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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 14.12.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-12-14
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192312146
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19231214
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19231214
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-12
- Tag 1923-12-14
-
Monat
1923-12
-
Jahr
1923
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Donl Tage Ole erste Gieuernotveror-nurrg Di« Neich»regierung hat auf Grund des Artikels 48 der Reichsverfassung am 7. Dezember 1933 eine Steuernotverordnung erlassen, was noch vor der Ver abschiedung des Ermächtigungsgesetze« geschah. Die Reichsregierung sah sich gezwungen, di» Vorberei tung«» für noch im Dezember 1923 zur Erhebung kommende Steuern zu beschleunigen, um gegenüber der vorgeschrittenen Inanspruchnahme der Renten- marllredite gerüstet zu sein. . Auf Grund der Steuer notverordnung wird eine S. (letzte) State der Stheta-Rahr-rldgabe >md eiae Umsatzftener-Rachzahlang gefordert. Hiernach haben alle diejenigen, die bereits zur Entrichtung der 1. und 2. Rate Rhein-Ruhr-Ab- gäbe verpflichtet waren, am 18. Dezember 1923 zu entrichten. Freie Berufe sind auch diesmal nur dann pflichtig, sofern im Kalenderjahre 1922 das Einkommen höher war al» 1000 000 Mark. Au zahlen lind diesmal aut je 1000 Mark Ein kommensteuer für 1922 — OHO Mark in Gold. Wer noch nicht im Besitze eines 1922er Steuerbescheids ist, muß sein« Zahlungspflicht nach seinen Angaben in der Steuererklärung für 1932 selbst ermitteln. Eine Schonfrist über den 18. Dezember 1923 hinaus, gibt es nicht. Bis zum 21. Dezember 1923 kann noch zum Goldmarkkurs vom 18. Dezember 1923 gezahlt werden, aber nach dem 21. Dezember 1923 ist der am Zahltag geltende Goldmarkkurs bei der Um rechnung zugrunde zu legen. Es kann allerdings bei Zahlungen bis zum 1. Januar 1924 in Einzelfällen von Verzugszinsen (5 Prozent jährlich) abgesehen werden. Ein« schriftliche, d. h. besondere Benach richtigung an die Pflichtigen erfolgt nur in Aus- nahmefällen. Im allgemeinen haben sich die Pflich tigen nach den amtlichen Bekanntmachungen zu richten, auf di« auch hierdurch besonders verwiesen wird. Hinsichtlich der U m s a tz st e u e r ist durch die oben angeführte Stcuernotverordnung folgendes bestimmt worben: Weil durch die starke Geldentwertung in den Monte» Oktober und November die nbgelieferten Papiermarkwerte weit hinter dem Goldmarkwerte zurückgeblieben waren, ist auch die Umsatzsteuer am die Goldmarkbasis gestellt worden. Um nun di« Um satzsteuerpflichtigen von der Umrechnung zu den je weils geltenden Goldmarkkursen zu ent heben, ist als Ausgleich ein sogenannter Pauschalbetrag festgesetzt worden, der in Form einer Wiederholung der am 7. bzw. 10. Dezember 1923 adgelieferten November-Umsatzsteuer gleichfalls bis zum 18. De zember 1923 zu entrichten ist. Bei dieser Wieder holung muß derselbe Goldmarkbetrag entrichtet werden, der dem Goldwerte der geleisteten Voraus zahlung entspricht. Eine schriftliche Erklärung (Dor- anmeldungseryänzung) ist nicht notwendig. Umsatzsteuerpslichtig«, deren Zahlung»- und Ab- rechnungspfltcht vierteljLhrltch sestgelegt ist, weil sich der 1922er Umsatz unter 1509 090 Mark bewegte, scheide» hierbei au»; daß etwa von diesen freiwillige Abschlagszahlungen, in der Regel monatlich, geleistet «erden, spielt hierbei kein« Rolle. Tle Betrieb-steuer (Arbeitgeberabgabe und Landabgabe) wird