Suche löschen...
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 23.12.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-12-23
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192312230
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19231223
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19231223
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-12
- Tag 1923-12-23
-
Monat
1923-12
-
Jahr
1923
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Sult« 2 8oa»t»g, ckeu SS. V«r4«d«r Poincar4s Dauerrede Pari«, 22. Dezember. (Eia. Tel.) In parla mentarischen Kreisen ist man erstaunt, daß Poincars gestern di, ganze Nachmittatzesitzung der Kammer für seine Red« in Anspruch genommen hat. Diel« Abge ordnete haben den Eindruck, daß der Ministerpräsi dent gerade»» daraus ausgetzangen sei, seineRed « durch Verlesen längst bekannter Dokumente zu ver längern, ohne sich durch die unverkennbaren Müdiakeitskundgebungen der Deputierten, die zum Teil die Sitzung verließen, abschrecken zu lassen. Man hat scherzend bemerkt, Poinearü habe es für seine Ehrenpflicht gehalten, etwa» länger zu sprechen ai» der sozialistische Abgeordnete Blum, aus dessen Inrer- pellationsrede PoincarS gestern hauptsächlich geant wortet hat. Gute Kenner der parlamentarischen Taktik behaupten jedoch, Poincars habe gestern nur die gefährliche Kammerdebatte über die Teuerungszulage vorbereiten wollen. Seine lange Rede habe in erster Linie den Zweck ge habt, den üblichen Beifall für seine Außenpolitik zu entfesseln und neu« Kritiker zunächst nicht zu Worte kommen zu lassen, um heute ganz aufgcsrrscht such den Standpunkt der Regierung in der Frage Lsr Teuerungszulage vertreten zu können. Die heutige Debatte wird mit Spannung erwartet. Man hält es nicht für ausgeschlossen, daß dadurch eine Umbildung des Kabinetts Paine car 6 s herbeigcsührt wird. Die Organe der Rechten und des Zentrums fordern Poincare in entschiedenen Ausführungen auf, sich voll für die Auffassung der Regierung einzusetzen. Tardieu bemüht sich im .E l o National* die Mehrheit, die am Donnerstag gegen den Finanzminister gestimmt hat, davon zu über zeugen, daß sie heute nicht auf Befehl Poincar^s andc-s stimmen könnte, ohne sich selbst ihr Urteil zu sprechen. Ein bezeichnendes Dokument Brüssel, 22. Dezember. .(Eig. Tel.) Der „S o i r* veröffentlicht die Antwort des Dichters Maeterlinck auf einen deutschen Aufruf an die Intellektuellen der ganzen Welt zugunsten der geistig Schassenden Deutschlands: sie lautet: .Sehr geehrter Derr! Sie scheinen nicht zu wissen, daß ich Bel gier bin und daß es mir infolgedessen unmög lich ist. zu vergessen. Wie sollte ich es an stelle». um nicht neben so vielen anderen Ver brechen mich an da« scheußliche Manifest jener Intellektuellen zu erinnern, zu deren Vorteil Sie beute meine Unterstützung verlangen! Wenn Deutsch land einen Teil seines Ucbels wieder gut gemacht haben wird, dann werde ich zwar nicht verzeihen (denn es gibt Dinge, für di« es kein Ver zeihen gibt), aber doch wenigstens versuchen, einen Schleier, der aber immer durchsichtig sein wird, über Erinnerungen zu werfen, die nur mit meinem Leben erlöschen werden. — Maeterlinck.