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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 23.11.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-11-23
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192311234
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19231123
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19231123
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-11
- Tag 1923-11-23
-
Monat
1923-11
-
Jahr
1923
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Broltng, 6« LS Rov«nd«k Vie große Debatte im Reichstag (Fortsetzweg von Seite 1.) Präsident Loeb, eröffnet di, Sitzung wo I X Uhr und leitet sie mit der Mitteilung ein, daß er den Abg. Remmel« wegen wiederholter Weige. rung, den Sitzungssaal zu verlassen, für zwanzig Sitzungstage ausgeschlossen habe. Die Kom munisten rufen bet dieser Mitteilung: „Unerhört!", die Rechtsparteien: „Bravo!" Präsident Loeb, verkündet weiter, daß er diese ganz« Dauer de« Rus- schlusses de« Abg. Re mm« le auch den Zutritt zum Reichstag verboten hat. Er werde in Zukunft als ein« gröbliche Verletzung der Ordnung jede Be hinderung de» Präsidenten oder eines Redner» halten und ferner jede Gewalttätigkeit mit dem Ausschluß au« der Sitzung ahnden. Für die Meldung zur Gcschaftsordnungsdebatte soll jeder Redner in Zukunft seinen Antrag nur kurz begrün den. Die Erklärung des Präsidenten wird vom ganzen Haus« mit Beifall ausgenommen. Di« Kom munisten verhalten sich auffallend ruhig. Es erfolgt dann unmittelbar der Ueberganq zur Tagesordnung. Das Wort erhält der Reichskanzler Gtresemana: Dr. Stresemann spricht diesmal von der Rednertribüne des Hauses. Er leitet seine Aus führungen ein mit der Erklärung, daß aus der T-t- fache, daß der Reichskanzler die politische Debatte nicht mit einer Regierimqserklärung eröffnet habe, nicht aus di« Absicht der Regierung geschlossen wer- den dürfe, sich der Vertrauensfrage zu ent ziehen. Im Gegenteil, die Retchsregierung suche die Entscheidung und habe dies vor der Plenarsitzung im Aeltcsten- ausschuß deutlich genug zum Ausdruck gebracht. Der Reichskanzler geht dann auf die Rede des sozial- demokratiscl>en Abgeordneten Wels in der vor gen Sitzung ein. Der französische Ministerpräsident habe vor kurzem die deutsche Reg..nng auf die radi kalen Tendenzen nativ, al istischer Art aufmerksam gemacht. Ls sei n ch. zu leugnen, daß i» der Bevölkerung di« Neigung zu Extremen besteh«. Die Schuld daran aber trage di« Politik der französischen Regierung. „Die Kommunisten ziebcn ihr« Stütz«« au» dem sozialen Elend, di« Radikalen aus den fortwährenden nationalen Demütigungen. Es liegt in der Hand der französischen Regierung, diesen rechtsradikalen Tendenzen den Boden zu ent ziehen durch ein« Aenderung chrer Politik gegenüber Deutschland/ Di, h>Dch hi« Kommunisten steigern sich bei dieser Stell« der Rede Stresemann» derart, daß der Präsident eingreift und den Abg. Hol le in zur Ruhe ermahnt. Al» erneut« Ruse: „Das Parlament hat es herrlich weit gebracht" zur Rednertribüne hinaufschallen, wendet sich Dr. Stresemann temperamentvoll zu den Kommu nisten und wirft ihnen entgegen: „Ja, da» Paria- ment hat es herrlich weit gebracht durch die Art, w>r S i e es d 'red t -ren. An d<;- So'tz' der Kon stitution muh die Achtung de» Parlaments vor sich selber stehen!" Dr. Stresemann fährt fort: „Der Ab geordnete Hergt hat recht. Die innere Lage