mit Wir kung vom 1. Januar 1924 aufgehoben. Die Ver anlagung zur Einkommensteuer wird für das »m Kalenderjahr 1923 bezogen« Einkommen ausgeschaltrl. Die Einkommensteuer-Borauszahlung und die neue ren Vorschriften für den Steuerabzug im Kalender jahr 1924, werden in neue Formen gebracht. Die offi ziellen Bestimmungen liegen zur Zeit noch nicht vor. Nähere» hierüber folgt in einem späteren Aufsatz. G Dom Umsatzsteueramt Leipz'g wird uns geschrieben: Spätesten» bis zum 18. Dezember 1923 ist nach der Steuernotverordnung vom 7. Dezember 1923 und den Durchführungsbestimmungen hierzu auf di« Novem- berumsatze noch einmal der gleiche Goldmarkbetrag zu bezahlen, der nach den bisherigen Bestimmungen Das Tr.nkgeld Don ttnn» ein» Es naht — willls Gott — die Zeit der Wert- beständigkeit. Wir können also an fangen, .Er inne- rungen" au» der guten alten Zeit de» Papiergelde» zu sammeln. Es hat uns nicht wenig kopszerbrechende Umstände und Schwierigkeiten bereitet, von denen künftige Geschlechter sich keine Vorstellung mehr wer- dne machen können. Meine drückendste Sorge war immer da» Trink- geld. Ich meine nicht das Trinkgeld in den Gast häusern. Da» ist ja rechtzeitig .abgelöst" worden, und die Kellner gehen sorgenlos mit der Geldent wertung dahin. Nein, da« Trinkgeld im Privat- leben. Ehedem wußte man genau, was man dem Ehauffeur zu geben hatte, wenn man mit dem Auto eine» Freunde» nach dem Scharmützelsee gefahren war. Ehedem wußte man genau, wa» man dem Hausmädchen geben sollte, wenn e» nach einem guten Abendessen die Tür aufschloß. Jetzt wird man — Gott sei'» geklagt — viel seltener zu gutem Abendessen eingeladen, dafür plagt einen um so heftiger die Frage: Wieviel gebe ich dem Mädchen? Nicht immer ist ein Miteingeladener da, den man fragen kann: Wa» gibst du? Al» ich neulich meine Freundin Martha um Rat fragte, erzählte sie mir folgende Geschichte: Sie war zusammen mit ihrem Freunde Karl bei einer ebenso gütigen wie herzensreinen alten Dam« zum Essen gebeten. Es war gut und reichlich, und appetitanregend war da» sehr hübsch«, sehr blonde Hausmädchen, da« aufwartete. Da, Trinkgeld legte Freund Karl beim Abschied auf ein Tischchen in der Diele; e» «ar nämlich erst gegen Abend und die Haustür noch unverschlossen. Früh am nächsten Morgen rief die Gastgeberin meine Freundin Martha an. Wa» denn nur in Herrn Karl gefahren seil Er habe für ihr Hau«- mndchrn eine Billion al« Trinkgeld hingrleat. Da» sei «ine unerhörte Verschwendung! Ihr M tch n sei bescheiden, anspruchslos und solide. Sie schick« ihm mit der nächsten Post die Hälfte der Summe wieder. Schon wenige Tage darauf war meine Freundin Martha wieder bei der so gütigen wie herzen»reinen alten Dame zu Tisch. Viermal mit ihrem Bruder Aritz, mit dem sie i» voran» hie halbe Billion — der zu entrichten war. Wird nicht bi» -um 18. Dezember 1923 gezahlt, so ist der Betrag bereit« vom 19. De- zemder 1923 ab ohne Gewährung einer Scho »frist zu verzinsen. Den Steuerpflichtig, n wird bringend geraten, bei der Aahluna ihre Emp - fangsbescheinigung über die im Dezemver bereits geleistete Umsatzsteuer mit vorzulegen, da hierdurch da» Zahlungsgeschäft erheblich erleichtert wird. Die gleichen Vorschriften gelten auch für. die Abgabe nach dem Pressenotgesetz. Reise auf Rate«! Ab Montaa «erde» an den Schaltern der Reichsbahn Reifespargutfchetne ver- kauft werde», die auf 2 uno 5 Gorowark laute» uno jederzeit von sämtliche« Fahrkartenschaltern und Gepäckabfertigungen auch bet Auslano»- reise« in Zahlung genommen werden. Aus di.se