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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 20.12.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-12-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192312205
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19231220
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19231220
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-12
- Tag 1923-12-20
-
Monat
1923-12
-
Jahr
1923
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H Vov»er»lsg, 6en 2V. verewdr» Zu -en sächsischen Gemein-ewahlen Berlin, 1V. Dezember. lv i g. Te l.) Ter Rechtsausschust des Reichstages beschäftigte sich heute mit einem Antrag der sozialdemokratischen Fraktion, welcher dieAushebungeinesBerbotes der Auslegung von Wahl listen bei den wemcinvewahlcn in Lachsen sitr die vom MilitürbesehlShaber ver botenen Organisationen und Vinrichtungen der Nationalsozialistischen Arbeiter partei, der Teutschvölkischen Freiheitspartei, der Kommunistischen Partei Deutsch lands, der Allgemeinen Arbeiterunion der syndikalistischen Arbeitersöderation und des Bundes internationaler Kriegsopfer verlangt. Der Ausschuh stellte sich mit Mehrheit auf den Ltandpunkt, dah das Verbot des Militürbefehlshabers mit de, Retchsversassung in Widerspruch stehe. Oie ümerpolitifche Klärung in England 'zoudov, 19. Dezember. (E i g. Tc l.) Der pol'- tischc Inhalt der Kommentare der Morgenblätter zn der gestrigen Sitzung der Liberalen läßt sich :n zeeei Punkte zusammenfasscn: Der Entschlich Asquiths, die Bildung einer A r b c i t e r r c g i c - r'lNg in keiner Weise zu erschweren, bedeutet eine Säuberung der politischen Wege Englands und zwingt die Arbeiterpartei dazu, die Grundsätze der Ber» fassung zu achten. Die Feststellung Asquiths, daß eine politische Niederlage der Arbeiterpartei i:n Diucrhause Ramsi y Macdonald nicht das Recht verleihen würde, vom König die sofortige Auf lösung des Parlaments zu verlangen, wird dahin aufgelegt, daß die Liberale Partei sich in diesem Falle dem König zur Verfügung stellen würde, um ein Geschäftsministerium zu bilden, das von Fall zu Fall entweder mit den Konservativen oder mrt der Arbeiterpartei die Regierung fortführen würde. Der „Daily Herald" beeilt sich heute, die Li- beraten zu versichern, daß es keineswegs die Absicht der Arbeiterpartei sei, die Auflösung des Parlamenrs herbeiz u führen, was anscheinend so viel heißen soll: die Arbeiterpartei hat vorläufig nicht die Ab sicht, Gesetze vorzuschlagen, die für die Liberalen un annehmbar wären. Die „Daily Mail' nimmt übrigens in ihrem Leitartikel an derselben Stelle, an der sie während der Ruhr-Besetzung Briefe ihrer Leser unter der Ueberschrift „Was unsere Leser über die Hunnen denken" brachte, den Kampf gegen Baldwin auf, und zwar mit Briefen durchgefallcner Konservativer an die Redaktion, in denen sofortige Absetzung Bald- wins durch eine Parteiversammlung gefordert wird. London, 19. Dezember. (E i g. Te l.) Die „Daily News", die gestern morgen als einziges Blatt einen Besuch Sir John Bradburys bei Rams - n M a c - donald ankündigte, kann heute morgen mit Ge nugtuung feststellen, daß der Besuch, der gestern Gegenstand von Dementis des Schatzamtes, der Arbeiterpartei -und verschiedener Zeitungen gewesen ist, tatsächlich stattg funden hat. Auf seiner Rückreise erklärte Bradbury, die Liste der Sach verständigen, die er vorzuschlagen gedenke, habe er mit den Führern der drei Parteien: Baldwin, Asquith und Ramsay Macdonald durch gesprochen. Er lege aber den größten Wert darauf, daß sein Besuch bei Ramsay Macdonald nicht als