Deutsch lands ist trostlos, und ich bekenne, ich seh« keinen Weg, st« zu bester». (Unterbrechung durch die Kommunisten. Dr. Strese mann zu den Kommunisten: Meine Herren, wissen Sie einen Weg, sie zu bessern, so halten Si« bitt« damit nicht zurück, sondern sagen Sie uns, welchen Weg Sie führen wollen). Aber Dr. Hergt ist tnkonse- auc t. wenn er oo nie i ü'. aus seiner richt gen Be- trachtung der innerpolitischen Dinge die außen politischen Folgen zu ziehen. Die diplo matisch« Lage hat sich gebessert, so sagen sogar di« Dcutschnationalen, aber sie sprechen der Regierung das Verdienst daran ab. Man kann uns fragen: „Wieso habt Ihr m,t Frankreich verhandelt? Wart Ihr Äuh nicht der Aussichtslosigkeit dieser Deryand. lungen mit Frankreich bewußt?" Aber e, lft darauf zu erwidern: „Selbst wenn wir uns der Aus sichtslosigkeit der Verhandlungen bewußt waren, so mußte der Versuch, solche Verhandlungen zu führen dennoch gemacht werden. Rhein und Rlchr sind viel zu wichtig, als daß wir nicht di« letzten Möglichkeiten erschöpfen müßten, sie zu retten." Ich war durchaus nicht im grundlosen Optimismus besangen, wie men es mir oft vorwirft. Bei der Aufgabe des pas siven Widerstandes habe ich direkt gewarnt vor Optimismus, vor der illusionistischen Einstellung, mit der Aufgabe de« passiven Wider stand:» beginne eine besser« Zeit. Wir haben alle Möglichkeiten erschöpft, di« Aufgabe de» passiven Widerstande» unmittelbar mit Gegenleistungen der anderen Seite zu verbinden. Man wirft uns Plan» losigkeit vor, aber nur von jener Sette, di« ! nse:e Rläre " e w r h'tttn, n cht k - n n t. Das von deutscher Seite der richtige Zeitpunkt für die Ausnutzung der materiellen und ideellen Momente, di« der passiv« Widerstand enthielt, versäumt worden sei, erklärte der Reichskanzler für außerordentlich bedauerlich. Seine Regierung habe den Versuch einer dauern, den Lösung de» Revarationsproblems gemacht, uuü habe über den Versailler Vertrag hinaus die Sach- güter al» Garantie für die Leistungen ang«boten. Vielleicht werd« es noch einmal möglich sein, dies« Sachwerte au»zunutz«n auf einer Konfe renz der Sachverständig««, die die Leistungsfähigkeit Deutschlands prüfen will. Der Reichskanzler begrüßt das Interesse der Vereinigten Staaten an dem Zustandekommen einer solchen Konferenz. L» ergebe sich darau», daß di« deutsche Frag« «in« W«lt- Wirtschaftsfrage fei, fo «i« Deutschland in Gefahr sei, a» der Nhei»- und Nnhrwnnde ,» »erdlute», so könne Europa an der offenen Wunde verbluten, die jetzt Deutschland an seinem -körper ist. Der B«r- such, e.n« stab l« Währung zu schaffen. s«i ein Beweis dafür, daß es nicht das Ziel Deutschland» fei, ein wirtschaftliche, Dumping zu treiben. Die Trostlosigkeit unserer Verhältnisse sei jetzt so offenbar geworden, daß sie in keinem ande ren Land der Welt mehr geleugnet werden könne, und au» der Erkenntnis Henau», «a» «in verarmte» I Deutschland, wa» «in an der deutsche» Wund, leidem- j de» Europa für di« gesamt« W«lt bedeutet, häuften sich jetzt die Anzeichen für jene »en« Konstellation, i» der England, die Bereinigten Staaten, Italien und bi» zu einem gewissen Grad« auch Belgien sich -ufammenfänden. Herzlichen Dank allen, di« sich der deutschen Rot angenommen haben. (Allgemeines Bravo.) Das in Skandinavien, was in Spanten, was in Amerika geschehen ist, verpflichtet uns zu herzlichem Dank. Was di« Deutschamerikaner geleistet haben, wa» in