wir an «in« eryige in den Tiefen der Wirklichkeit wohnende Licbesmacht al» an den „Sinn der Welt" glauben? Trotz aller Lieblosigkeiten im Natur- und Menschend-sein? Trotz aller avaustgen Füll« de» Leide» und der Schmerzen aller Art, der Dissonanzen in dem un» umtönenden Weltenliede? Mag «» über di« Kraft vieler gehen, einen gütig«» Vater im Him- mel durch die dunkl«n Wolken des Erdendasein» hin durch zu schauen, der Wert de» menschlichen Ideals der Güte bl«rbt an sich von solchen weltanschaulichen Be denken und Ueberlegung«n unberührt. Die» ist unsere Weihnacht» h o f f n u n g: Glaub« an den Beginn eme» neuen Leben», der in der aufwärts steigend«» Sonne sein Sinnbild findet. Ohne den Frühlings- glauben an den Sieg de» Lichte» droht unser Innere« zu ermatten und sein« Schwingen einzubüßen, wie hart auch immer die Probe solchen Hoffen» sein mag. Di«» ist unsere Weihnacht« p r e d i g t: Tatkräftiger Samaritergeist, dienend« Lieb« und Hilfsbereitschaft, wo immer Linderung einer Rot im Derelch« unserer Möglichkeiten liegt, ohn« Bekenntnis, Partei und Nasse de» Hilfsbedürftigen über da» Maß unserer Zuwendungen entscheiden zu lassen. Di«» endlich ist unsere Weihnacht» freude: Die Seligkeit de» Der- strömen» unserer Kräfte im Dienste der Gemeinschaft. Na» Orchest.r Don Lmim« >ü«s«rlv» v«i >lb«U Laar«» >» M-ruhr» «rschieo«» LI« AugeuLkrlnnirung«» von T«lma Lagcrtts — unter L<» L trl .Marbacka" (so hieß bat Gui, wo st« ^Lr« Kinderlahr« vulebN). Dir s»l««ade Probe aut Le» IchLnen Buch L«r grohei» schwedischen Tichlirin bst »oll rSeihnachtSskonnon». Der Major Ehr « nkrona, ein geborener Finn länder, hatte früher in einem prächtigen Hause ge- wohnt und war ein vornehmer Herr gewesen, aber auf sein« alten Tage hatte er sich in einem Bauernhause e.ngemietet und lebte ungefähr ebenso arm und ein tönig wie der Fahnenjunker von Wachenfeldt. Es ging -war da» Gerücht, er sei ein Meister auf dem Waldhorn, aber seitdem er arm und verlassen war, hatte »hn nie jemand spielen hören. Und da war auch der Herr Ty berg, der seine Laufbahn al» Trommler bei dem Värmländschcn Re giment begonnen halt«, aber am Suff zugrunde ge gangen wäre, wenn nicht Leutnant Lagerlös auf M^r- backa sein großes Talent, kleinen Kindern Lesen und Schreiben beizubringen, entdeckt und ihn zuerst zum Lehrer soin«r eigenen Kinder gemacht hätte. Und -später hatte er ihm eine Stelle an einer Vorschule in Ost-Aemtervik verschafft. Und da war Ian A s k« r, der auch Musikant im Därmländischen Regiment gewesen war, und nun dl« Stelle als Küster und Totengräber in Ost-Aemter- vik bekleidete. Dieser Mann stammte au» ».ner alten Musikantenfamilie und blie» di« Klarinette bei allen Hochzeiten und Tanzereien. Er war trübselig und verbittert, und nur allein di« Musik söhnte ihn etwa» mit dem Leben au». Der Buchhalter Gejer wohnte in einer Bodenkammer im Schulhaus und führte sich selber die Wirtschaft. Er liebte Mus k über alle« in der Welt, war aber bettelarm, deshalb konnte er sich keinerlei Instrumente halten, und so hatte er sich auf seinem Holztisch sine Klaviatur eingerichtet, und d rauf spielte er. Und schließlich war auch da der Kantor Me la noz, den der Propst