eine Anerkennung etwaiger Aussichten gedeutet wer den dürfe, daß der Genannte Premierminister werden könnte. Die Verwirrung, die in die innerpolitischen Verhältnisse Englands durch den Ausfall der Parlamentswahlen hineingetragen wor den ist, beginnt nunmehr zu weichen. Die mehr oder weniger trüben Kombinationen, zu denen der seltsame Trutzbeschluß des Kabinetts Vald- win den Anstoß gab, werden beiseite gelegt und die Entwicklung tritt wieder unter das Dopsiel- zeichen der Klarheit und Sauberkeit. Tas Hauptoer,dienst an der Reinigung der politischen Atmosphäre dürfen die Liberalen insofern für sich In Anspruch nehmen, als gestern ihre Unterhaus Fraktion auf d'.e konservativen Anregungen zur Schaffung eines Bürger» blocks eine endgültige Absage erteilt und Asquith im Namen des Partcivorstanües mit unvcrhülltcr Sp tze gegen das Ministerium Baldwin erklärt hat, daß die Liberalen ent schlossen seien, sich die Freiheit des Handelns ungeschmälert zu erhalten. Diese Erklärung, dec nicht nur der einflußreiche Sir John Simon, sondern auch Lloyd George rückhaltlos bei- pfUchtete, bedeutet praktisch, daß die liberale Partei der Labour Party den Weg zu den Ministersesseln frcigibt. Das Fehlen von Vor- behalten m der Bekundung der liberalen Bereit willigkeit, die stärkste Oppositionspartei die nächste Regierung bilden zu lassen, zwingt zu dem Schluß, daß sich die Parteileitung inoffiziell Zusicherungen über das Programm ver- schafft lxrt, mit dem das erste Labour-Kabinctt vor das Parlament treten würde. Bei dem ge sunden Wicklichkeitssinn, der Ramsay M nc- donald, den Führer der Arbeiterpartei, von jeher ausgezeichnet hat, dürfte es den Liberalen nicht allzu schwer geworden sein, die Labour Party zu einer Dämpfung der radikalen Töne zu bewegen und damit die entscheidende Voraus setzung für ein parlamentarisches Zusammen wirken des bürgerlichen Fortschritts «nt der sozialistischen Linken zu schaffen. Mit der englischen Fähigkeit, das Not- wendige rechtzeitig zu tun — ein Blick auf Deutschland zeigt einen peinliäsen Unterschied —, öffnen die Liberalen der poli tischen Vertretung der Arbeiterschaft das Tor. Damit beginnt ein neuer Abschnitt in der Ge schichte Englands. Auch für uns Deutsche ist dies von höchster Bedeutung, denn' wir sind brennend daran interessiert, daß in die englische Außenpolitik endlich der Geist des „güten Europäers" einzicht. Weil aber diese heil same Möglichkeit nunmehr ernsthaft gegeben ist, wäre es unsagbar töricht, wenn unsere Regierung wieder einmal die Nerven verlöre und bei den Verhandlungen mit Frankreich vorschnell einen zweiten Versailler Frieden unterzeichnete. Wir müssen und können bei diesen Vorhand- lungchn ein Tempo einhalten, das die Ent- scheidung nicht eher reifen läßt, als bis England mit einer wirklich aktionsfähigcn Regierung auf dem Plan erschienen ist. Vorläufig sind die Franzosen von ehrlichem Berständigungswillen ja auch noch weit entfernt. Sie müssen erst einmal auf die Methoden schamlos-brutaler Er- Pressung, wie sie ihr General de Metz in der Rheinpfalz handhabt, verzichten, wenn sie uns bereit finden wollen, unsere Unterschrift yntvr einen neinm Vertrna ru leben. Vom Wehrministerium wurde folgende I Erklärung verlesen: „Tas Verbot der Auf- st^lung kow.inunistiscber Wahlvorschläge wurde 'da- durcb veranlaßt, daß die sächsische Landesregierung gegen die nationalsozialistische Partei Maßnahmen ergriffen hatte, die auf ein Verbot der Ausstellmrg von Wahlvorschlägen Hinausliesen. Eine ungleichmäßige Behandlung der beiden Parteien er schien nicht angängig. Nachdem die sächsische Regie- rung erklärt