Deutschs st erreich an H lfsbereitichafi sich gezeigt, um den geistigen Kräften Deutschlands zu helfen, das müssen wir besonder» dankbar anerkennen. Bundeskanzler Dr. Seipel und die Abgeordneten Otto Bauer und Ding hofer haben zu uns so gesprochen, daß ihre Worte, mögen wir auch staatlich getrennt sein, das Echo 'in den, das ein Bruder bem anderen findet. (Leb- hafte» Bravo.) Wir baden angenommen, daß nach dem Abbruch de» passiven Widerstandes Verhandlungen von Re- aierung zu Regierung beginnen würden, und wir hatten, dos betone ich, ein Recht gehabt, d e» an- zunehmen, denn es war off iell und feierlich gesagt worden, 24 Stunden nach dem Abbruch des passiven Widerstandes wird von Regierung zu Re gierung über alle Fragen ohne Ausnahme ver handelt werden. Um sich dem zu entz ehen, hat man »uu die Fiktion ausgestellt, der passive Widerstand fei g« »tcht curfgehobe» worden, und man hat gesagt, wir bezahlen ja noch den Be- amten in der Pfalz auf drei Monate Geld und wir schicken noch Erwerbsloscnunterstützüng ins besetzte Gebiet. Meine Herren, das war einfach eine Selbst- verständl chkeit, denn ohne die» wäre sofort da» Chaos eingetreten. In langwierigen Bemühungen haben wir dann nachgewiesen, daß der passiv« Wider- stand tatsächlich voll auf gehoben fei. Wir haben nachgewiesen, daß d e Verordnungen darüber widerrufen sind, und wir haben nachgewiesen, daß wir bereit sind, die Arbeit wieder in Gang zu setzen. Wir haben uns bemüht, zu Verhandlungen zu kommen. Dir drangen nicht durch, und wir sind bis heute nicht durchgedrungen. Mit erhobener Stimm« sortfahrend: Ei» Skandal i» der Geschichte der Völler, daß die verantwortliche Regierung, di« für ihr Doll zu spreche» hat, einfach ansgeschaltet wird. L» ist dahin gekommen, daß wir un« entschließen mußten, andere Instanzen und andere Personen zu beauftragen, an unserer Stelle zu verhandeln. Bei den Verhandlungen zwischen den Industriellen und General Degoutte habe die Frage der Arbeitszeit nicht dm entscheidend« Rolle gespielt. Di« deutsche Regierung wenigstens habe de« Standpunkt vertreten, daß für die Arbeitszeit ' die derrtschen Gesetz« gelten müßten. Die deutsche Regierung war bereit, Garantie« für die Kohlen lieferungen und für di« Kohlensteuer zu bieten, weil sie sich für moralisch verpflichtet hielt, das Wirt schaftsleben im besetzten Gebiet in Gang zu bringen. Daß si« das getan hat, obwohl sie alle Reparations leistungen habe ruhen lassen, beweise, bis zu welchen Opfern sie für das Rhein- und Ruhrgebiet bereit gewesen sei. Der Abgeordnete Del» hab« di« Frage der Erwerbslosigkeit in den besetzten Gebieten erörtert. Der Reichskanzler sagt darauf, es würde ein Tag der inneren Befriedigung sein, an dem die Mitteilung von dem Abschluß der Verhandlungen zwischen der Industrie und den Besatzungsmächten eintreffen werde. Ader, sollte die Regierung den Ruhreinbruch legalisieren durch die Anerkennung, daß die Kohlen lieferungen und die Kohlensteuer auf ein anderes als das Reparationskonto geschrieben würden, daß sie Mr die Besatzung»truppen einer einzelnen Macht oder zweier alliierter Mächte verwendet werden sollen? Line derartige Unterschrift hätte zweifello» di« Legalisierung d«s Ruhreinbruche» bedeutet, und dazu konnte sich kein« deutsche Regie rung verstehen. Mit Zustimmung der Reichsregierung dürfe Geld nicht in die Kaffen einer einzelnen alli ierten Macht fließen, die an dem