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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 19.12.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-12-19
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192312192
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- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19231219
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- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19231219
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-12
- Tag 1923-12-19
-
Monat
1923-12
-
Jahr
1923
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Partei. 2« war also von vornherein klar, daß ein Kabinett Wito«, da» sich auf die Rechte stützte, in dem Augenblick stürzen mutzte, in dem da» Agrar gesetz vor den Sejm kam, und daß gleichzeitig inner- halb der Piasten-Partei ein« strenge Scheidung zwischen den Anhängern des wandlungsfähiaen Herrn Witos und den an dem Parteiprogramm feschalten, den Piasten eintreten mußte. Bereits im Februar dieses Jahres wurde in Warschauer politischen Kreisen von der Sezession des Dombski-Flügels aus der Piasten-Partei gesprochen. Bei der ersten Abstimmung des Sejm nach der Rogierungserklärung des Kabinetts Witos trat die Spaltung innerhalb der Partei deutlich dadurch zu tage, daß sich dreizehn Mitglieder der Piasten unter der Führung der Abgeordneten Bryl und Domsli der Stimme enthielten. Die Regierung hatte von Anfang an die unzulängliche Unterstützung von nur 197 Abgeordneten gegenüber 188 Stimmen der aus den nationalen Minderheiten und den Sozialisten bestehenden absoluten Opposition bei 81 Stimm enthaltungen der oppositionellen Piasten-Gruppc und der radikalen Kleinbauern der „Wyzrcolenic". Daß sich das Kabinett Witos trotzdem ein halbes Jahr lang behaupten konnte, dürfte in erster Linie auf die völliqe Hilflosigkeit des Sejms in der Frage der Neubildung der Regierung zurückzuführen sein. Nach wie vor behaupten ja die Polen, daß ihr Land ein »Nationalstaat" sei und auf die nationalen Minderheiten keine Rücksicht zu nehmen brauche. Aber schon das Kabinett Sikorski hatte sich nur so lange halten können, als ihm die nationalen Mino- ritäten, die über 00 Stimmen im Sejm verfügen, ihre Unterstützung liehen. Auch das Kabinett Wckos wäre nicht gestürzt, wenn es die Stimmen der Deut schen, der Juden, der Ukrainer und der Weißrussen für sich gehabt hätte. Die polnische Rechte wird bei ihrer Geistesver- sassung jede Regierung, die sich auch auf die natio nalen Minderheiten stützen und einen entsprechend gemüßigten politischen Kurs einhalten will, als »landesverräterisch" und „polenscindlich" bekämpfen. Infolgedessen stößt auch die Bildung des neuen Ka binetts auf die größten Schwierigkeiten. Die Tat sache, daß der Führer der radikalen Kleinbauern, Stanislaus Thugutt, mit der Kabinettsbildung überhaupt betraut wurde ter hat den Auftrag, wie aics der oben wiedcrgcgebenen Meldung hervorgcht, inzwischen bereits wieder in die Hände des Staats präsidenten zurückgclcqt), kennzeichnet das polnische Dilemma am deutlichsten. Thugutt hätte sich auf die Minoritäten stützen müssen, wenn er ein Ka binett hätte zustande bringen wollen, und auch er schreckte vor dieser Verbindung zurück. Der polnische Staat ist seit seinem Bestehen von einer Regierungskrise zur andern geschwankt, weil jede polnische Negierung die Parole von der angeb lich notwendigen »Bekämpfung der nationalen Min- derheiten" in ihr Programm aufnahm. So lange Polen nicht den Mut aufbringt, zu bekennen. l ß es ein Nationalitätenstaat und kein National- staat ist, und daß es unmöglich ist, die Minori- täten von der Mitarbeit am Staate fernzuhalten und zu unterdrücken, so lange wird diesem Lande d'e po- litischc Gesundung versagt bleiben. 