bat, daß sie der Ausstellung von nativ- nalsozialist'schen Wahlvorschlägen kein Hindernis in den Weg legen wolle, sei der unmittelbare Anlaß für daS Verbot s o r t g e s a l l e n. Seine Aus hebung erschien daher um so mehr geboten, als auch Nechtsbedenken gegen diese Maßnahmen er hoben werden können, denn wenn auch nicht beab sichtigt war, die Mahlsreihcit irgendwie zu be schränken, vielmehr nur eine Betätigung der ver botenen Parteiorganisationen unterbunden werden sollte, so ist doch nicht zu verkennen, daß die Aus- stellung von Wahlvorschlägen nicht unbedingt auf einer Organisation zu beruhen braucht." Or. Schacht als Reichsbank- präsident vsrqeschlagen Berlin, 18. Dezember. lE i g. Te l.) Der Reichs rar hat heute über den Vorschlag für die Besetzung der Stelle des Rcichsbankpräsidenten entschieden. Der bayrische Staatsrat Dr. v. Wolf erstattete namens der Ausschüsse folgenden Bericht: „Nach 8 27 vcs Bankaefetzcs ist die Stelle Des Reichsbankpräsiventen vom Reichspräsidenten zn besetzen nach einer gutachtlichen Neutzcrung des Direktoriums und des Zentral ausschusses der Reichsbank und nach einem Vorschlag, den der Reichsrat zu machen hat. Nachdem das Rejchsbankdirektorium und der Hentralausschutz zweimal gehört wor den sind, ist die Lache auch zweimal in den Ausschüssen verhandelt worden, (ss liegt ein Antrag vor, der von der preußischen Regierung dnrch einen anderen Antrag ersetzt wurde, den Währnngskommsssar und das be ratende Mitglied des Reichskabrnetts, Dr. Lcha ch t, in Vorschlag zn bringen. Die R eichsregiernng hat dazu er klärt, daß, ihr dieser Vorschlag ge nehm sei. Nachdem Dr Schacht mit zwei Kabinetten vertrauensvoll zu sammen gearbeitet habe, sei sie nach den dabei gemachten Erfahrungen zu der Ncberzengung gelangt, datz Dr. Schacht nach seinen Kenntnissen und Fähigkeiten der rechte Mann für diese Stelle sei. Die Ausschüsse haben infolgedessen mit Stimmenmehr heit diesen Vorschlag sich zu eigen gemacht, und in deren Namen habe ich zu beantragen, der Reichsrat möge Herrn Wührungskommissar Dr. Schacht als Rcichsbankpräsidenten Vor schlägen." Auf Befragen des Vorsitzenden wird der Antrag genügend unterstützt. Auf die weitere Frage des Vorsitzenden, ob irgendwelche Einwendun gen zu erheben seien, erklärte nur der württem - bergische Gesandte Hilden brand, daß Würt temberg sich seine Zustimmung Vorbehalte. Der Vorsitzende stellte darauf fest, daß der Vorschlag der Wahl des Herrn Dr. Schacht durch Mehrheitsbeschluß erfolgt sei. Reform -er Steuern Berlin, 18. Dezember. (Eig. Tel.) Im Fünf- zehner-Ausschuß des Reichstages wurde heute zu nächst die Beratung über die Einkommen- und Körperschaftsstcuer 1923/1924 abgeschlossen. Der Ausschuß wandte sich hierauf dem die Ver mögenssteuer behandelnden Artikel zu. Hierbei wurde der Regierung empfohlen, für die Wert- er Mittelung von Grundstücken nicht von dem Vorkricgswerte anszugchen, sondern von dem Wchrbeitragswert, der entsprech?nd den heutigen Verhältnissen berichtigt werden soll. Weiter entschied sich der Ausschuß dahin, es möge eine Br- mögenssteucr bei Personen, die übe: «0 Jahre all oder erwerbsunfähig sind, nicht erhoben werden, wenn das gesamte abgerundete steuerbare P^rmög.