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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 09.12.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-12-09
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192312098
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19231209
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19231209
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-12
- Tag 1923-12-09
-
Monat
1923-12
-
Jahr
1923
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r«Ld«r igel 1. Prc<«. l«, Re!nvan4 ckr 2. Pr«>4. : Lerma. MN 1. Pcri4. uxl 1. Preis. ;W i Sa u « r !tS. Prengii «laste b'.» mS-Batzn .» lUbS um die rn: Lo.cn,. z von den >«r mir wcit »pottltw n,t :ine S.« l e i der le ttn litte Lpoc - r ein re ir rsten D> den Fr" ">l still, tzi.lr Vo6—' 1 k an l > drei,! r Ve7>— Dcö , Do5— < >. Sckn , en Ft. r > n dro verlrc :i >b avl c- erzich c». ; 63 k6 - 6 4 vcn ;3: 2. I >4 «4 4 .4 l.d8! I«3 r scheuert ZdS c? c6 r5 — 2 P ... k 4: s. Kramer, ir Leh. er- Lombola- rcu : o 8. Preis . W gel telmann, »er »Sau er findet Straße tnd dem 14. De > Am: - «len dis rchach. !haui>ee- hver- °>a n d. bespielt dshaus. , Organ cha ch - Peltem Leiten, Heinen. Nacks., Zeit, »fohlen brach', t aul) S wird »n Sie »eil in sind. wild Uhr. «recht ird berg « tdan .Pr7r , I.—. der d dir «m» Die Ahnen Don ftsll» vr»un N'cht erst Lei mitternächtigen Glockenschlägen, —. Von Geistern sind w r immerdar umschart. Unsichtbar treten, die in uns bewahrt Ihr tiefste« Blut, uns zauberisch entgegen. Auf allen Häuptern lastet schwer ein Segen. Zn allen Leibern hat sich aufgespart E n Mensch, das Merkmal seiner Gegenwart, Nie Bildner gern ihr Werk zu zeichnen pflegen. Sei, wer du bist: in einer tiefen Stunde Blicken dich Augen an, die deinen gle chen. Und forschen grausam dir bis ganz zum Grunde. Und sagen dir mit deinem eignen Munde: „Geschlecht und Blut." Du wehrst dich — willst entweichen —. S e zeigen lächelnd ihr geheimes Zeichen. (Au- dem «lnairbea-Almanaed aus das Jahr lS24, der zahlreiche Ortginalbeitrüge der Verlag Lauto»en ent- b-lt.) Da« vertauschte Niklasgeschenk Ei« Kuabengcschichte. Don ^r»nr krisckrtest 0d«rst»u»«r Zwei Buben standen vor den Duden des Niklas- mortte». Ueber der Kirche „Maria zu den neun Engeln" hu'.g der frühe Winterabend. Flaumgewölk hatte den Tag verziert, nun aber sanken feine Nebel, dünne E.scörner fielen, und di« Gasflammen brannten ».'.schwömmen. Die neun Engel, die auf den Ge- s.msen standen, hüllten sich in di« Dezemberschleicr und sahen kaum auf das Gedränge der Menschen, di« unten die engen Niarktgassen füllten. Die zwei Knaben, Max und Paul, standen vor den wunderbaren Dingen, die es da zu sehen gab. Max trug seine Holzschuhe, die holländischen Klumpen, ore er bei seinem letzten "Aufenthalt in Holland von der Frau Dimmrlmanns zum Sankt-Niklas-Feste bekom men hatte. Er trug sie, denn er war arm und hatte keine anderen Schuhe. Paul ober sah verlangend auf diese hölzernen Klumpen, und « hatte den Wunsch, auch e.nmal solche Schuhe trage« zu können. Seine L.tern waren gut situiert, und er war niemals auf L.holung in Holland. „Schau doch, Paul, die wunderbaren Nikolos! D.e Krampusse! Die silbernen Gewänder, wie sie der Bischof trägt, und der lange Stab! Fein, was?" „Das ist ein Hirtenstab!" sagte Paul nebenhin, st.ckte