* Oer Ruf nach Veniselos Athen, 22. Dezember. Die Blätter melden, daß sich die Bewegung zugunsten der Rückkehr von Vcni- selo» seit gestern auf die Militärverbände in Athen und der Provinz ausgedehnt habe, di« auch auf Entfernung des Königs bestanden hätten. Um di« Wiederherstellung normaler Verhältnisse zu sichern, beschlossen die Offiziere, einen Aufruf an Veniselos zu richten, in oem sie ihn bitten, nach Griechenland zu kommen, um mit unbeschrank ten Vollmachten die Regelung der inneren Lage zu versuchen. Die Militärverbände verpflichten sich, sich nach der Rückkehr von Veniselos auf- z »lösen und sich nicht mehr in die Politik einzu- mischen, sondern sich ausschließlich auf die mili tärischen Angelegenheiten zu beschränken. Di« Ver bände haben bereits in diesem Sinne an Veniselos telegraphiert. Außerdem hat eine sehr zahlreiche Gruppe von liberalen Abgeordneten, dar- unter Donata», ein Telegramm an Veniselos gerich- tet, in dem sie ihn zu seinem Wahlerfoly beglück wünscht und ihn bittet, schleunigst nach Griechenland' zu kommen, um die Ncgierungsgewalt zu über- nehmen. Ferner hat sich eine Abordnung gestern nach Paris begben, die Veniselos einen Brief von Plastiras überbringt, der ihm die Wahlergebnisse mittrilt und die dringende Notwendigkeit seiner Rück kehr betont. Radiotelephonifche Weihnachtsboischasten aus -er Reichshaupista-t Berlin, 22 Dezember. (Eig. Tel) Dienstag, Ven 25. Dezember, nachmittags tt Uhr, wirb ftch ver deutsch« Reichskanzler Dr. Marr »um erftcn Male ber Radio- telephonie bediene«, um zu einem graste« Publikum inner- und austerstalb Deutsch- landS zu sprechen. Er wird unter Verwe rvung der in der Potsdamer «traste aus gestellten Tendestation der Radio-Stunde r «e Ansprache halten, die iedermann mit Hilfe der zugelassenen Apparate abhSreu S »an. Nach Beendigung dieser politische« WeihnachtSerklSrung des Reichskanzlers Dr. Marr wird dann te ein Abge ordneter der an der gegenwärtigen Aoalttlo» beteiligten Parteien das »ort er- greifen. ES «»erden sprechen der Reichsminister a. D. Dr. Scholz und der Abgeord nete Dr. Fleischer sowie der Abgeordnete Anton Erkelenz. Dr. Schacht Reichsbankpräsident Berit«, 22. Dezember. (E i g. Tel.) Das Neichskabinett hat in einer heute abgehaltenen Sitzung beschlossen, der Ernennung des Wäh- rungskommissars Dr. Hjalmar Schacht zum Reichs- bankpräfldenten zuzustimmen. Vorbereitungen zur Wahl Bert»«, 22. Dezember. (Eig. Tel.) Der Rechts ausschuß des Reichstages beschäftigte sich unter Be zugnahme auf die Verfügung de» Dresdner Militär, befehlshabers vom 12. Dezember mit dem Verbot der Nationalsozialistischen Arbeiterpartei, der Deutsch völkischen Freiheitspartei, der Kommunistischen Par tei sowie mit einem sozialdemokratischen Antrag, dar fordert, daß vom Trg der Ausschreibung der Wahlen bis zu ihrer Beendigung auch für verbotene Partei. Organisationen die Gründung von Vereini gungen zurBetreibung der Wahlen zu lässig sein soll. Versammlung,- und Pressefreiheit soll auch für die verbotenen Parteiorganisationen einer allgemeinen strafrecht lichen und polizeilichen Beschränkung unterliegen. Die Abgq. Dr. K e i l (D. Dp.) und Dr. Schiffer (Dem.) stimmten ebenfalls dem grundlegenden Ge- danken de» Anträge» zu, wünschten jedoch, daß den verbotenen Parteiorganisationen die Gründung von Vereinigungen nur .ausschließlich* zur Betreibung der Wahlen erlaubt werde, damit