-n den Betrag von 21)000 Goldmark (Katt in der Vor- läge 18000 Goldmark) nicht übersteigt. Bei Beratung der Umsatzsteuer beschloß der Ausschuß, der Regierung nahezulegen, den Para- graphen 2, der für das Jahr 1924 einen Umsatzsteuer- satz von LIL Prozent einführen will, zu streichen, ss daß der alte Satz von 2 Prozent in Kraft Ueibtw fall. Ferner wurde eine Entschlüßun- an- ,a»n»mm»n. nmnoG die kvel-i, Berns«, Vom Reichsministerium des Innern erklärte Staatssekretär Zwcrgert, daß die Recbtsbedcn- ken, die in der verlesenen Regierungserklärung er wähnt sind, aus der Erwägung geruhen, daß den Militärbcfehlshabern im Falle des Ausnahme zustandes die vollziehende Gewalt und das Recht zuständen, im Interesse der öffentlichen Sicherheit Verordnungen zu erlassen, daß sie aber an die Grundrechte der Verfassung gcbun- den seien, soweit diese nicht aus Grund des Ar tikels 48 außer Kraft gesetzt werden. Zu diesem suspendierbaren und im vorliegenden Falle suspen dierten Grundrechten gehört zwar Artikel 124 der Reichsverfassung über ine Vereinsfreiheit, nicht aber Artikel 125 über die Wahlfreiheit. Daraus ergibt sich: Ter Militärbesehlshaber kann eine Organisation verbieten, das Verbot darf aber nicht eine Beeinträchtigung der Wahlfreiheit zum Gegen stand haben. Der Ausschuß stellte sich mit Mehrheit auf den angegebenen Standpunkt. besondere die Künstler und Schriftsteller, für das Jahr 1924 von der Umsatzsteuer befreit werden mögen, sobald ihr Einkommen eine bestimmte Mindestgrenze nicht übersteigt. Bei Behandlung der Kapitalverkehrs st euer wurde eine Ent schließung angenommen, es möge die Regierung ver- ordnen, daß.die Dcvisenumsatzsteuer in Devisen ent richtet wird. Oer Tarifzwang bler-t Berlin, 19. Dezember. Im Reichearbe'ts- ministcrium finden Verhandlungen über eine Schlichtungsnotverordnung statt, die vor aussichtlich am 1. Januar 1924 in Kraft treten soll. Nach dem Entwurf der Verordnung soll der Tarif zwang bcibehalten werden. Oie Arbeitszeriverordnung Berlin, 19. Dezember. (Eig. Tel) Im Fünf- zehnerausschuß des Reichstages begann die allge meine Aussprache über die Arbeitzeitver ordnung. Reiche.« beitsminister Brauns w es in seiner Begründung darauf hin, daß die durch die Verordnung erfolgte Regelung der Arbeitszeit keinesfalls eine definitive, sondern ausdrücklich eine vorläufige Maßnahme sein solle. Inhaltlich verfolgte die Verordnung die gleichen Ziele, wie sie zwischen den ehemaligen Regierungsparteien und der Reichsrcgicrunq im Oktober vereinbart worden seien. Unter entsprechender Berücksichtigung der sozialpolitischen Belange sollten wesentliche Hem- mungen für die freie und kraftvolle Betätigung des Arbeitswillens mit dem Ziele einer Förderung nnd Verbilligung der Gütercrzeugung beseitigt werden. Allerdings müßten entsprechend der inzwischen ein getretenen weiteren Verschlechterung der Lage die wirtschaftlichen Notwendigkeiten in einigen Punkten stärker betont werden und den inzwischen getätigten freien Vereinbarungen zwischen Arbeitg bcrn und Arbeitnehmern Rechnung getragen werden. Neuregelung -er Arbeiislofensätze Berlin, 18. Dezember. Die Höchstsätze der Er- werbsloscnuntcrstützung werden nicht mehr ein- hcitlich für das ganze Reich festgesetzt, son dern nach den drei Wirtschaftsgebieten (1 Osten, 2 Mitte, 3 Westen) abgestuft, deren Grenzen mit den Lohngebicten der Rcichsarbciter zusammcnfallsn. Zu den östlichen Gebieten gehören die Provinzen Ostpreußen, Schlesien, Posen, Westpreußen, Pom- mcrn, Teile Brandenburgs und die beiden Frei staaten Mecklenburg. Das westliche Gebiet umfaßt im wesentlichen das besetzte und einige Randgebiete. Alles übrige fällt in die mittlere Zone (darunter auch Berlin und Hamburg) mit Ausnahme einiger süddeutscher Gebiete, die noch dem Wirtschaftsgebiet 1 zugcstcllt sind. Die wochenta glichen Unterstützungs höchstsätze betragen vom 10. Dezember ab bis auf weiteres in der obersten Ortsklasse im Wirtschafts gebiet 2 /Mitte) für Männer über 21 Jahre 700, unter 21 Jahren 420, für Frauen