die Hände tief in die Hosens-ick« und sah wieder auf die plumpen aufgeschnabelten hölzernen Pantinen. „H. st du diese Schuhe schon lange?" „-eit vorigem Jahr, zumSankt-Niklas-Festebekam ich sie! Hirtenstab, sagst du? Warum Hirtenstab? l^a dieser lange Bart! Unser Bischof hat aber kc'nen!" „Der darf keinen tragen, weiß du! Geht man fe .i in solchen Holzschuhen? sag! Sie machen einen schrecklichen Lärm? Wie muß es da in Holland sein?" Dort tragen nicht alle solche Schuhe! Nur wen ge! Ach, diese Bonbons aus Schokolade. Zn Holland . . / „Unser Lehrer in der 48-Klasse sagt aber anders!" „Der Lehrer, was, der war gar nicht draußen! O, d.eser Buckelkorb, den der Krampus trägt, und voll v n Früchten und Schokolade! So etwas möchte ich e.nmal haben; ist das nicht herrlich?" „Ich . . ." meinte Paul von oben herab und ver zog ein wenig den Mund, „ich mach' mir aus solch' Le^erzeug nichts mehr!!" Er schwieg und sah nach-, L:r klich vor sich hin, währenddessen Max seine Augen v D.ng zu D ng schweifen ließ und tausend Wünsche in .hm zu lodern begannen. r)ui" sagte Paul und zupfte dabei den Max am 5.. a.ragen, „ich weiß etwas!" „Was?" „Wir tauschen!" Max sah u;n verständnislos an. „Ich meinte, du bekommst von mir alle Nikolo- g ' me und gibst mir dafür deine Holzschuhe!" -Üax erschrak. .Alle deine Sachen? Alle?" Er dachte einen s gcnblick nach. Das war entschieden ein großes ' gnis. „Aber ... ja . , . aber, wenn der k . :pus komurt mit einer Nute?" In mir kommt lein Krampus, ich bekomme immer s schöne Sachen!" Max sah ganz verworren das armselige Bild k s He,ms. Er sah feine Mutter, die Wäsche l lte, den ganzen Tag über nichts anderes als -e bügelte, ost. bis spat in die Nacht. Bonbons? s lchde? Kandiertes Obst? Zwieback? Kcts? <. -> olade? Was sind das für Dinge? Paul faßte das Schweigen nicht richtig auf. „Also du bekommst alles, ganz bestimmt! Und den blauen Mistkäfer gebe ich dir auch noch!" „Den blauen Mistkäfer?" Nun, das war ein schiner Käfer. „Und den Tagfalter, das Pfauenauge und den Schwalbenschwanz auch noch!" ereiferte sich Paul. D e Holzschuhe hatten es ihm angetan. Sie kamen so w'st der, und in seinen Abenteuergeschichten und Flibustrererzählungen hatte er davon gelesen. Di« Klumpen mußt er haben. „Das Pfauenauge, den Schwalbenschwanz, diese herrlichen Schmetterlinge . - Er «ar ja nie m den Wesen, in den Wäldern gewesen, wo sie sich selber fangen zu könne» Er sah mit langsam verschwommenen Blicke« auf elst d.ese Herrlichkeiten. „Willst du?" drängte Paul. „Aber wenn du nun faule Erdäpfel krisgst, wie bei- Schwlngenschlägel von der 4^-Klasse, werßt du!" Paul wurde ungeduldia. Er schupfte di« Schultern und tot ganz gleich- gültig. „Run gut, wenn du nicht willst!!" „Aber ja!" sagt, Ria« «an» l^il, ,1ch »ckkk fql" „Zch nürßte es, du bist immer «ei« bester Freund gewesen, Max! Also am Rikoloabend kommst du, «ch üiß dich herein!" * Die Kirchenglockcn schlugen an. Es war schon spät. Die beiden Knaben machten sich auf den Heim- weg. Immerzu mußte Max an die Geschenke denken, und daran, ob Paul auch diesmal sehr viel bekam- men würde. Und Paul wieder freute sich des Augen- blicks, da er in den schweren Schuhen in das Zimmer kommen würde. .. . - ist Dlax wartete an diesem Abend im Haustor, bis ihn sem Freuns hinaufrief. Es fror ihn in der kalten Luft. Er sah den Sankt