Weise soll alle» Kreisen die Möglichkeit gegeben werde», für eine beabsichtigte Reise in Rate» zu spare». Die Idee ist wirklich hübsch. Wenn die Behörden reicher an Einfällen waren, könnte es an wachsenden Einnahmen gar nicht fehlen. Man ist also schon heut« in der Lag«, mit kleinen Beträgen für die kommende Sommerreise wertbestän dig zu sparen. Jeden Monat 2 bis 5 Mark an den Eisenbahnschalter zu bringen, bedeutet keine nennenswerte Belastung des Etajs. Wenn man dann im Juli ein Rundreisebillett nach der Nordsee oder den Alpen lösen kann, ohne die Brieftasche in Anspruch nehmen zu müssen, werden die Ferien doppelt so gut schmecken. Auch für unvorgesehene Geschäfts- und Berufsreisen sichert man sich durch diese sinnreiche Abzahlung kommende Reisen. Spare in der Zeit, so reist du in der Not. Die Bons des Reichsverkehrsministers Oeser werden bald die Reisesparer an die Fahrkarten, schalter locken: und die Eisenbahnverwaltung hat ihr Ziel erreicht: Belebung derReiselust Man verlangt jetzt nicht mehr 3. Klasse nach München", sondern erwirbt am-Schalter zunächst 150 Kilometer wöchentlich. Es erhöht sehr wesentlich den Porgenuß der Reise, wen» man weiß, daß man seine 400 Kilo- Meter bereits in der Tasche hat. Sicherlich werden sich viele Geschäfte die Ge legenheit nicht entgehen lassen, mit Hilfe der neuen „Ocser-Dons" einen neuen und originellen Weihnachtsrabatt zu schaffen; so würden zum Beispiel Wintersport-Geschäfte ihrem Kundenkreis gewiß eine große Freude bereiten, wenn sie eines Tages verkündeten: .Beim Einkauf von 100 Mark gewahren wir eine kostenlose Reise von 150 Kilometern in der dritten Klasse!" Oder w-mn sie sich verpflichteten, bei einem Einkauf von 20 M:rk einen Zentner Reisegepäck auf 50 Kilometer umsonst zu befördern, indefir sie als „Rabatt" einen „Oeser- Bon" üb«r 2 Mark aushändigen. Die Bons sind bi« zum 31. Dezember 1924 gültig. Unveränderte Preise Das Geschäft kn der Leipziger städtischen Äkarkt- halle ließ sich am Donnerstag ebenso ruhig an, wie an Mittwoch. Die Preise hatten sich in der Haupt sache nicht geändert. Butter war nach einer kurzen Pause wieder auf dem Markt erschienen. Wie immer, wenn ein Artikel au» dem Handel zurückgezogen worden ist, batten die Preise eine Erhöhung erfahren. Mol kerei- und Bauernbutter stellten sich auf 3,2 bis 3,4 Goldmark gegen 2,4 der letzten Notierung. Ameri kanisches Fett wurde mit 1,10 Goldamrk ab- gegeben. Hier und da wurden 1,2 Goldmark ver bürgt. Eier schwankten zwischen 30 und 35 Pfen nigen. Margarine war von 65 Pfennigen an bis zu 80 Pfennigen zu haben. Speck und Speck fett kosteten 1,6 Goldmark das Pfund. Die übrigen Fettwaren hielten den Vortagspreis. Frischfleisch war ebenfalls unverändert. Kalbfleisch wurde nicht angebotcn. Gefrierfleisch unverändert. Ebenso Wurstwaren. Wild und Geflügel lagen in reichen Mengen -um Verkauf au». Reh-, Hasen- und Gänsefleisch hielten sich auf den letztnotierten Preisen. Ein große» Angebot lag in Fluß- und Seefischen vor. Schellfisch schwankte zwischen 35 und 90, Kabeljau zwischen 70 und 75, Seelachs zwischen 60 und 70, Rot-Zunge zwischen 70 und 30 Pfennigen. Für grüne Heringe wurden 65, für Goldbarsch 40 Pfennige verlangt. Karpfen und Schlei« hielten den Dortagsprri». Kartoffeln konnten um fünf Pfennig« billiger notiert werden. Zehn Pfund wurden mit 60 Pfen- nigen abgegeben. Salatkartoffeln sollten nach wie vor 75 Pfennige kosten. Die Preise für Gemüse und Obst hatten sich nicht geändert. Rosenkohl war etwa, zurückgegangen. Das Pfund wurde mit einer Mark verkauft. l * Leipziger Teuerungszahl. Der innere Wert der Mark ist am 12. 