über 21 Jahre 500. unter 21 Jahren 330, die Familienzuschläge für Ehe gatten 190, für jedes Kind und jeden sonstigen unter- stütznngsbcrcchtigten Angehörigen 140 Milliarden Mark. Die Ortsklassenspanne beträgt im Gebiet 2 (Mitte) je 50, 30, 40, 20, 10, 10 Milliarden Mark. Die Fomilienzuschläge dürfen insgesamt den einfachen Hauptunterstutzungssatz nicht übersteigen. Oie Wahrheit auf -em Marsch Pari», 19. Dezember. Nach einer Meldung de» „New Pork Herald" aus Washington erklärte der demokratische Senator Robert Nathan Owen gestern imSenatin einer Red«, in der erFran k reich scharf angriff, da» Pariser und da» Petersburger Kabinett seien in höherem Grade für den Krieg verantwortlich gewesen al» die damalige deutsche Regierung. E« sei von höchster Wichtigkeit, daß die Welt die näheren Zu sammenhänge kennenlern« und begreife, wie die öffentliche Meinung mitsamt der Press« irres, a e k 9 h « vvb «>4n» ander zu hassen und zu fürchten und Armeen zu organaisiercn, soweit eq ihre Finanzkraft nur irgend zuließ. Der griechische Umsturz Athen, 19. Dezember. (E i g. Tel.) Das gric- chische Köniqspaar verließ gestern nachmittag 4 Uhr Athen in der Richtung Phaleron. Die Regie rung wies ihm 2Z Millionen Drachmen als Iahresapanaqe an. Die Verhandlungen zwisck>en Plastiras und den Parteien zur Bildung einer neuen republikanischen Regierung sind cingclcitet. Als Ministerpräsident wird der Demo- kratcnführer Universitätsprofeffor Papanastasio genannt. Es ist außer Zweifel, daß mit ihm im Kabinett der gewesene Kommandant der Flctte Hadzikyriakos und Oberst Kandilia Platz nehmen werden. Ucbcr die Teilnahme der Venise- listen an der Regierung ist bisher noch nichts bekannt. Die repirblikanische Partei, hier Demokraten ge nannt, hat mit Dang! is, dem Führer der Beni- sclisten, zwecks Zusqmmenarbeit Verhandlungen ein- geleitet. Nachdem der König seine Bereitwilligkeit erklärt hatte, auf das Verlangen der Negierung einzngei en nnd sich vorläufig aus Griechenland zu entscrucrr, berief cr einen Kronrat, der die endgültige Te- schlußfassimq hcrbcizufiihren hatte. Der König zcig.e große Kaltblütigkeit und wird alles daraa- sctzen, daß er keinen Thronverzicht zu unterschreiben braucht. England entsandte einen Kreuzer, der den Auftrag hat, der königlichen Familie, wenn sie cs wünschen sollte, zur Reise zu dienen. Die Vertreter Englands, Jugoslawiens und Rumäniens statteten dem König Georg Besuche ab, der ihnen erklär:?, oaß das Königtum keinesfalls als erledigt anzusehen sei. Der Hofstaat bleibt weiter aufrcchtcrhalten. Die Regierung machte einige Millionen Drachmen für die Resse des Königs flüssig und beschloß, auch weiterhin dem König eine Iahrcsrcnte auszuzahlen, bis die Nationalversammlung einen endgültigen Beschluß ge faßt haben wird. Da König Georg ausdrücklich forderte, das Ver langen der Regierung nach Abreise schriftlich zn er halten, wurde ein formelles Schreiben an ihn ge richtet. Ans dieses antwortete der König, obwohl cr sich jeder Einmischung in die politischen Strcit'g- keiten enthalten habe, schicke er sich darein, vociäry g dem Lande fernzublciben, wie es die Regierung ver füge, um die Verhandlungen im Parlament nicht zu beeinflussen. Er sei überzeugt, daß die Regierung über sein Schicksal frei abzustimmen in der Lage sein werde. In Regierungskrcisen zwci-ielt man noch daran, daß Venisclos jetzt nach der Entkernung des Königs einwilligen werde, nach Griechenland zurück- zukehren. Die Venisclisten sind der Ueberzcugung. das; ihnen die Wahlen die absolute Mehrheit in dcr Nationalversammlung bringen. Im Lande herrscht überall Ordnung. In den