2». Vor neuen Wirren in Griechensan- Athen, 18. Dezember. <L i g. Te l.) Die republi- konische Partei hält an der Forderung fest, daß der König sich sofort entferne. Die republika nischen Offiziere der Armee werden sich in einer Kundgebung an den König wenden und erklären, daß die Armee. d'e Flotte und das gesamte Volk ihn für abgesetzt erklärten. Di« liberale Partei der Beniselisten hält demgegenüber daran fest, daß die Frage der Staatsform nur im ncrren Parlament ent schieden werden könw>. Die heute in Athen abgehaltene Versammlung der republikanischen Partei war schwach besucht. Es waren kaum tausend Personen anwesend. Der Füh rer der Deniselisten Danglis ersuchte Dcniselos telegraphisch, er möge angesichts der Wahlergebnisse sofort nach Griechenland zurückkehren. Die republi- kanischc Partei fürchtet, daß sic im Parlament unter liegen werde. Sic beschloß daher, die Frag« der Staatsform noch vor Zusammentritt des Parlaments zu lösen. General Pangalos, dessen Anhänger in Grieck>isch-M i?ebon'>"i d^ond-rs zahl eiö' sind, hat in Saloniki den Wahlsieg über den Deniselisten errungen. Er kehrte heute nach Athen zurück. Seine Anhänger bereiteten ihm begeisterte Kundgebungen. London, 18. Dezember. (Lig. Tel.) Wie aus Athen gemeldet wird, hat der KabinettSrat, der heute stattfand, beschlossen, an den König die Aufforderung zu richten, das Land zu ver lassen, bis eine Entscheidung Wer die künftige Staatsform gefallen sei. Das Programm -er indischen Rationalisten London, 18. Dezember. (Eig. Tel.) Der Führer der indischen Nationalisten Das hat in einem Briefe an den Gouverneur von Bengalen erklärt, daß seine Partei, obwohl sie das Angebot einer streng verfassungsmäßigen Regierung anerkenne, jetzt nicht in der Lage sei, ein Provinzialkabinett zu bilden. Da die Nationalisten die Auffassung vertreten, daß Indien ausschließlich von Indern regiert werden müsse und es daher ihre Aufgabe sei, die zurzeit bestehende gemischte Verwaltung von Eingeborenen und Engländern zu bekämpfen, glaub- ten die Nationalisten nicht, die Regierungsbildung nur zu dem Zweck übernehmen zu dürfen, um durch passive Resistenz ein geordnetes Arbeiten der Ver waltung zu verhindern. Die Nationalisten seien gern bereit, di« Regierungsbildung zu übernehmen, wenn volle Provinzialautonomie gewährt, alle Aemter der Provinz den Eingeborenen übertragen, alle politischen Gefangenen freigelassc-r und die Aus nahmegesetz« aufgehoben würden. Bezeichnend für die Strenge, mit der man gegen die Mohammedaner in Indien vor geht, ist ein Urteil, da« in Allahabad gegen die An hänger einer mohammedanischen Sekte gefällt wurde, di« Ruhestörungen verursacht hatte. Drei Personen wurden zum Tode verurteilt. 28 zu lebens- länglichem und 4« zu je fünf Jahren Zuchthaus. Da» Krieaogericht in Bonn verurteilte den Bürgermeister, den Postdirektor und den stell vertretenden Landrat au» Limburg zu je drei Monaten Haft, weil sie sich bei der Besetzung Lim- bürg» im Mai geweigert hatten, die Befehle der De satzungstruppen auszuführen. Die Strafe wurde durch die viermonatige Untersuchungshaft »L» »eröLtzt erklärt. Der «Marsch auf Rom" Im Verlag der Frankfurter Societäts- druckerei G. m. b. H. erscheint dieser Tage ein Buch von Fritz Schotthöfer: „U 1'ascio. Sinn und Wirklichkeit des italienischen Faschismus". Entgegenkommenderweise ist uns die Erlaubnis erteilt worden, das grund legende Kapitel schon jetzt abzudrucken. Wir machen von dieser Möglichkeit Gebrauch; die Raumverhältnisse zwingen uns