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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 23.12.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-12-23
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192312230
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19231223
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19231223
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-12
- Tag 1923-12-23
-
Monat
1923-12
-
Jahr
1923
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Still« Von ll0ft»nnn» AH. V»tNf«V»N Lehr mich- Still«, Einsamkeit al» ein beschenk de» Himmel» lieben und e» al» Kleinod im beglückten Busen hüten! Lehr mich, Stille, au» dem lauten Alltag zu Dir mein« Zuflucht nehmen, und gesammelter an Kraft in de» Werden» ruhelosen Strom zu tauchen! Lchr «ich, Stille- leis« Flüstertöne, die sich zueinander all« Dinge raunen, andachtvoll be lauschend zu erraten! Lehr mich, Still«, mein vergangen!«» Leben prüfend zu erwägen, und belehrt durch sein« Mahnung künft'ger Tage Lauf zu lenken! Lchr mich. Still«, gang verschwiegen Zwie gespräch« mit de» Weltenherzen führen und in Demut seir u: ew'gen Regung mich ergeben! Lchr mich, Stille- schweigend am beredtsten zu tönen und mich stumm dem Höchsten zu verneigen! t«u» den .Mystisch«« Vedeteu*. Wolken- Wanverer-Uerlag, z-eipjt-.> Der kleine Spielzeugmacher Don Kleftnrü Kina Man muß ein paar Stufen kellerwärt» steigen, will man in Laster Knebel» Werkstatt gelangen. Dort hämmert der Pater Leberflecke aus briuyige Sohren und pfeift sich ein Liede! dabei. Will es to».rrag werden, bann hält er wohl tuswerlen e.n wenig inn« und reckt sich, bis er durch da« hoch gelegene Fenster auf di« Straße schauen kann. Jetzt muß der Peterl doch bald aus der Schul« kommen! Nichtig, da ist er auch schon! Vorsichtiger al» zehn- jährige Buben sonst zu sein pflegen, geht er die T.cppe hinab, gibt dem Vater bescheiden sein Will kommen und macht sich am Herde zu schaffen. Di« Werkstatt ist Küche zugleich und auch Schlaskammer. Seit Mutter tot ist, betreut Peterl Vater» Bo, haglichkeit. Sie reden wenig, wenn sie nun esse» Zeder kennt sein Tagwerk. Während Vater fein Nickerchen macht, wird abgeräumt und Geschirr ge spült. Und wenn der Meister, nicht ohne ein bißchen zu fluchen, aufschreckt, da sitzt der Peterl schon längst bei seinen Hölzern und Malereien. Denn Peterl ist Spielzeugmacher, müßt Ihr wissen. Keiner sägt so sorgsam wie er Hampel- männer aus dürrem Holze. Versieht sie mit Schnur und Halter, beklebt ihren Kopf, Rumpf und Glied- mascn mit den Ausschnitten der Bilderbogen und malt ihnen Augen, Nase, Mund und Schnurrbart. Auch Puppenstuben gelingen ihm gut. Mit Sorg falt zimmert er die kleinen Möbel- sägt und schneidet und leimt und malt. Das geht so Nachmittag um N mittag-, die ganze Woche hindurch. Am Wacken ende aber trägt Peterl seine Kunst zum Händler Höberl, der Hampelmänner und Puppenstuben in seinen großen, roten Händen dreht, sorgfältig prüft, ein bißchen mäkelt und dann au» der speckigen Bri.