Straßen von Athen patrouilliert unausgesetzt Kavallerie. Zum dritten Male in vier Jahren slüchtct d'S griechische Königshaus ans Athen. Der Ausgang der Wahlen hat die Vermutung bestätigt, daß die Entwicklung Griechenlands zur Rcpu- blik in ein entscheidendes Stadium getreten ist. Der Sieg der Republikaner ist überwältigend. So konnte das Kabinett die Aufforderung an den Kön g richten, das Land zu verlassen und dem Volke die Regiernngsgewalt zuriickzngeben. König Georg II. verläßt Athen, wie es sein Vater wiederholt getan hat — cr geht, vielleicht in der Hoffnung, daß man auch ihn einst mit Jubel wieder zurückholen werde. Es ist nur wenig über ein Jahr her, daß Georg II. den wankenden Thron seines Vaters über nahm. Der junge Fürst sollte den Thron für die Dynastie retten, und mächtige Paten standen Um zur Seite: England und Frankreich versicherten ihn ihres Wohlwollens, und irch die Heirat mit der Prinzessin Elisabeth von Rumänien knüpfte ier König enqe Bande mit der rumänischen und der jugoslawischen Dynastie an. Aber diese hohen Be- zichungen haben cs doch nicht verhindern können, daß das griechische Königshaus abermals das Land verlassen muß. dessen Bevölkerung nur allzu r. sh wechselnden Stimmungen unterliegt. In Deutsch land wird man nicht vergessen dürfen, daß dem Vater des fetzigen Königs seine deutschfreundliche Haltuna zum Verhängnis wurde. Während das griechische Königshaus im Ausland zu leben ge zwungen war, qab der den Ententemächten ergebene Venise los den Anstoß zur Rcpublikanisicrung des Volkes. Schneller als geahnt, trugen seine Be- miihnnqcn Früchte, als nach dem unglücklichen Fcldzng in Kleinasien das geschlagene griechische Heer über die Dardanellen zurückflutcte. Seitdem führte die Dynastie nur noch ein Schattendasein. Die revoltierende Armee kam in die Hände energischer Republikaner, die ihr Ziel, die Beseitigung der Monarchie, planmäßig verfolgten. Oberst P l a st i r o s und Gonatos waren alo Stellvertreter des im Ausland weiterhin propagan- distisch wirkenden Venisclos die eigentlichen Macht haber Griechenlands. Ohnmächtig mußte der Kön'g der Entwicklung der Dinge zusehen, und auch die Fürsprache seiner fürstlichen Verwandten in Paris nnd London konnte das Verhängnis nicht abwenden. Das Volk hat nun gegen seinen König entschieden. Wenn nicht alles trügt, hat der republikanische Ge- donke wiederum ein neues Gebiet erobert nnd damit einen Fortschritt gemacht, der auf die Dauer auf die übrigen Balkanstaatcn nicht ohne Einfluß bleiben wird. Aus diesem Gedanken heraus kommen auch die iugoslawischen und die rumänischen Drohungen mit einer Intervention in Grie- chenland, qeqen die jedoch in England und Frank reich bereits warnende Stimmen laut werden. Oie po i Ischen Regierungsschwierigketten Warschau, 19. Dezember. (Eig. Tel.) Sowohl die vereinigten Linksparteien einschließlich der Sozialisten als auch die jüdische Scjmfraktion haben einen entschiedenen Protest gegen die in Aussicht- nähme Skirmunts für den Ä u ß e n Minister posten unternommen unter dem Hinweis, daß unter Grabskis Ministerkandidaten bereit« vier als den ' Rationalisten angehörend oder ihnen nahestehend be trachtet werden müßten. Grabskt wurde erklärt, daß namentlich bei der Besetzung de» Außenressorts durch Skirmunt und des Innenressort« durch den Spar' kommiffar die protestierenden Fraktionen sofort ein Mißtrauensvotum gegen Grabskt« Kabinett einbringen würden. Grabski erklärte dagegen, daß er auf der Kandidatur Skirmunts bestehen nüste. Man sieht.also den Fell d" GraLslilablnetts bereits
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