sie keine Vorwände erhalten, zu anderen Zwecken als zu Wahlzwccken sich agitatorisch zu betätigen. Der Ausschuß entschied sich im Sinne de» Zusatzantraqes Dr. Keil (D Vp.), dem sozialdemokratischen Anträge dos Wo'-t schließlich* einzufügen. In dieser Gestalt wurde dann der sozialdemokratische An trag einstimmig angenommen. Verbokene Lehrbücher Dresden, 22. Dezember. (Eig. Tel) Da» Volks- bildunasministerium hat beschlossen, die nachstehen den Lese- und Geschrchtslchrbücher ^wrpen ihres zum Teil für die Schulen eines republikanischen Staates nicht geeigneten Inhaltes* für den ferneren Gebrauch beim Unterricht in den höheren Lehranstalten zu verbieten. An Stelle der verbotenen Lesebücher hat bis auf weiteres Klassenlektüre zu treten, deren nähere Auswahl den Lehrerversammlun- gen überlassen wird. Es wird hierbei auf das vom Ministerium empfohlene Iugendschriftenverzeichnis verwiesen. Die verbotenen Bücher sind folgende: 1. Lesebücher: ») Deutsches Lesebuch für die sächsischen Gymnasien von Steuding, bearbeitet von Lalinich, d) Deutsche» Lesebuch für Realschulen und verwandte Lehranstalten, ei Wägen und Wirken, Lese buch 8. Teil, ck) Deutsches Lesebuch für höhere Lehr anstalten, herausgegcben von Lehrern de» Realgym- nasiums zu Döbeln. 2. Lehrbücher für Geschichte: ») Lebensbilder aus der deutschen Vergangenheit und Gegenwart von Dr. Schmidt-Breitung, d) Andrä, Deutsche Geschichte bi» zur Gegenwart, 2. Teil des Grundrisses der Ge- schichte, o) Andrä-Opitz, Erzählungen, Sagen und Geschichten, 2. Teil, ck) Lehrbuch der Geschichte für sächsische Realanstalten von Neubauer-Seiffert. Die Lehrerversammlungen der höheren Schulen werden gleichzeitig angewiesen, alle noch im Schul- gebrauch befindlichen Lesebücher, Geschichtslehrbücher und Liederbücher, auch wenn sie im vorstehenden Ver zeichnis nicht mit angeführt sind, einer gewissen haften Durchsicht daraufhin zu unterziehen, ob sie für republikanische Schulen irgendwie ungeeignet sind. Lehrbücher sind als ungeeignet auch dann an- zusehen, wenn ihr geschichtlicher Teil Kriegsschil derungen in größerer Anzahl enthält, wenn die Stoffe spezifisch religiösen Inhaltes, Gebete, Gedichte und Erzählungen zum Lobe der Frömmig- keit und dergleichen enthalten. Das Ministerium muß die Lehrerversammlungen dafür verantwortlich machen, wenn .ungeeignete* Bücher noch länger im Schulgebrauch belassen werden. Das Attentat in Hannover Hannover, 22. Dezember. (Eig. Tel.) Der Anschlag auf da» Regierungsgcbäude mit der Wohnung des O b e r p r ä s i d e n t e n Noske wurde gerade zur Hauptgeschäftszeit verübt, a's die Straße voller Menschen war. Man hörte die Exp o- sion in der ganzen Stadt und die Leute eilten aus den Wohnungen und Laden, um nach der Ursache zu zu forschen. Die Explosionsstelle bietet en wüste» Bild. Der Sprengkörper war hinter die Steintreppe gelegt worden, die an der Außenseite des Gebäude» zu den Räumen de» Geschäftrausschusses führt. Von der Treppe sind zwei Stufen vollständig losgerissen und von den Fensterscheiben dieser Ge- bäudeseit« ist kaum eine einzige heil oeblieben. Fenster- und Türrahmen wurden herausgerissen und einzelne Te le weit sortgeschlendert. Auch im gegen- überliegenden Archirgebäude sind zahlreiche Scheiden zertrümmert. Der starke Luftdruck