-f- tusche die Geldscheine holt. Der kleine Peterl krieat seinen Lohn immer um ein paar Mark höher al» vere-nbart war. Denn der alte Höberl ist ein guter Kerl. Das geht so Tag um Tag, Woche um Woche. Die Schulgenossen lassen im März Murmeln gegen die M-iuer stiegen und balgen sich lustig beim Sp ei. Sie gehen im Sommer auf den Salamanderfany und we-f-n im Herbste die Drachen in die Luft — Peterl s-^t an seinem Holztische und fertigt Spielzeug an. Klopf . . . klopf . . . macht Vater» Hammer und gibt dem Nagel noch eine» auf den Kopf, wenn er gar nicht sitzen mag. Nrrrr geht die L'ubsog» de» Tuben, und nur selten gibt sie einen lichteren Klang, m-nn Peterl nämlich sie aus ihre Elastizität prust. Sonst hört man nicht» im Zimmer. E» sei denn, d-ß Kundschaft da ist und mit dem Vater «in vaar N'o-te spricht. Dem Buben auch wohl eine Freund- l ckkeit sagt, ehe sie die Klinke in di« Hand nimmt und weitergeht. Sie sprechen nicht viel bei der Arbeit. Vater und So'-n. Dustert ein jeder feinen Gedanken nach. U »r de» Schuster« Arbeitstisch hangt, höher al» di' Wasserglocke, ein staubiges Seg-lschiff, brav o'-sg'takelt: ein alte« Modell Dort finden Voftr Knnb-l» Blick« oft einen Ruh«punlt. Dann aber f-*t sein Herz schneller, Wandernnrast erwacht m >r Er steigt in da» Schiss und fährt in fremd« L "d-r ... bi» zu den Menschenfressern: .Ich b'n Sck"ster Knobel, der Weltreisende. . . Nimm di i«i in Obacht, du schwarz«, Ungetüm. Sonst renn i dir m'«n Schwert in a Bauch nei. . ' Und wirk! ch, er hebt sein Schwert .. . holt au» . . st'cht zu. . . . Herrschaft! wirklich, er sticht mit de- Scku'sterable Löcher in di« geduldige Luft der heimischen Sester- m-nkstatt. Und — schämt sich auch ale'tb ein bissen. Ob's der Peterl gemerkt hat, wa» für ein alter Es l sein Vater ist? Ist ein Flickschuster und will Menschenfresser schrecken. Und er h-bt den Hammer und haut noch mol so fest auf die Nägel, al» gelte e«: Jeder Schlag einen Wilden. Und Peterl? Nrrrr geht die Laubsäge. Nun lockert der Bub d-7» im Schraubstock ruhende Holz und sägt eia« zlerl'che Kurve. Unermüdlich .Braver Bub* brabbel» Vater Knobel vor sich hin. .Denkt nur an seine Arbeit . . . .* Unermüdlich sagt da» Peterl und schaut so «rnst drein, al» glaube er. von der Nase des gerade be arbeiteten Kasperl» häng« sein Leden ab. Er sägt rrr« ... doch da ... ein Klingklan- ,.. ritsch .,, sein« Kein« Lil-e ist gebrochen. P«terl wird rot.., er will etwa» sag«« .. . aber er kommt nicht dazu.... Kundschaft klügelt in die Werkstatt hinein. ' Dam hornbebrillten Kunden — er spricht sich bald darauf au», er heiß« Meier und wohne in d«r Hohen Straße — ist da» Schuhbandchen gerissen. Auf der linken Sette natürlich, auf der er immer Pech habe. — Vater Knobel zieht bedächtig den Ersatz durch den Stiefel. Der in seinen l la St ümpfen dah nplactende Kunde aber schaut de« Bube« zu, der mit der neuen Säge sich gerade um eine Kasperl-Rundung müht. .Da« macht wohl viel Spaß ... da» Spielzeug- sägen?* fragt Herr Meier. Der Peterl ist mit feinen Gedanken gerade ganz wo ander». In der Schule haben zwei Buben, eine» Kolonialwarenhändler» Söhne, von ihrem neuesten Spiel« erzählt: wie sie mit der Luftpistole noch den Köpfen von Flaschen zielen. E» klingt so hell, peng, wenn di« Kugel da» Glas trifft. Peng . . . und dann . . . ratsch . kling . . . wenn die Scherben fallen. Peng . . . kling. . . o weh, da war auf« neue eine Säge ge brochen. .T» . . . t» . . . t» . . .