Nikolaus die Treppe hinaufste'.gen, er hörte den Krampus mit wilder Kette an die Tür«n schlagen. Er drückte sich ganz in di« Mauerecke. Und der Wind trug Eiskorner und Schnee durch das halb offengeblieben« Tor. Aber Vtax wartete geduldig. Er hörte Paul pfeifen, stürmte die Treppe hinauf und wurde von Paul <n das warme Zimmer geführt. Welch eine Menge Geschenke lagen da! Früchte, Pralinen, Kuchen und Naschwerk, em Steinspiel und andere» Zeug. Sogar ein Paar Handschuhe, gewöhnliche FäiMinge, aber immerhin für ihn eia Luxus. Paul stand, die Hände in den Hosentaschen, und m«t gespreizten Beinen, da. Er lächelte. „N.mm!" sagte er. „Alles?" fragte Max und «sagte kaum auf den Tisch zu sehen. „Alles!" Max zog seine Schuhe au», Hab sie seinem Freunde. Dann stopfte er all« Sachen in einen Sack und wollte damit davon. Aber an der Türe fiel ihm ein, daß er ja keine Schuhe hatte. „Du, ich habe keine Schuhe!" Paul kramt« in seinem Schranke und sand ein Paar guter Schuhe. „Da!" sagte er. „Den Mistkäfer, den Tagfalter und das Pfauenauge bekommst du, wenn du uneder- kommst. ..." Max war zur Türe hinaus. Der Schnee peitscht« ihm ins Gesicht, der Wind pfiff wie toll, und trotzdem rannte er in Heller Freud« die Straßen hinauf. An einer Ecke stieß er mit einem Nikolo zusammen, der packte ihn kurzerhand an der Schulter: „He, Kleiner, was schleppst du da?" „Geschenke vom Nikolo!" sagte Max stolz. „Das trifft sich gut! Da drüben liegt «in armer Knabe, ein Habenichts, krank in seiner Stube. Gib mir was für ihn!" Max überlegte nicht lang«. „Ich bin selber arm . . . aber warte! Und er öffnete den Sack und schenkte mit vollen Händen her. „Schönen Dank!" sagt« der Miße Mann. Einige Straßen weiter stieß er auf «in Bettel. Mädchen, da» weinend und frierend vor einem Haus tor saß. . - Er blieb stehen. Zum zweiten Male öffnet« er den Sack und gab her. Verschenkte. Als er nach Haus« kam, hatte er nicht mehr viel. Aber immerhin noch genug, um es vor seiner erstaun ten Mutter auf den Tisch zu schütten. „Und morgen bekomme ich noch den blauen Mist- käfer und das Pfauenauge und den Schwalben schwanz!" sagte er und blies laut und voll Freude vor sich hin. „Kind, woher hast du dos?" „Paul hat es mir gegeben!" „Paul ist ein braver Junge!" sagte die Mutter unc setzte sich zu Max an den Tisch. Sie räumt« ihre Arbeit fort und begann ein wenig zu rasten. Es war schön und still an diesem Abend. „Nun wirst du auch an Frau Dimmelmans den- ken, an das Niklasfest und di« Holzschuhe . . ." Line heiße Welle spürt« Max über seinen Körper rinnen. „Wie komisch!" sagte Maxen» Mutter plötzlich, „aber es ist mir, als hätte ich deine Holzschuhe gar nicht gehört, als du über die Treppe st»mst . . ." „Natürlich! Mutter!" „Oder schneit cs so?" „Furchtbar! Mutter!" „Du hast sie doch an! Laß sehen!" „Ja . . . ja . . . Mutter, mir sind di« Füße ein- geschlafen!" „Gleich stehst du auf, Junge! " Und er stand aus, und das Unglück war geschehen. Das tteine, selige Fest versank w,e eine Rakete, di« verlöscht. „Mutter, du darfst mir nicht böse sein, ich will es d'r glc.ch erzählen!" „Wenn das die Frau Dimm«lmans wüßte!" sagte die Mutter mahnend. „Aber, die ist doch weit!" „Und wenn sie einmal fragt!?" „Freilich, aber dann erzähl' ich's ihr einfach. Weißt ou, es war so. Hör' zu . . . Der Paul ist doch ein guter Freund von