schleudert» eine Anzahl von Beamten, die noch in den Räumen tätig waren, von ih en Stühlen zu Boden, und enige von ihnen erlitten durch Glassplitter Schnittverletzungen. Die Regierung»- und Polize'beörden waren l"hr bald zur Stelle, um den Tatbestand festzustellen. Ueb"r den Tater und seine Beweggründ« ist noch nicht» bekannt. Oie Arbeitszeit im Bergbau Dresde«, 22. Dezember. (Gig. Tel.) Au» Lug au erfahren wir, daß dort eine stark besucht« Konferenz der im Bergbau tätigen Betriebsobleute und Vertrauensleute fast einstimmig be schlossen hat, auf den Gruben de» Lugau-Oels- nitzer Reviers wieder 8 Stunden unter Tage zu arbeiten. Für die Tagearbeiter soll die Arbeits zeit noch besonders geregelt werden. Da» neue Ar- beitsabkommen läuft bis zum 13. April 1924. Man darf annehmen, daß die Belegschaften dem Abkommen zustimmen werden. Schiedsspruch im Kohlenbergbau Berlin, 21. Dezember. Die Löhne im Kohlen- bergbau des unbesetzten Gebietes vom 17. bis ZI. De zember sind durch den Schiedsspruch des im Reichs arbeitsministerium eingesetzten Schllchtungsausschus- ses wie folgt festgesetzt worden: Für Oberschlesien auf Z Go'.dmark je Schicht, für Niederschlesien aus 2^0, Sacksen 2,70 und Mitteldeutschland (Kern-' reviere) 2^0 Goldmark. Hierzu tritt für die «in- -elnen Reviere für jede in der vorerwähnten Zeit verfahren« Schicht ein« Teuerungszulage von 735 bis 900 Milliarden Mark. In den Revieren, in denen bereits lleberarbett -eleistet wird, tritt zu dem Goldlohne und der Teuerungszulage ein Zuschlag von einem Siebentel für Untertage arbeiter und von einem Achtel für di« über Tage Beschäftigten, soweit st« unmittelbar mit d«r Kohlen förderung zu tun haben. G Berlin, 21. Dezember. Nach einer Verordnung des ReichSarbeitSministers gewähren die Versiche rungsanstalten vom 1. Januar ab durch die Post den Invalidenrentnern 13 -4t, den Witwen 9 und den Waisen 7 In der Angestellten versicherung betragen die entsprechende« Ren- ten 30, 18 und 15 -4t. Zu den Invalidenrenten und dem Ruhegeld tritt in den Fällen, in denen nach dm Versicherungsgesetzen ein Kinderzuschuß gezahlt wird, eine monatliche Zulage von je 3 Die Rentenempfänger in der Aagestelltenverficherung scheiden hiernach vom 1. Januar ab auS der Sozial rentenunterstützung aus. Ein Ermächtigungsgesetz für die würtkemberglsche Regierung Stuttgart, 21. Dezember. (Eig. Tel.) Da» würt- tembergische Ermächtigungsgesetz, das der Regierung die Vollmacht gibt, auf dem Derord- nungswege den Beamtenabbau und Sparmc.ß- nahmen auf staatlichem und kommunalem Gebiete vorzunehmenn, wurde nach mehrtägiger Debatte im württembergischen Landtage mit 68 gegen 24 Stim men, also der erforderlichen Zweidrittelmehrheit, a n- genommen. Damit ist der von der württem- bergischen Regierung angedrohte Rücktritt bei Richt annahme des Gesetzes hinfällig geworden. Die deutsch- nationalen Anträge auf Auflösung de» Land tage» und Ausschreibung von Neuwahlen sowie da» Mißtrauensvotum für die Regierung wurden gegen die St amen der Sozialdemokraten, de» Zen trum», der Demokraten und der Deutschen Dolls partei abgelehnt. Verkehrsstockung im Ruhrgebiet Dortmund, 21. Dezember. Die von der .fran zösisch-belgischen Eisenbahnrcgie aus Grund der Mainzer Protokolle von den deutschen Eisenbahnen angeforderte tägliche