Einbruch beteiligt ist, und die dadurch di« Kosten decken will. (Leb hafter Beifall im ganzen Hause.) Wir haben finan- ziell, sagte der Reichskanzler, alles getan, politisch haben wir unser Recht «gewahrt. L» sei der Regie rung eine Kursänderung in der Rhein- und Ruhrpolitik vorgeworfen. Der sozial demokratische Redner habe festgestellt, daß di« Re gierung einen neuen Kur» eingeschlagen habe, der deutschnationale Redner, daß sich an der Politik nicht» geändert habe. Der Reichskanzler verweist auf seine Rede in Halle und aus seine späteren Kundgebungen in der Rhein- und Ruhrfrage, und stellt fest, daß ein gerader Weg ovn den ersten Er- klarungen der Regierung bi« zu ihren letzten Hand lungen führe. Es ist der Regierung auch damals vor geworfen worden, daß si« sich zu sehr von materiellen und zu wenig von ideellen Gesichtspunkten leiten lass«. Der frühere Retchssinanzminister Dr. Htlferdtng hat de» Satz geprägt, daß di« deutsche Politik leider - ei» Opfer der Währung geworden fei. Man müff« diesen Satz unterschreiben. Wenn der Uobergang zur W«rtkxständigkeit unserer Währung nicht eine Fiktion sein soll, dann muß sich die Re gierung von finanziellen Erwägung:» in ihren Maß nahmen leiten lassen. E» ist nicht verwunderlich, daß d«r Derwaltung»rat der Renten bank den Wunsch hatte, mit dem Reichskanzler zu sprechen. Der Derwaltungsrat der Rentenbank ist verantwortlich für di« Bonität feiner Papiere. Das Kommunique, das der Abgeordnete. Wels so scharf kritisiert, stammt nicht au» der Reich»drucker«i, es stammt von der Rentenbank. E» steht auch nicht darin, daß der Neich»kanzler sich mit allem einverstanden erklärt hab«, wa» der Derwal- tungorat der Rent«nbank vorgetragen habe. Da» allerdtng» sage ich auch hier wieder mit aller Offen heit: Ei« GefioGuug der Wirtschaft »h»« «tue Reu- dar Arbeitzeit tst «tussch «ebi»k»tabel. E» wirb gesagt, wir wollte« de« Vertrag von Der- falNe» zerreißen. Mein« Herren, da» Zerreiße» de» Vertrage» »»» Versailie» geschieht von ganz anderer Seit«, vo« der Se t«, die da» wenige Recht, das dieser Vertrag un» gibt, un« noch vorenthält und unmittelbar von denen, di« die» dulden. Der Reichskanzler wendet sich dann der Be- sprcchung der Ereignisse t» Bayer» zu. Don hier ab werden die Zwischenrufe der Kom munisten immer häufiger. Der Widerspruch wird immer lauter, und der Reich»tag»päsid«at sieht sich zu der Androhung genötigt, daß er von seinen Disztplinarmittkln Gebrauch machen würde, wenn die andauernden Unterbrechungen de» Reichrkgnz- ler» nicht auchörten. ' Dr. Stresemann sagt, die Dinge in Bayern zeigen, wohin e» führen kann, wenn sich eine Regierung in Abhängigkeit von Organisationen beg be. Eine Ein flußnahme von Organisationen muß von Anfang an zurückgewiesen werden. Die - Re'chsreaierung gegen den Rittst vom 8. November waren klar und eindeutig. Wäre es nicht zu jenem Umschwung vom 9. November ge kommen, wäre nicht in Berlin die Mitteilung ein- getroffen daß die verfassungsmäßigen Zustände wie- der herg-st-llt s-ien d-nn n'är-n die ^oige-'na-n a> » dem Beschluss der Retchsregierung in der Nacht auf den 9. November getroffen worden. Di« verfassungs mäßige Regierung in Bayern mußt« gestürzt wer den, gleichgültig ob si« sich un» freundlich gegenüber stellte oder nicht. Als nach dem 9. November di« Gegensätze zwischen den führenden Persönlichkeiten der Organisationen und der rechtsradikalen Bewegung sich