allerdings zu erncr Wiedergabe, die den Originaltext an verschiedenen Stellen kürzt. D. R. Garibaldis „Zug der Tausend" ist in Italien eine national« Epopöe geworden. Mit zwei Schiffen und seinen tausend Freiwilligen fuhr Garibaldi — im Mai 1864 — von Genua nach Sizilien. Es war ein revolutionäres Unternehmen. Denn die Regie rung durfte, von der alten Diplomatie Europas vor der Einigungspolitik gewarnt, nichts von der be waffneten Expedition zur Befreiung Siziliens wissen. Nach der Landung strömten »Tausend" Tausende zu. Die Schar schwoll und schwoll, und der letzte Bour bonenkönig der beiden Sizilien überließ Neapel dem Führer des aufständischen Volkes. Im Oktober be grüßte der revolutionäre Republikaner Garibaldi Viktor Emanuel als „König von Italien". Der Norden und der Süden waren geeint. Mit seinem »Marsch auf Rom" hätte er, sieben Jahre nachher, das gleiche Glück gehabt, wenn er nicht auf die fran zösischen Truppen gestoßen wäre, die der dritte Na poleon zum Schutze des Kirchenstaates geschickt hatte. Unter den „Tausend" Garibaldis hatte sich auch der Republikaner Erispi befunden, dessen glühende Beredsamkeit dem Alten von Caprera erst die letzten Zweifel und Bedenken genommen hatte. Crispi trat später aus der republikanischen Partei au». „Die Monarchie vereint uns, die Republik würde uns trennen," sagte er. Diese Vorgänge sind im Gedächtnis der Italiener frisch erhalten geblieben. Noch gibt es Ueberlebende voin „Zug der Tausend". Bei patriotischen Festen holen sie ihre „roten Blusen" heraus, und das Volk jubelt ihnen zu wie nationalen Helden. Auch der Fascio bewirbt sich bei seinen Paraden und Feier lichkeiten um die Veteranen der Befreiung und Einigung. Die „schwarzen Blusen" der Faschisten und die „blauen Blusen" der nationalistischen Verbände „Kcmpre pronü" haben vom Ruhm der roten Blusen gezehrt, als sie mit solcher Uniformie rung ihrer Anhänger auf die Phantasie der Massen zu wirken suchten. Rom fehlte noch im Machtbereich Mussolinis. Er hatte im Laufe der Jahre 1921 und 1922 seine „sguackre" stark vermehrt und stets glänzender orga nisiert. Sie waren ein wirkliches Heer geworden, das jeden Augenblick mobilisiert werden konnte. Die Gewalttätigkeiten ließen kaum nach, nahmen aber andere Formen an. Die Expedition nach Bozen bleibt das deutlichste Beispiel für die terroristische Macht, die der Fascio gewonnen hatte. In wenigen Tagen zwang man die Negierung, ihre Verständi gungspolitik in eine Dernichtungspolitik gegen das Deutschtum zu verwandeln. Gegen die Streiks der sozialistischen Arbeiter hatte man Gruppen gebildet, die ähnlich wie die technische Nothilse in Deutschland funktionierten, allerdings mit dem politischen faschi- stischen Einschlag. Es waren auch bereits zahlreiche faschistische „weiße Gewerkschaften" entstanden. Die Nicderkämpfung des Eisenbahnerstreiks vom Sommer 1922 hatte dem Fascio das klarste Bewußtsein seiner Kraft gegeben. Für da» Reifen der Entschlüsse zum Staats streich hat die Aussichtslosigkeit der faschistischen Politik im Parlament wesentlich beigetragen. Vielleicht war Mussolini seine bewaffnete Macht trotz der Substdien von großbürgerlicher Seite zu teuer geworden. Jedenfalls schien es unmöglich, daß der Fascio auf legale Weise einen starken Einfluß auf die Staatsgeschäft« gewinne. Mussolini hatte es zweifellos versucht. Aber er fand keine Gegenliebe. Wie sollt« das Programm des Fascio in einer Re- gi«rungskombination vertreten werden, wenn d'e An hänger sich fortwährend gegen die Gesetze vergingen? Mussolini hatte das Kabinett Giolitti in der Innen- und Außenpolitik aufs schärfste bekämpft. Giolitti ließ sich