Zuführung von 8000 leeren Kohlenwagen hat zu großen llnzuträalichkeiten ge führt. Aus fast allen Zufuhrstrecken stauen sich die Leerzüge, weil die Regie sie nickt schnell genug ins Innere weiterfahren kann. So ist es ge kommen, daß in den ersten Tagen die Regie noch nicht die Halste der angesorderten Leerwagen hat übernehmen können. Heute ist der Ruhrbeztrk rings- herum so zugesahren, daß der Betrieb säst völlig stockt. Nach diesen Erfahrungen muß man Sorge haben, ob es der Regie überhauvt gelingen wird, das Verkehrswesen im Ruhrbezirk wiü>er in Gang zu bringen. Die Rheinische Metallwaren, und Maschinenfabrik in Düsseldorf hat sämtlichenArbeit:rn ge kündigt mit der Begründung, daß das Werk auf der Grundlage der gegenwärtigen Lohnoerhältn'sse nicht in der Lage fei, di« Arbeit fortzuführen. Die äes I/eixsiAer «rsebernt ro besonder« Hveiboacbt- liebar Ausstattung voll liegt rvei P«ge »u(. Die ?ü11e ä« inter6ebot«>e» r^viogt clev großen. tsglicl» vscbsev- öer> I^eserlcreis ru einer »nsinerllesmen unö. v»el>Iu»Itig ^irbeaclen 6«»c1rtu»g. Anzeigen, bi er veröffentlicht, müssen ^irfoljf haben. Gemüt und Geschwindigkeit gum Lhaplin-FNm „The kid*. Eine» Tage» sagte mir ein guter Freund, daß man Lharlie Chaplin sehen müßte. Damals war er ein Sträfling und riß immerfort au». Es ging so schnell, daß man schwindlig wurde, es ging amerikanisch schnell. Dazwischen war es auch ameri kanisch komisch. Ein lächerlicher Mensch trieb mit anderen lächerlichen Menschen lächerlichen Unfug. Amerikanischer Humor. Mark Twain. Chaplins einwärts« Füße und sein Watscheln, das ist im Gehen «in ähnlicher Stil, wie ihn Mark Twain im Schrei- ben hat. Em andermal hat mich wieder einer mitgenom- men, da» war ein Maler, der von Chaplin ungefähr so sprach, wie Maler sonst von van Gogh reden, also mit Verehrung, mit Liebe, mit Hingabe. Nicht» ist so komisch und nicht» so wirklich wie Chaplin, sagte er wohl, ich kann keine so komische Linie zeich- nenn, wie er spielt. Wir sahen zusammen eine ganze Serie Chaplin. Darunter den berühmten Film ,Chapl.tn solo allein*. In diesem also tritt kein« andere Person auf. Rur er und die Dinge, di« Dinge, über die er fällt, die sich um ihn drehen und die über ihn Wegfällen. Er kommt nur eben nach Hause, weiter nicht», aber e» ist «in Epos in vielen stummen Gesängen. Man wundert sich, wenn man nachher auf die Straße kommt, daß noch irgend ein Ding steht, gebt oder sitzt wie e» soll. Man wun dert sich, daß nicht alle Menschen Thiplins sind. Ma« wundert sich mehrere Tage lang, so oft man auf einen Teppich tritt, daß er nicht unter einem fortrutscht. Mein Freund, der Maler, trug mir auch al» erster da» Gerücht >u von dem großen Film „The k i d*, der in Amerika gedreht worden sei und nun nach Europa, schließlich auch wohl nach Deutschland käme. Sech» verloren« und w edergefunden« Bilder von Cszann« hätten ihn nicht vergnügter machen können. „The kid* ist «in sehr vielseitige» Dort. E» kann ein Bündel bedeuten, aber auch ein» kleine stieg«, da» Leder davon oder auch ein kleine» Kind. Hier ist «» ein kleine» Kind in einem Bündel, ein Findelkind, und heißt Jackie Loogan. Da» ist »in klein« Kerl mit de» freundlichsten Knabengesicht von der Delt, Amerika» längster Stern auf der Lein wand; kein Bluff, sondern wirklich der