mir, nicht, und «ch hab' ihn auch sehr gerne, und wir machen doch die Schulauf gaben zusammen, und die Mama von Paul gibt mir doch auch oft einen Kaffee, also der Paul war nie in Holland und wollte doch einmal so gerne solche Holz schuhe haben, weißt du, und da hat er . . . und da buben wir, da haben wir einfach getauscht. Er schenkte mir sein Nilologeschcnk und ich ihm di« Klumpen. Und weil du auch ni« was Gutes hast, so hab' ich mir gedacht .... also, Mutter, du darfst nicht bös« sein. Und er schenkt mir auch noch den blauen Mistkäfer und den Tagfalter und da« Pfauen- äugen und den Schwalbenschwanz, das sind herrliche Sckmctt.rlinge, weißt du, und so . . . und so . . " Die Mutter sagte nicht m«hr viel. Sie hielt Max vc«, daß er nicht recht getan halt«, und daß er nun auch da« letzte Geschenk von der guten Frau Dimmel- wans weggeaeben hatte Geschenk« gibt man nicht hcr und uun schon gar nicht für «in paar Zwetschgen und süße Früchte und «in« Hand voll Bonvovs, da« wstr »i» schlechter Huru»! „Aber di« -archsquh« und der SteinLmckasten, Mutter!" „Die trogst du «wogen zurück!" Da war nun ein« schwer« Stille. Und Max tat es auch schon l«id. Er-hatte den Einfall, jein« Holz schub« zurückzuholen. Er lief w.eder durch di« win terlichen Straßen bi» zu Paul» Wohnung. Aber da» Mädchen, da» ihm öffnete, sagt« ihm geradeweg» aus sei»« Frag«, . di« Holzfchuh« seien «den «in- O« Letzt worben. , „Mein« Holzschohesf «»—Ov—tzai-Ll? «ck» echten holländilschen Klampie»? Di« ich von der Frau Dimmelmans zum Nikla»f«s« bekam?" Er war so überwältigt, daß er nicht mehr reden konnte. Er schlich die Treppe hinab und ging lang sam nach Hause. Weinen stak in seiner Brust, und uin alles tn der Welt hätte er jetzt sein« Holzschutzc wicderhaben mögen. Er wußte natürlich nicht, daß Paul in den schweren Schuhen nicht gehen konnte, daß er Basen und Glaser zerbrach, da» Tischtuch herabriß, fiel, aufstand und wieder fiel, bis seine Mutter ihm bl« Holzfchuh« fortnahm. Er schlich nach Hause. Legte sich still auf sein Bett und schlief ein. O Natürlich hatte er in dieser Nacht einen Traum. Es erschien die Frau Dimmelmans und forderte die Holzschuhe, damit sie diese über Nacht dem Nikolo vor die Türe stellen tönne. Er suchte und suchte und fand sie nicht. Er schämte sich sehr . Da erschien plötzlich der Nikolo aus einer Wachtaasse und brachte den einen Schuh, den er dem suchenden Max still in die Hand drückte. Gleich darauf erschien lächelnd das Dettelmädchcn und brachte den zweiten, und Max konnte sie der Frau Dimmelmans übergeben. Damit wäre der Traum aus und auch die (be schickst«!. Aber da es noch gute und brave Mütter gibt, die verständnisvoll di« Streiche der Jugend begreifen, kann «in Schluß hinzugefügt werden, der sich fast genau an den Traum anfügt. Als Mar am nächsten Morgen erwachte, fand cr die beiden Klumpen gefüllt mit Nüssen, getrockneten Birnen und ein Paar Handschuhen. Das hatte die Mutter Pauls geschickt. Max fühlte ein« uferlose Freude. Seine Mutter stand schon am Bügelbrett und beugte sich an diesem Morgen tiefer über ihr« Arbeit . . . Oie Vornehmsten Bon «»rmann ^Int „Ich verstehe überhaupt nicht, wie man in dieser schweren Zeit noch Chrysanthemen kaufen kann", sagte Elsbeth, die kleinblum ge Asternstaude, halb zu sich selbst, aber doch so laut, daß die we ßen Chrysan themen