dadurch nicht abhalten, seinen Nach- folgern die Berufung Mussolinis ins Ministerium zu empfehlen. Während der Bildung des Kabinetts des Reformsozialisten Bonomi wurde Mussolini auch vom König über die politische Lage konsultiert. Weder der König noch Mussolini ließen sich von der Er- irmcrung an die antimonarchistische Demonstration bei der Eröffnung des Parlaments beirren. Viktor Emanuel blieb in der Tradition seines Hauses, das der Republikanismus Mazzinis und Garibaldis nicht abschrcckte, mit ihnen an der Einigung Italiens zu arbeiten. Für Mussolini war der Schr'tt ein weiterer Markstein seines Weges zur Macht. Denn er brauchte später den König, wie der König i h n brauchte. Was in dieser Entwicklung von Mussolinis Politik planbewußter Wille, uas Improvisation und An passung war, ist schwer zu sagen. In den Kulissen des Parlaments waren die Möglichkeiten für den Fascio sehr beschränkt. Denn er war noch immer weit mehr eine bewaffnete Machtorganisation als eine politisch« Partei. Die Anwendung dieser Mucht konnte nicht parlamentarisch sein, solange nicht die Staatsgewalt selbst ganz in den Händen des Fascio war. Denn cs ist nicht zu übersehen, daß Mussvlini zwar durch eine Aufruhrbewcgung zur Macht kam, daß er sie aber vom ersten Augenblicke an, trotz aller Drohungen an die Adresse der Deputierten, in ver fassungsmäßiger Weise gebrauchte. Der Weg über den Staatsstreich war jedenfalls der kürzere. Er versprach auch manche Vereinfachung. Die genaue Vorbereitung des „Marsches auf Rom" erstreckt sich über einen Zeitraum von fünf Wachem Am 20. September 1922 hielt MussoUni in Udine eine größere Rede, die nicht mehr miß- zuverstehen war. Rom erschien wie ein doppeltes Ziel. E« war der Sitz des Staates; c» war aber auch ein Symbol. Am 24. Oktober bei dem großen Kongreß der Faschistischen Partei, der dem Lande zeigen sollte, daß auch Neapel vom Fascio bezaubert sei, gab Mussolini die letzte Ankündigung: „Wir sind an dem Punkte, an dem der Pfeil vom Pogen flirgt oder die zu stark gespannte Sehne reißt." Er sprach auch davon, daß jetzt da« Problem gelöst sei, cd der Fascio die Macht auf legale oder illegale Weise, durch parlamentarisch« Eroberung oder durch Insurrektion erlangen solle. „Wir Faschisten gedenken nicht, auf der Dienstbotentrevve zur Macht emporzusteigen." Und er löste die letzten Bedenken der Monarchisten innerhalb und außerhalb der eigenen Reihen: „Kein Zweifel, daß die italienische Einheit sich stark auf die Monarchie Savoyen stützt; kein Zweifel auch, daß die italienische Monarchie auf Grund ihrer Anfänge, ihrer Entwicklung in unserer Geschichte sich nicht den neuen Bestrebungen der neuen natio nalen Kraft entgegenstellen kann." Was folgte, war nur noch Ausführung. Die faschistischen Formationen wurden mobil gemacht. Sie besetzten im Norden, in Toskana, eine Reihe von Regierunqsgebäuden, Kasernen, Stadthäusern. In Rom dachte man noch daran, ein Ministerium Sa- landra zu bilden, da Salandra bei den Faschisten beliebt war. Er hatte sich selbst al» Ehrensaschist bezeichnet. Aber Mussolini lehnte am 29. Oktober in seinem „Popolo d'Italia" jeden Vergleich ab. Das Ministerium Facta wollte der Insurrektion mit der Erklärung des Belagerungszustandes entgegentretcn. Der König soll geneigt gewesen sein, das Dekret zu unterschreiben, habe sich aber von seinem Bruder, dem Herzog von Aosta, bestimmen lassen, es nicht zu tun, da di« Armee kaum gegen die Faschisten kämpfen würde. Wie dem auch fei: die Dynastie hat ihr traditionelles diplomatisches Ge- schick bewiesen. Facta gab seine Demission und Mussolini wurde vom König mit der Bildung der neuen Regierung