Fryxel in seiner eigenen Person unterrichtet hatte, und der Gedichte und Stiefel machen, Möbel schreinern und Landwirtschaft treiben konnte. Er war der Festordner bei allen Hoch- zoiten und bei allen Begräbnissen, außerdem war er ober auch der beste Schullehrer im ganzen Frylental«. Jeden Sonntagvormittag mußte er auf der schauder- haften Orgel m der Ost-Aemterviker Kirche spielen. Da er aber von Grund aus musikalisch war, wäre ihm das unerträglich gewesen, hätt« er nicht seine eigen« Geige gehabt, auf der er dann am Sonntagnachmittag zu seinem Tröste spielt«. All« diese Leute beschlossen, sich in den Weih- nachtsferertagen aufMarbacka zu treffen, solang« dort noch was übrig war vom Weihnachtsbier und Weihnachtsschinken und Gewürzbrot. Als der erste von ihnen in Marbacka eintras, ging er nicht gleich in» Haus, sondern wartete, bis all« beisammen waren, der Maior Ehrenkrona und Herr Tyberg, der Küster Ian Aster, der Buchhalter Gejer und der Kantor Melanoz. Dann marschierten sie, der Major an der Spitze, nach der großen Treppe, indem sie sangen: „Portugal, Spanien und Großbritannien." Leutnant Lagerlöf hatte wohl etwas Wind be- kommen, wa» im Werke war, aber er war nicht Kinausgegangen, um den Gästen nicht ihr« Freude zu verderben. Al» er aber den Gesang hörte, stand er sofort auf und eilte hinaus, ihnen entgegen. Und wer diesmal auch nicht faul war, da» war der Fahnen junker von Wachenfeldt, der natürlich auch noch auf Marbacka war, da ja di« Feiertag« noch nicht vorüber waren. Aber während die Gäste in die Kammer gingen, um ihre Pelz« und Ueberschuhe abzulegen, schickt« Leutnant Lcmeriöf seine beiden Jungen Daniel und Johann auf die Bodenkammer und ließ st« di« Gitarre, das Waldhorn, die Flöt« und di« Triangel yol«n, die dort hingen. Er selber eilte in» Schlaf zimmer und zog unter dem Bett einen starken Geigen- kästen hervor. Er stellte ihn auf einen Stuhl, steckt» den Schlüssel in» Schloß und hob andächtig die in »in rotseidcne» Taschentuch gewickelt« Geige heraus. Und obgleich er selber nie raucht« oder duldete, daß im Hause geraucht wurde, schickte er doch die Jungen fort, um eine alte Tabakspfeife mit langem Rohr, di« noch au» Pastor Wennervik» Zeit staminr», zu holen, sow.e einen viereckigen Holztasten, der voll Kanaster war damit der Major Ehrenkrona seine ge wohnte Pfeife schmauchen konnte und nicht in üble Laune geriet. Al» dann die fünf Gäste mit dem Fahnenjunker mn Wachenfeldt und Leutnant Lagerlöf in den Scat getreten waren, wurde ein Auftragebrett mit den ge küssten Punschgläsern hereingebracht, und der he^ß« Punsch wurde von allen — mit Ausnahme von Herrn Tyberg, der dem Alkohol für immer und ewig ab- geschworen hatte — mit Behagen geschlürft. Denn dann de» Major» Pfeife auch noch in Zug gebracht war, dann kamen alle miteinander zu dem einmütigen Entschluss«, lieber Musik zu machen, al» die Zeit mit Klatsch oder Kartenspielen totzuschlagen, dazu seien sie sich wirklich zu gut. Darauf hatte der Leutnant nur gewartet, und nun beeilt« er sich, die Instrumente herbeizuholen, dl« er so rasch hatte zusammensuchen lassen. Sein« eigene Geige reichte er dem Kantor Melanoz, der zwar erst Komplimente machte, weil