es hören mußten. „Begreifen Sie dos, Immergrün?" Immergrün antwortete: „Lassen Sie doch den paar Leuten, die noch reich sind, dos Vergnügen. . . . Sie wissen ja, Ehrysan- themen find ohnch n eine fatale Angelegenheit. Etwas zu kurze Basen, ein wenig Kälte . . . und schon werden si« an den Spitzen gelb, diese Überempfind lichen jungen Damen." Immergrün legte auf di« Beständigkeit Wert. Seine ganze Existenz war auf d.e Dauerhaftigkeit begründet. Er dauerte zuweilen vom Herbst bi übernächste Weihnachten und war sehr stolz darauf. Immergrün war daher auch ziemlich phlegmatisch und neigte nicht dazu, leidenschaftl ch für oder gegen etwas einzutreten. Immergrün empfand bürgerlich, gemächlich, selbstbewußt. So etwa Leben und Leben- Lassen. Das Gespräch wurde dadurch unterbrochen, baß der Ladenbcsitzer die Pase mit den Astern aus dem Schaufenster nahm, um Kundschaft zu bedienen. Es war vielleicht etwa» verletzens was die Kund schaft sagte, aber Menschen sind nun einmal gegenüber Blumen sehr rücksichtslos. Sie wollen oder können nicht verstehen, daß Blumen auch Ohren haben. Eigenartige, besondere Ohren und ein delikates Gehör. „Willst du wirklich diese tristen violetteu Astern nehmen?", sagte die Dame im Eeidenschuh zu ihrem Kavalier. „Vielleicht eine schöne Chrysantheme?", flötete der Ladeninbaber. „Chrysanthemen sind so teuer und welken gleich", sagte der Kavalier mit einer Unverfrorenheit, die an. deuten sollte, daß er keineswegs unter dem Pantoffel seiner Begleiterin stand. „Sehr richtig", dachte Elsbeth, d.e Aster, halb wieder versöhnt mit der häßlichen Bemerkung der Dame. Sie kätte gerne dem Kavalier etwas ins Ohr geflüstert. Aber flüstern können Blumen nicht. Eie können nur dreinschauen. Daher schaute Elsbeth so dre n, als ob sie sagen wollte: „Chrysanthemen sind überhaupt nicht zeitgemäß. Wir leben in einem demokratischen Zeitalter, das sich von so snobistischen Angelegenheiten fernhalten sollte. Chrysanthemen sind geradezu aufreizend. P.elleicht wird das mal wieder andere werden, wenn die beständige Währung kommt und eine Chrysantheme wieder 3 Mark kostet, aber in der Zeit der Milliarden ist eine Chrysantheme deplaciert. Wenden Sie sich dem einfachen Leben zu. junger Mann! Genießen Sie den bescheidenen Lieb- reiz der Astern — ohne gleich an Ansichtspostkarten oder an „Stell auf den T.sch di« duftenden Reseden" zu deuten. Denken Sie an das einfache Zeitalter, das uns groß gemacht, an Fr cdrich den Großen oder Nloltke. Werden Sie ein Asternoerehrer! Kehren Sie zu der Einfachheit zurück!" „Ouatsch'", sagte die Dame im Seidenschuh auf die Bemerkung des Kavaliers, daß Ehrysanchemcn teuer seien und le cht welkten, „was du bloß immer willst! Wenn du was Haltbare» willst, kaufe dir doch Immergrün oder Strohblumen. Fein« Blumen find nicht haltbar. Darum sind sie ja gerade so sch.ck, weil sie nicht haltbar sind." Sie warf den Kopf zurück. „Also geben Sie mir drei Ehrysanthemen!', sagte Sie diktatorisch. Die Ehrysanthemen hatten von diesen ganzen Vorgängen keine Notiz genommen. Sie hatten so- wobl die Verhöhnung der Astern überhört, wie das Gespräch zw scheu den drei schwatzende« Menschen. Sie waren ganz in ihr Weiß vertieft. Sie sahen und fühlten nur Weiß. Sie waren nicht einmal imstande, d « Kleinbürgerlichkeil de» Znuner-rüa und Sa» Stch-Aufschwatzen-Wolle« der