betraut. Der Marsch der faschisti schen Truppen nach Rom war nur noch eine große Parade gewesen. Die Krisis wurde politisch gelöst. Der Fascio war zur Macht gelangte Aber eine Re volution war es nicht, es war eine Insurrektion oder ein Staatsstreich, der so rasch wie möglich wieder in die konstitutionellen Formen einlenkte. Der eigentliche Sieger war die Monarchie und die Dynastie. Sieger war auch die Verfassung: denn der erfolgreiche Revolutionär Mussolini mußte sic in die Hand des König» beschwören. Oie belgische Antwort an Oeutschlan- Berlin, 18. Dezember. Die Antwort der belgischen Regierung auf die voxi deutschen Geschäftsträger in Brüssel überreichte Auf- zeichnuug, die inzwischen ebenfalls in Berlin ein getroffen ist, hat folgenden Wortlaut: „Die Gedankcngänge, die Sie mir am 15. ent wickelt haben und die in dem Aide-Memoire zu sammengefaßt sind, das Sie m r gestern haben zu- gehen lassen, veranlassen die belgische Regierung zu Len folgenden Bemerkungen: 1. Im allgemeinen ist die belgische Regierung, da die Bedingungen für die Wiederaufnahme von Be sprechungen erfüllt sind, durchaus geneigt, mit der Berliner Regierung in eine Erörterung der jenigen Fragen einzutrctcn, die sie ihr zu unter breiten wünschen sollte. Der dipl omatische Weg scheint ihr hierfür angezetgt. 2. Die von der deutschen Regierung in dem Aide- Memoire entwickelten Gedankengänge lassen jedoch eine genaue Präzisierung vermissen. Es ist Sache der deutschen Regierung, konkretere Anregungen zu geben, damit diese nutzbringend geprüft und ge gebenenfalls erörtert werden können. 3. Bei der Prüfung der Anregungen, die ihr die deutsche Regierung geben könnte, wird die belgische Regierung foolgende« im Auge behalten muffen: s) Daß, wenn ein Problem auch andere alliierte Regierungen angeht, sie sich mit diesen ins Ein- vernehmen setzen muß; b) daß der Dersailler Vertrag respektiert werden muß; das g lt besonder» von dem Reparationsproblem, dessen Behandlung um so weniger der Neparationskommission entzogen werden darf, als die Rcparationskommission soeben zwei Sachverständigenaüsschüsse ernannt hat, an denen amerikanische Delegierte als Privatleute teilnehmen werden, und als sie mit den belgischen technischen Studien befaßt ist, deren Wert die deutsche Regie- rung zu wiederholten Malen gewürdigt hat. Die belgische Regierung hegt große Hofffnungen für das Gelingen der Arbeiten der Sachverständigen ausschüsse. Sie erachtet, daß deren Einsetzung einen ernsthaften Schritt auf die endgültige Regelung des Probleme« hin bedeutet. Daher hat sie auch mit Befriedigung davon Kenntnis genommen, daß die deutsche Regierung ihre Arbeiten mit allen Kräften fördern will, v) daß im Ruhr- und im Rheinland alliierte Behörden bestehen, deren Amtsbefug- nisse innegehalten werden müssen; aber aus dem Wunsche heraus, die Wiederaufnahme des wirtschaftlichen Lebens in diesen Gebieten, wo sich übrigens die Lage von Tag zu Tag bessert, zu beschleunigen, wird die belgische Regierung gern hierauf abzielende Vorschläge oder Bemerkungen der deutschen Regierung prüfen. Anregungen von ihrer Seite könnten insbesondere nützlich wirken, wenn sie sich auf die Wiederaufnahme der Beziehungen zwischen dem besetzten Gebiet und dem un- besetzten Gebiet, auf Derwaltungsfragen, ans die Verlängerung der Abkommen mit den Industriellen usw. beziehen. Aus der Gesamtheit der Erklärungen, di« Sie mir abgegeben hoben, folgt, daß die deutsche Reg «rung sich nicht chren Verpflichtungen zu entziehen beab sichtigt, sondern den Wunsch hat, hierüber zu einem Einvernehmen mit den alliierten Regierungen zu kommen. Die belg schc Regierung mißt