di« Geig« die Königin der Instrument« lei, und sich hier in diesem gimn.er noch andere befänden, di« würdiger seien al» er, sie zu spielen. Al» aber niemand Anspruch darauf erhob, war er so selig, wie wenn er einen Schatz ge sunden hatte, und fing sofort an zu stimmen und zu schrauben. Natürlich sollt« Herr Tyb«ra dl« Flöte haben. Di« war sein Instrument bei« Regiment gewesen, nachdem er über di« Tromm«! hinau-gewachsen «ar. Er kannte auch gar wohl die alt« Flöte auf Marbacka und wußte, daß sie undicht und ausg«trocknet war. Er eilte daher in di« Küche, um di« Flore in Dünnb.er zu tauchen und die Lp.unge mit Werg zu umwickeln, damit sie -usammenhrelten. cp Di« Gitarre gab der Leutnant dem Buchhalter Gej«r. Der Bucyc-alter hatte ein langes, schmal-!» Gesicht und einen langen, dünnen Hals, wayerblaue Augen und lang«, dünn« F.nger, rn seinem ganzen Wejen war etwas Zcerlichcs und Schmachtendes. Er hängte sich das brecte, buntseidene Gitarreband mit e.nrm backfischartigey Geläcyter um den Hals und drückte die Gitarre so innig an sich, als wäre sie seine Geliebte. Er sah zwar wohl, daß sie nur noch drei Saiten hatte, aber die waren ihm noch genug, ihm, der gewohnt war, auf einem Holztische Klav.er zu spielen. Der Küster Aster war weitsichtig genug gewesen, seine eigene Klarinette mctzubringen. Er hatte sie in keiner Manteltasche und brauchte nur in tue Kammer zu gehen und sie zu holen. Fahnenjunker von Wachenfeldt saß in seinem ge- wohnten Ofenwinkel und machte all« Anstrengung! n. vcrgnügt auszusehen, obwoht er wußte, daß er mit seinen steifen Händen kein Instrument mehr spielen konnte. Aber da trat der Leutnant zu ihm m:t der Triangel, denn die konnte er doch noch handhaben, und da wurde auch er höchst aufgeräumt. Major Ehrenkrona saß mit sein«r Pfeife ruhig da und blies Rauchwoller durch seinen starken, wechen Schnurrbart. Er sah, wie einer nach dem anderen ein Instrument bekam, aber er schien es nicht zu merken. „Gib mir ein paar Topfdeckel," sagte er zu Leut nant Lagerlöf, „dann kann ich auch Lärm machen. Ich weiß ja, daß das Instrument, das ich spielen kann, hier nicht zu finden ist." Der Leutnant schoß wie ein Pfeil ins Nebenzimmer und kam zurück mit einem blitzblank geputzten Wald horn an grüner Seidentroddel, das er so glücklich ge wesen war, für den N!ajor beschaffen zu können. „Was sagst du dazu, Bruderherz?" fragte er. Der alt« Mann strahlte. „Du bist doch ein famoser Kerl, Bruder Erst Gustav," sagte er. Dann legt« er die Pfeife weg und begann in das Waldhorn zu tuten, entsetzlich laut und gewaltig. Nun waren alle versehen, aber jetzt merkten sie auch, daß der Leutnant allein kein Instrument hatte. Der aber zog eine kleine Holzpfeif« hervor, die man zur Hälfte in Wasser stecken mußte, wenn man darauf blasen wollte. Wenn man nur ein bißchen achtgab, konnte man Triller damit hervorbringen, deren sich keine Nachtigall zu schämen braucht«. Zu guter Letzt baten sie noch Frau Lagerlöf herein zukommen und sie auf dem Klavier zu begleiten. Dem Major zu Ehren versuchten sie zuerst den „Björnebürger marsch". Frau Lagerlöf spielte vor und sieben Instrumente fielen ein, so gut sie konnten. Das war ein geradezu