* macht der Herr und langt einen Geldschein hervor. Der Peterl logt .danke* mit rotem Gesicht und wagt kaum aufzu- scharren. .Schön« Hampelmänner ... verkaufst du die?* Peterl nickt. »Bving mir ein paar davon .. . wir bescheren zu Weihnachten arme Kinder damit... Hörst du? Du kannst mir ein halbe» Dutzend davon bringen. Wird schon zu bezahlen sein. Gelt?* Peterl denkt nicht an den Händler Höberl und nimmt da» Blatt mit der Adresse de» fremden Herrn. Der kriegt seinen Schuh und geht weg. Aber dieser Tag ist sonst ein »echter Unglück»tag. Erst da» Malheur mit den beiden Sägen, und jetzt — jetzt hat Peterl richtig den großen irdenen Tops mit den Dohnen für» Abendessen fallen lassen. Und wie da» alle« kam? Nicht mal ausgevutscht ist ev ihm — geradezu hingefchm ssen.. . . Nun weint der Peterl .Na ... na*, macht Vater Knobel, der mit seinen Gedanken im Pfefferlande ist. Und al» der PeteN nun in seinem Bette liegt, da fühlt er sich kreuzunglücklich. Ganz kribblig sind seine Hände. Oh, auch er macht mal sein« Arm« hoch werfen, oder den Fußball stoßen, oder auf Flaschen köpfe schießen! .Gibst kaa Ruh heut, Bub?* fragt der Vater. .Bata*, sagt Peterl, und seine Stimme klingt ganz sonderbar, geradezu feierlich klingt sie . . . «Data, wieviel Schuh bast denn du geflickt in deln'm L?ben.* .Bist narrisch word'n? Zahlt hab'» i net.* Aber der Peterl läßt nicht nach: .Und wieviel hast selber zerrissen?* .Mach L' Aug'n zu und schlaf, Peterl. Flick- schaust« san zum Herricht'n da, net zu'n Zerreiß'».* Dann sprechen sie nichts mehr. Aber Peterl bleibt wach. Oh, Vater charf oft zerreißen! E» ist lustig, wenn er die halben Sohlen vom Leder kennt. Ritsch . . . ratsch ... Da braucht'» kein« Sorgfalt, da darf man zupacken, daß es eine Lust ist. Da klingt .. . fast so schön, wie wenn die von der Kugel getroffen« Flasche zerspringt. Kling . . . pttsch . . . hahaha.... . Endlich ist er etng-schlafen, der dumme, dumme Peterl! Samstaa nachmittag geht er dann zu Herrn Meier. Er nimmt seinen ganzen Hampelmänner-Dorrat mit, und auch den Knecht Rup >>cht n dem e: sich zum ersten Male versucht hat. Der ist ein l^etn«, Kunst werk geworden, hat aber höllisch viel Arbeit gemacht! Denn da» Schnitzelmcfler geht dem Buben noch nicht recht von der H<md. Ach, e» kann ja niemand ahnen, wa» für Mühe es kostet, bi» so em Bart :md dft buschigen Augenbrauen ordentlich kleben. . . . Der Herr Meier bewohnt in der Hohen Straße eine kle ne Villa. Auch daheim trägt er seine Hornbrille mit den großen Gläsern. Der Peterl darf in da» Arbeits zimmer, wa viele Bücher mit schönen goldenen Ein bänden liegen lmd in Wandschränken stehen. Bald kommt auch ein Bubi, der wohl nur zwei Jahr« jünger ist al« der Peterl, und betrachtet neugierig di« Spielsachen .Di« find aber fein*, sagt der Kleine. Herr Meier gibt Peterl Geld. Ja, er kaufe den ganzen Krimskrams. Und er schaut freundlich durch die runden Brillengläser. Die e» denn dem Pate* gehe? L>b er genug verdiene. Einen schönen Gruß für den Vater. Und: ein« großmächtige Sonntags- zigarre au» echtem Tabak. Inzwischen hat der kleine Sohn sich um di« Hampel männer gekümmert. Er halt einen in der Linken und reißt mit der anderen Hand am Bindfaden Hoi, wie lustig de» Männlein» Gl edmaßen zucken. Peterl» Augen verfolgen da» Tun de» fremden Knaben. Der läßt da» Hampclkerlchen immer schneller arbeiten. Bi» plötzlich . .. ruck und ruck ... der Faden reißt. .Gelt, du machst ihn mir wieder?