dem regel mäßigen Funktionieren der interalliierter militärischen Ko., crollkommissionen einen besonderen Wert bei und ergreift die sich ihr bietende Gelegenheit, um der deutschen Regierung erneut zu sagen und zu bekräftigen, daß, so lange den Alliierten in diesem Punkte nicht Genüg« getan ist, di« sich ag» dem Versailler Vertrag« für das Reich ergebenden Verpflichtungen nicht al» lonal erfüllt gelten können. Eine Weigerung der deutschen Regierung würde sehr scbwer dasjenige Vertrauen auskommcn lassen, das für den Gang der Verhand lungen, deren Eröffnung da» Reich nachsucht, erfor derlich ist." Kranzöfifche Scharfmacher Die offiziöse Berliner Veröffentlichung über den deutschen Schritt in Paris und die Antwort Poin- carks, sowie die Rede Stresemanns werden von den Gegnern einer Sonderverhandlung mit Deutsch land benutzt, um neue» Mißtrauen zu säen. Die extrem-nationalistische „Libre Parole" trium- phiert, glücklicherweise seien die Deutschen da, um die Irrtümer der französischen Politik rechtzeitig in» rechte Licht zu setzen. Da» „Echo National" be- merkt, die Berliner Aeußerungen und di« deutsch« Note über die Lebensmittelkredtte bewiesen hin reichend. wie recht die Leut« hätten, die von einer neuen deutsch sronzösischen Fühlungnahme keinerlei Erfolg erwarteten. Der Berliner Berichterstatter de» „Echo de Pari»" meldet, die Rede Strrsemann» sei ein neuer Beweis dafür, daß jede politische Aktion Deutsch land» durch irgendeinen Schnitzer be einträchtigt werde. Pertinax macht im «Echo de Paris" auf die Bedingungen aufmerksam, von denen die Verbündeten im Januar und Februar die erste» Lebensmittelkredite abhängig gemacht haben. Er empfiehlt, nach der gleichen Methode zu verfahren und die Zustimmung Frankreich» von der An erkennung der Pfänderpolitik durch Deutschland abhängig zu machen. Da» „Jour- nal" erklärt, die amerikanischen Kaufleute, die Deutschland den Kauf aroßer Mengen von Kupfer und Baumwolle ermöglicht hätten, seien gewiß in der Lage, ihm auch Lebensmittel gegen Kredite ohne Inanspruchnahme de» Reparation- kontos zu verschaffen. Pari», 18. Dezember. (Eig. Tel.) Wie der „Petit Parisien" mitteilt, wird sich die Repara tionskommission am Mittwoch nachmittag mit der Note beschäftigen, in der für den Nay- rungsmittelkredit, den Deutschland m Amerika aufzunehmen gedenkt, die Priorität vor den Reparationen verlangt wird. Es scheine — so heißt es in der kurzen Erklärung, die der „Petit Parisien" veröffentlicht — fast sicher zu sein, daß der deutsche Antrag auf die Opposition der bei- gischen und französischen Delegierten stoßen werde. Deutschland besitze im Auslände be deutende Barguthaben. Diese können ohne weiteres als Garantie dienen, wenn Deutschland einen Nahrungsmittelkredit aufnehmen wolle; cs sei also nicht notwendig, die Priorität aufzuheben, die auf dem deutschen Staatsbesitz nach dem Friedens vertrag im Hinblick auf die Reparationen laste. Geteilte Meinung in England London, 18. Dezember. (Eig. Tel.) Die Ant wort dec französischen Regierung auf das Ersuchen Deutschlands um direkte Verhandlungen hat in Lon don geteilte Aufnahme gefunden. Während die Blätter hervorheben, daß Poincars wenigst ns die Möglichkeit weiterer Verhandlungen offen lasse, sind die Ansichten darüber geteilt, ob diese Verhand lungen zum Ziele führen werden. „Daily Tele graph" spricht aus, daß man diese Aussichten in hiesigen politischen Kreisen nicht als sehr hoff- nungsvoll bezeichne. Di« „Times" erklärt, daß ein leichter Fortschritt darin konstatiert werden könne, daß Berlin und Paris überhaupt eine Unter haltung begonnen hätten. Es sei möglich, daß diese Unterhaltung, obwohl