12., gemessen an der Teuerungszahl des Statistischen Amts Leipzig (106 982 Milliarden), gestiegen seit: 10. 12. um 2 Prozent, 7. 13. 5 Pro zent, 5. 12. 13 Prozent, 3. 12. 21 Prozent. Die Teuerungszahl war am 10. 22.: 109 624, am 7. 12: 112 677 Milliarden Mark. Postdtenst am Heilige» Abend. Für Montag, den 24. Dezember, hat die Postoerwaltung auf Grund der in den Vorjahren gewonnenen Erfahrungen einige nach der Vcrkehrslage angängige Dienst- beschränkungen angeordnet. Di« Postschalber werden im allgemeinen um 4 Uhr nachmittags geschlossen. Der Zustelldienst soll möglichst zu demselben Zeitpunkt zu Ende geführt sein. Die Briefkastenleerungen werden so geregelt, daß die letzte Leerung gegen 7 Uhr abends be endet ist. Im Telegrammannahme- und Fernsprech- dicnst treten keine Beschränkungen ein. Es liegt im Interesse der Allgemeinheit, Postsendungen an diesem Tage möglichst frühzeitig einzuliefern. Dohnung»not — bet Arbeitslosigkeit im Bau gewerbe? lieber dieses hochaktuelle Thema sprechen am Sonntag, den 16. d. M., 1411 Uhr vormittags, im Großen Saale des Zoologischen Gartens Architekt Otto Iuhrisch und Stadtverordneter Baumeister Walter Schneider vor einer Versammlung, zu der Vertreter der Regierung, der BehorSe und aller im Bau- und Wohnungswesen interessierten Kreise ge- laden sind. Invalidenversicherung. Die Geschäftsstelle Leipzig der Landesversicherungsanstalt Sachsen weist darauf hin, daß die Invalidenmarken für die laufende Lohnwcche bi« spätestens Sonnabend bei der Post oder bei der Markenverkaufsstelle, Töpferstraße Nr. 3, I., von den Arbeitgebern zu kmrfen sind. * Droschtenfahrt nach Soldmark. Den Führern der Kraft- und Pfcrdedroschken ist genehmigt worden, den von dem Fahrpreisanzeiger nach Taxe III an- gezeigten Betrag in Goldmarkberechnung zu erheben. Die Berechnung der Goldmark nach Papiermark er folgt nach dem veröffentlichten Tageskurse. * Der Wert de» Pfennig» für die Berechnung der städtischen Gebühren beträgt unverändert zehn Milliarden Mark. «eniner, Mlrsor»ee»vfit»ser usw. Ausgabe von Rtnvsletsch — gute Qualität — Donnavend. den 15 De-cmber M3, von S bis A Ubr. im ssSdiischen Ävlachtvoi. Tas Purnd kostet 550 Milliarden Pas sende- Set» und Einschlagpapier sind mitzxbringen. Der Teutfwe «ankbeamtenverrin, Zwetgveretn Leipzig, dielt am Montag den 10. d. M.. im Svang. BeretnSdauL ein« gut besuchte Bcrsammtuna ab, in der Kolleg«! Fürstender«, Berlin, der qesMällSsilbreiwe Vorsitzende des GesamtvereinS, über die derzeitigen Tarisstreitig- ketten im Bankgewerb« spraed. Nach seinen mit leb- Vastem Deisall ausgenommenen AuSsührungen. m denen da- Berbalten der Bankleitunaen und de- Retch-arbcits- ministeriumS scharf kritisiert wurde gelangte folgende entschictznng einstimmig zur Annabme: »Die Mitgliederversammlung des Teutsebrn Bank beamtenvereins, Zweiaverein Leipzig, bekundet ibrer Br- rus-bertretung dem DBV., insbesondere dem Referenten. Kollegen Fürstcnberg, nach wie vor volles vertrauen. Die Organisation wird beauftragt, mit allen ,u Gebote stebenden Mitteln eine annehmbare Lvsung in der Tttrisstreittakeit mO den Arbeitgebern derbeizusüyren. Das «crvalten der Bankleitungen zeugt von keinerlei sozialem Verständnis und lässt auch sed« -rinneruna an die jahrelange ausovternde Tätigkeit die von der Bank- angkst?ll1«nschgst geleistet worden ist. und der die Snt- Wtrklung des Bankaewerbes mit in erster Linie zuzu schreiben ist vermissen Vom Arbeitsministerium muh eine wesent'ich