* fragt der fremde Bub. Peterl nickt, Herr Me er aber schimpft: .Pfui, du zerstörst, wa» der Peterl mit so viel Müh» zusammengebasteltl* Peterl» Herz klopft. E« ist ja wirklich 'ustig, an den Faden zu reißen. Da springen die Deine . . . hupf. . . und di« Arm« stiegen in die Höh! .Setz dich noch ein bißchen*, sagt Herr Meier, ^ast du schon dem Christkindl geschrieben?* VH, er ist sa ft über de« Christkind« Lieferant. Der schon al» Kind den Brotbaum begießen muß, dem sterben die Märchen frühzeitig. Peterl blickt zu Boden. E« steht Wasser in seinen Augen. Er schüttelt den Kopf. ^Host denn gar keinen Wunsch?* fragt b«r Harr. Da nickt brr Peterl s» heftig, al» sei er selber «in Hampelmann, und irgendwer reiße an seiner Schnur. Ab«r er schämt sich gleich wieder und steht nun rot übergossen da in Tränen. .Sag' »ach*, ermuntert ihn der Herr. Lnd ba wagt «r «a: ^Spialtz«», »«- »*, sogt « schnell. .Spielzeug? Du bist doch selb« »in Spftl-eo,- »«her .. .?* .Spielzeug, da» «ein g'härt und ba» l. . . da» i kaputt machen darf . . .* Da rückt der Herr Meier an feinen Brillengläsern und schaut drunter durch und Kgt: »Da, nimm doch di« Hampelmänner und dort den Ruprecht... Du darfst st« kaputt machen . . .* Ungläubig schaut der Peterl zu dem Herrn auf, der ihm nun den Ruprecht reicht. De» Buben Finaer zucken. Er faßt nach dem Barte der Figur. Er will nicht recht . . . Aber er hat schon zu hart -ugepackt. Da bleibt ihm denn Ruprecht» Bart in der Hand. Den mühsam ange- leimten Batt ... er hat ihn nun abgerissen. . . Der Peterl stehl'», fassungslo». E» ist ja so dumm und so schlecht. . . Spielzeug zerstören wollen? Er schämt sich furchtbar. Er nimmt feinen Hut, sagt schnell etwa» und geht au» dem Zimmer. Der Herr ruft freundliche Worte hinter ihm her. Trostreiche . . . Aber der Peterl ist schon tnmußen. Auf -er Straße aber weint er bitterlich. Denn tief unter Schluchzern ahnt er, daß ihn das Geschick irgendwie um seine Kindheit betrogen hat . . . Der Fahrer und der Teufel Don .Wa» der schon schwätzt,' sagte Nummer 114, die im gewöhnlichen Leben Buchmacher und mit allen Wassern gewaschen war. .Ls hat nie einen gegeben und wird nie einen geben.* Man sprach von der Predigt de» Pfarrer». Sie hatte vom Teuftl gehandelt und seinen tausendfältigen Erscheinungsformen. Dem einen zeigt er sich al« ein verführerische» Weib, dem andern al» ein schlechte» Buch oder Bild, jenem al» der sogenannte .gut« Freund*, diesem al» ein Glä»chen Schnaps. Freilich, mit Hörnern und Pferdefüßen und einem Bocks schwanz liefe er heutzutage nicht mehr in der Welt herum. Um so aefLhrlicher sei er geworden-, denn e» sei nicht leicht, ihn zu erkennen. Diese Predigt hatte ausnahmsweise die Aufmerk samkeit der Sträflinge gefunden. Sie hatten