sie bisher praktisch ergebnis los gewesen fei, einem ausgedehnteren Mei nungsaustausch di« Wege geebnet habe. „Daily Expreß" erklärt, daß England den Geist der Versöhnlichkeit begrüße, den Porncarö gezeigt habe. Die Tatsache, daß cs zu diesen Vorbesprechungen zwischen Deutschland und Frankreich gekommen sei, fei ein Beweis dafür, daß die Gewaltmittel in dieser Frage verfügt hätten, und zwar sowohl die Gewaltmittel, die angewandt wurden, um einem Volke den Willen eines anderen Volkes aufzu zwingen, als auch die Gewalt, die angewandt wurde, um diesem Zwange Widerstand zu leisten. „Daily News" und „Westminster Gazette" beurteilen die Verhandlungsaussichten in Paris viel günstiger. Die „Daily News" teilt mit, daß di« deutsche Ne- gierung der englischen Regierung mitgeteilt habe, d-ß Deutschland, sobald eine Verständigung erreicht sei, die Alliierten ersuchen werde, in einer gemeinsar.cn Konferenz mit den deutschen Vertretern eine all- gemeine Lösung der Reparationsfrage vorzubcr-'kkc:?.' Die „Westminster Gazette" tritt dafür ein, daß Eirg-^ land, wenn Frankreich sich in den bevorstehenden Per-. Handlungen nicht geneigt zeigen sollte, ein vernüftigcs Kompromiß abzuschließen, versuchen müsse, mit Amerika und Italien dem unbesetzten Deutschland eine große Anleihe zu gewähren. Washington und die ltntersuchungen -er Reparationskommission Pari», 18. Dezember. (Gig. Tel.) Havas meldet aus Washington, der amerikanische Beobachter in der Reparationskommission, Logan, habe das Staatsdepartement wissen lassen, daß General Dawes und Owen Boung dazu aus ersehen feien, in dem Sachverständigenkomitee zu sitzen, das sich mit dem deutschen Budget be- fchäftigen soll, und daß man einen anderen amerikanischen Beobachter für den Ausschuß wäblen werde, dn die ins Ausland verbrachten deutschen Kapitalien suchen soll. Das Staats departement heiße diese Wahl gut. Es unterstreiche jedoch di« Tatsache, daß die in Frage stehenden Persönlichkeiten als Privatpersonen handeln würden und nicht als Vertreter der Bundesregierung. Kahr un- -ie Rechts-Bolschewisten München, 18. Dezember. (Eig. Tel.) Amtlich wird mitgeteilt: Warnnng! Es liegen Anzeichen vor, daß bestimmte Kreise die allgemeine Not, die von heute auf morgen zu beheben in keines Menschen Macht liegt, benutzen wollen, um ihre politischen Ziele zu verfolgen. Jede Storung der Ordnung muß die Not noch weiter verschärfen. Bor jedem solchen Versuch wird nachdrücklich ge warnt. Wer sich an Ruhestörungen in irgendwelcher Form — auch als Zuschauer — beteiligt, begibt sich in Lebensgefahr. Die bewaffnete Macht — Reichs wehr und Landespolizei — wird dir Durchführung ihrer Anordnungen mit der Waffe, wenn nötig mit ber Schußwaffe erzwingen. Ausdrücklich wird darauf hingewiesen, daß die Standgericht»verord- nung vom 9. November jeden bewaffneten Wider stand gegen die Staatsgewalt mit dem Tode oder mit Zuchthaus bedroht. Der Generalstaatekommissar, gez. Dr. v. Kahr. Der La:rdc«kommandant, gez. v. Lossow. Der Eycf der Landespolizei, gez. v. Seiher. * Dies« Warnung gewinnt Bedeutung durch einen Artikel im Zentralorgan de» Bunde« „Bryern und Reich", der außer einer scharfen Absage an Regierung und Parlament geradezu -um Putsch aufgefordert hatte, ohne daß bi» jetzt gegen die Zeitung eingeschritten mord«» wäre. E» ist bekannt, daß gleichzeitig die hiesigen Nationalsozialisten erhöhte Tätigkeit zeigen und daß von den nach Tirol geflüchteten, steckbrieflich verfolgten Teil- nehmern am Ludendorff-Putsch von Kufstein, Inn»- druck und Schamitz au» Unruhe in di« Bevölkerung getragen wird.
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