begabteste Schauspieler mit Milchzähnen. Da sie sich nun beide allmählich in Deutschland eingesunken haben, Lharlie der Finder, und Jackie, der gefunden wird, konnten wir un» überzeugen, wie es mit ihnen steht. Der Film „The kid*, in dem sie zusammen auftreten, hat zwei Hauptbestandteile: Das Gemüt und die Geschwinoigkeit. Beides sind angel sächsische Rasseneigentümlichkeiten. (Chaplin selbst ist ein Ostjude. Aber das tut nichts. In dem großen Amerika akklimatisiert man sich schnell, es ist eine Nation au» fielen Rassen.) Da» Gemüt kommt mehr von der alten Insel her, von Dicken», von seinen David» und Oliver», von seinen armen Jungen, die niemand haben mag, von seinen bösen Menschen, die gestraft, und seinen guten, die schließlich doch belohnt werden. E» ist ein urgermanisches Gemüt, man könnte sagen, ein Weihnachtsgemüt. Ich werde keinen Lhristengel mehr sehen können mit angesetzten Flü geln, ohne an Chaplin zu denken, dem zu allerletzt, im Traum, auch zwei weiße Flügel gewachsen sind und der nun spazieren geht, mit dem Stöckchen und mit seinem klassischen harten Hut und einfach nur so nebenbei hinten auf dem schwarzen Rücken zwei wun- derschöne weiße Flügel hat, an denen er sich manch mal ein bißchen kratzen muß. Aber dann kommt eben dir Geschwindigkeit. Di« Geschwindigkeit von Amerika. Ls entstehen Diffe- renzen auch im Himmel. Chaplin, der arm« Bumm ler und Obdachlose, träumt sein« irdischen Händ^ in» Paradies hinein. Und wie er in dieser Welt immerfort ausreißt, so muß er'» auch in jener, nur eben mit Flügeln geyt es noch schöner. Wenn man ihn schon beim Kragen hat, macht er schnell einen Hopser und schwebt im Bogen durch die Lust. Ab«r die Engel im Paradiese find hinter ihm her, wie die Menschen der großen Stadt, und zuletzt wird er von einem geflügelten Schutzmann abgeschosscn und liegt wieder auf seiner Mrschwslle, wo er eingeschlasen war, und eia ungeflügelter Schutzmann steht vor ihm und macht ihm Beine. Doch geht die Geschichte wie bei Dicken» gut au». Da» Findelkind kommt wieder zu seiner Mutter, die inzwischen reich und berühmt wurde und lange nach ihm gesucht hat; auch dem Kindelfinder geht «» nicht schlecht. Er wird wahrscheinlich belohnt und hoch in Gyr-n gehakten werden. Ehapnn, der Filmdicht»r, ist zu geschmackvoll und zu klug, um sich auf be friedigende Details einzulassen. Der stuschauer mag sich je nach seiner Einsicht in die Beschaffenheit de» Daseins und nach seinem Temperament die Geschichte zu Ende denken, wie er mag. Di, Geschichte, die Lhaplin gibt, besteht au» den beiden ursprünglichsten Sensationen: Gemüt für die Seel« und Geschwindigkeit für den Körper. Gemür: ein kleine» Kind wird aurgesetzt, betreut, verfolgt, gesucht, und wiedergefunden. Geschwindigkeit: Jackie zerschmeißt Fensterscheiben, Lharlie setzt neu« ein, bi» da» Kompagnongeschäft entdeckt wird und beide ausreißen müssen. Jackie boxt mit einem großen Zungen und Charlie boxt mit einem großen Mann. Lharlie boxt, indem er ausreißt. Jackie wird im Automobil ins Waisenhaus abgeholt, Lharlie rennt schneller al» da» Auto und holt Jackie wieder heraus. Geschwindigkeit war die allererste Sensation de» Film». Absurde Geschwindigkeit sein« Groteske. Im Film können all« Wagen rückwärts fahren, au»- gezogene Hemden rückwärts über den