Astern wahrzrv nehme». Eie waren sich völlig bewußt, daß si« Aristokxaten, Exklusiv-Blumen waren. Sie waren sich bewvßt, daß sie w-der von den Astern noch der Dame mit de» Seidenschuhen bMrifso» wurde» ZLr Stolz b» stand !m Richt-Begr fsenwerden. Und sie empfanden e» ak» ihr durchaus würdige« vnd ihre« Stand« entsprechendes Schicksal, sehr bald, aber sehr vornehm dahinzuwelken, »hne sich mn Dauerhastig- /»tt chalMn.s-e ade»- scasti-e» Hwy l chmkrlichen HiveasdsdiNgWigea Ml WMWpx» Ei« neues Lebe« Bon^An1I,oi»v »op. „Wir können uns kaum länger al» z«hn Minute« halten!" sagte oer zweite Offizier. Nach emer lurtzmr Pau,e demerue em junger Pasiag.er: „Iw b»> »a zufrieden; weiß Gott, das bin ich!" „Danroare» Ge müt!" Der zweite zuckte die Achseln und ging we.^r. Der Passagier schwieg. Was wustl« der Maa» m Uniform, was wußten alle seine Fohrtgenossen, wie ihm zumute war! E.n.ge brachten Kinoer, brachten Frauen in d.e Boote, anoerc arveiteten wie Rasende an den Pumpen. Flüche, Gebete, hysterisches Schreien cciulltc die Lust. Die Boote wuroen über Fassung»- krast beladen, dann kamen Rettungsrmge zur Per- Leitung. Als auch diese zur Neig« gingen, löste mau die letzten aus. Und sie, di« Nieten gezogen hatten, brachen unverwcilt Stücke der Schanzverktervung ab, um sich m Wasser an iynen halten zu können. Eben- soviele Strohhalme für das w.ld - bewegte Meer! Der junge Passagier sah teilnahmslos dem fieber haften Treioen zu. Ein grimmiges Lächeln teilte seine Lippen, die letzten zeyn Minuten schien«« ihm zu lang, zu viel. Zwei Zigaretten noch, ein« einzig» viclleicyt — er suchte nach der Streichholzbüchse v»d begann nachzudcncen. Seltsam, wieviel Unheil ein Mensch anrichten konnte, ohne dabei bösen Herzen» zu sem! Er selbst hatte sich stets nur treiben lasse» und dennoch war alles, was er begann, übel au»» gefallen. Keiner Fliege hätte cr etwas zu Leide tu» mögen und trug jetzt Schuld daran, daß die Mutter, die Schwestern weinten, über ihn, über ihr eigene» Los. Und daß der Vater sich kaum mehr auf die Straße wagte. — Sie hatten einen Plan ausgeheckt, die daheim, sie hatten ihm fortgeyolsen, au,'s h. zu «inem neuen Leben, wie sie sagten. Mit fündig Pfund in der Tascbr, dem Geschenk dea verhaßten Feindes. Jetzt endlich wurde der Passagier dies Geld los, er schleuderte d.e Brieftasche wett über Bord» Bald, bald mußte er denselben We" gehen. Die Türe, deren Griff zu fassen ihm verwehrt wurde, tat sich nun für ihn auf. lieber Bord gehen oft hatte er mit dem Geranien gespielt. Es durfte nicht sein — er konnte den Jammer der Seinen nicht ver mehren. Aber die Katastrophe dieser Stunde war ein Geschenk des Himmel«; er verschwand, verschwand mit Würde und ließ ihnen daheim die Illusion «in?r späteren Besserung, eines neuen Leben». Ein neue» Leben — pah! Es wäre wieder das alte geworden, nur härter noch, vielleicht sogar schmachvoller. Dnu» drei Cheers für den Dampfer, der das Schiff in tiefer Nackt anrannte, und sich dann feige aus dem Stauße machte! Fünf Minuten waren bereits vorbei, da» Schiff lag tief im Wasser. Der Kapitän stand auf der Kommandobrücke, um iHv die Mannschaft, dir Heizer, der Rest der Passag e.c. Alle klar zum Sprunge, auf ein Zeichen des Skippers wartenG Einige beteten, andere fluchten, die meisten, stumpf vor Todesangst, besprachen den nächtlichen Zusam menstoß