zeigten, wäre es völlig falsch gewesen, von Berlin au« einzugreifen. Bedai^rlich sind di« Vorgänge in Bayern auf jeden Fall. Gerade wo an Rhein und Ruhr um die Einheit des Reiches ge kämpft wird, wird dieser Gedanke der Einheit in Bayern kaput geschlagen. Dort, in Bayern wird da» Grab geschaufelt, in de« der Weste» versinkt. Da» ist di« Auffassung in den besetzten Gebieten gewesen. Dann die Rückwirkungen auf da» Ausland in dem alles Deutsche ohnehin schon im Zerrbild er scheint. (Zwischenruf der Kommunisten: Und do lassen Sie den Kronprinzen zurückkommen? Der Reichskanzler sagt: Dafür übernehme ich die Verantwortung, hier liegt auch ein mensch liche» Recht vor. Wie wir um die letzten Gefange nen von Avignon kämpften, so können wir auch um die Rückkehr de» Exkronprinzen kämpfen.) Der Reichskanzler fährt dann zu dem Thema Bayern fort und meint, daß di« Beschlüsse der Reichareqirrung vom 9. November dazu beigetragen hatten, daß die Vorgänge auf München beschrankt gsblieben sind. Wenn man unsere Maßnähmen pom 9. Novem ber für oberflächlich hält, so glaub« ich. die B e r «t t- stellung der Reichswehr ist keine Oberflächlichkeit. Die Rückkehr der bryri- schen Regierung zu verfassungsmäßigen Zustande» ist ein« Notwen digkeit. Bei Verhandlungen, die zwischen Bayer» u»d de» Reich bevorstehe», tst di« «ubedivgl« Voraussetznng die Rückkehr z» verfassungsmäßige» Zustände» mr vorbehaltlose Unterfirllnvg der 7. Dfifisto» unter die Heeresleitung. Da» hat man auch in wetten und maßgebenden bayrischen Kreisen durchaus anerkannt. In Payern will man die Revision der bestehenden Reichsverfassung. Man wird die» tun können nach drei Richtung«»: man wird ersten» den Ländern einraumen können, daß st« für bestimmte Zeit ohneeinen Eingriff der Reichsgewalt selbst Ordnung zu schaffen versuchen, und man wird zweitens nachyeben können dem Wunsche auf Dezentralisation der Der- kehrsverwaltungen, und man w rd drittens dem Wunsche der Länder, denn es handelt sich nicht nur um Bayern, sondern auch um die anderen Länder, auf Aenderung der Finanzverwaltung und Finanzgebarung Nachkommen können. Voraussetzung jeder Aenderung der Verfassung iit die Achtung der Verfassung, die mau ändern will, auch durch da« bayrische Volk. Der Reichskanzler wendet sich dann der Er örterung der Vorgänge t» Sachse» zu. Es war vielfach so hingestellt, als ob die Ver hältnisse in Sachsen idyllisch genesen seien, ehe die Reichswehr dort einmarschierte. Aber die Ent sendung der Reichswehr nach Sachsen ist noch er folgt, al» die große Koalition bestand. Es waren sich also damals alle in der Regierung vertretenen Parteien darin einig, daß in Sachsen Ordnung geschaffen werden müsse. Wenn Uebergriffe vorgekommen seien, so müsse ihnen nachaegang«n werden, und noch vor der Rede des Abg. Del» ist ein entsprechender Befehl an die zuständigen mili tärischen Stellen ergangen. Da» Verhältnis zwische« Reichswehr und Bevölkerung iy Sachsen wäre eia besseres gewesen, wenn die kommunistische Agitation nicht eingesetzt hatte. An dieser Stelle seiner Aus führungen wird der Reichskanzler durch an- dauernd« Zwischenrufe der Kommunist«, unterbrochen. Besonders Abg. Thomas tut sich darin hervor. Der Präsident ruft ihn zweimal zur Ordnung wegen gröblicher Verletzung der Ordnung und wegen Behinderung des Reichskanzler« am Sprechen. Er verwarnt ihn und kündigt an, daß er beim dritten Ordnungsruf