auf- gehorcht, und nun spannen sie auf Station 4, wo acht in Gemeinschaft lagen, da» Thema in ihrer Art fort. Es war Sonntag, wo die eigentlich« Arbeit ruhte; nur geputzt mußte werden. Der Buchmacher, gewiegt, wie er war, ließ die andern für sich arbeiten und schwang da» große Wort, während 111 und 112 im Schweiße ihr«» An- gesicht« den Boden der Zelle wichsten und putzten. Andere scheuerten die Waschschüsseln und die Tische, und da» Reinigen de» Drangeimer», die verachtetste Arbeit, besorgt« Nr. IIS, der kleine, untersetzte, wasserköpfig« .Fahrer*. Er war zu dumm, um dahinter zu kommen, daß st« sich alle über ihn lustig machten, baß sie ihm stet« di« niedrigste und undankbarste Arbeit zuschoben. Da« hatte seine Ursache darin, daß alle seine Ge- danken mit der Frage beschäftigt waren, wie die Sache denn eigentlich gekommen war. Er — Klau» Renkhobel — saß im Gefängnis, nachdem ,r vier Jahre lang seine Pflicht so brav erfüllt hatte, daß er der am wenigsten getadelte Fahrer im Depot gewesen war, den andern ein oft vorgehaltenes Beispiel. Und nun mußte es ihm passieren, daß er die ausdrückliche Vorschrift, an jener verdammten Kurve langsam zu fahren, vergaß und in voller Fahrt darüber hinweg sauste. Noch heut« klang der markerschütternd« Schrei de-- alten Frau in den Ohren, die ihr Enkelkind von dem Wagenkoloß erfaßt und zermalmt werden sah. Lr hatte gar nicht geleugnet, daß er Schuld hätte. Und die Richter hatten ihm so gern mildernd« Um stände bewilligt. Ob er denn besonder« Ursache ge habt hätte, rasch zu fahren? Vielleicht, daß er krank gewesen sei oder daß ihn feine Braut an der End- station mit dem Essen erwartet hätte? Nein, nicht, davon. Seinem von der Gesellschaft ihm gestellten Per- Leidiger hatte er »war einen Grund angegeben. Der Herr, der vorn auf der Plattform gestanden h"tt«, der hätte gemeint, die Pferdebahnen wären früher schneller gefahren al» die Elektrischen. Und diese Aeußerung habe ihn so maßlos geärgert, daß er dem Manne mal hätte zeigen wollen, wie schnell er fahren könnte. .Um Iotteswillen. Mann, sagen Ei« da« nich vor Iericht au«l Kost' Sie sleich «inen Monat mehr. Da schwelgen Se man lieber. Hören Se?* So hatte der Rechtsanwalt zu ihm gesprochen, al» er ihm von dem Herrn mitaeteilt hatte. Fahrer Renkhobel befolgt« die Weisung. Und auf alle Fragen de« freundlichen Vorsitzenden, dem der unbestrafte und gut beleumundete Mann leid tat, hatte er nicht» al» da» breite, verlegene Grinsen, da» Törichte und Böswillig« ihm al» Herzensroheit, der Menschenkenner ober al» jene Ucbergangsstufe zum Weinen deutete, über die schwerfällige Leute, wie er einer war, auch bei den heftigsten Gemütsbewegungen nich» hinauskommen. So mußte er die volle Strafe erhalten, sieben Monate Gefängnis wegen grober Fahrlässigkeit im Amt« mit tödlichem Ausgang. Vier Monate hatte er abgeseffen. Da» Sitzen war nicht da» schlimmste. Er arbeitete, aß und hatte Zeit zum Schlafen, weit mehr, al» draußen im Beruf. Aber mit dem würde es nun auf immer aus sein. Einen Totsahrer nimmt man nicht mehr. Er würde nun wieder taaelöhnern müssen. Vielleicht, daß er btt der Müllabfuhr beschäftigt würde. Im Geiste sah er