im gleichen Tone, in dem sie sich noch gestern über das Wetter unterhalten hatten. Alle aber hielten die Augen fest auf den Kapitän geheftet. Der junge Passagier sah über Bord, das Wasser ging schon bi» an di« Reeling. „Ich werde direkt in die Tiefe gehen!"' dachte er. „Und keinerlei Schmerzempfindung Haven!" Keine Schmerzen — wer weiß? Es ist noch n emanv zurückgekommen und sagte, wie es gewesen war! Jetzt ging eine starke Bewegung durch das Deck. Der Kap.tän schrie etwas, das der Passagier nicht ver stehen konnte, dann bewegte er die Arme nach oben und sprang von der Brücke ab. Die Mannschaft, die Heizer, der Rest der Passagiere folgten. Der junge Mensch zog seine Schuhe aus — es gelckah instinktiv, er selbst lächelte darüber — und sprang kopfüber in'» Meer. „Hallo! Hier komme ich!" rief er, wie »u den vorausgcgangenen Gefährten gewendet. Al» «r wieder nach oben kam, fand er sich, seinem maß losen Erstaunen, mit Armen und Beinen mächtig ausschlagend. Sein« Arme, seine Beine betätigten sich durchaus selbständig, sic schienen seines Willen» n cht zu bedürfen. Sir kämpften mit dem Wasser, wie man es sie seinerzeit gelehrt, und bereiteten sich augenscheinlich auf lange Arbeit vor. Der jungr Passagier hatte sich noch nie so kräft g gefühlt. E» war natürlich Heller Wahnsinn, die Todesqual ik» Unbestimmte zu verlängern. Hätte er früher daran gedacht, er hätte sich mit dem Eckiffe sinken lassen. Auf diese Art zum ndest kam er lebend nicht mehr in die Höhe. Jetzt tauchten auch andere Köpfe au» dem Wasser auf, ein Mann neben ihm schrie und ver sank auf der Stelle. Dies war, das Schreie» aus genommen, genau das Verfahren, das er sich selbst ausgedacht. Nur konnte er es einfach nicht an wenden, sein jugendkräjtigcr Körper widersetzte sich. Dessen Geschäft hieß leben. Leben wollte «r um jeden Preis! Er war von je ein widerspenstiges Ding ge wesen, sein Körper. Auch diesmal entschied er Über di« schwankende Seele und wollte Kampf, Kampf, mit dem Wasser. Durchholten bis an', Ende, süindc auch Ertrinken als gewisses Ziel! Immer durch halten! Und die Arme schlugen Welle auf Welle zu rück und die Dein« halfen v '""er mit. Das Wrack ging im Strudel unter. Arm - und Beine vermieden geschickt die Gefahr. Hallo! Neben dem Passaaier tauchte eine Spiere auf, er griff eifrig nach beu» Holze. An dem anderen Ende der Spiere hing ein Junge, ein schmächtiger, schmutziger Schiffsjunge- „Gehen Sie fort!" kreischt« er. „Das ist meine Spier«, verstehen Sie wohl? Meine, ganz allein!" „Wollen sic mal eine Weile zusammen benutzen, Johnny!" „Sie trägt uns nicht!" schrie der Zunge im Fisteltvn. „Lehen Sie fort! Das ist geme n! Oh, ich sir^r! Ich sinke!" Der Schiffsjunge tauchte mit dem KVpf» unter Taffer. Er kam nicht mehr i» die Höh^ Wenige Stunden später fischte ein zufällig vorbat- konuneader Dampfer den jungen Menschen auf. Er wurde halb bewußtlos in'» Doot, auf da» Schift ge zogen. Als er die Folgen des unerhörten Kampfe» mü dem Wasser überwand, gab er einen falschen Namen, gab er falsch« Personalien an. Demi au» wollte er eia neue» Leben beginnen, tot sein mrd Lleiben für die daheim. Was hinter ihm log, mutzt« vergessen sein, die Fälschung, die Muktertränea, «» Valcn'chmerz — und der Mord an ein«» kleine« -er Telt niemmch frag»,
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