entschiedenere Haltung ver- lamrt werden, t^in Reich-ministerium darf auch vor De« Bankleitungen nicbt haltmachrn, wenn es gilt, bereite tigte und leben-notwendig« Forderungen der Arbeit nehmer durchznsetzen.' vereinigte Elternausschüsse der höheren Ochuken Leip zigs. Sonnabend, 15. Dezember, Uhr im Grossen Saale des Zeniraltdea'er allgemeine Llternversammtung. Vortrag des UniversltätSprofessorS Dr. Kitt: .Grundsätz liches zur Reform brr höheren Schulen.' Lustarbeiter In einem der riesige» Aentralbüro» der staat lichen Eisenbahnwerkstätten in Berlin hat man «lnc seltsame Entdeckung gemacht. Unter dem tausend köpfigen Personal fand man zwei stille, heiwtrche Grauköpfe irgendwo an halbvergcffenen Pulten, emsig über Liften gebeiwt, an denen sie von morgens bis abends schrieben. Es stellte sich nun heraus, daß dies« Listen absolut überflüssig waren und seit drei Jahren nicht mehr benutzt wurden, da man längst zu einem anderen Snstem übergegangen war »nd an einer anderen Stelle viel exaktere Tabellen über die gleiche Materie führte. Die beiden braven Listenschreiber haben drei Jahre lang in di« Lust gearbeitet, blinde Passagiere an Bord eines Riesenbetriebes. Vielleicht wußten sie nicht, daß ihre Listen in die Luft geschrieben waren; vielleichk wußten sie e» und hielten, aus begreiflich.» Gründen, still. Sie brückten das Pult, wetzten ihre Büroärmcl durch und empfingen ihr Gehalt. Ls war nicht ihres Amtes, zu fragen, warum und zu welchem Ende sic Listen führten, die niemand braucht, sonder» ihres Amtes war es, Listen zn führen, um ein Amt zu haben. Der Fall, so grausam lächerlich in seiner Kraß- heit, ist typisch. In allen große» Büroo und Aemtern wird mit entbehrlicher Arb'it Energie vergeudet. Und mancher Stuhl ist nur dazu -a, um warm ge sessen zu werden. Es werden viel zn viel Lasten und Akten geführt, die nur Staubfänger find auf Regalen und Pulten. Die Taylorisicrung der Büroarbeit fiihrt schließlich dahin, daß mancher Beamter und Angestellter vom Zweck seiner täglichen Arbeit keine Ahnung mehr hat. Er erledigt sein Pensum — punktum. Weil jene beiden Beamten nicht danach fragten, wo mit ihren Listen geschieht, hatten sie eine Existenz. Hätten sie gefragt, also bewiesen, daß sie bei ihrer Arbeit auch denken, Hann würden sie schon vor Jahren ihr Amt eingebüßt haben. Die Einordnung in das System, das darin besteht, nicht nach dem Sinn der Arbeit zu fragen, bewahrte ihnen den Posten. Drei Jahre sinnlose Arbeit! Wie unwürdig! Welche Energievergeudung! Dies ist die eine Seite des Falls; die andere aber sieht man nur, wenn man das „ökonomische" Auge ein wenig zudrückt und das „humane" um so mehr auftut. Geht es gan» ohne Energieverschwen dung ab? In der Natur, tn der Wirtschaft, in den Büros oder sonstwo? Wenn man noch so scharf kalkuliert und durchorganisiert — irgendwo wird doch verschwendet. Die Maschine ist stets rationell, Menschenarbeit nicht immer. Razzien durch Aemter und Büros könnten gewiß manches Pult leer fegen; was aber schaut dabei heraus? Die Listen der be dcn Beamten haben ihren Zweck erfüllt, solange man nicht entdeckt hat, daß sie absolut zwecklos warrn. Sie haben Menschen ernährt. Sie waren gleichsam ein Paravent, ein Por-Wand der Arbeit, dahinter es sich wenigstens einigermaßen leben ließ. Das Ab- bäuge setz wird zweifellos manche entbehrliche Listen aufdecken. Aber man wird dann vor der noch schwierigeren Aufgabe stebsn: Wohin mit den über- flüssige» Listcnschreibern? Was anfangen mit dcn blinden Passagieren der Arbeit? Man kann ihnen