di« entsprechende« Maß- lahmen ergreifen «erde. Der Kanzler erklärt weiter, es sei ihm auch von den Vertretern der Arbeitsgemeinschaft die Frage vorgelegt worden, ob der Reichsausnahme, zustand in den ruhigen Gebieten des Reiche» nicht durch «inen zivilen Ausnahmezustand ersetzt werden könnte. Die Aufhebung des Ausnahme zustandes könNe nach seiner Meinung erfolgen in den Gebieten, in denen Ruhe herrsche und die Ge währ der Aufrechterhaltung dieser Ruhe gegeben sei. Hierauf wendet sich der Kanzler wirtschaft- lichen Fragen zu und g-ht zuerst auf den Vorwurf ein, daß di- Einführung de« wertbeständigen Geldes viel z u spät erfolgt sei. Reichsfin^nz- Minister Dr. Hilferdinq habe bereits mit Recht darauf hingewiesen, daß mit der Ausgabe wert beständigen Geldes so lange gezögert werden müsse, bi» die größten Ausgaben für da» besetzte G-biet be endet seien. Die Schaffung einer Zwischen währung fei unbedingt notwerdig qew'ien. Auch von den Banken, die si*> m't d-r Sck'aff'nq einer Goldnotenbank in Köln befassen, sei erklärt k-e aNn- t- vergehen würden, ehe die ersten Goldnotrn in den Verkehr kommen könnten. Da» Reichskartell gesetz und da« Arbeitszettgesetz müßten in gang kurzer Zstt verabschiedet werden. Da» Reich könne diese Dinge aber nicht allein lösen, sonder« e» brauche ausländische Kredit». Wes das, was in der Presse steh« vo» Verhand lungen mit amerikanischen Finanzier» usw., sei offiziell an di« Regierung noch nicht gekommen. Was offiziell an die Retchsregierung heranaetteten sei, sei da» Anerbieten einer ausländischen Finanz- gruppe, durch Vermittlung de» Vorsitz end r» de« Reichsgrundbesitzervetbande« an den Reichskanzler einen Kredit von 1 Milliarde Goldmark zu geben, allerdings unter der Vor aussetzung einer Gewähr für di, Schaffung einer stabilen Währung. „Wir müssen an die- jenigen, die sich d«r Bedeutung Deutschland» für die Stabilisierung der Weltwirtschaft un- auch dessen bewußt sind, daß wir allein dazu zu schwach sind, unseren Appell um ausländisch« Kredite richten. Wir all« sind zu schwach fett diesem Frieden, der nichts andere» ist als die Fortsetzung de» Krieges mit ande ren Mitteln!" Der Kanzler gedentt dann de», verstorbenen Reichsbankpräsidenten Havenstein und sagt, mit seinem Tode habe eine Beam.e.r- laufbahn ihr Ende gefunden, die nicht andere» ge wesen sei, al« selbstlose Hingabe an die Pflicht. Zum Schluß kommt der Kanzler auf die Subiutzttöfrage zu sprechen. Er zitiert den Abg. Hergt, der am Schlüsse seiner vorgestrigen Rede erklärt habe, der Erfinder de» Gedankens dedr Großen Koali tion müsse mit dieser stehen und fallen, und dabei von der Vertrauensfrage gesprochen habe. Der Kanzler erklärt: „Ich habe keine Veranlassung, dieser Erörterung auszuweichen. Ich Hobe kürzlich auch aus de« „Kreisen der eigenen Partei den Satz gehört: Der romantische Gedanke der Volks gemeinschaft sei ausgeträumt. Ditz haben un« jhrelng über die Folgen de» verlorenen Kriege» getäuscht, erst setzt sind wir in die Liquida tion de« verlorenen Kriege» eingetrrten. (Der Reichskanzler spricht weiter.) Oer deutkbnationale Mißtrauen-antrag Berlin, 22. November. (Lig. Tel.) Von den Deutschnationalen ist im Reichstage folgender Miß- trauensantrag gegen die Regierung ein gebracht worden: „Der Reichstag entzieht der Reichsregierung das Vertrauen, dessen sie nach Artikel 54 der Reichsverfassunq bedarf." Das Gefüqe -er Entente Part», 