Körper fliegen und man kann schneller, immer schneller drehen. Chaplin hat da» Gemüt in der Ge schwindigkeit entdeckt. Lhaplin, da» ist: ein guter, kleiner Mann, der von bösen großen Leuten verfolgt wird und sich nicht erwischen läßt. Jemand, der über seine eigenen Füße stolpert, aber wie di« Kotze immer wieder auf die Beine fällt. Lhaplin ist die ewige, ununterbrochen« Bewegung, di« über jede» Hindernis hinweg schneller und immer schiller braust und nur hin und wieder au« freier Willkür und Laune stehen bleibt und un» anfleht, ein bißchen spöttisch und ein bißchen schwermütig: Darum sitzt ihr so still und warum seid ihr so feierlich? Lautt doch mit, eilt euch, da» Leben ist so kurz und der Tod so nah. In diesen Augen, spöttisch und «in bißchen schwermütig, ist noch ein Schimmer von Jerusalem, der ewigen Sbadt. Aber tu seine« Beinen ist Amerika. ttaa» NleNtar Diener Bnratheater und St «Köper scheide, au» der Staatsverwaltung au». In der Frage der öfter- reichischen StaaKtbeater hat die österreichisch« Ne gierung einen endgültigen B-schluß gesoßt: Die Staatsoper, das Burgtheater und all« Nebenbühncn (Akademietheater. Schönbrunner Echloßtheater und Nedoutensaal) scheiden au» der Staatsverwaltung au» und werden in Zukunft al» vollkommen selbständige Wirtschast»körp«r weiter geführt. Das Ensemble der beiden Theater wird erweitert zum Zwecke der Veranstaltung von Kunst reis en in die österreichische Provinz und in das Ausland, sowie zur Veranstaltung von Musik festen. Die künstlerische Selbständigkeit der Dirck- toren Richard Strauß und Franz Schalk von der Oper und Franz Herterich vom Burgtheater wird gewahrt. Man hofft, daß sich di« Theater ohne Zuschüsse von selten des Staat» erhalten können. Der „Fidele Bauer* gestorbe». In Oberwaig in Oesterreich ist dieser Tag« der Besitzer d:» Reidergutes Matthias Schoßleitner im 78. Lebensjahr« gestorben. Der Operettenlibrettist Viktor Leon hat den Verstorbenen, d«r ob seine» urwüchsigen Humor» weit und breit bekannt war, im Jahre 1907 al» Vorbild für den Titelhelden der Operette „Der fidel« Bauer* genommen. Auch die Handlung dieser Operette spielt in Oberwanq. Die erste Ehreubürgeri» einer Hochschule. Die vor einigen Tagen in der Bresse verbreitete Nach- richt. Frau Geheimrat de Thierry, di« von der Technischen Hochschule in Derlin-Lharlott.nburg zur Ehrenbürgerin ernannt worden ist. sei die erst« Ehrenbürgerin einer deutschen Hochschule, entspricht nicht den Tatsachen. Bereit» vor einem Jahr hat die Universität Halle Fräulein Elsa Brand- ström. di« sich um die Fürsorge für die deut schen Kriegsgefangenen tu Rußland be sondere Verdienste erworben hat. den Titel einer Ehrenbürgerin verliehen. Musikalische Notiz. Igor Stawiasky hat au« ber Musik zur „Geschichte vom Soldaten* eine Suite zusammengestellt und eigenhändig den Klavlerauszua davon eingerichtet. Dir »erweisen all« biesentgeu. welch« burch di« verschiedenen Le'p- ziqer Starwinsky-Aufführungen »ur Beschäftigung n it de« eigenartigen russischen Komponisten angeregt worden sind, nachdrücklich auf diese bei I. und D. Chester, London, erschienene Ausgabe; flt hat den Vorzug verhältnismäßig leichter Spielbar keit und gibt da» orchestrale Klangbild ausgezeichnet wieder.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)