di« .Elektrische* heransausen. Wie ein Könta stand der Fahrer vorn, die rechte Land an der Brems«, die Linke am Stromschalter. Da» für eine Kraft ist in seine -and gegeben! Die macht die schwer« Verantwortung den ganzen Men- schen größer! Und er hört die Klingel unter sich, di« die Straße beherrscht, vor der di« fernst« Equipage «»»weichen muß. Dies« Lerrlichkeft ist also hin! Endgültig. War- ixm? Durch wessen Schuld? Die sein« etwa? Nein, t:in er hatte keine Schuld! va hott« der Pfarrer vorhin vom Teufel ge sprochen. Hütet euch vor ihm; «e ist ein Sein«, Schlauer. Ihr denkt an alle» andere und schon sprecht ihr mit ihm. Und da war e» Klau» Renkhobel wie Schuppen von den Augen gefall««: Der Teuftl hatte ihn vgr- führt! . .. Und während der Buchmacher sich über den Pfarrer und seine Teufelered« lustig machte, daß di« andern alle lachten und ihr« Arbeit unterbrochen, mühte sich Klau» Renkhobel in seinem dicken Kopf, di« Ereignisse jene» dunklen Abend» wieder zu ver knüpfen. Er schuftete dabei mit Scheuerrohr und Sand der- maßen, daß unter dem braunen Schmutz und Rost überzug de» Drangeimer» der weißzinnerne Grund hervorkam, und daß da» verachtete Gerät allmählich blitzte, al» mach« e« Ansprüche darauf, mit dem Sveiseeimer zu konkurrieren. Al» der Aufseher bald darauf mit Fluchen und Schimpfen de« Buchmacher» zynischen Gesprächen ein Ende bereitete, meldete sich der Fahrer bei ihm zum Rapport beim Herrn Pfarrer. Der Beamt« nahm dft Meldung ansang« «iß- trauisch entgegen. Er argwöhnte, daß Renkhobel, wie die meisten andern, in der Zwiesprache mit dem Seelsorger nur nach einem Mittel begehrte, die Ein tönigkeit der Haft zu unterbrechen. Er war über haupt nicht Mr die Seelsorge im Gefängnis. Seele ist Quatsch, Hauptsache ist Reinlichkeit und Ordnung, da» war fein Brevier: aber al» er setzt den blanken Eimer erblickte, wurde er umgestimmt und sorgte dafür, daß Nr. IIS noch zur selben Stund« in de» Herrn Pastor« Arbeitszimmer geführt wurde. Der mit Schreibereien überhäufte geistliche Herr dampfte die Miene seines Unmutes, die die plötzliche Störung auf seinem Gesicht hervorgerufen hatte, zu einem gütigen Lächeln, als er hörte, daß die Predigt auf den Gefangenen «inen so tiefen Eindruck gemacht hatte, daß er setzt gekommen war, sein beschwertes Gewissen zu erleichtern. .Also du kennst den Teufel, mein Sohn?* .Ja, Herr Pfarrer. E» war ganz gewiß der Teufel, damals auf dem Wagen.* .Auf dem Wagen?* .Za, auf dem elektrischen, den ich doch fuhr.* Der Herr Pfarrer, der bet seinen vielen Schreibe reien sich nicht um Schuld und Art de» einzelnen Gefangenen hätte kümmern können, ließ sich den Hergang erzählen, während er nervös mit der Hand über die Stirn strich. Und Renkhobel berichtrft in seiner schwerfälligen Art: ^ ... er war ganz schwarz angezogen, so al« wie «in Leichenbitter. Und hatte schwarz« Augen und einen spitzen Bart. Und dann sprach er twch immer mit mir. Eigentlich durste ich ihm sa keine Antwort geben. Aber er — er ärgerte mich. Wir hätten den Wind im Rücken, sagte er, wie Langsam würde die Karre erst gegen den Wind gehen! Un bann lachte er. In meinem ganzen Leben hab' ich nie sowa» gehört. Und dann rauchte er auch