andere Listen zu führen geben, die vielleicht etwas weniger überflüssig sind. Aber um überflüssig« Ar beit aus der Welt zu schaffen, bliebe schließlich nichts anderes übrig, als den Typus der Luft-Listenschreiber aus'der Welt zu schaffen; und das wird keinem M- baudiktator gelingen. ktvft. Ver betrogene Uhrmacher Ein raffinierter Betrug ist am 11. d. M. an einem Leipziger Uhrmacher verübt worden. Ls erschien in dessen Geschäft ein 35- bis 40jähriqer Mann, etwa 1,75 Meter groß, schlank, mit englisch verschnittenem Schnurrbart, und wünschte Uhren, Ringe und Arm- bänder zu kaufen. Er hätte, wie er angab, genug wertbeständiges Geld, zeigte auch einiges vor. Seine Wahl fiel auf eine Herren- und eine Damen armbanduhr, ein Herrenarmband, Ohrringe und einen Herren- und einen Damenrinq. ersterer mit mattrotem Stein (Karneol) und letzterer mit vier roten Steinen besetzt, im Gesamtwerte von 411 In Zahlung «ab der Betrüger, der anqab, L. Rich- ter zu heißen und Kohlgartenstraße 14 zu wohnen, Dollarkurs hatte sich inzwischen nicht verändert — al» Trinkgeld vereinbarte. Wieder war das Essen reichlich und gut, und wieder bediente da» sehr hübsche, sehr blonde, sehr appetitanregende Haus mädchen. - Diesmal wurde e« spät, und das Mädchen schloß den Gästen die Haustür auf. Fritz drückte ihr das Trinkgeld in die Hand. Bruder und Schwester gingen eine Weile schwel- gend. Dann sagte Fritz: „Martha, ich habe ihr doch eine Billion gegeben." Martha erschrak. „Aber ich habe dir doch gesagt, daß Frau —" „Ich weiß. Aber da» Mädchen hat mich so auf merksam bedient. E» ging nicht anders. Und sie — — ist ein so sauberes Mädchen. Hast du ihre seidenen Stürmpfe gesehen?" „Nein." „Es hätte sich gelohnt nicht bloß wegen der Strümpfe. Man muß ihr doch helfen, sie zu kaufen, wenn sie bescheiden und solide bleiben soll." „Also bloß au« gutem Herzen " „Aber selbstverständlich. Eicher hat auch Karl bloß deshalb — —" „Halunken!" Leipziger Konzerte Don Edwin Fischer- Klavierspiel geht daS Fluidum der starken Mufikernatur aus. Man spürt die magische Verbundenheit zwischen nachschafsendcr Persönlichkeit und Hörerschaft, noch bevor man sich der besonderen Qualitäten des Spiels bewußt wird. Fischer darf ein so buntes Programm mit Werken von Dach bis Brahms vorführen. Sein beinah« schon proteisches Naturell wird sich bei Dach genau so überzeugend durchsetzen wie bei Chopin; der Mozartspicler gibt sich in Haltung, Ton, Anschlag, Rhythmus ander- al- der Gestalter einer Beethoven» oder Drahm-^onate. Wie Fischer eine Dachsche Fuge wunderbar in der Schwebe hält, zeugt von ebenso vollendeter Kunst, wie wenn er Chopin mit flämisch weichem, gleitendem Anschlag nachdichtet. Klein« textlich« Unkorrektheiten nimmt man einem solchen Meister nicht übel. — Von Joses Langers Klavierabend blieben nur zwiespältige Eindrücke. Der letzt« Beethoven wurde gedanklich zergliedert, zerquält, der Fugenaufbau in Regers Dach variationen schon mit der Aufstellung des Themas verdorben. Ob dieser Gefühlsüberschwang, die- aus- dringliche Rubato ein Symptom der schwäche ist oder einer Kraft, die sich noch nicht frei auszuleben vermag, kann erst die weitere Entwicklung des noch jungen Talents erweisen. — Auch der Pianistin Nadja Eitingon zerrinnt eine Bauche Fuge — die übrigens in dem Mischprogramm verlegen wirkte — glatt unter den Händen. Der ruhige Spiegel des Es-Moll-Präludiums von Dach (auS dem -weiten Teil des „Wohltemperierten Klaviers") wird durch eine derart empfindelnde 'Ausdeutung ge trübt. Atem, Kantilene, großen