22. November. (Eig. Tel.) Poinearck wird heut« oder morgen in der Kammer Er klärungen über den gestrigen Beschluß der Bot» schafterkonferenz abgeben. Di« Instruktionen für den Lhef der interalliierten Kontrollkommission in Deutschland, General Rollet, find noch gestern abend ausgefertigt worden. Pertinax erklärt dazu im „Echo dePario", man müsse diese geheimen Instruktionen kennen, um voll« Klarheit darüber zu erlangen, wie schwach die Haltung der Verbündeten gegenüber Deutsch- : land sei. Die Kommentar« der meisten Morgenblätter «ad- wickeln, den gestrigen Erklärungen Poinearä» vor den Pressevertretern entsprechend, den Gedanken, daß di« Aufrechterhaltung der Einigkeit unter den Verbündete» für den Augenblick da» wichtigste Ziel und deshalb eine gemeinsame Rote aller Verbündeten einer energischen Sondernode Frank- reichs vorzuziehen sei. Ein Teil der Blatter äußert die Hoffnung, daß Frankreich und England nun mehr versuchen würden, die Entente auf breitester Grundlage zu erneuern. Die „Zournäe Industrielle" führt au», wenn man zu einem richtigen Verständnis de» französischen Entgegenkommen» bei den letzten Verhandlungen gelangen wolle, dürfe man da» deutsch-fran-ösisch« Problem nicht isoliert be- trachten sondern müsse es im Zusammenhang mit der gesamten Weltlage ins Auge fassen. Man dürfe vor allem nicht außer acht lassen, daß England im Falle einer neuen Uneinigkeit mit Frankreich darauf ausgehen würde, Frankreich ein zu- kreisen, wie es einst Deutschland ein gekreist habe. Poincarä habe deshalb recht daran getan, das Prinzip der Entente zu retten. Die gestrige Einigkeit sei allerdings weder zu- friedenstellend noch ganz aufrichtig. Aber die Möglichkeit einer dauerhaften Einiguneg zwischen Frankreich und England bleibe offen. Die meisten Blätter heben hervor, daß sich Frank- reich für den Fall einer weiteren Auflehnung Deutschlands gegen den Versailler Vertrag das Recht auf Sonderaktionen vorbehalten habe, wch daß die künftig« Entwicklung tatsächlich von der Haltung Deutschland» abhänge. Die extrem-natio nalistisch en Organe lassen dagegen durchblicken, daß sie die gestrige Entscheidung nur hinnähmen in der Hoffnlmg, Deutschland werd« bald einen Bor wand zu einem energischen Vorgehen liefern. Da« von Loucheur inspiriert« „Petit 3 our- na l" legt dar, England habe, indem es Frankreich zu gewissen Zugeständnissen gezwungen habe, auch die Verantwortung dastr übernommen, daß Deutschland die Forderungen der Verbündeten er füllen werde. Sollte diese Erfüllung ausbleiben, so würde England keine Autorität mehr haben, sich durchgreifenden Maßnahmen Frankreichs zu wider- setzen. Ein Angriff gegen Poincarö wegen seiner Haltung bet den letzten Verhandlungen findet sich im Leitartikel de» „Echo National": Hier wirst Tardieu Poinearä in scharfer Form vor, er habe eine Politik gemacht, die noch schlimmer sei al» die jenige Briand» in Cannes. Tardieu geht s» weit, zu behaupten, Poinearä habe Deutschland voll» Freiheit zur Vorbereitung einer Revanche gelassen. Geflüchtet Chcmuttz, 22. November. (Eta. Tel.) De» Lhemn tzer Rrgierungsrat Westphalinger, der nach brr Mitteilung de» Wehrkreiskommando» V mit anderen linksorientirrten Regierungskommist , saren in Sachsen seine» Postens enthoben ist, ist seit einiger Zeit aus Chemnitz verschwunden. E» schwebt gegen ihn ei« Verfahren wegen Waffe» Verschiebung
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