so «ine jein« Zigarre. Die wird man gar nicht kaufen kön- nen. Er hat mir aber eine in die Manteltasche ge steckt. Sie hat auch bei den Akten gelegen. Der Rauch muß mir den Sinn genommen haben, tzerr Pfarrer, ganz gewiß! Der Rauch und da» Lachen und die vielen Worte. Don Amerika sprach er, wo die Trambahn hundert Kilometer in der Stunde macht. Der Fahrer hätte aber auch mehr Gehalt, so an die vierhundert Mark, und acht Stunden Dienst. E, müßten natürlich ganze Kerl« sein. Nerven hätten dft nicht. Und Angst auch nicht. .Woher denn Angst?* fragte ich, ich weiß es noch ganz genau. .Na. vor dem Ueberfahren*, sagte er. Und dann erzählte er von einer Gcgenstrombremse, bi« viel besser ist, al» unsere. Auf drei Meter könnte der Wagen halten. Und so schlecht hat er unsere Sach« gemacht, und so verlacht hat er uns . . . .Herr Pfarrer, — ich hab'» nicht gewollt, aber ich hab' ihm zeigen müssen, daß wir auch in Deursch- land mit dem Schnellzug um die Wette fahren kön nen. Ich weiß nicht, wie e» kam. Draußen vor Tegel, wo kein Mensch de» Nacht» geht. E» war doch um zwölfe. Da bin ich losgefahren, Herr Pfar rer, und es hat mich gefreut, daß der Mann hat ftiaen Hut festhalten müssen, so rasch ist'» ge- gangen. Mit dem Wind. Herr Pfarrer. Ich hab' nicht einmal ausqeschaltet. Za, das ist ja wohl so, und es war nicht recht. Aber, Herr Pfarrer, ich hab'» auch nicht gewollt, ich hab's ja müssen . . .* Der Pfarrer lächelte abwehrend. .Mein Sohn, jeder Mensch hat über sich selbst zn bestimmen* .Nein. Herr Pfarrer. Ich nicht, ich kmnte « nicht mehr. Der neben mir tat ». Der Schwarz«, der Leichenbitter. Der Teufel war », Herr Pfarrer, der leibhaftige Teufel. An der Zigarre wird man'» sehen. Bei den Akten liegt sie. Herr Pfarrer. Ich hab' sie abgegeben . . .* Renkhobel hatte sich in immer größer: Erregung hineingeredet, so daß der Geistliche immer bedenk- licher mit dem Kopf schüttelte. .Wo ist denn aber der Mann geblieben, den St« für den Gottseibeiuns gehalten haben?* .Ja. Herr Pfarrer, dann wä»-' er» sa nicht -e- wesen, wenn er daqrblieben wär». E» war doch kein Zeuge da. Er war abgesp.ung-n, kurz vor Tegel. Mitten in der Fahrt. Er sprach ein fremdes Wort, wa» ich nicht verstand, ich hielt e damal» für sowa» wie .Gute Nacht*, aber er lachte so unheimlich dabei. Und dann, ein« Minute spät?r . . .* .Kind, Kind. . .*. fugte der Herr Pfarrer und wehrte mit beiden Händen ab well er sich von dem Gefangenen keine Zicken mehr vorwachen lassen wollte. .Der Teuftl hat in btt gesteckt. Und er steckt noch in dir. Sorge dafür, daß er rauskommt. Bekenne dich selbst schuldig, bereue!* Und er Lberqad Nummer IIS dem Aufseher, damit er ihn in seine Z-'ll: zurückgelctt«. .Man wird irre on ihnen*, sagte er für sich als er wieder allein war. .Sie Neiden ihr Spftl mit de» -eiligsten.* Er »ar durch üble Erfahrungen mißtrauisch ge- morden. Auch Nummer IIS hatte ihn sicher nur ver albern »ollen. Der Mensch mit dem breiten Grin sen! Vielleicht wollte er sich durch das Märchen Straferlaß verschafftn. Wer kennt alle ihre Schlich«! Und mit nervöser Haft »acht, «r ftch evftdme M sei« Schreibarbeit.
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