Melodleboaen ver mißt man auch in der Ehovtn-Sonate. Dagegen stellt die Pianistin zärtliche Sachen wie ein Scherzo von Scarlatti entzückend hin, und ein Capriccio dieses Altmeisters klavieristischer Kleinkunst wird gleichsam in die Luft geblasen, zerstäubt. Darin gefällt sich Nadja Litingon besonders, und da tritt auch die Güte ihrer technischen Ausbildung deutlich hervor. — Ich hörte Dassermann an einem dritten Violinabend die D-Dur-Sonate von Reger und die Svanische Sinfonie von Elgar spielen — meisterlich schlechthin. Leipzig wird diesen faszinie renden Künstler an Berlin verlieren, hätte man dem Verlust nicht zeitig vorbeugen können? tt. L. Bei Helene Matter st ock-Schreiber über wiegen die musikalisch-deklamatorischen Fähigkeiten die stimmlichen. Sie erntete dank ihrer vornehm eleganten Vortraaskunst die gleichen Beifallsstürme wie ihr fieggewoknter Partner Hans Lißmann. In Fritz Weihmanns Klavierspiel offenbart sich echtes, ehrliches Musikertum, da- der Darstellung aroßlintger Werke ebenso gewachsen ist wie der deli katen Wiedergabe reizvoller Miniaturen. K. U. Bismarck» Gesammelte Werke. Soeben ist der erste Band der Gesammelten Werke Bismarcks der Oesfentlichkelt übergeben worden. Er ist von Archiv- rat Dr. Hermann v. Pet«r»dorss brorbeiter und enthält die Frankfurter Gesandtschaft«- bericht« Pißmarck» bl» zum Jahre 1864. Die beiden folgenden Bände befinden sich bereit« im Druck. Da» Werk erscheint im Verlag Otto Stoll- berg L Lo., Verlag für Politik und Wirtschaft Baal wir- geopfert -Bei der Uraufführung von Bertold Brechts „Baal" im Leipziger Alten Theater waren die Meinungen des Publikums geteilt. Und diese ge- teilten Meinungen äußerten sich bei offenem Vor hang. Immerhin gab es einen gewaltigen Schlug- applaus und ein Dutzend Hervorrufe. Die zu diesem Kunstereignis nach Leipzig geeilten Führer der Berliner Kritik Alfred Kerr und Herbert Ihering stellten beide im „Berliner Tageblatt" und im „Ber liner Börsen-Eourier" dem Leipziger Schauspiel direktor Kronacher das Zeugnis aus, daß er — ein Vorbild für manche Berliner Bühnen — tapfer dem modernen Drama diene. Aber im Leipziger Stadtverordneten, ko liegt um hat man die Intendanz, die gar nichts dafür kann, sowie den verantwortlichen Schau spieldirektor „Baals" wegen ausgescholten, und der Gemischte Theaterausschuß hat beschlossen, den armen „Baal" abzusetzen, zur Verhütung weiteren Skan- dal». Da» war nicht sehr mutig von dem Gemisch- ten Ausschuß, und die Berliner Kritik, die in Deutschland ja immerhin noch nicht die letzte ist. wird ihre günstig« Meinung über den modernen Geist der Dheaterstadt Leipzig nun leider ein bißchen revi dieren. Auch den Feinden de» „Baal" und der radikalen Jüngsten im allgemeinen geben wir die» zu bedenken: Man spielt im Leipziger Stadttheater jetzt recht oft den „Petter Eduard". Niemandem, der es sucht, sei dieses harmlose Vergnügen versagt. Aber es gibt doch auch in Leipzig eine Hanze Menge Leute, di« junge Dichter, auch wenn sie nicht ganz stubenrein sind, dem Detter Eduard vorziehen. Soll man die schulmeistern? Sollten Vetter-Eduard-Leute di« Zensur über Literaturfreund« haben? Mit Nichten. E» sollen nn«' beide Parteien an verschiedenen Abenden in» Theater gehen. Wie frittiferttg ließe sich'» so miteinander lieben. Und die Leipziger Stadtverordnete» könnten sich dann drinaeaderen Geschäften widmen, al» der lite rarischen Zensur, für die sie — darf man e» eu»- sprechen? --- nicht einmal so recht zuständig sind.
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