verblüffendes Getöse. Alle taten ihr Bestes. Der Kantor Melanoz und Ian Aster und Herr Tyberg waren die sicheren Stützen. Aber der Major kam nicht immer mit, und der Leutnant brachte ferne Triller an den verschieden- sten Stellen an, teils, weil sein« Wasserpfeife ihre Launen hatte, teils, weil er die anderen gern aus dem Takt bringen wollt«. Nachdem sie den Marsch glücklich zu Ende gebracht hatten, waren sie alle hochocfriedigt und beschlossen, ihn noch einmal zu spielen, damit er ganz tadellos gehen sollte. Gut, der Major tutete und blies, daß er rot« Augen bekam und seine Backen zu platzen drohten. Aber solch ein ganzer Meister auf dem Waldhorn, wie er selbst vermeinte, war er doch geraoe nicht, denn auch jetzt wollte es ihm nicht glücken, Takt zu halten. Aber mit einem Male fuhr er heftig auf und schleuderte sein Waldhorn gegen den Ofenwinkcl, so daß er fast des Fahnenjunkers schmerzhafteste Zeye zerschmettert hätte. „Hol s der Teufel!" schrie er. „Ich will euch dach den Djörnebürgcrmarsch nicht verhunzen. Spielt ihr yn allein, denn ihr könnt ihn!" Die anderen waren erst etwas bestürzt, begannen aber zum dritten Male, und da fing der Major an mitzusingen: „Söhne eines Volkes, das blutete und litt!" Er begleitete das Spiel mit seinem schönen, kräf tigen Baß, der das ganze Haus erfüllte. Und die menschliche Stimme floß dahin wie ein starker Strom und riß das klapprige Klavier und die wimmernde Klarinette mit fort, 'so gut wie die Geige, die der Kantor nach alter Spiclmannsart handhabt«, sowie Herrn Tybergs zersprungene Flöte und die dreisaitige Gitarre mitsamt der von dem Fahnenjunker mit steifen Händen geschlagenen Triangel nebst des Leutnants launenhafter Nachtigall. Alle wurden warm ums Herz dabei, denn es brannte ihnen noch in der Seele, daß wir Finnland verloren hatten, und nun war es ihnen, als zögen ss« mit den tapferen Björnebüryerjungen, um das ver loren« Land den Russen wieder zu entreißen. Als der Marsch beendet war, machte Leutnant Lagerlöf seiner Frau ein Zeichen, und sie fing an zu spielen: „Edle Schatten würdger Ahnen" aus der Oper „Gustav Wasa", des Major» Leibstiick. Der Major sang das Lied mit kräftiger Stimme, und die anderen Instrumente schienen beinahe auch zu singen. Aber in dem steifbeinigen Sofa zwischen den Saal fenstern hatten sich alle K-nder des Hause» «ingenistet, Daniel und Johann, Anna und Selma und Gerda. Sie saßen mäuschenstill und waren ganz Ohr. Es war wobl an ihnen, sich still zu verhalten, wcnn die Alten spielten und sich belustigten, al» wären sie Kinder. Als der Major sang: „Edle Schatten würdger Ahnen", da glaubten sie, er meine sich selbst damit sowie di« anderen Mitspielenden im Eaal. Denn für die Kinder war«n sie doch wi« Geister oer Entschwundenen, Schatten au» einer reichen, alänzen- den Zeit, von der nur dieser schwache Widerschein zurückgeblieben war. Maria Zu Bethlehem t« einem Stalle wacht« Sankt Joseph bet Maria und dem Kind, Da- Oechslein muhte, und da- Es lein lachte. Im Dachstuhl sang d«r Wind. Maria aber, welche au-erkor«, Sprach tu der Dunkelheit: «Ich habe einen Sohn geboren — Mein ist das Leid/
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